Protokoll der Sitzung vom 18.07.2008

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ja durchaus dafür - das wissen Sie -, die Schullandschaft in Schleswig-Holstein mit einem offenen Auge und auch mit innerer Offenheit zu betrachten. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass viele Entscheidungen auch für Gemeinschaftsschulen, von denen es in der Tat mehr gibt, als ich das gedacht habe, als wir das Schulgesetz verabschiedet haben, von CDU-Kommunalpolitikerinnen und CDU-Kommunalpolitikern getroffen worden sind. Nur, Frau Kollegin Spoorendonk, Sie haben das im Hinblick auf die Regionalschule sehr zugespitzt; der Kollege Klug aber auch. Im Sinne von „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ über die Regionalschule zu sprechen,

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das habe ich nicht getan!)

- doch -, das finde ich unangemessen. An den Regionalschulen findet in den ersten beiden Jahren genau der gleiche Unterricht, nämlich gemeinsamer Unterricht, wie in den Gemeinschaftsschulen statt. Es sind sehr viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, die dort ihre Arbeit machen. Es sind übrigens, Herr Kollege Klug, 473 mehr, als Sie gesagt haben; denn

die Zahlen sind mittlerweile aufgrund von Entscheidungen in Brunsbüttel und in Büsum korrigiert worden, wo sich die Bürgerinnen und Bürger in einer direkten Abstimmung für die Regionalschule und gegen die Gemeinschaftsschule entschieden haben.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es bei aller Bereitschaft, über Vieles miteinander zu diskutieren, überhaupt keinen Anlass, jetzt die Regionalschule schlechtzureden, sondern wir sollten hinter den Lehrerinnen und Lehrern und hinter den schulpädagogischen Konzepten stehen, ihnen den Rücken stärken und ihnen alles Gute wünschen und nicht von vornherein als Landtag ein Schulgesetz infrage stellen, das gerade erst verabschiedet worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich empfehle, auch einmal einen unideologischen Blick in die Schulen hineinzuwerfen, darauf zu sehen, was wir dort erwarten und was dort stattfindet, und zwar unterschiedlich in Regionalschulen und in Gemeinschaftsschulen. Wir sollten mal darauf sehen, welche Schülerinnen und Schüler dort hingehen und welcher Unterricht dort stattfindet. Wenn ich jetzt die Anmeldungszahlen sehe, dann haben wir bei den Gemeinschaftsschulen - das ist an der Stelle wahrscheinlich weniger, als viele angenommen haben, die die Gemeinschaftsschule befürwortet haben - nur einen ganz geringen Teil von Gymnasialempfohlenen, und zwar im Unterschied zu den bisherigen Gesamtschulen. Nur 4 % sind gymnasialempfohlen. Damit haben wir in etwa eine gleiche Anmeldungslage wie bei den Regionalschulen. Das heißt, wir haben in etwa die gleiche Schülerklientel, die wir dort vorfinden, und wir haben auch pädagogisch ganz ähnliche Konzepte, die dort angewandt werden. Wir haben in der fünften und sechsten Klasse auf jeden Fall zwingend gemeinsamen Unterricht.

Die Zeit, Herr Kollege! Tut mit leid, es ist ein Kurzbeitrag.

Dann versuche ich das sehr schnell zu Ende zu bringen. Wir haben ab der 7. Klasse der Regionalschule getrennten Unterricht vorgesehen, und wir haben die Möglichkeit in einer Gemeinschaftsschule, das gemeinsam zu machen. Viele Konzepte an den Gemeinschaftsschulen sehen schon jetzt vor, dass das auch ausdifferenziert stattfinden soll.

(Anke Spoorendonk)

Die Wirklichkeit zeigt also, dass wir an Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen eine im Wesentlichen gleiche Schülerklientel haben und dass wir im Wesentlichen gleiche schulpädagogische Konzepte haben, das heißt eine weitgehende Annäherung.

Darüber, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte man ohne ideologische Scheuklappen in allen politischen Lagern offen miteinander diskutieren. Das ist eine schwierige Diskussion, nicht nur in meiner Partei. Sie sollte mit Offenheit auch in anderen Parteien geführt werden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Wadephul, einen kleinen Moment. Herr Kubicki hat sich zu einer Frage gemeldet. Sind Sie bereit, die zu beantworten?

