Die vorliegenden Antworten bieten mir Gelegenheit, Ihnen einen Überblick über Lage und Aussichten des Standortes und über die ressortübergreifenden Aktivitäten der Landesregierung zu geben. Ich möchte meine Ausführungen mit drei Botschaften versehen. Die erste Botschaft lautet: Gesundheit ist Jobmotor. Nach unserem Selbstverständnis ist Gesundheit nicht allein ein Kostenfaktor, sondern auch und eigentlich vor allem Wirtschafts- und Jobmotor. Je nachdem, welche Grenzbereiche man zur Gesundheitswirtschaft dazurechnet, sind es bis zu 17,5 % unserer Beschäftigten, die im Gesundheitssektor arbeiten. Von den 30 größten Firmen in Schleswig-Holstein gehören zehn zur Gesundheitsbranche. Diese zehn Unternehmen beschäftigen allein 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Unsere besondere wirtschaftliche Stärke liegt im Bereich der Medizintechnik und der Pharmazie. Schlüsselunternehmen in unserem Land wurden und werden unterstützt. Das Ergebnis ist bemerkenswert. Von 2000 bis 2006 verzeichneten die Medizinunternehmen kontinuierlich ein starkes Umsatzwachstum. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen spiegelt sich im Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz - dieser Anteil hat sich fast verdoppelt - wider. Das ist zuvörderst das Verdienst der Unternehmen und insbesondere ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dass das aber so bleibt, ist vorrangiges wirtschaftliches und Gesundheitsziel der Landesregierung. Deshalb investieren wir in Spitzenforschung - wie zum Beispiel Entzündungs-Cluster -, deshalb wagen wir uns an Leuchtturmprojekte wie das Partikeltherapiezentrum, deshalb verzahnen wir Gesundheitswirtschaft und Gesundheitsversorgung - wie zum Beispiel beim Einsatz der Telemedizin -, und deshalb investieren wir in unsere Krankenhäuser.
Auch noch nicht ausgeschöpfte Potenziale sind im Blick. So werden zum Beispiel die Tourismusbranche und die Gesundheitsversorgung zusammengebracht. Hier wird der qualitätsgesicherte Gesundheitstourismus im Land neu ausgerichtet.
Die Verzahnung der Bereiche Gesundheitsversorgung und Wirtschaft ist ein Kernelement unserer strategischen Leitorientierung in der Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein. Wir bringen alle Akteure der Gesundheitswirtschaft zusammen, schaffen und stärken medizinische und wirtschaftliche Synergieeffekte.
Die zweite Botschaft: gute Gesundheitsversorgung sichern. Die Gesundheitsinitiative SchleswigHolstein dient auch der Sicherung der gesundheitlichen Versorgungsstrukturen. Hier ist vorausschauende Planung sehr wohl angezeigt. Aber wir handeln schon heute, und unsere Voraussetzungen das sollten wir immer wieder sagen - sind gut. Wir haben ein dichtes Netz an Praxen von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern. Wir haben zum Teil bereits jetzt hervorragende Netzwerkstrukturen mit inzwischen 36 medizinischen Versorgungszentren und mit 19 Praxisnetzen. Bei den Niedergelassenen hat Schleswig-Holstein die höchste Netzdichte Deutschlands. Die Versorgung mit Ärzten im Land ist gut. Die Zahl der Vertragsärzte liegt bei 4.069 und damit um 210 höher als im Jahr 2.000.
Ich sage es noch einmal, weil es häufig anders wahrgenommen wird: Die Zahl der Vertragsärzte liegt bei 4.069 und damit um 210 über der Zahl des Jahres 2.000. Die Zahl der Vertragszahnärzte stieg im gleichen Zeitraum um 39 auf 1876. Mit 1,4 Ärzten auf 1.000 Einwohner hat sich die Versorgung seit 2.000 leicht gesteigert.
