Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Wenn in unserem Land Investoren bereit sind, moderne Kohlekraftwerke mit deutlich geringeren Emissionen gegenüber alten Kraftwerken zu bauen, und zwar insbesondere auch für Strom, den wir verkaufen, dann ist es ein Gebot von verantwortlichem wirtschafts- und umweltpolitischem Handeln, diese Chance zu nutzen. Gott sei Dank haben wir das in Brunsbüttel gerade bestätigt bekommen.

Zu konventionellen Großkraftwerken gibt es keine Alternative, und zwar ganz gleich, ob die erneuerbaren Energien 20 oder 30 % zur Deckung des

Strombedarfs beitragen. Das ist unsere feste Überzeugung. Die verbleibenden 70 % - so sagt es auch die Deutsche Energie-Agentur - müssen von konventionellen Kraftwerken gedeckt werden. Deshalb bekommt die Kohlesequestrierung aus modernen Kohlekraftwerken, also das Abtrennen von Kohlendioxid aus dem Abgasstrom der Kraftwerke mit anschließender Einlagerung unter Tage, auch eine entscheidende Bedeutung bei der Befürwortung des Baus moderner Kohleanlagen.

Diese Aussage ist auch im Zusammenhang mit dem gestrigen Vertragsabschluss für das neue Kohlekraftwerk in Brunsbüttel getroffen worden.

Der CO2-Ausstoß ist mit modernsten Anlagen dramatisch reduzierbar, so Professor Alfons Kather, Leiter des Instituts für Energietechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Der Ausstoß von Kohlendioxid mit moderner Sequestrierung beträgt ein Viertel des Ausstoßes bei der Nutzung von Erdgas. Der Unterschied ist bezogen auf Steinkohle und auf Braunkohle entsprechend größer. Leider kann ich auf einige andere Dinge nicht eingehen. Lesen Sie das bitte nach, ich möchte zum Schluss kommen.

Ich fordere Sie auf, uns auf dem Weg zu einer modernen Energiepolitik zu begleiten. Dazu gehört ein moderner und attraktiver Mix technischer Anlagen, der uns eine sichere Versorgung zu angemessenen Preisen in Verbindung mit einem verantwortungsbewussten umweltpolitischen Handeln ermöglichen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steinzeit!)

Normalerweise könnten wir den Antrag ablehnen, aber mein Kollege von unserem Koalitionspartner sagte mir, er hätte eine Ausschussüberweisung lieber. Auch damit können wir leben. Der Inhalt des Antrages mit der Begründung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist das, was wir schon vor Jahren gehört haben, ohne dass es eine Fortentwicklung gibt. Ich bitte darum, dass wir diesen Dingen in Zukunft nicht auf den Leim gehen. Wir können sicher sein, dass in einem Jahr wieder so ein Antrag vorliegt. Vielleicht können wir diesen dann im Vorwege im Ausschuss behandeln, sodass er gar nicht mehr ins Plenum gebracht wird.

(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie wohl gern!)

(Manfred Ritzek)

Ich danke Herrn Abgeordneten Ritzek. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Dienstag, dem 22. April 2008 konnten wir im „Hamburger Abendblatt“ folgende Überschrift lesen: Kälterekord in der Antarktis! Entgegen der globalen Klimaerwärmung nimmt die Eismenge erstmals wieder zu. Ist das eine Trendwende oder ist das ein Ausrutscher? Ist mit dem Klima wieder alles in Ordnung? Können wir den Klimawandel wieder infrage stellen? - Nein, wir können weiter davon ausgehen, dass der Klimawandel bereits in vollem Gange ist und dass wir Menschen dazu beitragen.

Die umfangreichen Berichte der IPPC sind eindeutig. Somit müssen wir uns mit den Folgen des Klimawandels weiter auseinandersetzen und die erforderlichen Maßnahmen umsetzen. Wir wissen, dass die Erderwärmung überwiegend durch den CO2Ausstoß verursacht wird. Hier können wir schnell handeln. Das ist ja auch das Ziel der Bundes- und der Landesregierung.

