Koalitionspartner das neue Immissionsschutzgesetz beraten und beschließen, weil hier ganz offensichtlich eine Gesetzeslücke vorliegt, die geschlossen werden muss. Wir würden uns allerdings auch freuen, Herr Minister, wenn die Wünsche anderer, von anderen ebenfalls negativen Entwicklungen Betroffener - zum Beispiel im Natur- und Artenschutz - ebenso schnell und nachdrücklich aufgenommen und umgesetzt würden.
Meine Damen und Herren, im Bundes-Immissionsschutzgesetz wird nur der Anlagenbetrieb geregelt, nicht aber die vom menschlichen Verhalten - Herr Kubicki musste als Beispiel herhalten - herbeigeführten Luftverunreinigungen und Lärmbelästigungen. Diese wurden früher über den Begriff der öffentlichen Ordnung im Landesverwaltungsgesetz geregelt. Da dieser Begriff aber aus dem Landesverwaltungsgesetz - mit guten Gründen - gestrichen wurde, benötigen die Gemeinden eine neue Ermächtigungsgrundlage, um im Bedarfsfall regelnd eingreifen zu können.
Gerade in den tourismusgeprägten Gemeinden ist es von Bedeutung, Instrumente an die Hand zu bekommen, um Belästigungen vermeiden - das gilt auch für Strande - oder in vernünftige Bahnen leiten zu können. Abendveranstaltungen, Baulärm, aber auch Brauchtumsfeuer können zu starken Belästigungen führen, die zu erheblichen Konflikten beitragen können.
Wir hätten uns allerdings gewünscht, Herr Minister, dass schon im Entwurf der Ansatz erkennbar geworden wäre, die Nutzung zum Beispiel von Knallschussanlagen zur Vergrämung von Gänsen vernünftig zu regeln.
Wir sehen in dem vorliegenden Gesetzentwurf die Chance, betroffenen Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechtssicherheit zu geben. Schussanlagen zur Gänsevergrämung können noch in größerer Entfernung wirklich nervtötend sein. Es laufen bereits einige Klagen gegen Anwender von Knallschussanlagen. Diese Anlagen sind sowohl hinsichtlich der Wirkung als auch des Artenschutzes sehr fraglich.
Es ist uns ebenfalls sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass Landwirte nicht durch unsinnige Verordnungen daran gehindert werden, ihrer täglichen oft auch sonntäglichen - Arbeit nachzugehen. Hier
muss das Ministerium die Entwicklung verfolgen und gegebenenfalls eingreifen. Es darf nicht passieren, dass ein Landwirt gutes Wetter für die Heuernte am Wochenende deshalb nicht nutzen kann, weil ihm das eine gemeindliche Verordnung verbietet.
- Lieber Claus Ehlers, wir gehen aber von einem verantwortungsvollen Handeln der Gemeinden, in diesem Fall vor allem der ländlichen Gemeinden, aus.
Das Beispiel Schleswig, das schon an anderer Stelle diskutiert worden ist, ist zwar gerichtlich entschieden, aber auch hier ist es dem verantwortlichen Handeln der Gemeinde anheim gestellt, eine vernünftige Regelung zu finden.
Wir begrüßen im Übrigen, Herr Minister, die Befristung des Gesetzes auf drei Jahre, um es dann vor einer eventuellen Verlängerung evaluieren zu können.
Lassen sie mich zum Schluss noch einmal auf das Thema Entbürokratisierung eingehen. Da sich Minister von Boetticher ja auf die Fahnen geschrieben hat, nicht mehr Gesetze zu schaffen, wird das Seveso-II-Umsetzungsgesetz unverändert - Herr Bernstein - ins neue Gesetz übernommen, und somit haben wir weiterhin nur ein Gesetz. Das ist am Ende gut, vor allem gut für die Statistik.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip trügt der Schein des Namens. Der Entwurf für ein Landes-Immissionsschutzgesetz ist im Grunde genommen nichts anderes als die Umgehung der Erweiterung des Ordnungsrechts um den Begriff der öffentlichen Ordnung. Das räumt die Landesregierung auch mehrfach im Entwurf ein, und das ist auch schon einige Male angesprochen worden.