Das Stadt-Land-Gefälle ist hoch. Dennoch liegt lediglich im Bedarfsplanungsbereich Kreis Steinburg eine Unterversorgung vor. Absehbarer Unterversorgung begegnet die Landesregierung offensiv und gemeinsam mit allen Akteuren. Das gilt insbesondere für den ländlichen Raum an der Westküste. Gemeinsam mit den Landräten von Dithmarschen, Steinburg und Nordfriesland, mit der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kassen, den Krankenhäusern und Niedergelassenen bringt die Gesundheitsinitiative aktuell zwei Projekte an den Start. Die Zukunftsprojekte Gesundheit an der Westküste. Ich sage: Die Bevölkerung kann sich auf uns verlassen.
Das Geld für die wohnortnahe ambulante Versorgung und selbstverständlich auch für die Krankenhäuser ist Teil der Daseinsvorsorge, übrigens auch da, wo es schwierig ist, auf den Inseln und auf den Halligen. Fehmarn braucht auch weiterhin ein Krankenhaus.
Sie wissen, dass wir uns als Landesregierung intensiv für das Thema bundesweiter Basisfallwert einsetzen. Ich weiß, dass es inzwischen einen Referentenentwurf im Bundesministerium gibt, der dieses Thema beinhaltet. Wir warten wöchentlich auf die Veröffentlichung durch das Bundesministerium, um dann unseren Druck weiter zu erhöhen. Denn dann brauchen wir die Mehrheiten in den anderen Bundesländern und dann müssen wir alle innerhalb unserer Parteien dafür sorgen, dass diese Gerechtigkeit auch tatsächlich endlich eintritt.
Unter dem Stichwort Versorgungssicherheit ist nicht nur die Angebotssicherung in der Fläche zu bedenken. Die Landesregierung setzt neue Prioritäten zur qualitativ hochwertigen Deckung gewandelter medizinischer Bedarfe. In der Kindergesundheit zum Beispiel mit den verbindlichen Frühuntersuchungen, in der Versorgung alter Menschen mit dem Ausbau des dreistufigen geriatrischen Konzepts. Ob Brustkrebs oder Prostatakrebs - gemeinsam mit den gesundheitspolitischen Partnern wird für Spitzenleistungen gesorgt.
Wir setzen neue gesetzliche Möglichkeiten vorbildlich um, zum Beispiel bei der Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlung gesetzlich Versicherter oder aber auch mit Blick auf die Mutter-und-Kind-Kuren und die Palliativversorgung.
Schleswig-Holstein sichert mit der Öffnung der Krankenhäuser allen Versicherten - egal ob privat oder GKV-versichert - den Zugang zu den besten Spezialisten.
Schleswig-Holstein ist immer vorn dabei, wenn es um Innovationen im Gesundheitswesen geht. Ein Beispiel, auf das ich mich ausdrücklich positiv beziehe, ist die elektronische Gesundheitskarte. Dazu wird teilweise gesagt, dass das jetzt schiefgeht. Ich sage Nein, die Karte ist in der Testphase, damit Schwächen identifiziert und ausgeräumt werden können. Genau das passiert. Wir haben im Rahmen der GMK die Bundesregierung aufgefordert, die Systemvoraussetzungen der elektronischen Gesundheitskarte zu optimieren. Wir haben also frühzeitig Probleme erkannt. Erneuerungen aktiv mitgestalten, damit im Interesse unserer Bürger und Bürgerinnen das beste Ergebnis erzielt werden kann - das ist unsere Philosophie.
Das dritte Thema: Landesinteressen im föderalen Rahmen zur Geltung bringen. Damit sind auf der Ebene der Strukturreformen dicke Bretter zu bohren. Die aktuellen Gesundheitsdebatten sind be
herrscht von bundespolitischen Entscheidungen und Kontroversen, so zur Finanzierung einer patientengerechten Gesundheitsversorgung - das haben wir gestern debattiert -, zur angemessenen und leistungsgerechten Vergütung medizinischer Leistungen, zum verantwortungsbewussten Umgang mit Mittelknappheit, und ganz generell diskutieren wir auf vielen Ebenen die Rolle von Staat, Markt und Selbstverwaltung.
