- Markttechnisch ist das so zu sehen, dass die Bauern dies nicht mehr beeinflussen können. Die ganze Sache wird dann sehr schwierig. Die Energie- und Futterpreise sind für eine Tonne inzwischen auf 350 € angestiegen. Im Vorjahr lag der Preis noch bei 190 €. Auch Spekulanten haben sich im Markt getummelt. So passiert es, dass die Preise unkontrollierbar sinken und steigen. Seit 2001 sind die Erzeugerpreise kontinuierlich bis auf 28 ct pro Liter gesunken. Dann kam das Jahr 2007 mit Dürre, Unwettern in Neuseeland und Australien und Betriebsschließungen. All dies führte plötzlich zu einem geringeren Angebot, was zur Folge hatte, dass die Preise stiegen. Angeregt durch den BDM und durch den Bauernverband wurde sofort die Produktion hochgekurbelt. Kühe, die eigentlich verkauft werden müssten, bleiben im Stall und werden weiter gemolken. Dadurch entsteht nunmehr eine Überproduktion von etwa 300.000 t.
In der Welt verändert sich einiges. Plötzlich beginnen China und Indien damit, selbst zu produzieren. Frankreich, Italien und die USA ziehen nach. Der Weltmarkt braucht lediglich 7 % der deutschen Milchproduktion. Durch den Einzelhandel werden
sofort die Preise gedrückt. Wir haben es gehört: Aldi, Müller Milch, Lidl und so weiter drücken die Preise bis auf 15 ct pro Liter. Auch die Nahrungsmittelindustrie reagiert.
Plötzlich werden von den Eiscreme- und Backwarenherstellern andere Rohstoffe verwendet. Sie benutzen nicht mehr Milcheiweiß, sondern sie steigen auf Pflanzenöle und Butterfette um. Der Dollarpreis ist exorbitant niedrig, Milchpulver wird eingelagert. All dies führt dazu, dass die Preise dramatisch fallen. Dies alles hat zum Boykott der Bauern geführt. Ich muss allerdings sagen: Auch ich habe ein großes Problem, wenn Milch in Gülle gegossen wird. Meinen Respekt verdienen die Bauern, die Milch in Tafeln, Kindergärten oder Schulen abgeliefert haben.
(Beifall bei der SPD - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann soll ein Bauer 3.000 l Milch am Tag verteilen? - Das ist doch absurd!)
- Ich habe gesagt, in Teilen, Herr Matthiessen. Vielleicht hören Sie mir zu. Ich habe gesagt, dass ich es abscheulich finde, wenn Milch in Gülle gegossen wird.
Das Gezeter nützt uns allerdings nichts. Wir müssen nach Lösungen suchen. Betroffene Bauern müssen unumgänglich und sofort umfänglich aufgeklärt werden, und zwar über ihre Lage in Deutschland, in Europa und auf internationaler Ebene. Lebensmittel sind zu vertretbaren Preisen zu verkaufen, und eine Überproduktion ist sofort einzustellen. Ich denke, den Bauern ist mehr geholfen, wenn wir nicht auf Quantität, sondern auf Qualität setzen.
Für mich heißt das auch, dass die Bereiche der Direktvermarktung und der Produktion von ÖkoMilch weiter ausgebaut werden. Ein Informationsaustausch aller Beteiligten - also der Bauern, der Molkereien und der Verbände - ist sofort zu organisieren.
Heute Morgen haben wir auf NDR 2 gehört, dass die Bauern weiterhin sehr unzufrieden sind und über einen neuen Boykott nachdenken. Daher hat diese Aktuelle Stunde heute ihre Berechtigung. Außerdem hat das Kartellamt nun - Gott sei Dank - angekündigt, dass es sich jetzt einschalten wird. Trotzdem sage ich: Ein neuer Boykott bringt den Bauern kaum etwas. Die Lager sind voll. Die Solidarität, die sich die Bauern aus dem europäischen
Ausland erhoffen, sehe ich nicht. Im Zweifel wird Frischmilch sofort aus Polen, Dänemark und Holland geliefert.