Erst letzte Woche kam die Meldung, dass der März 2008 weltweit der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. Vor Kurzem erklärte Professor Dr. Hohmeyer im Rahmen einer SPDVeranstaltung, dass der Klimawandel schneller als bislang prognostiziert im Gang sei. Selbst der Bericht der IPPC trifft nicht mehr die Realität; die Gletscher schmelzen heutzutage in einem Tempo ab, das erst für 2050 prognostiziert war. Die Folgen sind hinreichend bekannt. Der Meeresspiegel wird steigen. Allein die Deiche um einen Meter zu erhöhen, wir nicht helfen. Im Winter fallen mehr Niederschläge und die Landwirte hatten in diesem Jahr schon Probleme, die Äcker rechtzeitig zu bewirtschaften. Im Sommer wird es trockener und die ärmsten Länder wird es zuerst und am härtesten treffen.

Wir sind uns einig, dass wir den CO2-Ausstoß reduzieren müssen. Wenn das so ist, dann ist der Bau von neuen Kohlekraftwerken allerdings nicht die richtige Antwort auf die Frage, wie wir den Klimaschutz und eine bezahlbare und sichere Energieversorgung in Zukunft vereinen können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke sind keine Alternativen, sie sind Techniken aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Was wir heute brauchen, ist eine innovative und zukunftsfähige Energieversorgung für das 21. Jahrhundert, die im Einklang mit Klimaschutz und sicherer Energieversorgung steht. Schließlich fahren Sie heute auch nicht mehr mit der Dampflok von Kiel nach Berlin, sondern Sie nutzen den ICE.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo kriegt der seinen Strom her?)

Was ist mit den Arbeitsplätzen? - Die Windenergie zeigt doch am besten, dass wir in Schleswig-Holstein hier vorangegangen sind und was für gute Exportchancen für unsere heimische Wirtschaft bestehen. Nicht Kohle- und Atomkraft sichern schleswig-holsteinische Arbeitsplätze, sondern eine innovative und regenerative Energieerzeugung. Wir sollten uns bei diesem großen Gedanken nicht - wie von Großkonzernen und deren Lobbyisten momentan mit Krokodilstränen in den Augen vorgetragen in die energiepolitische Zwickmühle drängen lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ja, wir müssen aus der Kohle- und aus der Atomkraft aussteigen. Die angeblich dadurch entstehende Lücke in der Stromversorgung, die entstehen soll, da die regenerativen Energien nicht so schnell wie angenommen wachsen werden, wird jedoch nicht entstehen.

Eine Stromlücke entsteht nur dann, wenn es zu keiner Neuorientierung in der Stromversorgung und in den Köpfen kommt. Dann können wir uns allerdings auch von der von der Bundesregierung angestrebten Minderung des nationalen Treibhausgasausstoßes um 40 % bis zum Jahr 2020 verabschieden. Hinter diesem Streit über die Zukunft der Stromerzeugung, der übrigens auch innerhalb meiner Partei geführt wird, worauf ich stolz bin, denn nur über den Streit um den richtigen Weg kann eine Partei vorankommen, stehen zwei unterschiedliche Konzepte. Die Genossen in Brunsbüttel beschreiten sicherlich noch einen anderen Weg.

Mit dem Beschreiten des konservativen Pfades des Durchwurstelns, bei dem die bisherige Strombereitstellung einfach fortgeschrieben wird und bei dem, wie Sie, Herr Stritzl, es tun, weiter auf die großtechnische Nutzung von Kohle, Gas, Erdöl und Atomkraft gesetzt wird, sind weder Klimaschutz noch eine kostengünstige Versorgung und auch