Das allein ist an sich schon hoch komplex und wird zumeist auch noch von ureigensten handfesten Interessen der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen überlagert. Das gehört dazu. Das tun auch wir, auch wir vertreten unsere Interessen.
Unser aktuell wichtigstes Ziel auf föderaler Ebene: gleiche Preise für gleiche Leistungen, die Einführung des Bundesbasisfallwerts ab dem 1. Januar 2009. Ein Referentenentwurf zum ordnungspolitischen Rahmen insgesamt liegt jetzt im Bundesgesundheitsministerium vor. Dieses Bundesgesetz das sage ich hier ausdrücklich - ist auch deswegen so wichtig, weil mit diesem Bundesgesetz die Beendigung des Sondersparbeitrages für die Krankenhäuser verbunden ist. Wir sind der Ansicht, dass diese 0,5 % nicht mehr akzeptabel sind. Dafür werde ich mich auch weiter starkmachen.
(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD], Ursula Sassen [CDU] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Unser zweites Ziel: mehr Mittel für die niedergelassenen Ärzte, und zwar ganz speziell auch in Schleswig-Holstein durch die neue Honorarreform. Das ist das Thema bei den aktuellen Verhandlungen mit den kassenärztlichen Vereinigungen und zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese sind zuversichtlich und werden von uns natürlich darin unterstützt.
Schließlich, aber nicht zuletzt erwarte ich über den neuen Risikostrukturausgleich eine auskömmliche Ausstattung unserer landesunmittelbaren Versorgungskasse mit ihrer hohen Anzahl alter, kranker und relativ armer Versicherter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Motto lautet: Kooperation statt Konfrontation bei der medizinischen Versorgung unseres Landes. Gemeinsam sind wir in der Durchsetzung dieser Interessen stark. Ich denke, dass mit dieser Großen Anfrage und ihrer Beantwortung viel Material da ist, um in dem entsprechenden Ausschuss diese Interessen des Landes weiter zu stärken.
Das Haus dankt für den Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Schleswig-Holstein nennt sich Gesundheitsland. Das tun mehr oder weniger zwölf andere Bundesländer auch. Die große Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in Schleswig-Holstein wird immer wieder besonders von der Landesregierung hervorgehoben. Diese Bedeutung heben zwölf andere Landesregierungen aber auch hervor. SchleswigHolstein initiiert eine Gesundheitsinitiative. Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise initiieren Masterpläne zur Gesundheitswirtschaft.
Die Frage lautet: Wie unterscheidet sich SchleswigHolstein von all diesen anderen Standorten? Eine Antwort ist, dass im Gesundheitsbereich der Bereich Gesundheitswirtschaft gut 137.000 Menschen Arbeit gibt und damit 17,5 % der Beschäftigten in Schleswig-Holstein in diesem Bereich tätig sind. Das ist tatsächlich eine Spitzenposition im Bundesvergleich. Die Frage ist, welche Potenziale wir vor Ort haben, um diese Spitzenposition nicht nur zu halten, sondern um sie auszubauen. Das ist die zentrale Frage, um die es unter anderem in dieser Großen Anfrage gehen soll.
Die Landesregierung betont in der Antwort zur Großen Anfrage zu Recht, dass sich SchleswigHolstein in der Vergangenheit häufig als Initiator etwa von Modellvorhaben profiliert hat.
In Schleswig-Holstein wurden oftmals Neuerungen mit bundesweitem Vorbildcharakter zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in die Praxis schneller umgesetzt als in anderen Bundesländern, die ebenfalls den Anspruch erheben, Gesundheitsstandort zu sein. Bestes Beispiel dafür - die Ministerin hat es genannt - sind die Praxisnetze. Mit 19 dieser Praxisnetze ist Schleswig-Holstein mittler
Umso wichtiger ist es deshalb, kritische Fragen zu stellen, ob Schleswig-Holstein von den Modellvorhaben und der schnellen Umsetzung dieser Neuerungen auch tatsächlich profitiert hat. Was ist aus den Erkenntnissen geworden? Neben einer Bestandsaufnahme wollten wir mit unserer Frage den Blick darauf lenken, wie vonseiten der Politik Rahmenbedingungen gestaltet werden müssen, um die vorhandenen Potenziale besser zu nutzen und sie noch besser zu unterstützen.
