Ich glaube, es ist deutlich geworden, welche herausragende Bedeutung das Handwerk in SchleswigHolstein für die Arbeitsplätze und für die Ausbil
dungsplätze und damit auch für die Zukunft unserer Wirtschaft und ein Stück weit auch für unseren Wohlstand in Schleswig-Holstein hat. Nutzen wir unsere Möglichkeiten zur Unterstützung des Handwerks! Das Handwerk hat es in jedem Fall verdient.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal sage ich an die Landesregierung und insbesondere an das Wirtschaftsministerium vielen Dank für den vorgelegten Bericht zur Lage und zur Entwicklung des Handwerks. Das Handwerk spielt in der Wirtschaftsstruktur von Schleswig-Holstein eine herausragende Rolle. Das Handwerk steht beispielhaft für den bedeutenden Mittelstand. Der Eigentümer oder die Eigentümerin führt das Unternehmen, hat den persönlichen Kontakt zu den Kunden und auch zu den eigenen Mitarbeitern und trägt das wirtschaftliche Risiko. Die Zahl der Vollhandwerksbetriebe im Land ist mit 24.000 Betrieben weiterhin sehr hoch. Dahinter steckt allerdings auch eine große Fluktuation. Betriebe werden gelöscht, frisch gegründete Betriebe werden neu angemeldet. Innerhalb von sechs Jahren sind in Schleswig-Holstein 12.000 Handwerksbetriebe gelöscht worden. In den nächsten fünf Jahren müssen circa 8.000 Handwerksbetriebe eine Nachfolgeregelung finden. Jeder fünfte Betrieb wird geschlossen, weil eine Nachfolgeregelung nicht zustande kommt.
Das liegt nicht nur am fehlenden Unternehmernachwuchs, sondern auch an den finanziellen Schwierigkeiten des neuen Handwerksunternehmers. Abstandszahlungen an den weichenden Handwerksmeister und notwendige Neuinvestitionen haben hohe Kreditbedarfe zur Folge. Die Förderinstrumente der Landesregierung, der Investitionsbank, der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft und der Bürgschaftsbank machen hier aus der Sicht unserer Fraktion einen guten Job.
Für die Ausbildungsbereitschaft müssen wir dem Handwerk dankbar sein. Pro Jahr werden in über 8.000 Ausbildungsstätten über 18.700 junge Menschen ausgebildet. Die Schwerpunkte liegen dabei bei den Elektro- und Metallhandwerken sowie bei
den Bau- und Ausbauhandwerken. Für Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss bietet das Handwerk mit einem qualifizierten Berufsabschluss immer noch eine sehr gute Perspektive. 52 % der 7.200 Jugendlichen, die im Jahr 2007 eine Lehre im Handwerk begannen, verfügen über einen Hauptschulabschluss. Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung deckt die inhaltlichen Lücken ab, die von kleinen Handwerksbetrieben innerhalb der Ausbildung nicht abgedeckt werden können. Das Land beteiligt sich seit Jahren mit circa einem Drittel an den Kosten der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung, die jährlich circa 10 Millionen € betragen.
Die Beschäftigtenzahlen steigen in den letzten zwei Jahren leicht. Von 2000 bis 2007 sind die Beschäftigtenzahlen in diesem Bereich aber von 145.000 auf 115.000 gesunken. Das sind 30.000 Beschäftigte weniger in unseren Handwerksbetrieben. Entsprechend sieht es bei der Umsatzentwicklung aus. Für viele Handwerksbetriebe ist es schwer, an öffentliche Aufträge heranzukommen. Die Kommunen sind gehalten, die Ausschreibungen in Fach- und Teillosen vorzunehmen, auch wenn das vielleicht etwas teurer wird als mit einem Generalunternehmer.