Ziel des Gesetzes soll es sein, dass künftig die Entstehung von unnötigem Lärm und Rauch vermieden wird. Wer aber dabei insbesondere an Betriebe oder vergleichbare Anlagen gedacht hat, der sieht sich getäuscht. Es geht in diesem Gesetzentwurf mehr
um menschlichen Lärm, wenn ich ihn einmal so bezeichnen darf, um das Verhalten von einzelnen Menschen. Insbesondere in tourismusgeprägten Gemeinden besteht aus Sicht der Landesregierung das dringende Bedürfnis, Lärmkonflikte mit primärem Verhaltensbezug durch Personen auf unterschiedlichste Art auf örtlicher Ebene zu regeln. Als Beispiele nennt der Entwurf die Entstehung von Baulärm in Kurorten, Abendveranstaltungen oder Open-Air-Events. Auch bestünden örtliche Probleme durch die Zunahme von Brauchtumsfeuern, die zum Teil aufgrund ihrer Häufung zu angeblich erheblichen Belästigungen über die Luft führen.
Begründet wird der Bedarf für dieses Gesetz darin, dass es vermehrt Belästigungen nicht durch den Anlagenbetrieb, sondern durch menschliches Verhalten, zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen, gegeben hat. Künftig sollen kommunale Satzungen regeln können, dass das Entfachen von offenen Feuern örtlich und zeitlich begrenzt sein soll, dass bestimmte Geräte also beispielsweise Heckenscheren, Vertikutierer oder Laubsauger nur eingeschränkt eingesetzt werden können und auch sonstige näher zu bestimmende Maßnahmen wie zum Beispiel Vergrämungsanlagen - nicht oder nur eingeschränkt eingesetzt werden dürfen.
Zu dieser Begriffsbestimmung soll dann wohl in der hierfür noch zu erstellenden Landesverordnung noch etwas Näheres gesagt werden. Auf deutsch heißt dies, es wird künftig schwieriger sein, nachts nach Veranstaltungen vor dem Bahnhof zu grölen oder im Garten die Heckenschere oder den Rasenmäher einzusetzen, wenn es denn die Nachbarn stört.
Im Prinzip halten wir dieses Gesetz nicht für zwingend notwendig, weil nicht jedes zwischenmenschliche Problem durch ein Gesetz zu regeln ist.
Unser Eindruck ist, dass der Gesetzentwurf nicht aus der Feder des Entbürokratisierungsstaatssekretärs Schlie stammen kann. Denn eine Folge dieses Gesetzes wird die weitere Schaffung von Landesverordnungen und kommunalen Satzungen sein. Dabei hat der Gesetzentwurf eine logische Folge: Er gibt den Kommunen Möglichkeiten an die Hand, zum Beispiel gegen nächtliche Lärmer vorzugehen. Aber das Gesetz kann auch zu einem Querulantengesetz verkommen. Es gibt nämlich auch denjenigen noch mehr Möglichkeiten an die Hand, die nur darauf warten, dem Nachbarn die Grillparty zu vermasseln, weil es ihm nicht passt.
Gedacht war dieses Gesetz nach seiner Begründung auch insbesondere dazu, in Tourismusorten für einen ruhigen Schlaf der Gäste zu sorgen. Aber ist dies wirklich notwendig und nicht möglicherweise kontraproduktiv? Wo gehobelt wird, fallen eben auch Späne - will heißen: In Fremdenverkehrsorten, auch in Kurorten, gibt es häufig Veranstaltungen und Events, die Gäste anlocken und die Attraktivität der Orte steigern sollen. Wer also den Begleitlärm nicht möchte, muss im Prinzip auch auf diese Veranstaltung verzichten.
Ich stelle mir gerade vor, nach einem Fest auf einer Fanmeile zur EM wollte man wirklich den Leuten verbieten, nachher noch weiter zu feiern oder im Autokorso hupend durch die Stadt zu fahren. Das wird sich kaum durchsetzen lassen. Wir sind hier auf die Argumente der Landesregierung in der Anhörung gespannt. Wir haben aber auch rechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf. Wie bereits erwähnt, sollen künftig auch „sonstige Tätigkeiten“, die erst noch im Rahmen einer Verordnung näher zu bestimmen sind, eingeschränkt oder verboten werden und zu einem Bußgeld führen können. Wir halten es vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots für bedenklich, dass es im Rahmen einer Verordnung geregelt werden soll, welche sonstigen Tätigkeiten nicht oder nur eingeschränkt künftig in Bezug auf Lärmschutz zulässig sein sollen. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber ihnen genau beschreibt, welches Tun oder Unterlassen er duldet beziehungsweise nicht duldet und möglicherweise sogar mit einem Bußgeld belegt. Dies muss dann Inhalt des Gesetzes sein, nicht einer zusätzlichen Verordnung.
