Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die konstruktive Zusammenarbeit und wünsche Herrn Dr. Hase alles Gute.

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1985 (neu) und den Änderungsantrag Drucksache 16/2026 federführend an den Sozialausschuss sowie mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Dann haben wir einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Gesundheitsfonds stoppen - Beitragshoheit der Krankenkassen bewahren

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1987

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Für die antragstellende Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass ich mich auf diesen Tagesordnungspunkt besonders gefreut habe. Im „stern“ werden Sie morgen nämlich lesen: Zwei Frauen gegen den Rest der Welt. Gemeint sind Angela Merkel und Ulla Schmidt. Sie sind nämlich die beiden Einzigen, die diesen Gesundheitsfonds noch wirklich wollen.

Es lohnt sich, bei diesem Punkt die W-Fragen zu stellen: Wozu brauchen wir noch diesen Gesundheitsfonds? Wer will ihn überhaupt noch? Was bewirkt der Gesundheitsfonds überhaupt? Wie wird vermutlich der Beitragssatz aussehen? - Nun wollen wir die W-Fragen beantworten.

Erste Frage: Wozu brauchen wir diesen Gesundheitsfonds? - Hier zitiere ich gern den Generalsekretär der SPD, Hubertus Heil: Der Fonds an sich ist weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes. Die Frage, wie er ausgestaltet wird, werden wir sehen. Unser Ziel ist ein Fonds, der zu mehr Transparenz und Wettbewerb im Gesundheitswesen führt. - Das hat er am 28. Juli 2006 gesagt.

Wissen Sie, was Hubertus Heil am 9. April 2008 gesagt hat? - Ich sage es Ihnen: Der Gesundheitsfonds war der Wunsch der Kanzlerin. - Die Antwort auf die Frage, wozu wir diesen Gesundheitsfonds brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist also: Wir brauchen ihn selbstverständlich nicht.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie wissen, er ist aufgrund zweier völlig unterschiedlicher Denkweisen als Kompromiss kreiert worden. Die einen wollten die Bürgerversicherung. Ich würde mich in diesem Zusammenhang einmal mit dem Begriff Versicherung auseinandersetzen. Denn es hat mit einer Versicherung nichts zu tun. In Wahrheit ist es eine Volkskasse. Die anderen wollten eine Kopfpauschale. Dann haben sie gemerkt, dass diese Bezeichnung im Polit-Marketing nicht so gut ankommt und daraufhin haben sie das Ganze Gesundheitsprämie genannt. Beide können ihre Modelle nach der Bundestagswahl 2009 realisieren. Sie brauchen gar keinen Gesundheitsfonds, um eine Bürgerversicherung zu installieren und auch die andere Seite braucht für eine Gesundheitsprämie nicht diesen Gesundheitsfonds. Also: Wozu brauchen wir den Gesundheitsfonds? - Wir brauchen ihn nicht.

(Beifall bei der FDP)

Wer will ihn überhaupt noch? - Das ist eine interessante Frage, da kein mir bekannter SPD-Gesundheitsexperte, kein mir bekannter Unionsgesundheitsexperte, kein mir bekannter grüner Gesundheitsexperte und auch kein mir bekannter liberaler Gesundheitsexperte diesen Gesundheitsfonds möchte. Ich darf einmal Karl Lauterbach von der SPD zitieren. Eigentlich zitiere ihn nicht so gerne, aber an der Stelle mache ich es doch sehr gerne. Er sagt: Dieser Fonds ist so überflüssig wie eine Autobahnbrücke ohne Autobahn. - Recht hat der Mann an dieser Stelle. Wer will ihn also noch? - Eigentlich niemand bis auf die beiden Ladies.

Also, nur noch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen diesen Gesundheitsfonds. Das Thema Gesundheit und die Sicherung des Gesundheitssystems ist allerdings

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

zu ernst, als dass es für diese beiden Damen für eine reine Gesichtswahrungsaktion herhalten dürfte. Diese beiden Frauen würden Größe zeigen, wenn sie einräumen würden, dass sie sich an dieser Stelle geirrt haben.

