Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Ich bin der Meinung, dass wir ernsthaft darüber streiten müssen, wie wir unsere Kliniken in Zukunft besserstellen, damit sie auch solche sozialen Funktionen wieder wahrnehmen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir langfristig auch Geld sparen, wenn man Menschen bei der Entlassung und hinterher ordentlich betreut, statt sie in irgendwelche stationären Einrichtungen abzuschieben.

Einen zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben, kann ich ebenfalls nur unterstreichen. Bei der Einführung des DRG-Systems hat es viel Euphorie gegeben. Ich will jetzt gar nicht fragen, wer das DRG-System eingeführt hat. Dieses System hat zu einer Mengenausweitung geführt, allerdings auf einem anderen Sektor. Früher hat man die Mengenausweitung durch eine längere Verweildauer zu erreichen versucht, weil Tagespflegesätze gezahlt wurden. Jetzt versucht man dies über eine Erhöhung der Fallzahlen zu erreichen. Ob das medizinisch wirklich immer das Richtige ist, wage ich stark zu bezweifeln.

Sie haben ja ein sehr schönes Beispiel dafür angeführt. Sie haben daran die Frage angeschlossen, wer das Ganze finanzieren soll. Frau Birk, ich will Ihnen eine Antwort geben: Kämpfen wir gemeinsam dafür - noch ist es dafür nicht zu spät -, dass auf den dusseligen Gesundheitsfonds verzichtet wird.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dieser Gesundheitsfonds verschlingt unnötig Geld. Natürlich weiß ich, dass mit meiner Idee die Krankenhäuser nicht aus ihrer finanziellen Misere herausgeführt werden können. Es wäre aber ein Anfang, auf solchen Blödsinn wie den Gesundheitsfonds zu verzichten, damit mehr Geld im System bleibt, das dann den Patientinnen und Patienten zugute kommt.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil nun doch noch das Stichwort des Verzichtes auf den Gesundheitsfonds fiel und immer wieder auf das Geld verwiesen wurde. Entlassmanagement und Übergangspflege sind ein Thema, das überhaupt nicht neu ist. Beides praktizieren wir seit vielen Jahren. Dabei geht es nicht um Geld, sondern schlicht und ergreifend um die Veränderung von Strukturen. Wir haben die Strukturen verändert. Wir haben die strikte Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung aufgebrochen.

Wenn man einmal die Diskussionen in den Berufsfeldern von Altenpflege und Krankenpflege verfolgt, erkennt man, dass es in absehbarer Zeit weder Altenpfleger noch Krankenpfleger im klassischen Sinne geben wird. Es wird vielmehr eine gemischte Form beider Berufsbilder geben. Das heißt, die Berufe werden so ausgerichtet, dass man sowohl im Krankenhausbereich als auch in der Altenpflege arbeiten kann.

Viele ambulante Pflegedienste haben sich inzwischen qualifiziert und haben längst ein Überleitungsmanagement organisiert. Sie haben dies schon deshalb getan, weil viele ältere Menschen nach bestimmten Operationen gar nicht so lange im

(Dr. Heiner Garg)

Krankenhaus bleiben können. Insofern tut sich schon eine ganze Menge. Wir müssen die Entwicklung sicherlich verfolgen und das, was wir vor Augen haben, weiterhin befördern. Es ist jedenfalls ein bisschen zu wenig, den Blick immer nur auf den Gesundheitsfonds, der möglicherweise kritisch zu sehen ist, oder auf mehr Geld zu richten. Das muss ich ehrlich sagen. Wir haben Möglichkeiten, etwas zu verändern.

Herr Kollege Garg, Sie hätten deshalb heute die Chance ergreifen sollen, etwas zum Thema der gesundheitlichen Versorgung älterer Menschen und der geriatrischen Versorgung - beide Themen waren auch Themen auf der Gesundheitsministerkonferenz - zu sagen. Dann hätten wir auch an dieser Stelle fachlich eine gute Debatte führen können. Wie gesagt, es ist ein bisschen zu wenig, jeweils nur eine Reduzierung auf die Kosten vorzunehmen. Das ist gesundheitspolitisch ein bisschen zu flach.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag in der Drucksache 16/2181 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Damit ist der Tagesordnungspunkt insgesamt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Ziel-, Struktur- und Maßnahmenkonzept für das UK S-H

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2144

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung gewünscht. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich bitte Herrn Minister Dr. Werner Marnette, Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, um den Bericht der Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, Ihnen berichten zu können, dass das Sanierungskonzept für das UK S-H seit Juni vorliegt. Ich glaube, die Aus

gangssituation, die Ausgangslage, ist Ihnen allen relativ gut bekannt: ein strukturelles jährliches Defizit des UK S-H in der Größenordnung von 22 Millionen €, ohne Sanierung wären es voraussichtlich im Jahr 2010 etwa 26 Millionen €. Die Gründe dafür dürften in diesem Hohen Haus sicherlich bekannt sein.