Wettbewerbsfähige Betriebe - insbesondere an der holländischen Grenze - warten nur darauf, dass die kleinen Betriebe in Deutschland ihren Betrieb aufgeben. Somit denke ich, dass die Bauern ihren eigenen Ast, auf dem sie sitzen, absägen werden.
Ich erwarte, dass die Bundesregierung und auch die Landesregierung schnellstens ihre Aufgabe als Moderatoren übernehmen und bei den Betroffenen vermitteln und ihnen helfen.
Auch der Bauernverband spielt momentan eine wichtige Rolle, indem er in den Dörfern vermittelt, denn die Gräben zwischen den Milchbauern, die geliefert haben, und den Milchbauern, die sich verweigert haben, sind inzwischen groß.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es viel zu tun gibt. Packen wir es an, lassen wir die Bauern nicht im Stich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle zusammen und auch die Bevölkerung insgesamt sind durch die Boykottmaßnahmen der Bauern in den letzten Wochen aufgeschreckt worden.
Wir können feststellen, dass die Bauern durch ihre Aktionen insgesamt einen großen Rückhalt in der Bevölkerung hatten und dass es sehr viele Solidaritätsadressen gab, die sich auf den Boykott bezogen.
Die Absperrung der Molkereien ist natürlich auch aus rechtlichen Gründen nicht akzeptabel. Das haben die Organisatoren dieser Boykottmaßnahmen auch selbst verkündet. Es waren Überreaktionen vereinzelter Bauern.
Zum Werdegang der Diskussion hier im Parlament sage ich: Die FDP hat am 3. Juni im Vorwege der Agrarausschusssitzung einen Antrag eingereicht, um diesen Punkt dort zu behandeln. Die Sitzung des Agrarausschusses wurde leider abgesagt. Ebenfalls am 3. Juni fand auf dem Exerzierplatz eine Demonstration statt. Dort war auch der Herr Ministerpräsident anwesend, der zu den demonstrierenden Bauern gesprochen hat. Ansonsten habe ich leider keine Abgeordneten aus diesem Hohen Hause auf dem Platz gesehen. Hier hätte man aus den Reihen der einzelnen Fraktionen eine gewisse Solidarität zeigen können. Man hätte zeigen können, dass die Probleme der Bauern von uns ernst genommen werden. Das ist leider nicht geschehen.
Der Herr Ministerpräsident hat in seiner kurzen Ansprache darauf hingewiesen, dass er dieses Problem gern regional lösen möchte. Aufgrund dieser Aussage hat am nachfolgenden Freitag ein Gespräch mit den Bauern, den Meiereien und dem Handel stattgefunden. Leider ist mir bisher noch nicht bekannt, welche Ergebnisse diese Gespräche gebracht haben. Vielleicht können wir das noch erfahren. Es ist aus den unterschiedlichsten Gründen heraus nicht zu vertreten, dass beispielsweise das sehr gute Lebensmittel Milch weggekippt wird.
Aber die Verzweiflung bei den Bauern war letztlich so groß, dass sie einfach keine anderen Möglichkeiten sahen. Die Milch fiel nun eben an. Man kann ja nicht auf einmal die Kühe abstellen, sodass sie keine Milch mehr geben. Irgendwie musste da eine Lösung gefunden werden, die aus ethischen Gründen nicht nachvollziehbar ist. Aber man muss hier für die Bauern auch ein gewisses Verständnis aufbringen.
Organisiert wurde dieser ganze Milchboykott vom Bund der Milchviehhalter. Ich muss leider feststellen, dass sich zumindest am Anfang der Bauernverband sehr zurückgehalten hat. Erst nachdem sich gewisse Erfolge andeuteten, versuchte der Bauern
verband, auf diesen Zug aufzuspringen. Ich glaube, auch aus Solidarität wäre es gut gewesen, wenn sich der Bauernverband von Anfang an daran beteiligt hätte.