Was bewirkt der Gesundheitsfonds überhaupt? Das kann ich Ihnen sagen: Wenn er doch noch käme, dann würde er Chaos bewirken, liebe Kolleginnen und Kollegen, und zwar in erheblichem Umfang. Er würde 155 Millionen € jährlich irgendwie von der einen Kasse zur anderen umverteilen und er würde zu einer chronischen Unterfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung führen, wenn die Konvergenzklausel Buchstabe für Buchstabe umgesetzt würde. Dies können Sozialdemokraten mit Sicherheit nicht wollen. Also fordere ich Sie auf, die Finger von diesem Gesundheitsfonds zu lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie wird vermutlich der Beitragssatz aussehen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, da kann man nur mutmaßen. Wir haben im nächsten Jahr Bundestagswahlen. Der einheitlich festzusetzende Beitragssatz könnte vor diesem Hintergrund extrem niedrig ausfallen. Denn mit Sicherheit wird man vor der Bundestagswahl dem Volke nicht die ganze Wahrheit sagen, was man eigentlich braucht, um ein ordentliches Gesundheitssystem zu finanzieren. Dann sind insbesondere die gesetzlichen Krankenversicherungen und die Versicherten die Gelackmeierten, die dann nämlich über die frei floatende On-top-Kopfpauschale zusätzlich das Geld von ihren Versicherten holen müssten. Bevor wir also einen einheitlichen Beitragssatz einführen, der von Anfang an zu niedrig sein wird, rate ich, die Finger davon zu lassen. Frau Ministerin, reden Sie Ihrer Kollegin in Berlin gut zu, die Regelungen, die diesen Gesundheitsfonds im SGB VIII installieren, einfach wieder außer Kraft zu setzen. Sie täten ein gutes Werk im Sinne aller gesetzlich Krankenversicherten.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Ursula Sassen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der FDP-Antrag ,,Gesundheitsfonds stop

pen - Beitragshoheit der Krankenkassen bewahren“ ist nicht neu. Er war bereits am 18. Februar 2008 Gegenstand der Aktuellen Stunde im Bundestag, sodass ich im Grunde auf die dort geführte Debatte verweisen könnte. Daher möchte ich auch gleich mit dem ersten Satz des Redebeitrages des Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust von der CDU beginnen, der an die FDP gerichtet war:

„Populismus macht nicht populär“.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Herr Kollege Dr. Garg, eine Vielzahl Ihrer Anträge zur Gesundheitspolitik in dieser Legislaturperiode sind populistisch und wiederholen sich. Es ist ein wenig zu simpel, all das, was mit der Gesundheitsreform und der bevorstehenden Einführung des Gesundheitsfonds in der Öffentlichkeit und in der Fachwelt Unbehagen auslöst, parteipolitisch auszuschlachten, um sich zum Freund aller Akteure im Gesundheitswesen zu machen und selbst kein Patentrezept in der Schublade zu haben.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Die im FDP-Antrag gestellte Forderung, den Gesundheitsfonds zu stoppen, um die Beitragshoheit der Krankenkassen zu bewahren, bringt uns allerdings überhaupt nicht weiter. Wer glaubt, mit einem „Stopp“ des Gesundheitsfonds die Beitragssätze in unserem Land stabil zu halten, ist auf dem Holzweg. Diese Diskussion hat mit dem Gesundheitsfonds relativ wenig zu tun.

Das im Auftrag der Bundesregierung erstellte Gutachten macht primär den Gesundheitsfonds dafür verantwortlich, dass die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen steigen werden. Dieses Gutachten wird allerdings als fachlich mangelhaft bezeichnet, weil es mit Spekulationen arbeitet. Die Entwicklung der beitragsrelevanten Einnahmen können wir im Augenblick gar nicht abschätzen. Ebenso wenig lässt sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten vorhersagen. Im Moment steigt sie erfreulicherweise. Niemand weiß genau, wie hoch die Zahl der Arbeitslosen am Jahresende sein wird. Zurzeit sinkt sie dank der guten Politik der Landesregierung.

Das Gutachten hat auch schlichtweg übersehen, dass der Steuerzuschuss im nächsten Jahr 4 Milliarden € betragen wird und deshalb 1,5 Milliarden € mehr als in diesem Jahr in den Fonds einfließen werden. Da sich der Beitragssatz im nächsten Jahr aus dem durchschnittlichen Beitragssatz dieses Jahres ergibt, kann niemand zum jetzigen Zeitpunkt

(Dr. Heiner Garg)

die Höhe des Beitragssatzes vom 1. Januar 2009 benennen. Wenn die Beiträge steigen, tun sie dies unabhängig von der Existenz des Gesundheitsfonds.

