Protokoll der Sitzung vom 08.10.2008

sucht habe, deutlich zu machen. Das richtet sich nicht im geringsten gegen die Anliegen von Menschen mit Behinderung. Das sage ich, damit dies ganz klar und deutlich ist. Ich sage dies, damit hier kein falscher Eindruck im Raum steht. Herr Kollege Hildebrand, bitte benennen Sie konkret, was Sie mit dieser Formulierung meinen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kollege Kubicki, es ist zu wenig, eine solche Formulierung ins Gesetz zu schreiben und danach die Gemeindevertreter zu kritisieren, weil ihnen dazu nichts eingefallen ist. Das müssen Sie einräumen.

Ein weiterer Punkt zur Frage der Ausschussbeteiligung. Schon heute kann jeder Gemeindevertreter an jeder Ausschusssitzung teilnehmen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Nein!)

- Nach der Kreisordnung kann schon heute jeder Kreistagsabgeordnete an jedem Ausschuss teilnehmen. Auch das ist die geltende Situation. Sie wollen im Kern etwas anderes. Sie wollen ein Grundmandat haben, damit Sie in Ausschusssitzungen zu etwas modifizierten Mehrheitsverhältnissen kommen. Herr Kollege Hildebrand, wenn Sie mir einen Augenblick lang Ihre Aufmerksamkeit schenken würden: Eigentlich wollen Sie ein Grundmandat haben, damit Sie in den Ausschüssen zu veränderten Mehrheitsverhältnissen kommen können. Ist das gemeint? - Wenn das gemeint ist, dann sagen wir dazu ein klares Nein. Auch in den Ausschüssen muss sich die Zusammensetzung des Gemeinderats und des Kreistags widerspiegeln.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch logisch!)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kalinka, ich will hier nur klarstellen, dass mein Vergleich zu Entscheidungsprozessen in der Diktatur und in der Demokratie nicht auf Sie persönlich gemünzt war. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat auch kei- ner so verstanden!)

Mit diesem Vergleich wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass eine demokratische Bürgerbeteiligung selbstverständlich mit mehr Verwaltungsaufwand verbunden ist, dass dieser aber nicht zum Anlass genommen werden darf, Bürgerbeteiligung demokratischer Art zu diskreditieren.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem weiteren Wortbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kalinka, manchmal hilft lesen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Herr Kollege Baasch, manchmal hilft lesen; das gilt zumindest für den Kollegen Kalinka. Wenn Sie dort nachlesen, dann sehen Sie unter dem sechsten Punkt, dass ein neuer § 47 g Beteiligung von Menschen mit Behinderung eingefügt wurde. Unter Absatz 1 des Gesetzentwurfs meiner Fraktion steht:

„Bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Menschen mit Behinderungen berühren, muss die Gemeinde diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu muss die Gemeinde über die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner nach den §§ 16 a bis 16 f hinaus geeignete Verfahren entwickeln.“

(Beifall bei der FDP)

Wer - wenn nicht die Gemeinde - muss diese geeigneten Verfahren entwickeln? Sollen wir als Landtag den Gemeinden vorschlagen, wie sie das tun sollen? Herr Kollege Kalinka, tun Sie doch nicht so, als ob die Beteiligung von Menschen mit Behinderung derzeit eine Selbstverständlichkeit wäre, die beispielsweise in der Gemeindeordnung so festgeschrieben wäre wie die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nach § 47 f. Das, was Sie hier veranstaltet haben, war schlicht unredlich. Wir wollen die Beteiligung für Menschen mit Behinderung verbindlich festschreiben. Das ist diesem Gesetzentwurf glasklar zu entnehmen.

(Werner Kalinka)

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen gar nicht auf Ihre bekannte süffisante Art und Weise infrage zu stellen, dass wir nicht wüssten, was wir hiermit täten. Ich empfehle Ihnen, den Paragrafen zu lesen. Dann wissen Sie das ganz genau.

(Wortmeldung des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka?

Ja, die erlaube ich gern.

