Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der große Unterschied zwischen Handwerk und Industrie ist doch der, dass die Arbeitskosten in der Industrie häufig nur 20 % der Gesamtkosten ausmachen. Manchmal liegen diese sogar noch darunter. Beim Handwerk jedoch machen die Arbeitskosten häufig über 50 % aus. Das heißt, wenn wir die Arbeit verteuern, wenn wir die Arbeit gegenüber dem Kapital künstlich teurer machen - und genau das machen wir mit unserem Sozialversicherungssystem -, dann schaden wir gerade den Betrieben, die auf Arbeit angewiesen sind. Und das ist gerade das Handwerk.

Deswegen plädiere ich an dieser Stelle noch einmal für das, was ich schon seit Jahren vertrete - meine Position ist bekannt -: Wir müssen unser Sozialsystem stärker steuerfinanziert gestalten, und wir müssen die hohen Lohnzusatzkosten durch die Sozialversicherungsbeiträge drastisch senken. Dadurch würden wir gerade den kleinen Betrieben vor Ort, die hohe Lohnnebenkosten haben, nützen, und wir würden eine strukturelle Unterstützung des Handwerks erreichen, die mehr bringen würde als die ganze weiße Salbe, die verbreitet wird, indem wir das Handwerk immer loben und ihm versichern: Ihr macht das toll, ihr macht das prima.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Herr Präsident, danke, dass ich so lange reden durfte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Für einen weiteren Kurzbeitrag nach § 56 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Dr. Garg, Sie haben in Ihrer Beurteilung der Lage des Handwerks Statistiken angeführt, die acht Jahre alt sind. Ich finde es ehrlich, dass der Kollege Harms darauf hingewiesen hat, dass seit 2007 eine Trendwende zu verzeichnen ist. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir zwischendurch auch einen Wechsel an der Spitze der Landesregierung gehabt. Ich will darauf hinweisen, dass wir in dieser Landesregierung das eine oder andere gemeinsam getan haben. Wir haben den Bürokratieabbau vorangetrieben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wo?)

Wir haben eine neue Vergabeordnung auf den Weg gebracht, die genau die Flexibilität bringt, die nötig ist, um das örtliche Handwerk durch mehr freihändige Vergaben besser berücksichtigen zu können.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir haben Statistikpflichten, soweit wir das als Land, aber auch im Bund konnten, entrümpelt. Ich empfehle einen Blick auf Seite 48 des Wirtschaftsberichts, über den wir gleich noch diskutieren werden.

Sie haben Nachfolgeregelungen im Handwerk beklagt. Das ist in der Tat ein großes Problem. Aber auch dort gibt es Förderprogramme des Landes, die wir noch gezielter gerade auf kleinere Betriebe ausgerichtet haben.

Zur Frage der Erbschaftsteuer: Es ist sicher nicht alles glücklich, was hierzu in Berlin diskutiert wird. Dass wir aber überhaupt darüber diskutieren und dass wir dabei auch über die Zehnjahresregelung diskutieren, das ist unsere Forderung als CDU gewesen. Man könnte auch noch weitergehen und sagen: Wir schaffen die Erbschaftsteuer ganz ab und nehmen eine Verlagerung der Steuereinkünfte aus anderen Bereichen vor. Wir sind dabei, die Nachfrage zu verstärken. Es wurde bereits der Steuerbonus für Handwerksleistungen angesprochen. Auch dies hat, glaube ich, Impulse gebracht, und ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine weitere Erhöhung wünschenswert ist, wenn sie denn finanzierbar ist.

(Karl-Martin Hentschel)

Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die große Nachfrage auch daraus resultiert, dass die Gemeinden über eine bessere Finanzausstattung verfügen. Auch das Land stellt mittlerweile Höchstbeträge zum Beispiel im kommunalen Straßenbau zur Verfügung. Auch das sind Dinge, die Sie leider nicht erwähnt haben, die aber unserer örtlichen Bauwirtschaft in Schleswig-Holstein letztlich zugutekommen.

Letztes Beispiel - die Kooperation mit Dänemark wurde bereits angesprochen -: Ich möchte noch auf die Außenwirtschaftsberatung der Handwerkskammer Flensburg hinweisen, die auch vom Land gefördert wird und die gerade den mittelständischen Handwerksbetrieben im nördlichen Landesteil mehr Möglichkeiten und Beratungsperspektiven gibt, um in Dänemark Fuß fassen zu können, um dort neue Märkte zu erobern und damit ihre Wettbewerbssituation zu verbessern.

