Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

Es gibt im Rahmen des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit Vereinbarungen, wonach die Stadt Flensburg - die auch nur über einen Notarztstandort verfügt - und der Kreis Rendsburg-Eckernförde - der über zwei Notarztstandorte verfügt - den

(Dr. Ekkehard Klug)

Kreis Schleswig-Flensburg in der notärztlichen Versorgung unterstützen. Dies ändert jedoch nichts an der Situation, dass die Wartezeit auf notärztliche Versorgung in weiten Teilen des Kreises - insbesondere im östlichen Angeln - länger als 20 Minuten dauert.

Diese Tatsache wurde nun auch in einem Gutachten bestätigt, das vom Kreis Schleswig-Flensburg in Auftrag gegeben wurde. Das Gutachten attestiert dem Kreis ein Versorgungsdefizit und fehlende Kompensationsmöglichkeiten. Schließlich kann man den bestehenden Notarztstandort in Schleswig nicht verlagern, da dieser für die Versorgung des südlichen und südwestlichen Kreisgebietes dringend benötigt wird. Dem Kreis Schleswig-Flensburg als zuständigem Träger für den Rettungsdienst und somit auch als Verantwortlichem ist diese Situation schon längst ein Dorn im Auge. Der Kreis hat bereits mehrfach Gespräche bezüglich der Finanzierung mit den Krankenkassen als Kostenträger geführt - leider erfolglos. Auch entsprechende Resolutionen aus dem Kreisgebiet haben bisher nicht gefruchtet. Eine erst kürzlich vom Kreis Schleswig-Flensburg an den Ministerpräsidenten gerichtete Resolution ging ebenfalls ins Leere. Man erhielt die Antwort, es sei Aufgabe des Kreises, sich mit den Kostenträgern zu einigen.

Der Hinweis auf Verantwortlichkeiten hilft aber nicht weiter. Goodwill ist keine Grundlage für die Errichtung eines Notarztstandortes und vertröstende Worte mit dem Hinweis auf neue Zusammenarbeitsstrukturen zwischen der Diakonissenanstalt in Flensburg und der Margarethen-Klinik in Kappeln ebenso wenig. Natürlich ist es die Aufgabe des Kreises, sich mit den Krankenkassen zu einigen. Doch es gibt keine verpflichtende gesetzliche Grundlage, auf die der Kreis sich beziehen kann. Solange wir für die Einsatzbereiche oder Hilfsfristen keine rechtliche Grundlage haben, wird sich der Kreis mit den Krankenkassen bis zum SanktNimmerleins-Tag nicht einigen können. So sieht es derzeit leider aus.

Daher setzt unser Antrag bei Schaffung einer rechtlichen Grundlage an. In der Durchführungsverordnung des Rettungsdienstgesetzes ist unter § 7 Abs. 2 die Stationierung der Rettungswachen ganz klar geregelt. Danach muss der Rettungswagen nach Eingang der Notfallmeldung bei der Rettungsleitstelle innerhalb von einer Frist von zwölf Minuten am Notfallort sein. Eine vergleichbare Frist im Hinblick auf Notärzte gibt es nicht.

Im Kreis Schleswig-Flensburg muss ein zusätzlicher Notarztstandort errichtet werden. Darum

kommen wir nicht herum. Das ist notwendig, um zum einen den Kreis in die Lage zu versetzen, den rettungsdienstlichen und präklinisch-medizinischen Standard aufrechtzuerhalten, und zum anderen, um die Versorgung der Bevölkerung mit notärztlichen Leistungen zu gewährleisten. Auch aus dem Gutachten des Kreises geht hervor, dass die optimale Stelle für die Einrichtung eines zusätzlichen Notarztstandorts - im Hinblick auf eine optimale Flächenabdeckung - zwischen Sterup und Kappeln wäre. Ein zusätzlicher Notarztstandort auf der grünen Wiese ist aber natürlich finanziell nicht tragbar. Daher muss zügig eine rechtliche Grundlage für die Errichtung eines zusätzlichen Notarztstandortes mit Notarzteinsatzfahrzeug an der Margarethen-Klinik in Kappeln geschaffen werden.