Ich denke, wir werden noch viel Spaß mit diesem Immissionsschutzgesetz im Ausschuss haben. Ich freue mich auf die dortige Anhörung und Beratung.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der Entbürokratisierungsoffensive der Landesregierung befassen wir uns heute mit dem
Wir wissen es alle, und den Menschen wird es immer bewusster: Lärm macht krank. Folgen von Lärmbelastung sind Stress und ein erhöhter Krankenstand. Lärmbedingter Stress erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut Bundesumweltamt lassen sich 4.000 Herzinfarkte pro Jahr allein in Deutschland auf den Verkehrslärm zurückführen. Gerade bei Männern soll sich das Herzinfarktrisiko um ein Drittel erhöhen. Lärm ist eine der größten Umweltbelastungen für den menschlichen Organismus, denen wir ausgesetzt sind.
Die Folgen der gesundheitlichen Schäden, die vom Lärm ausgehen, gehören heute zum medizinischen Grundwissen, deshalb hat auch die Politik entsprechend reagiert, es gibt Lärmverordnungen, Lärmminderungspläne und so weiter, ohne hier ins Detail gehen zu wollen.
Ich komme zu einem besonderen Thema, zum Schießlärm. Ein Schuss oder Knall wirkt für den Menschen oder für ein Tier extrem schockartig. Physikalisch gesehen, kommt es zum höchsten urplötzlichen Energieausstoß, der mit einem Chaos an Frequenzen freigesetzt wird, eine extrem hohe Impulsenergie trifft schlagartig auf das Ohr. Die gesamte Physiologie des Menschen, auch der Tiere, steht urplötzlich in größter Alarmbereitschaft, der Körper signalisiert den größtmöglichen Alarm und löst sofort einen Flucht- und Bedrohungsreflex aus. Tiere gewöhnen sich daran, wir Menschen gewöhnen uns an derartige Geräusche nicht.
Im Raum Eiderstedt haben wir - das sagte der Kollege Nabel schon - eine Reihe von Schießapparaten, die dort die Menschen extrem belästigen. Bereits 500 Menschen, Einwohner und Touristen, sind mit Beschwerden gegen die sogenannten Gasknallkanonen vorstellig geworden.
Allerdings ist es aus unserer Sicht dann auch zwingend notwendig, solche Gasknallkanonen zukünftig als genehmigungspflichtige Anlagen einzustufen, mindestens stellt sich für uns aber die Frage, wie dieses Gesetz in Bezug auf solche Anlagen und deren Handhabung zu sehen ist. Ist es plötzlich in das Belieben der Gemeinden verlagert, hier Regelungen zu treffen?
Genauso fragen wir uns, was mit Speedbooten in Küstennähe ist, die einen Höllenlärm verursachen. Auch dieses zählt. Es wird bauartlich zugelassen. Dazu gibt es auch neuere EU-Richtlinien. Vor allem aber die Handhabung dieser Boote, die Art wie
sie betrieben werden, das ist ganz klar verhaltensbezogener Lärmschutz, der dort greifen muss und meiner Meinung nach in den entsprechenden Gemeinden der Küstenregion über dieses Gesetz exekutiert werden können muss.
Was ist mit Rasen mähen? Müssen Gemeinden von diesem Gesetz Gebrauch machen? Entstehen Bürgern Meldepflichten? Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit anderen Gesetzen, die diesbezüglich Regelungen treffen, befürchte ich, dass vielleicht durch diese Einzelregelung ein gewisser Dschungel entsteht, der nicht mehr transparent und einfach von den Bürgern, an die es ja adressiert ist, nachvollzogen werden kann.
Lärmschutz ist auf jeden Fall ein Thema, an dem wir intensiv arbeiten müssen, weil es den Menschen in vielfacher Hinsicht an die Gesundheit geht.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Dieses Zitat von Friedrich Schiller könnte Pate gestanden haben bei der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Damit reagiert die Landesregierung auf das zunehmend unterschiedliche Freizeitverhalten der Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite und dem daraus erwachsenden Bedürfnis, verhaltensbezogene Emissionen auf örtlicher Ebene zu regeln, auf der anderen Seite.