Zugegeben: Der Wettbewerbsdruck ist hoch, und er ist es auch im Handwerk. Aber für Schwarzmalerei, lieber Herr Kollege Dr. Garg, besteht kein Grund.

(Beifall bei der CDU)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 der Geschäftsordnung erteile ich das Wort noch dem Oppositionsführer und Abgeordneten der FDP, Herrn Wolfgang Kubicki.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hentschel, ich will nicht bestreiten, dass Sie möglicherweise Umweltexperte sind. Aber von Ökonomie, von Wirtschaft verstehen Sie nur so viel wie mein Hund.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich will das kurz erklären: Wenn ich meinem Hund die Tüte Leckerli vor die Nase halte, dann ist er mit Sicherheit völlig begeistert, wenn er alles auf einmal bekommt statt nacheinander. So ungefähr stellen Sie sich die Wirtschaft in Deutschland und in Schleswig-Holstein vor.

(Heiterkeit des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich will versuchen, das an einigen Beispielen klarzumachen. Den wunderbaren Vorschlag, die Sozialversicherungslasten stärker über Steuern zu finanzieren als über entsprechende Sozialabgaben, finde ich bemerkenswert. Aber die Behauptung,

dies habe einen Nettoeffekt, verstehe ich angesichts unseres Wirtschaftssystems nun wirklich nicht. Denn diejenigen, die mehr Steuern bezahlen sollen, müssen das Geld ja auch irgendwoher bekommen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das sind aber nicht die Gleichen! Fragen Sie mal Ihren Hund! - Heiterkeit und Beifall)

Die wirklich wichtige Frage ist: Welche Personen, welche Personengruppen sollen dann die höheren Steuern zahlen? Sind das die „Reichen“, Herr Stegner, die Sie immer wieder anführen, die bei einem Nettoeinkommen von immerhin 3.000 € angekommen sind? Sollen diese Personen die höheren Steuern bezahlen? Ich wäre sehr gespannt, welche Verwerfungen sich hieraus innerhalb unserer Wirtschaft ergeben würden.

Ich meine, da muss man schon etwas realistischer nachdenken und überlegen, ob wir unser Sozialsystem nicht insgesamt umbauen und es effizienter gestalten müssten. Ich habe hier schon darauf hingewiesen, und man kann es auch leicht nachrechnen: Allein die Einführung des Gesundheitsfonds - ohne dass hieraus auch nur in irgendeiner Hinsicht ein Effizienzgewinn entstünde, ohne dass damit irgendetwas für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder für diejenigen getan würde, die am Sozialsystem beteiligt sind - wird die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber und damit auch die Handwerker um bis zu zweieinhalb Prozent zusätzlich belasten. Ich finde, das ist eine granatenmäßig gute Idee, um ein System zu retten, von dem wir wissen, dass es so nicht zu retten ist. Führen wir also einen Gesundheitsfonds ein, von dem alle Experten sagen: Er ist ineffizient, kontraproduktiv, völlig unnütz, teilweise gar nicht durchführbar, und erhöhen damit die Kosten in diesem Bereich, anstatt sie zu senken! Das ist eine bemerkenswerte Leistung der Koalition, die sonst doch antritt und sagt: Wir wollen hier Entlastung schaffen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Kollege Hentschel, ich will noch eines sagen: Ich bin ja begeistert, dass aus der Nullwachstumspartei mittlerweise eine Fortschrittspartei geworden ist, die für Wachstum kämpft. Denn eines ist sicher: Mit Umschichtungen alleine erreichen Sie überhaupt nichts. Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum. Die Handwerksbetriebe brauchen wirtschaftliches Wachstum. Die Menschen brauchen Geld in ihrem Portemonnaie - und das muss Geld sein, das sie selbst verdient haben und nicht Geld, das ihnen irgendwie zugeteilt wird -, damit sie Aufträge vergeben können. Das heißt, wir werden für

(Johannes Callsen)

die Handwerksbetriebe nur dann etwas erreichen können, wenn wir eine wachstumsfreundliche Politik betreiben. An dieser Einsicht jedoch mangelt es bei den Grünen in erheblichem Maße. Ich habe Verständnis dafür, Herr Hentschel - ich kenne Sie ja mittlerweile - egal, wo Sie auftreten, Sie vertreten jede Position, wenn nur Leute da sind, die Ihnen Beifall zollen. Aber Ihre Politik müsste auf Dauer stringenter werden.