Die Billiglohnkonkurrenz aus Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg ist ein großes Problem für das örtliche Handwerk. Hier plädieren wir auch nach der erfolgreichen Kommunalwahl dafür, das Instrument der beschränkten Ausschreibung zu ergreifen. Dabei werden gezielt Unternehmen aus der jeweiligen Region zu Angeboten aufgefordert. Damit ist auch gewährleistet, dass Tariflöhne gezahlt werden und dass die Ausbildungsbereitschaft belohnt werden kann.
Ansonsten müsste hier die Tariftreue zum Zuge kommen. Maßgeblich ist der am Ort der Leistung zu zahlende Tariflohn.
Nach einem Urteil des EuGH von Anfang April 2008 zum Landesvergabegesetz von Niedersachsen müssen die jeweiligen Tariftreuegesetze der Länder angepasst werden.
Für uns Grüne ergibt sich daraus die verstärkte Forderung nach bundesweiten gesetzlichen Mindestlöhnen, die dann eine ähnliche Schutzwirkung entfalten können. Die Argumente dagegen sind nicht
wirklich einleuchtend. Bei einem Mindestlohn von 7,50 € bekommt ein Arbeitnehmer bei einer 40-Stunden-Woche brutto 1.350 €. Das ist nicht die Welt, aber eine deutliche Begrenzung nach unten.
Wo liegen nun die größten Chancen für das Handwerk? - Das ist sicherlich die energetische Sanierung von Wohn- und Gewerbegebäuden und weiter die Installation erneuerbarer Energien. Auch deshalb haben wir Grünen einen Entwurf für ein Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in den Landtag eingebracht. Das hat Zukunft. Hier wird qualifizierte Arbeit vor Ort gebraucht.
Wir Grüne sind der festen Überzeugung, dass der Peak-Oil, das Erreichen der weltweit höchsten ÖlFördermenge, schon Tatsache ist. Eine zukünftige Energie- und Verkehrsplanung muss diese existenzielle Rahmensetzung berücksichtigen. Der Rohölpreis liegt schon seit längerer Zeit über 100 $ pro Barrel, aktuell über 135 $ pro Barrel. Bei weiter steigenden Preisen werden sich das Verkehrsverhalten und der Umgang mit Energie ändern müssen.
Noch 2004 hatte die Internationale Energieagentur, ein Zusammenschluss der größten Ölverbraucher, für 2008 einen Rohölpreis für heute von 40 $ prognostiziert. Das ist volkswirtschaftliche Schadwirkung solcher Prognosen, weil sich die Volkswirte natürlich nach solchen Prognosen richten. Wir haben immer gesagt: Das ist unrealistisch. Nun hat der Chefökonom der Internationalen Energieagentur in einem Interview mit der Zeitschrift „Internationale Politik“ erklärt, dass sich bei steigendem Weltölverbrauch bis 2015 eine Versorgungslücke auftun wird. Damit ist klar, wo die Zukunft des Handwerks liegt: Energieoptimierung, Wärmedämmung und erneuerbare Energien.
Damit hat das Handwerk nicht nur ab und zu goldenen Boden, sondern immer öfter auch grünen Boden. Mit grünen Ideen werden nachhaltig schwarze Zahlen geschrieben.
Es ist allerdings meine Beobachtung, dass auf diesem Gebiet auch im Bereich des ausgebildeten Handwerks Fortbildungsbedarf besteht. Ich war bei einer Veranstaltung der Stadtwerke Eckernförde mit dem schlichten Titel „Fachgerechte Sanierung eines Daches“. Die Leute passten nicht in das Gebäude, so viel Interesse bestand für solch ein Fortbildungsangebot. Wir von der öffentlichen Hand
müssen darüber nachdenken, solche Angebote in Zusammenarbeit mit den Verbänden des Handwerks zu initiieren und zu stützen.
Statt Kohlekraftwerke zu bauen, müssen wir KraftWärme-Kopplungs-Maschinen bauen. In Deutschland liegt der durchschnittliche Anteil an KraftWärme-Kopplungs-Strom bei 12 %, in Dänemark bei über 65 %. Das hat keine physikalischen Ursachen, sondern hat Ursachen in der politischen Rahmensetzung. Dahin wollen wir.