Die Große Anfrage zum Gesundheitsstandort sollte als Datenbasis - meinetwegen für einen künftigen Masterplan Gesundheitsland Schleswig-Holstein dienen. Um das Profil Schleswig-Holsteins auf diesem Sektor zu schärfen, brauchen wir eine solide Ausgangsbasis. Ich sage ganz deutlich: In einigen Bereichen haben wir mit den Antworten auch eine solide Ausgangsbasis. Das schließt mit ein, Schwächen des Standortes schonungslos aufzudecken und diese dann mit den Instrumenten zu beheben, die die Politik hat.
Der Anspruch ist hoch, genauso hoch wie die Erwartungen, die durch die Betonung des Gesundheitsstandortes Schleswig-Holstein bei den Menschen im Land immer wieder geschürt werden.
Insofern ist es bedauerlich, dass nicht alle Akteure bereit waren mitzuwirken. An dieser Stelle bedanke ich mich besonders bei den zehn kleinen und mittleren Krankenhäusern, die sich nicht nur die Mühe gemacht haben, die Fragen zu beantworten, sondern hierfür auch die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt haben. Sie haben erkannt, dass Politik nur dann die Rahmenbedingungen im Interesse der Krankenhäuser ändern kann, wenn die Fakten bekannt sind. Das sahen nicht alle Betriebswirtschaftler in den Klinikverwaltungen so. Ich will ein konkretes Beispiel nennen.
Derzeit wird intensiv darüber diskutiert und auch gestritten, wie hoch der Sanierungsstau an den Krankenhäusern ist. Vor dem Hintergrund, dass nicht nur in Berlin sehr konkrete Überlegungen darüber angestellt werden, ob mit Einführung der Monistik - korrekt müsste man eigentlich von einer Wiedereinführung sprechen - eine vollständig neue Weichenstellung in der Finanzierung der Krankenhäuser erfolgen soll, ist es wichtig zu wissen, wie hoch der Sanierungsstau an den Krankenhäusern tatsächlich ist. Es ist wenig hilfreich, wenn der Um
fang des Sanierungsstaus bei den meisten großen Krankenhäusern in Schleswig-Holstein gar nicht bekannt ist.
Bei allem Verständnis für die Situation der Krankenhäuser, die in letzten Zeit mit Sicherheit durch politische Entscheidungen besonders gebeutelt worden sind - jetzt auf diese Fragen verschnupft zu reagieren, halte ich für den falschen Weg.
Der Diskussion darüber, wie hoch der Sanierungsstau in Schleswig-Holstein tatsächlich ist, wird hierdurch ein Bärendienst erwiesen.
Damit wird die Antwort der Landesregierung überlassen, die auf der einen Seite auf ihre Förderung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz verweist und auf der anderen Seite offenlässt, ob eine solche Investition ausreicht. Der Frage, wie es zu diesem Sanierungsstau kommen konnte, weichen Sie, Frau Ministerin, mit Verweisen auf die Fachliteratur elegant aus. So bleibt letztlich offen, ob die 90 Millionen € jährlich reichen, um die anstehenden Sanierungen abzudecken.
Ich kann mir im Übrigen auch schlecht vorstellen, dass die Darstellungen darüber, welche Mittel an den Krankenhäusern notwendig sind, um den Sanierungsstau zu beheben, „aus Gründen der Geheimniswahrung“ nicht mitgeteilt werden sollen. Dabei hätte die Nennung einer Gesamtsumme vonseiten der Krankenhäuser vollkommen ausgereicht.