(Zurufe des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Kollege Dr. Stegner, wenn ich Ihre Wahlergebnisse und Ihre „Erfolge“ eingefahren hätte, dann wäre ich ruhiger, oder, wie der Minister bereits zutreffend gesagt hat, bescheidener. Das Problem der SPD ist ja nicht nur ihre verkorkste Politik, sondern das Problem liegt auch darin, dass in der SPD Persönlichkeiten wie Sie sind, die glauben, dass man, sobald man die Fliege abgenommen hat, schon ein Arbeiterführer sei.

(Beifall bei der FDP - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleibt der Beifall der CDU?)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Dietrich Austermann, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, dass der Tagesordnungspunkt „Situation des Handwerks“ heißt.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und ver- einzelt bei der CDU)

Das sage ich deshalb, weil ich in den letzten Debattenbeiträgen den Eindruck hatte, wir beschäftigen uns mit der Situation der Biobauern in Deutschland, wir sprechen über die Wirtschaftssysteme in Dänemark, oder wir reden über die Sozialsysteme in anderen Bereichen, wir reden über Steuerpolitik und vieles andere mehr.

Ich möchte an die Beiträge der Abgeordneten der Koalition erinnern und nur stichwortartig zusammenfassen: Die Situation des Handwerks ist gut. Ich sehe keinen Protest von der Tribüne.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die dürfen nicht! Deswegen äußern die keinen Protest!)

Wenn Sie sich mit den Vertretern des Handwerks in Schleswig-Holstein unterhalten, dann wird jeder, egal, wen Sie treffen, sagen: „Es geht mir gut.“ Er sagt es vielleicht nicht so laut, wie ich das jetzt sage, aber er sagt es doch deutlich.

Das Handwerk bildet aus. Das bedeutet, man hat Zuversicht, dass man auch in Zukunft Fachkräfte braucht und diese Fachkräfte beschäftigt.

Die Eigenkapitalsituation der Betriebe hat sich verbessert. Wenn Sie negative Zahlen sehen wollen, Herr Garg, dann müssen Sie in die Vergangenheit schauen, nicht aber die Gegenwart betrachten und schon gar nicht die Zukunft. Seit 2005 steigt auch die Zahl der Betriebe wieder. Das spricht dafür, dass der Kuchen, der verteilt werden kann, größer ist. Die Zahl der Betriebe steigt und eine Vergleichbarkeit mit der Situation vorher ist ohne Weiteres gar nicht möglich, weil die Handwerksordnung reformiert wurde. Ich war damals noch auf der anderen Seite und nicht für diese Reform. Sie ist allerdings reformiert worden und dadurch kam es zu einer stärkeren Aufteilung. Es gab viele Entwicklungen, die sich wieder eingerenkt haben. Seit sich die Situation eingependelt hat, geht die Anzahl der Betriebe nach oben.

Hinsichtlich der Nachfolgeregelungen ist hier schon einiges gesagt worden. Die Landesregierung hilft den Betrieben dabei. Eine der ersten Pressekonferenzen, die wir nach 2005 durchgeführt haben, hat sich diesem Thema gewidmet. Wir machen mit unseren Instituten deutlich, wo die Betriebe Hilfen finden, um besser Nachfolger zu finden.

Als Letztes könnte man das Thema Erbschaftsteuer ansprechen. Sie, Herr Kollege Garg, haben es so dargestellt, als ob schon eine Entscheidung diesbezüglich getroffen worden wäre. Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung wird alles tun, um dafür zu sorgen, dass das realisiert wird, was in der Koalitionsvereinbarung steht. Das, was zurzeit in Berlin vorliegt, wird von uns nicht unterstützt. Da vertreten wir Ihre Position.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden im Interesse der Betriebe arbeiten.

Da in der Berichterstattung des nächsten Tages immer zählt, was der Letzte hier gesagt hat, sage ich noch einmal: Die Lage des Handwerks ist gut. Ich hoffe, dass das Haus das so zur Kenntnis genommen hat.

(Beifall bei CDU und FDP)