Gucken Sie sich zum Beispiel die Firma Johannes Storm in Rendsburg an. Mit Kraft-Wärme-Kopplung im Handwerk mit allen dazugehörigen Dienstleistungen wie Rohrverlegung und so weiter kann man sehr gut Geld verdienen, und zwar auch dauerhaft, weil damit auch eine Wartung verbunden ist. Da liegen beachtliche Arbeitsplatzeffekte, das sind Volumina in unserer schleswig-holsteinischen Volkswirtschaft, die sehr groß sind.
Meine Damen und Herren, wenn wir von wärmetechnischer Sanierung im Gebäudebestand reden, gib es zwei wesentliche Aspekte. Wie ich schon sagte, ist das Potenzial an Arbeit riesig. Die ökologische Energiewende ist nämlich nichts anderes als der Ersatz des Einkaufs von Energierohstoffen durch Kapital und Arbeit. Auch Vermieter müssen sich fragen, ob sie das begrenzte Budget ihrer Mieter mit dem Ölscheich teilen wollen oder ob es nicht mehr Sinn macht, dieses Budget durch Investitionen selber zu schöpfen, natürlich unter Zuhilfenahme handwerklicher Leistungen.
Der zweite Aspekt unter dem Stichwort Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland lautet: Die Häuser in Kiel, Pinneberg und Husum, die auf ihre energetische Ertüchtigung warten, können nicht weglaufen. Auch da ist das Handwerk gefragt.
Meine Damen und Herren, es gibt eine ganze Menge Aspekte, auch durchaus kritische Themen, die wir weiterentwickeln und diskutieren müssen: Bürokratieabbau, Hilfestellung und Beratung bei Antragsverfahren, bei Ausschreibungen und so weiter für die Handwerksbetriebe.
Sozialabgaben sind ein wichtiges Thema. Wir wollen eine vermehrt steuerfinanzierte Bedienung der Sozialkassen. Wir wollen nicht, dass sich die Sozialabgaben wie eine 40-prozentige Strafsteuer auf Arbeit auswirken. Gerade in den weniger gut bezahlten Jobs ist das eine hohe Hürde. Im Handwerk wäre ein solcher Umbau unserer Steuer- und Sozialabgabenpolitik von großer Bedeutung.
Danke, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Denn an den Gesamtkosten für die Handwerksbetriebe stellen die Lohnkosten einen sehr großen Anteil. Weitere Stichpunkte sind Betriebsübergang an Nachfolger, Lohnregelungen, Tariftreue, Mindestlöhne, Reform der beruflichen Bildung.
Ich habe gesagt, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Vielleicht wäre es ohne den energiepolitischen Ausflug schneller gegangen.
Die genannten Probleme im Zusammenhang mit dem Handwerk möchte ich gern im Ausschuss vertiefen. Ich bedanke mich noch einmal für den Bericht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Handwerk goldenen Boden hat, konnte man in den vergangenen Jahren wahrlich nicht behaupten. Das geht auch aus der Antwort auf die Große Anfrage zur Lage und Entwicklung des Handwerks in Schleswig-Holstein hervor. Die wirtschaftliche Krise seit dem Jahr 2000 hat auch das Handwerk in Schleswig-Holstein schwer getroffen. So fiel die Zahl der Beschäftigten im Handwerk in den Jahren 2000 bis 2006 von 145.000 auf 114.000. Auch der Umsatz fiel von 11,3 Milliarden € auf 10,4 Milliarden €. Auch die Zahl der Betriebe ging wegen Betriebsschließungen in diesem Zeitraum weiter zurück.
