- Das hat auch etwas mit der Zeit zu tun, Herr Hentschel. Ich könnte das schon, aber ich muss es nicht. - Herr Stegner, wir haben inzwischen durchaus auch neu geordnet und vom Kopf wieder auf die Füße gestellt.
Nachdem uns die Gutachten namhafter Wissenschaftler zu den grundsätzlichen Anforderungen an eine Reform mit nochmals geschätzten Einsparpotenzialen vorlagen, hat sich die Koalition im Februar auf die Leitlinien zur Verwaltungs- und Funktionalreform auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte verständigt. Die Fusionsrenditen - das war der Beschluss - sollten noch einmal von einem Gutachter konkret ermittelt werden. Seit letzter Woche liegen uns diese Zahlen vor. Sie belaufen sich auf 12,8 Millionen € bis maximal 24 Millionen €.
- Bis maximal 24 Millionen €. Ich gebe gern zu ich finde, das gehört zur Redlichkeit dazu -, dass diese Zahlen und diese Ergebnisse nach dem, was vorher bedacht worden ist, ernüchternd sind. Aber ich sage auch: Wir dürfen bei dem ganzen Prozess nicht vergessen, was wir schon erreicht haben, insbesondere an Einsparungen im Bereich der Neuordnung der Ämterstrukturen. Auch da ist anders darüber diskutiert worden. Also, lieber Herr Hentschel, lieber Herr Kubicki, bitte nicht vergessen, dass hier Einsparungen erzielt worden sind.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das Gutachten nicht der Opposition gegeben, wenn Sie es Ihren Fraktionen gegeben haben?)
Wir haben das vollständige Gutachten selbst noch nicht einmal. Seien Sie doch einmal ganz ruhig und gelassen!
Wenn wir eine Ernüchterung durch die Zahlen haben, dann geht es auch darum, dass wir mit diesen Zahlen auch nüchtern und sachverständig umgehen. Dafür wird ein Gutachten gemacht, meine Damen und Herren.
Diese Nüchternheit wird gebraucht, um die Zahlen zur Grundlage der weiteren Diskussion auch im Koalitionsausschuss zu machen. Das Gutachten wird jetzt sorgfältig ausgewertet. Es ist die Grundlage für die nächste Diskussion.
Es ist immer so bei einem Gutachten, gerade wenn solche Zahlen genannt werden. Dann sagen die einen: Ich habe es gleich gewusst, dass nichts dabei herauskommt. Die anderen - Herr Hentschel, zu denen gehören Sie - sagen: Wir wissen das alles besser, und wir können mit unseren ideologischen Vorstellungen und Bemühungen viel besser in die Diskussion hineingehen als diejenigen, die sich an das Gutachten halten.
Ich sage Ihnen hier offen und ehrlich: Für mich ist das Ziel dieser Maßnahmen, die schon viel zu lange gedauert haben, wo wir viel Zeit verloren haben, die Einsparung und nicht eine grundsätzliche Neuordnung, etwa um dort irgendwelche neuen Karten zu zeichnen.
Das kann ein Mittel sein. Das Ziel - und darüber reden wir - sind die Einsparungen. Ich glaube, dieses Gutachten zeigt, dass Sie mit Ihren Vorstellungen, Herr Hentschel, ganz weit davon entfernt sind. Hier geht es um fundierte Fakten. Hier geht es nicht um ideologisch begründete Fantasiegebilde.
Selbstverständlich müssen wir bei der Diskussion die Gutachten berücksichtigen, die uns die Verfassungsrechtler erarbeitet haben. Ein Gesetz zur Fusion hat selbstverständlich auch die Gesichtspunkte
der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Das hat uns zuletzt das Mecklenburgische Oberverwaltungsgericht gelehrt. Es ist nach wie vor mein Ziel ich sage das noch einmal -: Es muss darum gehen, eine Reform auf den Weg zu bringen, die von allen Beteiligten nachvollzogen und akzeptiert wird. Die Erfahrung zeigt: Reformen, die nicht akzeptiert werden, sind zum Scheitern verurteilt.
Unser Ziel ist die Einsparung. Jeder Euro, den wir einsparen können, muss gespart werden. Das sind wir unseren Kindern und unseren Enkeln schuldig. Die Menschen in Schleswig-Holstein haben sich in den letzten Jahren für eine gute Zukunft SchleswigHolsteins ins Zeug gelegt. Ich bin dafür sehr dankbar. Dies verpflichtet uns, weiter dafür zu sorgen, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen. Zugleich gehört es zu unserer Verantwortung, gezielt zu investieren, damit wir auch künftig als ganzes Land gewinnen können.
Bevor ich mit Mitteilungen zur Geschäftsordnung komme, möchte ich auf der Besuchertribüne sehr herzlich Soldaten der 4. Flugabwehrraketengruppe 26 aus Husum begrüßen. - Seien Sie uns sehr herzlich willkommen!
Der Ministerpräsident hat durch seinen Wortbeitrag eine zusätzliche Redezeit nach § 56 Abs. 6 von 16 Minuten erzeugt. Das Wort hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde das nicht ausnutzen. - Herr Ministerpräsident, Ihre Rede war ja schon eine nahezu versöhnliche Rede im Vergleich zu dem, was der Kollege Wadephul am Beginn seines Beitrages erwähnt hat. Bevor ich zu Ihnen komme, Herr Ministerpräsident: Was die hervorragende Zusammenarbeit zwischen den Koalitionsfraktionen angeht, so habe ich zwar gehört, dass Sie immer „Hentschel“ gesagt haben, aber eigentlich „Stegner“ gemeint haben. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass sich nach Ihrem Beitrag bei Ihrem Koalitionspartner keine Hand gerührt hat.
zum Großen kommen und fange deshalb mit dem Kollegen Stegner und seiner doch historischen Jungfernrede im Rahmen einer Haushaltsdebatte als Fraktionsvorsitzender der SPD an.
