Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Unsere Botschaft sollte also lauten: Wir alle wollen die gute Kooperation ausbauen, wir wollen sie nach Möglichkeit verbessern. Wir wollen sie gern sichern, auch durch mögliche Vorteile eines Rahmenabkommens. Vor allem - das sind wir auch der guten Nachbarschaft schuldig - sprechen wir erst einmal mit den Nachbarn, bevor wir nach Berlin fahren, denn ein gemeinsamer Auftritt in Berlin beziehungsweise in Dänemark auf der zentralen Ebene würde für das Vorhaben natürlich von Vorteil sein.

In diesem Sinne erwarte ich eine konstruktive Debatte im Ausschuss, und dann sehen wir einmal weiter. Die Idee finde ich jedenfalls sehr sympathisch.

(Beifall bei SPD und SSW)

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/1992 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer dem folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

Biologische Vielfalt erhalten - Artensterben bis 2010 stoppen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2000 (neu)

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2025

Wird das Wort zu Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit heute Morgen unsere Landtagssitzung begonnen hat, sind bereits bis jetzt zwölf Arten ausgestorben. Vielleicht eine Pflanze mit einem Wirkstoff gegen Krebs? Eine Million Jahre alte Korallenart? Eine Getreideart mit geringem Wasserbedarf, die hätte helfen können, vielleicht in Zukunft den Hunger in der Welt zu besiegen? Wir wissen es nicht. Was wir wissen, ist, dass durchschnittlich alle 15 Minuten eine Art für immer von der Erde verschwindet. Was tut diese Landesregierung? Auf der einen Seite spricht sie von der bunten Vielfalt unserer Heimat. Sie weigert sich auf der anderen Seite beharrlich, dringend benötigte Vogelschutzgebiete auf Eiderstedt auszuweisen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie öffnet dem Grünlandumbruch in der Landwirtschaft auf Eiderstedt und im ganzen Land Tür und Tor. Die Trauerseeschwalbe ist wieder auf dem Rückzug, massive Entwässerung lässt die Wasserstände in den Gräben sinken. Kiebitz, Rotschenkel und Uferschnepfe bekommen kaum noch Küken groß, weil die Landwirtschaft immer intensiver wirtschaftet und jeder Flecken genutzt wird.

Die Landesregierung spricht vom gemeinsamen Ziel der EU, bis zum Jahr 2010 den Artenschwund zu stoppen, und lässt es zu, dass im Kreis Lauenburg, im Kreis Plön und im ganzen Land Knicks und ganze Baumreihen abrasiert und ins Sägewerk geschafft oder als Holzhackschnitzel verkauft werden.

Jede zweite Pflanzenart, jede zweite Vogelart, drei Viertel der Amphibien in Schleswig- Holstein sind gefährdet oder bereits aus der Landschaft verschwunden. Die Zwergmöwe ist nicht mehr da, der Papageientaucher ist weg, die Sumpfschildkröte, der Stör - sie fehlen, das macht uns ärmer. Jede Art, die uns verloren geht, macht uns alle ärmer.

Herr Minister, wir brauchen keine schöne Umweltlyrik, wir brauchen konkrete Maßnahmen, um den Aderlass an biologischer Vielfalt zu stoppen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolf- gang Kubicki [FDP])

Wie auch beim Klimaschutz haben wir kein Wissensproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Wir fordern daher die Landesregierung auf, dem Parlament zu berichten, wie die Ziele der nationalen Biodiversitätsstrategie in Schleswig-Holstein umgesetzt werden sollen. Dazu gehören die Umsetzung der FFH- und Vogelschutzrichtlinien, der Abschluss der Gebietsausweisungen bis 2010, Erstellung von Masterplänen und Managementplänen für alle Gebiete und Verbesserung des Erhaltungszustands aller Arten und Lebensraumtypen bis 2020, Vernetzung der Habitate in ein Biotopverbund bis 2010, Präzisierung und Ökologisierung beziehungsweise Festlegung einer guten fachlichen Praxis in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft bis 2010, Schaffung eines Systems von Wäldern mit natürlicher Entwicklung auf 5 % der Fläche, Abkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Flächenverbrauch und Reduzierung des Flächenverbrauchs von derzeit circa 120 Hektar pro Tag auf 30 Hektar pro Tag im Jahr - wenigstens als Übergangslösung. Nach meiner Meinung müssen wir zu einer Wirtschaft kommen, wo mit dem Flächenverbrauch schlicht Schluss gemacht wird.

Die Landesregierung sagt immer, man müsse Naturschutz mit den Menschen machen. Meine Damen und Herren, da haben Sie uns ganz auf Ihrer Seite. Aber machen Sie ihn auch mit dem Laub

frosch, mit dem Schlammpeitzger und mit dem Fischotter? Im Zweifel haben Sie noch immer den wirtschaftlichen Interessen den Vorrang gegeben, den vordergründig betriebswirtschaftlichen Interessen. Naturschutz ist volkswirtschaftlich etwas, was wir nicht aus der Hand geben dürfen. Die Bewahrung der Natur ist gleichzeitig die Bewahrung menschlichen Wirtschaftsvermögens hier auf unserer Erde.

Frau Merkel redet grün, Herr Gabriel macht auf Klima, und selbst Herr von Boetticher soll schon einmal eine Kröte über die Straße getragen haben.

(Günther Hildebrand [FDP]: Oder ge- schluckt!)