Wenn Sie mir dafür weitere Zeit zur Verfügung stellen.

Das tun wir und rechnen das nicht mehr an. Wir sind ja ein modernes Parlament.

Eine Minute, gut; vielen Dank.

Herr Kollege Dr. Wadephul, wenn ich Sie richtig verstanden habe und der Unterricht der gleiche ist, die Schülerpopulation gleich ist, eigentlich alles gleich ist, warum haben wir dann eine Regionalschule und eine Gemeinschaftsschule und nicht gleich eine Gemeinschaftsschule?

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Herr Kollege Kubicki, ich sehe mit Freude die schulpolitische Diskussion bei der Freien Demokratischen Partei.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sind damit durch!)

- Dann haben Sie ja Herrn Klug schneller vom schulpolitischen Paulus zum Saulus gemacht, als wir das je erwartet hätten. Das wird in der Zukunft vieles in der Politik vereinfachen, vielleicht auch

künftige Koalitionen. Da sind wir enger beieinander, als wir das in der Vergangenheit waren.

Ich will dazu nur Folgendes sagen: Der Anspruch der Gemeinschaftsschule - das ist hier ja auch geäußert worden; das liegt dem auch zugrunde; das ist die Grundidee - ist in der Tat, eine Schule für alle zu sein. Dem wird sie nach meiner Auffassung nicht gerecht. Bei 4 % Gymnasialempfohlenen kann man nicht sagen, dass es eine Schule für alle ist. Deshalb sagen wir als CDU auch ganz klar: Wir stehen zum Gymnasium. Das unterscheidet uns wahrscheinlich auch von unserem Koalitionspartner. Ich bin auch nicht der Auffassung, dass man nur Klavierunterricht braucht, um dort hingehen zu können. Das ist in der Wirklichkeit auch anders. Wer sich heute einmal die Bilder von Abiturienten gerade in Kiel, die entlassen worden sind, anschaut und darauf achtet, wie viele dort schon vom Namen her einen Migrationshintergrund haben, wie viele dort aus anderen Bereichen kommen, der sieht Frau Spoorendonk, ganz im Gegensatz zu Ihren Ausführungen -: Das Gymnasium ist offen. Wir brauchen das Gymnasium, und wir sollten es stärken.

(Beifall bei der CDU)

Die Minute ist um. Lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk zu?

Wenn meine Zeit dann noch einmal verlängert wird, bin ich dazu bereit.

So machen wir das, Herr Kollege.

(Zuruf: Das ist ja wie in der Fragestunde!)

Eine Fragestunde kann sich nur an die Regierung richten, und der gehöre ich nicht an.

Herr Kollege Wadephul, soll ich Ihre Ausführungen so verstehen, dass Sie im Grunde doch dem Antrag der Grünen zustimmen?

- Nein. Ich bitte, es mit Blick auf die Geschäftsordnung bei dieser kurzen Antwort zu belassen.

(Heiterkeit und Beifall)

(Dr. Johann Wadephul)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Jürgen Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass die Diskussion wieder etwas in die heitere Variante hinübergeglitten ist. Trotzdem glaube ich, es gibt einen guten Anlass, auf das eine oder andere noch einmal kurz zu reagieren.

Es ist ja schön, dass wir uns heute Morgen alle noch einmal gegenseitig unsere schulpolitischen Grundauffassungen sagen. Das kann nie schaden. Aber im Kern geht es doch darum, dass wir über die Frage nachdenken, wie wir das Schulsystem, das wir in ein neues Schulsystem gegossen haben, weiterentwickeln, wann der Zeitpunkt gekommen ist, darüber nachzudenken, ob nachjustiert werden muss und wie das passieren kann. Es kann doch keiner ernsthaft sagen, dass man ein Schulgesetz, das gerade dabei ist, sich in eine vernünftige und richtige Richtung zu ändern, schon nachjustieren kann.