kein die Beschäftigung sicherndes Energiesystem erreichbar.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD in Schleswig-Holstein geht den Pfad, der das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung in Richtung einer Neuorientierung in Wirtschaft und Gesellschaft beinhaltet. Wir verbinden Wirtschafts, Energie- und Umweltpolitik, bauen die Brücken in eine regenerative Energiewirtschaft und wollen mehr Verteilungsgerechtigkeit. Nur an diesen Zielen lassen sich die heutigen Entscheidungen messen. Wollen wir unseren Enkeln als Erbe wirklich nur Reste der Stromerzeugung, von uns tief in der Erde vergraben, hinterlassen? Wollen wir strahlenden Atommüll für ewige Zeiten statt einer gesicherten regenerativen Energieproduktion, wollen wir bald auch noch bei der Stromerzeugung von Kohle abgeschiedenes CO2, wobei wir die Technik und die Tiefe, um die es dabei gehen wird, heute noch gar nicht ausloten können?

Wer ernsthaft über diese Fragen nachdenkt, kann nur eines tun, nämlich so handeln, wie wir es als SPD in unseren klimaschutz- und energiepolitischen Leitlinien beschrieben haben, und den Ausstieg aus der Kohle- und Atomkraft vornehmen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Landtagsfraktion stehen die drei E im Vordergrund: Energie einsparen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Energie einsparen ist nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch die beste Möglichkeit, Geld einzusparen. Gerade in diesem Bereich gibt es in Deutschland noch ein erhebliches Potenzial. Auch die IHK erwartet Rückgänge beim Strombedarf; die Statistiken belegen dieses. Leider wird das Thema Energieeffizienz bei uns im Land immer noch unterschätzt. Hier gehen Experten von einem Potenzial von 30 bis 40 % aus. In den Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung müssen wir in Schleswig-Holstein noch mehr investieren. Gerade für kleinere Gemeinden ist die KWK-Technik eine Möglichkeit, eine günstige und sichere Energieversorgung aufzubauen.

Die Energiewirtschaft der Zukunft wird sich an der dezentralen Energieversorgung orientieren. Ein positiver Nebeneffekt ist die Förderung des örtlichen Handwerks und der heimischen Wirtschaft. Die Angst, dass bei einem Kohle- und Atomausstieg die Lichter ausgehen, geht auf reine Panikmache zurück. Schleswig-Holstein und die Bundesrepublik sind bereits heute Stromexporteure. Das bedeutet: Wenn wir parallel zum Kohle- und Atom

ausstieg die regenerativen Energien ausbauen, ist der Ausstieg machbar.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Forderung ist daher, bis 2020 Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, wie das ja auch in dem Grünbuch von Herrn Austermann steht. Warum setzen wir es dann nicht um? Ebenso fordern wir den Ausbau der Kraft-WärmeKopplung und zur Wärmeversorgung übergangsweise Gaskraftwerke. Wir laufen nicht in eine Stromlücke, sondern befinden uns in einer Handlungslücke.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine sichere Energieversorgung durch erneuerbare Energien machen immer und überall Kombikraftwerke möglich. Gerade diese Kombikraftwerke könnten von heimischen Stadtwerken oder von Stadtwerkverbünden betrieben werden. Das Kombikraftwerk kombiniert optimal die Vorteile der verschiedenen erneuerbaren Energien: Windenergieanlagen und Solarmodule leisten je nach Verfügbarkeit von Wind und Sonne ihren Beitrag zur Stromerzeugung; ausgleichend werden Biogas und Wasserkraft eingesetzt. Wird zu viel Strom produziert, können Speichermedien die Energie speichern. Erdwärme, Biomasse, Wärmenutzung von Abwasser und Solarenergie sorgen außerdem für die Beheizung. Einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien steht technisch nichts im Wege. Versuchsanlagen gibt es bereits. Sie zeigen, dass Kombikraftwerke ein gangbarer Weg sind. Ich bin vor allem darauf gespannt, wie die Stadtwerke Flensburg gemeinsam mit Herrn Professor Hohmeyer uns schon bald beweisen werden, dass auf kommunaler Ebene ein Energiekonzept entstehen kann, das nur auf regenerativen Energien aufbaut.