Am 17. Juli 2007 hat die Landesregierung einen Sanierungsauftrag erteilt. Das Konzept liegt jetzt vor. Damit sind die Weichen für eine Sanierung des Universitätsklinikums mit der Zielsetzung, quasi ab dem Jahr 2010 ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen, gestellt.

Ich muss an dieser Stelle ganz herzlich Herrn Dr. Carl Hermann Schleifer danken, der federführend an der Konzeption gearbeitet hat. Es liegt mit diesem Bericht und mit diesem Konzept eine umfassende Analyse des Ist-Zustandes vor, und es werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Ich möchte ganz kurz und zusammenfassend auf die wichtigsten Punkte des Sanierungskonzeptes eingehen: Erstens Verbesserung der Wettbewerbsposition durch aktives Marketing; zweitens - das erscheint mir ganz besonders wichtig zu sein - ein neues, modernes Managementkonzept, das mehr unternehmerisches Denken und Handeln einführt, das die Führungsarbeit des Vorstandes vom operativen Geschäft entlasten wird und die Vorstandsarbeit am UK S-H auch entsprechend verbessern wird; drittens Verbesserung von Strukturen und Prozessabläufen, beispielsweise die Zentralisierung der Verwaltung und Zusammenführung des Sitzes in Lübeck sowie die Bildung von drei Zentren, je einem lokalen und einem übergreifenden. Das sind eine ganze Reihe von Maßnahmen, die hier angesprochen und definiert worden sind.

Ganz wichtig sind viertens die Bauinvestitionen, nämlich die Schaffung einer modernen Krankenhausinfrastruktur für eine effiziente Kranken- und Patientenversorgung. Das Investitionsvolumen wird bis zum Jahr 2021 auf aktueller Preisbasis auf eine Größenordnung von 380 Millionen bis 390 Millionen € geschätzt. Hier ist angedacht, das Instrument des ÖPP so weit wie möglich zu nutzen, um natürlich auch die Investitionsspielräume freier zu gestalten, aber auch, um beschleunigend in die Umsetzung von Investitionsmaßnahmen eingreifen zu können.

Wichtig ist fünftens die strategische Ausrichtung von Forschung und Lehre sowie der Krankenversorgung, das heißt die Etablierung von exzellenten Forschungsschwerpunkten, die Translation

(Jutta Schümann)

von Forschungserkenntnissen in die Patientenversorgung, gegebenenfalls mit möglicher Kommerzialisierungsstrategie, die Etablierung von Bereichen in Forschung und Krankenversorgung, die überregionale Alleinstellungsmerkmale genießen.

Wenn man diesen Bericht gelesen hat, gewinnt man Vertrauen, dass hier konkret Konzepte erarbeitet worden sind, auf deren Basis man zu einer Sanierung kommen kann. Es ist nicht auszuschließen, dass kurz - oder auch mittelfristig, um das Konzept durchzusetzen, Veränderungen in den gesetzlichen Grundlagen erforderlich sein werden, dass darüber nachgedacht werden muss. Aus diesem Grund haben wir folgendes Verfahren verabredet: Das UK S-H wird in den kommenden Wochen die Fraktionen und die Ausschüsse über das Sanierungskonzept im Detail informieren. Der UK S-H-Vorstand wird bis zum 26. September 2008 konkrete - wirklich konkrete! - Handlungsvorschläge aus dem Bericht ableiten. Und wir werden natürlich den Vorstand auch entsprechend in die Pflicht nehmen, ein Controllinginstrumentarium einzurichten, um diese Maßnahmen in ihrer Umsetzung dann auch entsprechend kontrollieren zu können.

Auf dieser Grundlage wird es einer politischen Abstimmung bedürfen, welche Maßnahmen politisch unterstützt werden und welche gesetzgeberischen Maßnahmen unter Umständen noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden können.

Abschließend möchte ich sagen: Ich glaube, dass wir hiermit ein plausibles Paket in den Händen haben. Wir müssen jetzt die einzelnen Maßnahmen abstimmen, konkretisieren und dann auch richtig bewerten. Ich glaube, dass jetzt in dieser Geschichte so viel Momentum ist, dass tatsächlich auch das angestrebte Ziel, nämlich zu einem ausgeglichenen Ergebnis ab 2010 zu kommen, erreicht werden kann.

(Beifall bei CDU und SPD - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man fragt sich ein bisschen, was daran neu war!)

Ich danke der Regierung für den Bericht. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Niclas Herbst.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen, Herr Minister Dr. Marnette, herzlich bedan

ken. Ich hoffe, dass Sie bei all den Themen, die Sie jetzt hier bearbeiten müssen, in diesem Jahr zum Sommerurlaub kommen werden.

(Holger Astrup [SPD]: Probezeit! - Heiter- keit)

Wir haben diesen Antrag auch deshalb gestellt, weil wir in einem ersten Durchgang von Ihnen hören wollten, wie es mit diesem Konzept weitergehen soll. Wir wollen dieses Konzept natürlich - ich habe gern gehört, dass es jetzt auch offiziell in die Fraktionen und in die Ausschüsse kommt - auch im Detail beraten. Das soll hier heute der Startschuss sein, um dieses Verfahren ordentlich einzuleiten.