Herr Kollege Stegner, Sie müssen geistige Frische nicht mit dauerndem Positionswechsel verwechseln, so wie Sie das gelegentlich tun. Ich kenne außer Ihnen keinen Politiker, dem es gelingt, innerhalb von 48 Stunden auf dieselbe Frage fünf verschiedene Antworten zu geben.
Bevor ich zur Frage der Substanz komme, möchte ich zitieren, weil es mir besonders gut gefallen hat, was ein Kommentator in den „Lübecker Nachrichten“ heute unter der Überschrift „Unser Müntemeier“ kommentiert hat: „Herr Stegner ist schließlich selber SPD-Parteichef, und die Schnitzer, die er sich erlaubt hat, würden eine Nachfolgediskussion längst rechtfertigen, das Selbsthinauskatapultieren aus dem Innenministeramt zum Beispiel, das ewige Stänkern gegen die eigene Koalition, sein einsamer Kurs pro DIE LINKE und vor allem seine landespolitisch inhaltliche Beliebigkeit.“
- Herr Kollege Baasch, das ist ja nicht meine Meinung, sondern die Meinung eines interessierten Kommentators der Landespolitik. Und das ist nicht die einzige Meinung
- ich verstehe ja die Aufregung, Herr Kollege -, sondern das ist im Prinzip durchgängig die Meinung der Medien in Schleswig-Holstein hinsichtlich der Positionierung des Kollegen Stegner in inhaltlichen Fragen.
Herr Kollege Stegner, Sie werden sich ohnehin langsam daran gewöhnen müssen, dass das, was Sie politisch vortragen, wieder in Abstimmung zu dem gebracht werden muss, was auf Bundesebene passiert, nachdem Herr Steinmeier und Herr Müntefering deutlich gemacht haben, dass Sie jedenfalls an den Grundstrukturen der Politik der Agenda 2010 nichts ändern wollen. Wenn Sie sich hier hinstellen und über fairen Lohn für gute Arbeit reden, Herr Stegner, dann frage ich Sie einmal, was Sie in dieser Koalition getan haben, um zu verhindern, dass Lehrerinnen und Lehrer in Angestelltenverträge gepresst werden und nach elf Monaten in die
Hartz IV-Regelung entlassen werden, weil man ihnen das Jahr nicht gönnt oder nicht bereit ist, sie entsprechend zu alimentieren. Ist das für Sie fairer Lohn für gute Arbeit? Haben wir das darunter zu verstehen?
Ich bitte Sie, sich daran zu erinnern, dass es Sozialdemokraten waren - ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich auch noch einmal herausfinden werde, dass Sie wahrscheinlich auch damals an der Spitze der Bewegung gestanden haben, obwohl Sie heute nichts mehr davon wissen wollen -, die für Aufstockungslöhne gekämpft haben mit der Bemerkung, dass es besser ist, teilfinanzierte Arbeit zu haben als vollständig finanzierte Arbeitslosigkeit. Es ist etwas dran zu sagen, es ist besser, wir integrieren Leute wieder in den Arbeitsprozess - übrigens zu Löhnen, die sie selbst im Zweifel gar nicht erwirtschaften -, indem der Staat etwas dazuzahlt. Das ist besser für die Menschen, aber auch für das Gemeinwesen, als sie vollständig in Arbeitslosigkeit zu belassen und zu finanzieren.
Herr Kollege Stegner, nicht nur ich selbst, sondern übrigens auch die veröffentlichten Meinungen und viele andere erinnern sich an Ihren Auftritt als Innenminister in der Frage der Rechtsstaatlichkeit. Sie haben vorhin gesagt, die Verwaltungsstrukturreform ist bei Ihnen auch eine Frage des Kopfes und keine Frage des Herzens. Nun kann man darüber spekulieren, ob Sie ein Herz haben oder nicht.
Jedenfalls kann ich Ihnen sagen: Rechtsstaatlichkeit ist bei Ihnen nicht im Herzen verankert, sonst hätten Sie sich als Innenminister bei der Vorlage des Polizeigesetzes nicht so hinstellen können und bei 38 festgestellten Verfassungsverstößen sagen dürfen, das sei alles verfassungsrechtlich in Ordnung, das sei legitim und Sie stünden das im Zweifel durch, und dabei den Landesdatenschutzbeauftragten mit einer öffentlichen Erklärung titulieren können, die da lautete: „Weichert allein zu Haus“. Sie haben feststellen müssen, Sie sind allein zu Haus. Aber dass Sie nun der Lordsiegelbewahrer des Rechtsstaats in diesem Lande sind, das nimmt Ihnen mit Sicherheit niemand ab.
Nun wollen wir einmal zu dem Kollegen Wadephul kommen, der in der ihm eigenen Art jedes Mal wieder sagt, er hätte erwartet, dass die Opposition nun
einen neuen Haushalt aufstellt, und damit dokumentiert, dass die Regierung tatsächlich nicht in der Lage ist, dieses Land voranzubringen.