Herr Kollege Dr. Garg, würden Sie uns mitteilen, was bisher schon in den §§ 16 a bis g an Beteiligung vorgesehen ist? Ich habe genau auf Ihre Formulierung abgezielt. Welche darüber hinausgehenden Vorschläge hätten Sie uns nun konkret zu unterbreiten, damit die Gemeindevertretungen wissen, was sie zu tun haben?

- Herr Kollege Kalinka, diese Frage war wohl rhetorisch gemeint. Ich habe Ihnen klipp und klar gesagt, dass wir entgegen der bisherigen Wirklichkeit und Gesetzeslage -

(Wortmeldung des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

- Nein, ich gestatte jetzt keine zweite Zwischenfrage des Kollegen Kalinka. Herr Kollege Kalinka, ich bin dran. Ich habe Ihnen klar gesagt, dass wir zum ersten Mal möchten, dass die Interessen von Menschen mit Behinderung in Bezug auf die Beteiligung verbindlich festgeschrieben werden sollen. Das ist eine Neuerung gegenüber der gegenwärtigen Gesetzeslage. Wenn Sie sich dagegen sperren, dann müssen Sie das klar sagen und nicht so tun, als wäre die Beteiligung von Menschen mit Behinderung derzeit gängige Rechtslage. Ich empfehle Ihnen beispielsweise, Ihre Kolleginnen und Kollegen in Neustadt danach zu fragen, wie gängig dort die Beteiligung von Menschen mit Behinderung ist.

(Beifall bei FDP und SSW)

Zu einem weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kalinka, ich versuche, das freundlich zu sagen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen in der deutschen Sprache der Unterschied zwischen Beteiligungsrecht und Beteiligungspflicht geläufig ist. Bisher gibt es Beteiligungsrechte. Diese müssen von Leuten wahrgenommen werden, sofern sie wissen, dass so etwas überhaupt geschieht. Sie müssen kommen und ihr Anliegen vorbringen. Wir wollen eine Beteiligungspflicht für Menschen mit Behinderung vorschreiben. Das bedeutet, die Gemeindeverwaltungen müssen von sich aus auf die entsprechenden Persönlichkeiten zugehen. Das ist ein gravierender Unterschied. Können Sie mir folgen, Herr Kollege?

(Wortmeldung des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Die Zwischenfrage ist schon genehmigt, Herr Abgeordneter Kalinka.

Das haben wir übrigens auch bei Kindern und Jugendlichen. Auch dort gibt es eine Beteiligungspflicht. Herr Kollege Wadephul, Sie müssen mir einmal erklären, warum das bei Kindern und Jugendlichen der Fall sein soll und bei Menschen mit Behinderung nicht.

Herr Kollege Kubicki, ich glaube, bestimmte Belehrungen können Sie sich schenken.

Stimmen Sie mir zu, dass im § 16 a bis g verpflichtende Bereiche enthalten sind, die in erheblicher Art beschreiben, was Gemeinderäte zu tun haben? Hier geht es nicht um die Praxis, hier geht es nicht um Anspruchsmöglichkeiten. Hier geht es um verpflichtendes Recht.

- Herr Kollege Kalinka, ich stimme Ihnen insofern nicht zu. Es gibt die Pflicht der Gemeinde, eine Beteiligungsmöglichkeit zu schaffen. Es gibt keine Pflicht der Gemeinde, die entsprechenden Persönlichkeiten bei der Planung entsprechender Vorha

(Dr. Heiner Garg)

ben zu beteiligen. Das macht den Unterschied aus. Ich bin gern bereit, Herr Kollege Kalinka, Ihnen das im Ausschuss noch näher zu erläutern. Keine weiteren Fragen? - Vielen Dank!

(Beifall bei FDP und SSW)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich erteile für die Landesregierung Herrn Innenminister Lothar Hay das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde nicht auf das eingehen, was in zwei Wortbeiträgen zur Stärkung des Ehrenamtes gesagt worden ist, weil dieses Thema zu wichtig ist, als dass es so kurz behandelt werden kann. Ich kann mich daran erinnern, dass ich als Innenminister einen Vorgänger hatte, der die Einführung der Direktwahl mir gegenüber als eine Stärkung des Ehrenamtes darstellte.