(Beifall bei SSW und SPD)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Heike Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bereits 1995 ist in einem Konsenspapier die in Schleswig-Holstein bestehende ungleiche Verteilung der Notarztstandorte beschrieben worden, obwohl das Rettungsdienstgesetz eine gleichmäßige Versorgung vorsieht. Gerade im Raum Ostangeln besteht diese seit Jahren nicht. Bisher wurde die Region rund um Kappeln von Schleswig aus versorgt und bei Bedarf von den dort niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten unterstützt. Im Juni 2006 hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Kreis Schleswig-Flensburg mitgeteilt, dass die Unterstützung nicht mehr in dem bisherigen Umfang erfolgen kann. Das führt dazu, dass selbst bei Einbeziehung der Notarztstandorte Flensburg und Eckernförde innerhalb von 20 Minuten nach Alarmierung weite Bereiche Angelns und nach 30 Minuten immer noch Teilbereiche um Geltingen nicht erreichbar sind. Mir wurde sogar von einem Fall berichtet, bei dem sich die Wartezeit auf 60 Minuten belief.

(Zuruf: Unglaublich!)

Der Kreis Schleswig-Flensburg hat im August 2007 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das deutlich macht, dass ein Notarztstandort im Raum Ostangeln dringend notwendig ist. Der Standort Eckernförde ist für die Versorgungssituation im Kreis Schleswig-Flensburg so gut wie von keiner Bedeutung, weil der Notarzt von Eckernförde aus allenfalls bis zur Kappelner Schleibrücke kommt. Auch

(Anke Spoorendonk)

der Notarzt aus Flensburg ist nach Auffassung des Gutachters nur sehr eingeschränkt einzubeziehen, da nicht davon auszugehen ist, dass in Flensburg auf Dauer toleriert werde, wenn der Notarzt im Rettungsdienst wegen eines Einsatzes im weiteren Kreisgebiet durchschnittlich eine Stunde am Tag fehle.

Im vergangenen Jahr gab es in Angeln annähernd 1.700 Einsätze für den Rettungsdienstnotarzt. Darin sind die Einsätze des Rettungshubschraubers nicht enthalten. Dieses Rettungsmittel steht im Übrigen bei bestimmten Wetterlagen oder Dunkelheit auch nicht zur Verfügung. Bei circa 1.000 Notarzteinsätzen hat der Notarzt mit dem Notarzteinsatzfahrzeug den Einsatzort innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfrist von 12 Minuten für den Rettungswagen erreicht. Ich finde, das zeigt sehr deutlich, dass es hier eine Unterversorgung der Bevölkerung in Ostangeln gibt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall beim SSW)

Gutachter und Kreistag sind sich einig, dass es einen zweiten Notarztstandort im Rettungsdienst im Kreisgebiet geben muss, um in Angeln eine gleichmäßige Notarztversorgung in angemessener Frist gewährleisten zu können. So weit, so gut. Man fragt sich: Wo liegt jetzt das Problem? - Es liegt jedenfalls nicht in der gesetzlichen Vorgabe. Der Kreis Schleswig-Flensburg ist seiner Verantwortung als Rettungsdienstträger nachgekommen und hat im November den Beschluss gefasst, in Kappeln einen zweiten Notarztstandort einzurichten. Der Gutachter allerdings bezweifelt, dass mit dem Standort Kappeln in allen Bereichen Ostangelns die Fahrzeiten deutlich verkürzt werden können und schlägt einen Standort zentral in Ostangeln vor, in der Nähe von Sterup, in Grünholz. Das bedeutet allerdings, dass sich dort ein Notarzt befinden würde, der keine weiteren ärztlichen Tätigkeiten wahrnimmt und nur auf den nächsten Notarzteinsatz wartet. Dagegen wäre es in Kappeln durchaus möglich, den Notarzt an der Margarethen-Klinik anzusiedeln. Das würde Kosten sparen und Synergieeffekte mit sich bringen.

Ein weiteres Problem ist die Übernahme der Kosten. Der Kostenträger geht derzeit davon aus, dass die notärztliche Versorgung in Ostangeln ausreichend ist und kein weiterer Notarztstandort erforderlich ist. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordnete Spoorendonk verwies die Landesregierung auf die Regelung, die in einem ähnlichen Fall in Pinneberg getroffen worden ist. Hier hat der Kreis einen weiteren Notarztstandort eingerichtet.