Die Kapriolen beim Ölpreis haben uns gelehrt, dass man bei Energie nicht kurzfristige auf Preisgünstigkeit setzen kann. Energiepolitik bedeutet heutzutage, über Zeiträume von 30, 40 oder 50 Jahre hinweg zu denken, also nicht nur kurzfristig an Renditeüberlegungen der großen Konzerne zu denken. Es ist der falsche Weg, sich vor Ort in den Kommunen und in den Kreisen hinzustellen und die erhöhten Strompreise zu bejammern und hier im Landtag auf Großkraftwerke zu setzen. Lassen Sie uns endlich mit den großen Schritten beim Klimaschutz beginnen, bevor es zu spät ist.

Für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Stromnutzung und Stromversorgung in

(Olaf Schulze)

Deutschland fehlen nicht die technischen Möglichkeiten. Sie sind seit vielen Jahren bekannt. Was fehlt, sind der Mut und die Bereitschaft, sie auch im Interesse von Wirtschaft, Beschäftigung und Klimaschutz zu nutzen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Kollege Ritzek, Sie sprechen davon, dass moderne Kohlekraftwerke gebaut werden sollten; dadurch werde die CO2-Emission gesenkt, wenn gleichzeitig alte Kohlekraftwerke abgeschaltet würden. Sagen Sie uns dann aber bitte auch einmal, welches alte Kohlekraftwerk, wenn es um Brunsbüttel geht, jetzt abgeschaltet wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass es zu diesem Thema in der Großen Koalition unterschiedliche Auffassungen gibt. Wenn wir uns nicht einigen können - so steht es im Koalitionsvertrag -, müssen wir vorliegende Anträge ablehnen. Aus diesem Grunde werden wir die unter Tagesordnungspunkt 53 aufgeführten Anträge der Grünen und des SSW ablehnen und der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zustimmen. Wir beantragen, den Antrag unter Tagesordnungspunkt 38 dem Wirtschaftsausschuss und dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wir hoffen, dass wir im Ausschuss eine Diskussion führen werden, die dazu führt, dass wir zukünftig gemeinsam eine regenerative Energiepolitik durchsetzen können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Olaf Schulze. Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dass ausgerechnet die Partei, die bis zum Schluss massiv für die Subventionierung von deutscher Steinkohle eingetreten ist, uns heute Lehrstunden darüber erteilt, möglichst keine Kohlekraftwerke mehr zu errichten und solche Kraftwerke möglichst alle abzuschalten, finde ich ein bisschen merkwürdig, um es freundlich auszudrücken.

(Beifall bei FDP und CDU)

Aber sei’s drum! Wir haben hier heute aber nicht über SPD-Anträge zu beraten. Wir haben vielmehr über zwei Anträge der Grünen zu beraten. Zu dem ersten Antrag sage ich gleich noch etwas mehr. Herr Kollege Matthiessen, den zweiten Antrag verstehe ich nicht wirklich. Ich gehe davon aus, dass der zweite Antrag im Wirtschaftsausschuss beraten wird. Wir haben dann genügend Zeit, darüber zu diskutieren. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle aber zwei Fragen mit auf den Weg geben.

Erstens. Ist es falsch, irre ich mich, wenn ich annehme, dass bestimmte Standorte genehmigungsund planungsrechtlich für die Nutzung durch Kohlekraftwerke im rot-grünen Raumordnungsplan vorgegeben sind? Warum haben Sie dann in Ihrer Regierungszeit nicht entsprechend gehandelt? Sie halten heute gewissermaßen die Reden von vorgestern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zweitens. Herr Kollege Matthiessen, ich frage Sie hier ernsthaft des Weiteren dies - das habe ich Sie auch schon im Ausschuss gefragt -: Welche Ergebnisse erwarten Sie, wenn der Landtag Berechnungen von Landesministerien zurückweist? Ich als Abgeordneter kann diese Berechnungen zur Kenntnis nehmen; ich kann sie glauben oder nicht. Aber ich beschließe sie doch nicht, indem ich sie zurückweise. Ich habe keinen intellektuellen Zugang zu dem Antrag gefunden. Vielleicht können Sie mir im Ausschuss ja aber weiterhelfen.