Die Gesundheitsreform hat für die Versicherten auch zusätzliche Leistungen vorgesehen. Ich nenne hier nur einmal die Schutzimpfungen, MutterVäter-Kind-Kuren, Palliativmedizin und medizinische Rehabilitationen sind Pflichtleistungen geworden. Diese wirken sich ebenso auf die Beitragssätze aus wie ein gerechteres Honorierungssystem für Ärzte, das wir dringend brauchen, um die ärztliche Versorgung sicherzustellen.

Das neue Finanzierungssystem besteht aus zwei Teilen, dem allgemeinen Beitrag und dem Zusatzbeitrag. Der allgemeine Beitrag wird vom Durchschnittssatz aller Kassen ermittelt. Kommt eine Kasse mit diesem Beitrag nicht aus, ist sie gezwungen, einen Zusatzbeitrag zu erheben, kann aber auch, wenn ihre Finanzlage es erlaubt, Rückerstattungen vornehmen. Die Frage des Risikostrukturausgleichs ist noch nicht endgültig geklärt und muss noch bearbeitet werden.

Es gibt viele Gründe, den Gesundheitsfonds abzulehnen oder für eine Verschiebung zu plädieren,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

je nach Sicht der Betroffenen. Es gibt auch Gründe, sich darauf einzulassen. Dies erfordert Mut, vielleicht auch ein wenig Mut der Verzweifelung, weil es unter den gegebenen Umständen - ich nenne nur den demografischen Wandel, die zu geringe Zahl der Erwerbstätigen - keine wirklich überzeugende Lösung des Problems der Finanzierung des Gesundheitswesens gibt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bürgerversicherung!)

Ich sagte es schon: Auch die FDP kennt diese Lösung nicht.

Wir sollten im Ausschuss mit der Ministerin den Sachstand diskutieren, damit beim Gesundheitsfonds, wenn er denn kommt, regionale Sonderheiten berücksichtigt werden können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Jutta Schümann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Sassen, Sie haben völlig recht mit Ihrer Einführung. Wir haben von der FDP zu diesem Thema nichts Neues gehört.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Natürlich habt ihr etwas Neues gehört!)

Gesundheitspolitik in Deutschland ist immer Politik für 82 Millionen Menschen. Unser System ist überaus komplex. Mit der Reform unseres Gesundheitswesens, dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, soll unser Gesundheitswesen in den Strukturen, in der Organisation, in den Finanzen und auch im Bereich der privaten Krankenversicherung zukunftweisend umgestaltet werden.

Die bisher eingeleiteten Maßnahmen haben das Ziel, die Qualität der Versorgung zu verbessern sowie die Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten zu erhöhen. Für die Versicherten, für uns also und für die Menschen draußen im Land, zählt allein ihre Gesundheit und die hierfür notwendige medizinische Versorgung heute und für die Zukunft.

Wir wissen, dass der Auslöser für die Neuausrichtung und insbesondere für die Finanzierung zukünftiger Versorgungsstrukturen zum einen der demografische Wandel ist, zum anderen aber auch der medizinische Fortschritt dazu beiträgt, dass Menschen gesund älter werden. All das bedeutet natürlich auch, dass medizinische Versorgung insgesamt teurer wird.

Die Positionen von CDU und SPD auf Bundesebene zur Gesundheitsreform lagen von Anfang an weit auseinander, und wie es nun einmal in demokratischen Systemen ist, müssen letztendlich auch zur Lösung komplexer politischer Probleme Kompromisse herbeigeführt werden. Nur so geht es. Das ist in den vergangenen Monaten in vielen Bereichen erfolgt. Es gibt sehr viele Verbesserungen durch das Gesetz. Das sollten wir nicht kleinreden, das sollten wir auch nicht ignorieren. Die Kollegin Sassen hat auf einige Verbesserungskonzepte hingewiesen. Für viele Menschen gibt es neue zusätzliche Versorgungsangebote, es gibt flexible Strukturen, es gibt die Möglichkeit zu neuen Kooperationen zwischen stationären Dienstleistungsanbietern und niedergelassenen Ärzten und so weiter.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])