Auch hier will der Kostenträger nicht finanzieren, und man trifft sich demnächst vor dem Schiedsgericht. Unsere Aufforderung muss also an den Kostenträger gehen, in diesem Fall an die Kassenärztliche Vereinigung, seiner Verantwortung für die notärztliche Versorgung in Schleswig-Holstein auch nachzukommen. Wir brauchen für Ostangeln eine pragmatische Lösung für einen Notarztstandort. Das ist für mich eindeutig Kappeln.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall beim SSW)

Mit einer gesetzlichen Regelung im Rahmen des Rettungsdienstgesetzes ist uns hier leider nicht geholfen, Frau Spoorendonk. Denn wenn wir das, was vorgeschlagen ist, in das Gesetz reinschreiben würden, dass wir sagen, wir brauchen hier 20 Minuten, können wir diese pragmatische Lösung in Kappeln nicht umsetzen. Denn der Gutachter geht auch hier davon aus, dass es von Kappeln aus durchaus zu Verzögerungen kommen kann, gerade wenn es in den Bereich Gelting und darüber hinaus geht. Ich glaube, hier müssen wir mit den Kostenträgern vor Ort verhandeln. Ich finde, das ist auch Aufgabe dieses Parlamentes.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP so- wie Beifall beim SSW und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Für die Fraktion der SPD erhält Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht haben Sie es selbst schon erfahren - als Patientin oder auch als Angehöriger -, dass Minuten zu Stunden werden können, wenn man auf den Rettungsdienst oder den Notarzt warten muss. Bis zum 1. Januar 2007 hat es im Kreis Schleswig-Flensburg akzeptable Einsatzzeiten gegeben, da niedergelassene Kappelner Ärztinnen und Ärzte den einzigen Notarztstandort in Schleswig ergänzt haben. Heute sind sie nur noch für den Kassenärztlichen Notdienst, nicht mehr für die Begleitung des Rettungsdienstes zuständig. Das - es ist schon geschildert worden - reißt ganz erhebliche Lücken in die notärztliche Versorgung im Bereich Angeln, trotz der funktionierenden Kooperationen - wenn auch durch die örtlichen Verhältnisse eingeschränkt - mit dem Nachbarkreis Rendsburg-Eckernförde beziehungsweise mit der Stadt Flensburg.

(Heike Franzen)

Der Kreis Schleswig-Flensburg hat in einem Gutachten die aktuelle Situation überprüfen lassen, und das Ergebnis macht ganz dringenden Handlungsbedarf deutlich. Danach sind weite Bereiche der Region Angeln nach einer Alarmierung innerhalb von 20 Minuten durch einen Notarzt nicht erreichbar. So habe ich das im Protokoll des Gesundheitsausschusses nachgelesen. In Teilbereichen rund um Gelting wartet man 30 Minuten und länger. Oder noch andere Zahlen aus diesem Gutachten und den Beratungen des Gesundheitsausschusses: Danach erreichte der Notarzt bei circa 1.000 Einsätzen in Angeln den Einsatzort innerhalb von 12 Minuten, also innerhalb der Frist, die wir den Rettungswagen gesetzlich vorgegeben haben. Aber in rund 350 Fällen dauerte das bis zu 20 Minuten und in 400 Fällen bis zu 30 Minuten, in Einzelfällen sogar ganz erheblich länger. Das geht nicht, das ist nicht zu akzeptieren, auch wenn wir davon ausgehen können, dass Rettungssanitäter in der Regel innerhalb der Zwölfminutenfrist erste Hilfe leisten können. Aber auch wir Laien wissen, dass bei bestimmten Notfallbildern - bei Herzinfarkt oder schweren Unfällen - der Arzt unentbehrlich ist. Nach einem Herzkreislaufstillstand sinkt die Überlebensrate pro Minute um 10 %. Jeder von uns weiß, wie wichtig eine blitzschnelle ärztliche Erstversorgung nach einem Schlaganfall, vor allem auch mit Blick auf eine erfolgreiche Rehabilitation, ist.

Es muss also ein zweiter Notarztstandort im Kreis Schleswig-Flensburg eingerichtet werden, um die Versorgung in Angeln sicherzustellen.

Das Problem - das ist hier schon geschildert worden - ist, dass die Krankenkassen die Kostenübernahme anerkennen müssen. Das muss ausgehandelt werden. Es geht hier um 360.000 bis 400.000 € - so ist es mir berichtet worden. Die Verhandlungen zwischen Kreis und Kassen gestalten sich schwierig. Auch das ist schon angesprochen worden. Wie mir Kommunalpolitiker berichten, stellen sich die Kassen auf den Standpunkt, sie dürften diese zusätzlichen Kosten nur übernehmen, wenn sie dazu gesetzlich verpflichtet werden. So ist auch der Wunsch des Landrats verständlich, der sich durch diese Gesetzesinitiative, wie sie der SSW eingebracht hat, eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen verspricht.