Auf jeden Fall ist es so, dass, nachdem verschiedene Möglichkeiten anstanden, sich mit dieser Problematik auch im Parlament auseinanderzusetzen, jetzt der Antrag der Koalition zur Aktuellen Stunde kam. Ich freue mich, dass dieses Problem inzwischen auch in der Koalition angekommen ist.
Welcher Preis für Milch ist erforderlich? Hier kann ich eindeutig sagen: Der Milchpreis darf bei 30 ct nicht aufhören, sondern er muss eigentlich bei 40 ct anfangen.
Wir haben gerade im letzten halben Jahr in diesem Bereich Kostensteigerungen beim Futter, bei der Energie und beim Dünger gehabt. Alleine diese Kostensteigerungen machen ungefähr 8 bis 10 ct aus. Von den vorhin schon erwähnten 27 oder 28 ct sind allein durch diese Kostensteigerung zusätzlich 8 bis 10 ct entstanden. Aber der Preis ist jetzt schon wieder auf unter 30 ct gefallen.
Eins steht fest - und das ist das eigentliche Thema, das hier zu behandeln ist -: Am 31. März 2015 fällt die Milchquote, das heißt, wir haben dann die volle Freiheit auf dem Markt. Dies ist von uns insgesamt angestrebt und befürwortet worden. Die grundsätzliche Frage, die sich jetzt stellt, lautet: Wie überbrücken wir die Zeit bis zum 31. März 2015? Soll die Milchquote permanent in kleinen Schritten erhöht werden - praktisch ein Gleitflug zum Ende der Quote -, oder ist es besser, sie praktisch auf dem niedrigen Niveau zu halten mit dem Ergebnis, dass es dann eben 2015 ein abruptes Ende gibt?
Eins müssen die Milch produzierenden Bauern bei uns wissen: 2015 ist mit der Quote endgültig Schluss, und darauf müssen sie sich einstellen.
Das bedeutet auch, dass hier die Investitionen, die sie jetzt tätigen, dies berücksichtigen, damit sie 2015 keine große Überraschung erleben. Ich denke, die Gespräche sollten auch im Ausschuss weitergeführt werden unter Hinzuziehung des BDM, des Bauernverbandes und auch des Handels.
Herr Kollege, dies kann nicht als Antrag gewertet werden, da - wie Sie wissen - die Aktuelle Stunde nicht überwiesen wird.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine Aktuelle Stunde. Ich frage mich allerdings bei den Redebeiträgen, was daran aktuell ist.
Meine Damen und Herren, unsere Milchbauern brauchen faire Preise. Landesregierung und Bauernverband wollen die Quote, also eine Marktmengenbegrenzung, abschaffen. Damit erweisen sie den Interessen der Landwirtschaft einen schlechten Dienst. Sie eröffnen damit einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft Tür und Tor. Durch die Anhebung der Milchquote ist die jetzige Preiskrise entfacht worden. Durch die gänzliche Streichung würde diese zu einer Kaputtmach-Quote mutieren. Dem Preisdruck fallen vor allem mittlere und kleinere Betriebe, die naturnah und standortangepasst wirtschaften, zum Opfer. Die auf Masse getrimmte Agrarindustrie marschiert weiter durch.
Meine Damen und Herren, der ruinöse Milchpreis ist eine direkte Folge der unsensiblen Quotenerhöhungspolitik der EU. Hierzu hat auch der schleswig-holsteinische Bauernminister von Boetticher erheblich beigetragen, der sich zusammen mit seinen Ministerkollegen Hauk aus Baden-Württemberg und Tillich aus Sachsen zu einer unglückseligen Quotenabschaffungs-Achse zusammengeschlossen hat. Damit trägt unsere Landesregierung für das Milchpreis-Desaster eine Mitverantwortung.
Zu den kartellrechtlichen Auseinandersetzungen hier ist ein sehr merkwürdiges Bild zu beobachten. Hunderttausende Anbieter stehen den fünf bis sieben abnehmenden Händen, die 90 % des Marktes beherrschen, gegenüber. Diese sollen offenbar vor den bösen Bauern geschützt werden. Das gemahnt mich an die Situation, die wir auch in der Energiewirtschaft beobachten müssen.