Die Hauptlast dieses wirtschaftlichen Niedergangs wurde insbesondere von der Bauwirtschaft getragen, wo sich die Zahl der Beschäftigten in Schleswig-Holstein in zehn Jahren nahezu halbiert hat. Umso positiver ist es, dass wir im letzten Jahr end
lich eine Kehrtwende registrieren konnten. Sowohl der Umsatz als auch die Zahl der Beschäftigten sind 2007 leicht angestiegen, und es ist wohl nicht vermessen, von einer Trendwende zu sprechen, weil auch die Aussichten für 2008 nicht schlecht sind. Das ist nicht nur gut für die Handwerksbetriebe in unserem Land, sondern auch gut für unsere Gesellschaft insgesamt.
Denn die Bedeutung des Handwerks für die Ausbildung junger Menschen ist immer noch enorm und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. So waren 2007 mehr als 43 % der Handwerksbetriebe in der Ausbildung engagiert. Dies ist ein Spitzenplatz in der gewerblichen Wirtschaft, von der sich andere Wirtschaftsbranchen endlich einmal inspirieren lassen sollten, zumal es gerade die Kleinst- und Mittelbetriebe sind, die sich in der Ausbildung junger Menschen engagieren. Dabei war der Anteil der Auszubildenden im Handwerk an der gesamten dualen Berufsausbildung im Lande mit über 30 % konstant hoch.
Obwohl auch die Zahl der Ausbildungsplätze naturgemäß im Laufe der Krise zurückgegangen ist, können wir 2007 und - wie ich glaube - auch in diesem Jahr wieder einen Anstieg verzeichnen. Sicherlich ist dies nicht zuletzt auch auf das „Bündnis für Ausbildung“ zurückzuführen, in dem Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Landesregierung gemeinsam um neue Ausbildungsplätze werben. Diese seinerzeit von der rot-grünen Landesregierung ins Leben gerufene Initiative hat sich also auch im Handwerk Schleswig-Holsteins bewährt.
Trotz dieser positiven Entwicklung in den letzten beiden Jahren ist natürlich auch bei den Handwerksbetrieben in Schleswig-Holsteins nicht alles Gold, was glänzt. So sehen die Handwerkskammern in Schleswig-Holstein gerade in der fehlenden Binnennachfrage ein großes Problem für die zukünftigen Umsatzerwartungen der Betriebe.
Die Handwerkskammern fordern daher eine wirkliche Nettoentlastung für die Arbeitnehmer, damit die Binnennachfrage weiter ansteigt.
In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch die negative Auswirkung der Mehrwertsteuererhöhung auf den Handwerksumsatz kritisiert. Der SSW kann diese Kritik nur unterstützen, und man sollte sich wirklich überlegen, ob der Vorschlag der Handwerkskammern, die steuerliche Anrechenbarkeit von Handwerksrechnungen noch einmal zu erhöhen, nicht ein vernünftiger Weg ist, um dem Handwerk in Schleswig-Holstein zu helfen.
Zum einen könnte dadurch die Schwarzarbeit besser bekämpft werden und zum anderen würde damit auch die Renovierung vieler Eigenheime, Wohnungen und Gebäude vorangetrieben, was auch aus klimaschutzpolitischen Erwägungen positive Auswirkungen haben könnte. Der SSW möchte daher anregen, ob wir hier im Landtag nicht eine gemeinsame Bundesratsinitiative der Landesregierungen in dieser Frage voranbringen sollten. Der SSW kann jedenfalls die Forderung der Handwerkskammern nach einer Anhebung des steuerlichen Bonus von 20 auf 25 % nur unterstützen.
Ein anderes Problem müssen die Handwerksbetriebe aber selber lösen. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage wird erwähnt, dass viele Handwerksbetriebe im nördlichen Landesteil darüber klagen, dass ihnen die dänischen Konkurrenten die Facharbeiter wegnehmen. Die Ursache soll laut Bericht im dänischen Wirtschaftsaufschwung liegen, der dazu führt, dass die dänischen Handwerksunternehmen viel höhere Löhne zahlen können.