Ich möchte gleich am Anfang meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dieses Konzept, das man immer gemeinsam mit dem gefassten Tarifabschluss sehen muss, auch ein Startschuss dafür ist, dass wir zukünftig in diesem Haus ohne Alarmismus, ohne den Versuch, politischen Profit daraus zu schlagen, und unaufgeregt diskutieren werden. Wir haben in der Vergangenheit Strategiepläne gehabt, Masterpläne gehabt, Gutachten gehabt. Ich denke, jetzt sind wir an einem Punkt, dass wir etwas auf dem Tisch haben, eine gemeinsame Grundlage, über die wir reden können und die uns nach vorn bringt. Nur das wird der Bedeutung des UK S-H gerecht.

Es ist in den vergangenen Debatten schon viel gesagt worden, und auch in der Debatte vorhin ist schon darauf Bezug genommen worden. Ich möchte nur erwähnen, dass der Anteil an den Krankenhausbetten bei Krankenhauspatienten aus Schleswig-Holstein insgesamt beim UK S-H bei etwa 17 % liegt. Bundesweit liegt er in den Unikliniken bei etwa 10 %. Allein das zeigt die Bedeutung des UK S-H. Darüber hinaus ist es natürlich mit über 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch der größte Arbeitgeber in Schleswig-Holstein. Das müssen wir an dieser Stelle nicht alles wiederholen.

Was den Tarifvertrag betrifft, den wir im Zusammenhang damit sehen müssen, sage ich für meine Fraktion auch ganz klar: Wir haben das in der Vergangenheit gelobt und waren auch einhellig der Meinung, dass wir im Haus hier froh sind, dass es zu diesem Tarifvertrag gekommen ist. Das ist auch etwas, was man durchaus als Vorleistung der Arbeitnehmer bezeichnen kann. Wir hier im Haus erwarten jetzt, dass das durch eine Managerleistung komplementiert und dadurch gemeinsam zum Erfolg gebracht wird. Die Mitarbeiter haben ihren Beitrag als Vorschussleistung schon erbracht.

(Minister Dr. Werner Marnette)

Was Forschung und Lehre betrifft, haben die beiden Medizinischen Fakultäten durch die Exzellenzcluster und die Graduiertenschule wesentlich zum Profil des Wissenschaftsstandorts Schleswig-Holstein beigetragen. Ich hoffe, dass dies auch ein Zeichen dafür ist, dass die Eifersüchteleien und die unerfreuliche Situation zwischen Kiel und Lübeck ich bin weder Kieler noch Lübecker - auch endlich einmal beendet ist. Das eine oder andere, was da an spitzer Bemerkung kommt, ist auch eher kindisch. Ich hoffe, dass dies jetzt einen Punkt setzt und wir erreichen, dass Kiel und Lübeck sehen, dass sie zusammenarbeiten müssen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wenn das erreicht wird, ist das ein weiterer Erfolg dieses Papieres. Ich hoffe das sehr.

Ich erwarte vor diesem Hintergrund natürlich auch von diesem Papier klare Aussagen zur Trennung von Forschung und Lehre auf der einen und Krankenversorgung auf der anderen Seite. Wir haben uns in der Vergangenheit auch schon über kooperative Modelle und über integrative Modelle unterhalten. Ich erwarte eine klare Aussage über die zukünftige Zusammenarbeit der Fakultäten und über die Bewertung der bisherigen Arbeit des Medizinausschusses vor diesem Hintergrund. Das werden wir im Ausschuss konkret beraten müssen. Hier muss das Papier Antworten geben.

Was die Basisfallwertdiskussion angeht, will ich nicht das wiederholen, was schon gesagt wurde. Es nützt nur nicht zu diskutieren, was wäre, wenn, und ob das UK S-H hätte schwarze Zahlen schreiben können. Das bringt uns in der jetzigen Situation nicht weiter.

Das Einzige, was in diesem Zusammenhang vielleicht interessant wäre, wäre zu klären, wie es zu den unterschiedlichen Werten gekommen ist. Man mag diese Regierung dafür kritisieren, dass sie nicht genug tue - ich teile das absolut nicht -, aber für diese Situation ist diese Regierung nicht verantwortlich. Das sollten sich all diejenigen, die vielleicht mehr fordern, zu Gemüte führen.

Ich bin dankbar für die Anstrengungen, die die Regierung in dieser Hinsicht leistet, und dafür, dass wir in diesem Haus seit 2005 gemeinsam für die gleiche Sache kämpfen. Nichtsdestotrotz wird uns diese Diskussion in keiner Weise voranbringen, und dem UK S-H ist damit kurzfristig nicht geholfen.

Wir reden über ein Papier, das wir in den Ausschüssen erst noch konkret bekommen. Ich habe

mit Freude gehört, dass es bereits ein Datum gibt, zu dem das UK S-H in die Fraktionen, in die Ausschüsse geht.