Ich stehe einer Gesetzesänderung dennoch skeptisch gegenüber. Die Frage der Konnexität ist für mich nicht geklärt. Das müssen wir im Ausschuss einmal ernstlich ansprechen. Außerdem frage ich mich: Warum reicht die gegebene Gesetzeslage für eine gute Versorgung in anderen Landesteilen aus

mit Ausnahme von Pinneberg, wie ich heute gehört habe -,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

warum soll diese in Angeln angeblich an fehlenden Gesetzesvorschriften scheitern? Das verstehe ich nicht, und das werden wir im Ausschuss besprechen müssen.

(Jutta Schümann [SPD]: Die Kassen wollen nicht!)

- Ja, aber haben wir in den anderen Landesteilen andere Krankenkassen?

Den Krankenkassen müsste auch einmal klargemacht werden - das möchte ich heute auch deutlich sagen-, dass sich eine verbesserte notärztliche Versorgung langfristig auch für sie auszahlt, nämlich durch schnellere und erfolgreichere Rehabilitation, die künftige Kosten spart, und durch die Vermeidung von Invalidität.

Ich setze deshalb auf weitere Gespräche. Ich habe mich zusammen mit Holger Astrup sehr frühzeitig bemüht, zu einer Lösung beizutragen, und freue mich, dass der Staatssekretär der Sozialministerin bereit ist, sich in die Gespräche zwischen Kreis und Kassen einzuschalten, falls das von den Beteiligten gewünscht wird. Ich wünsche bei diesen Verhandlungen viel Erfolg.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Ich auch!)

Dann werden wir im Ausschuss weiter bereden müssen, wie sich diese Gespräche auswirken.

Den Vorschlag, den Standort Kappeln gesetzlich festzulegen, finde ich eher abenteuerlich. Ich habe selbst die Margarethen-Klinik in Kappeln als möglichen Standort genannt, weil dort zurzeit einiges an Änderungen ansteht, und so finde ich als Laie jedenfalls, dass sie sich gut als Notarztstation einfügen würde. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Entscheidung über den Standort vor Ort und von den Fachleuten getroffen werden muss. Das ist nichts, was wir gesetzlich regeln müssen und können.

Frau Kollegin, achten Sie auf Ihre Redzeit!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Zu bedenken ist zudem, dass in dem genannten Gutachten ein Standort Kappeln nicht gerade erste Priorität hat. Es gibt auch Angebote aus anderen Gemein

(Anna Schlosser-Keichel)

den, die Infrastruktur der dortigen Rettungswachen zu nutzen. Es gibt aber nicht das übliche Gerangel der Gemeinden um den Standort. Einig sind sich alle, dass - egal, an welchem Ort - ein zusätzlicher Notarzt kommen muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sozialausschuss sollten wir weiter darüber beraten, wie wir diese Forderung am wirkungsvollsten unterstützen können. Die Krankenkassen sind aufgefordert, ihre Verweigerungshaltung aufzugeben.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir bitten die Landesregierung, die anstehenden Verhandlungen positiv und mit Nachdruck zu begleiten. - Vielen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag wird ein grundsätzliches Problem des Rettungsdienstes in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein mit hohem Touristenaufkommen in der Sommersaison an einem konkreten Beispiel beleuchtet. Einerseits muss gewährleistet sein, dass im Notfall jeder Patient schnell und sicher erreicht werden kann. Konkret schreibt § 7 der Rettungsdienstverordnung in seinem Absatz 2 eine Hilfsfrist von zwölf Minuten vor. Innerhalb dieses Zeitraumes muss „in der Regel“ der Rettungswagen nach Eingang der Notfallmeldung vor Ort sein.

Andererseits stellen Hilfefristen immer einen Kompromiss zwischen medizinischen Erfordernissen und den gegebenen ökonomischen Möglichkeiten dar. Das wird dann besonders deutlich, wenn diese Hilfefrist so wie in Schleswig-Holstein nicht ausdrücklich auch für Notarzteinsätze gilt.