Ein Satz der Kollegin Spoorendonk hat mich dazu geführt, mich noch einmal zu melden. Kollegin Spoorendonk, Sie haben gesagt, Sie stimmten den Grünen nicht zu, weil kein Weg verbaut werden solle. Daran ist im Kern deshalb etwas Richtiges, weil ich in der Diskussion den Eindruck hatte, dass nicht erkannt wird, dass Schule natürlich ein lernendes System ist, dass es ein sich weiterentwickelndes System ist, dass sich Schule verändern kann.

Das ist sozusagen ein beginnender Prozess, der nicht allein an Schulformen oder Schulstrukturen hängt. Eine Regionalschule, die jetzt eingerichtet ist, vernünftig arbeitet und bei den Eltern akzeptiert ist, muss sich weiterentwickeln können. Es kann sein, dass an einem Standort, an dem eine Regionalschule existiert, der Schulträger, die Eltern, die Schule selbst meinen, man wolle sich zu einer Gemeinschaftsschule weiterentwickeln. Das kann sie dann tun. Sie kann es auch lassen. Wir haben ein sehr flexibles System und sind sehr überzeugt davon - Herr Kubicki und alle Kollegen im Hause, die sich dazu kritisch geäußert haben -, dass sich das an der Qualität orientieren wird. „Schule für alle“ ist ein Angebot, das alle Kinder, egal welcher Herkunft, egal mit welchen Startchancen, in dieser Schule entwickeln können. Das heißt nicht, dass wir von Beginn an aufgrund der Schulartempfehlung so etwas wie eine Parität herstellen. Wir alle

wissen, wie begrenzt aussagekräftig Schulartempfehlungen für 9- oder 10-jährige Kinder sind. Das ist doch überhaupt nicht neu.

Ich komme zum Schluss. Das Schulgesetz hat erhebliche Entwicklungsperspektiven. Wir sind sicher, dass das, was wir für längeres gemeinsames Lernen, für mehr Chancengleichheit auf den Weg gebracht haben, der richtige Weg ist. Wir haben mit den Kollegen von der Union ein Schulgesetz gefunden, das die Möglichkeit schafft, dass sich mit der Unterstützung des Landes vor Ort Schule so entwickeln kann, wie es die Eltern wollen und wie es für die Kinder am besten ist. Geben Sie dieser Entwicklung eine Chance. Dann können wir nach zwei oder drei Jahren einen ersten Zwischenschlussstrich ziehen und sagen, was sich bewährt hat und was nicht. Wir wollen jetzt nicht von oben herab eine Entwicklung zerstören, mit der wir gerade angefangen haben.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sache wird ja richtig spannend. Die FDP geht mittlerweile auch davon aus, dass nur noch ein zweigliedriges Schulsystem notwendig ist.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Nein!)

- Ihre Äußerungen haben sich schon so angehört. Der SSW könnte unserem Antrag zustimmen, aber weil er im Herzen radikaler ist, Frau Anke Spoorendonk, stimmen Sie dem Antrag doch nicht zu. Nicht, weil wir zu weit gehen, sondern weil wir nicht weit genug gehen. Wir sollten also noch radikaler formulieren, wenn ich das richtig verstanden habe.

Die CDU weist darauf hin, dass der Antrag überflüssig ist, weil es sowieso keine Unterschiede zwischen Regional- und Gemeinschaftsschulen gibt. Da fragt sich natürlich jeder berechtigterweise, warum es dann überhaupt noch zwei unterschiedliche Schularten gibt.

Die SPD sagt, man wäre wahrscheinlich in zwei Jahren so weit.

Hierzu sage ich Folgendes: Jetzt ist es in der Tat so, wie Herr Wadephul sagt: Die Differenzierung in

den Regionalschulen beginnt erst nach zwei Jahren. Die Regionalschulen starten gerade. Wir machen also nichts kaputt, wie hier gesagt worden ist, sondern wir greifen korrigierend ein. Nach meiner Kenntnis waren es an fast allen Orten mit ganz wenigen Ausnahmen nicht die Schulen, die Regionalschulen werden wollten, sondern es waren die Gemeindevertreter, die häufig gegen den Willen der Eltern und Lehrer in diese Richtung gedrängt haben.

(Zuruf von der CDU)