Aber beim nächsten Großprojekt wird wieder voller Häme über die Mopsfledermaus, den Feldhamster und den Wachtelkönig gespottet! Die Großen Koalitionen in Bund und Land haben sich offenbar das Motto: „Grün reden, aber schwarz regieren“ zu eigen gemacht.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Wir sollten jedoch statt großer Worte lieber konsequent handeln.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich danke Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Herlich Marie Todsen-Reese.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie schade, lieber Kollege Matthiessen! Eine Chance über das wichtige Thema Artenschutz zu mehr Gemeinsamkeit zu kommen, haben Sie wieder einmal gründlich vergeigt.

(Beifall bei CDU, FDP sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

„Artenschwund behindert Forschung“ - so heißt heute eine kleine Notiz im „Ostholsteiner Anzeiger“. Da heißt es:

„Der alarmierende Artenschwund in Tierund Pflanzenwelt raubt der Menschheit die Schlüssel zur Entwicklung lebensrettender

Medikamente. Davor warnt das UN-Umweltprogramm.“

Ich glaube, das macht deutlich - wir schließen uns auch diesen Einschätzungen an -, dass wir es mit einem ernst zu nehmendem Problem zu tun haben. Aber ich glaube, dass es verkehrt ist, dieses ernste Problem so zu behandeln, wie Sie es eben leider getan haben, lieber Kollege Matthiessen.

Der letzte Bericht zur biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein stammt aus dem Jahr 2001, und wenn mich nicht alles täuscht, hatten wir damals einen grünen Umweltminister. Den hatten wir auch über ein paar Jahre. Ich frage mich bei den Anträgen, die Sie gestellt haben, was Sie eigentlich in der Zeit getan haben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Was Sie heute zum Antrag erhoben haben, hätten Sie alles erledigen können. Damals lautete die Überschrift meiner Pressemitteilung: „Bericht wird der Bedeutung des Themas nicht gerecht.“ Das war damals schon so. Es gab heftige Kritik wegen einer ganzen Reihe von Ungenauigkeiten und zum Teil auch unkorrekter Angaben. Damals wie heute vermisse ich eine sorgfältige grundsätzliche Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema. Es ist umso wichtiger, weil alle bisherigen Schutzbemühungen - da sind wir uns auch einig - den Verlust von Lebensräumen und den Artenrückgang nicht haben aufhalten können. Deshalb kann ich auch jetzt schon sagen: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, in der 35. Tagung einen Bericht von der Landesregierung zu bekommen. Wir werden dann dieses wichtige Thema auf der Grundlage des aktuellen Berichtes diskutieren können, den Minister von Boetticher vorlegen wird.

Nun zu Ihrem zweiten Anliegen, Herr Matthiessen: Mehr Anreize für ehrenamtliche Arbeit im Naturund Umweltschutz und 1.000 Patenschaften. Ich frage mich schon, wie Sie die Wirklichkeit der praktischen Naturschutzarbeit, insbesondere der ehrenamtlichen Naturschutzarbeit, im Land wahrnehmen und bewerten. Es ist doch wirklich erfreulich, wenn das Magazin „GEO“ ganz aktuell dem Land Schleswig-Holstein bescheinigt: „Pluspunkt sei außerdem das Engagement der ‚Nordlichter’: 7 % seien Mitglieder in Naturschutzverbänden“. - So eine dpa-Meldung vom 17. April 2008.

Die ehrenamtliche Naturschutzarbeit in SchleswigHolstein hat eine lange Tradition. Dafür steht die Vielfalt unserer großen und kleinen Verbände. Das reicht vom NABU, dem Landesjagdverband und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bis hin zu

(Detlef Matthiessen)

den lokalen Bündnissen vor Ort wie dem Förderverein Mittlere Treene, dem kleinen, aber feinen Naturschutzverein Kasseedorf oder der Vogelschutzgruppe Malente-Eutin.

Eine lange Tradition hat auch die Betreuung unserer Schutzgebiete in Schleswig-Holstein. Über 30 Naturschutzvereine betreuen zurzeit 123 Naturschutzgebiete, 22 Bereiche im Nationalpark Wattenmeer sowie weitere acht geschützte Gebiete. Allein dafür erhalten sie im Jahre 2008 rund 1 Million €.

Darüber hinaus engagieren sich die Vereine und Verbände sowie viele Bürgerinnen und Bürger in unzähligen Artenschutzprojekten. Dabei geht es ich nenne nur wenige - um Seeadler, Wiesenweihe, Schwarz- und Weißstorch, Fischotter, Fledermäuse, Eulen, Hornissen, Eisvögel, Amphibien und Orchideen.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Diese habe ich genannt, Herr Nabel. - Sie alle haben eine Vielzahl von Paten. Das wollen wir den Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren, nicht absprechen, auch nicht durch Ihren heutigen Antrag.

Die vielen Umweltbildungsaktivitäten belegen eindrucksvoll: In unserem Land gibt es ein großes ehrenamtliches Engagement. Dieses verdient es sicherlich, in der Ausschussberatung noch einmal genauer analysiert und bewertet zu werden. Ohne den ehrenamtlichen Einsatz wären viele Aktivitäten und Maßnahmen im Naturschutz nicht möglich. Es ist auch unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass engagierte Naturschützer im Lande weiterhin mit Freude dabei sind.

Nun zu Ihrer letzten Forderung bezüglich des „Countdown 2010“. Dem Wunsch, dieser Initiative beizutreten, stehe ich sehr zurückhaltend gegenüber. Ohne Zweifel ist die IUCN auf nationaler und internationaler Ebene ein wichtiger Motor im Einsatz für den Schutz und den Erhalt der Biodiversität.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur nicht in Schleswig-Hol- stein!)