Ich möchte auch den Beratungen im Ausschuss nicht vorgreifen. Ich will eine kleine Bewertung aus Sicht des Innenministers zu einigen Punkten vornehmen. Ziel der Gesetzesinitiative ist unter anderem die Änderung der bei Wahlen innerhalb der Vertretung zur Anwendung kommenden Berechnungsverfahren. Da gibt es den Wunsch nach Umstellung von d’Hondt auf Sainte-Laguë/Schepers. Das ist im Kontext zu den bereits in den vergangenen Monaten eingebrachten Anträgen zur Änderung der Sitzverteilungsverfahren bei Landtags- und Kommunalwahlen zu sehen. Aus meiner Sicht sollten wir dabei beachten, dass es nur ein Berechnungsverfahren für die Wahlen in Schleswig-Holstein geben kann, die demselben Berechnungsmodus unterworfen werden.

Eine zweite Bemerkung gestatten Sie mir, und zwar im Hinblick auf die grundsätzlichen Bedenken zu dem, was die FDP vorgeschlagen hat, nämlich die Streichung des § 40 Abs. 4 der Gemeindeordnung. Da geht es um die damit verbundene Aufgabe des Verhältniswahlrechts, also der Wahl nach Listen bei der Besetzung von Ausschüssen. Eine Ausweitung des sogenannten gebundenen Vorschlagsrechts über die gegenwärtige Wahl der Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse hinaus auf alle Ausschussmitglieder ist aus meiner Sicht wenig praktikabel.

Die FDP-Fraktion schlägt zur Streichung eine weitere, der Effizienz der Arbeit der kommunalen Ver

tretungen und ihrer Ausschüsse dienende Möglichkeit vor: Sie sieht einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vor, im Gegensatz zu der bisherigen Regelung, die einen Ausschluss für zu bestimmende Beratungsgegenstände allgemein zulässt.

Zwar mag man den FDP-Vorschlag in einer ersten Bewertung als im Sinn von Transparenz und Bürgerorientierung der kommunalen Selbstverwaltung bewerten. Allerdings greift es in der Praxis vermutlich zu kurz, wenn es beispielsweise um Personalangelegenheiten, um Grundstücksangelegenheiten oder Sozialdaten geht. Aus meiner Sicht sollte daher an der bestehenden Regelung nicht ohne triftigen Grund gerüttelt werden.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Hartmut Hamerich [CDU])

Skeptisch bin ich auch hinsichtlich des Vorschlags, stellvertretenden bürgerlichen Ausschussmitgliedern den Zugang zu nicht öffentlichen Sitzungen ihres Ausschusses zu gewähren. Die Bedeutung bürgerlicher Ausschussmitglieder für das kommunale Gemeinwesen ist zweifellos hoch. Allerdings ist vorliegend das Informationsinteresse stellvertretender bürgerlicher Ausschussmitglieder gegen schutzwürdige Belange Dritter abzuwägen. Als Folge einer solchen Abwägung wurde das Zugangsrecht bürgerlicher Vertreterinnen und Vertreter zu Ausschusssitzungen im Zuge der Gesetzesnovelle vom 1. Februar 2005 - also erst vor dreieinhalb Jahren - vom Landtag eingeschränkt.

Strikt abzulehnen ist aus meiner Sicht der Vorschlag, eine geheime Abstimmung auch außerhalb von Wahlverfahren zu ermöglichen. Ich hatte gehofft, dass Frau Kollegin Spoorendonk das sehr gute Beispiel, wie im Folketing abgestimmt wird, eingebracht hätte. Leider hat sie dies nicht gemacht. Ich bin der Meinung, dass das, was die FDP vorgeschlagen hat, nicht nur zu weniger Transparenz und Bürgerorientierung der kommunalen Selbstverwaltung führen wird, sondern es dürfte das Konfliktpotenzial in den Gemeindevertretungen erhöhen. Ich bin grundsätzlich der Meinung - auch aufgrund eigener Erfahrung -, dass ein offener Meinungsaustausch und eine offene Entscheidungsfindung die bessere Alternative ist, an der wir festhalten sollten. Insofern freue ich mich auf die Beratungen im zuständigen Ausschuss.