Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, wie weit gefasst der Begriff der Biodiversität im eigentlichen Sinne ist. Er beschränkt sich nicht nur auf Artenvielfalt, sondern er ist weiter gefasst. Zu diesem Begriff gehören Lebensräume,
Ökosysteme und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Wenn wir also über Biodiversität, über nationale Strategien und darüber sprechen, wie diese umgesetzt werden sollen, dürfen wir die Komplexität dieses Themas nicht außer Acht lassen.
Eine grundsätzliche Aussage des Berichts lautet ich zitiere -: „Die biologische Vielfalt ist bedroht: weltweit, national, regional.“ Diese Aussage trifft somit auch auf Schleswig-Holstein zu. Maßgeblich beteiligt an der Gefährdung der biologischen Vielfalt sind der Mensch und sein Handeln.
Da die Problematik hinlänglich bekannt ist, wurde bereits 1992 in der Konferenz in Rio de Janeiro das Übereinkommen über die biologische Vielfalt beschlossen und von 190 Staaten ratifiziert. Die Unterzeichnerstaaten verpflichteten sich, „nationale Strategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu entwickeln.“ Damit sind diese Staaten eine Selbstverpflichtung eingegangen, die sie auch umzusetzen haben. Das gilt auch für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bundesländer.
Im November des letzten Jahres, also 15 Jahre nach der Verpflichtung von Rio und ein halbes Jahr vor der Vertragsstaatenkonferenz in Bonn zu diesem Thema, verabschiedete das Bundeskabinett eine „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“. Diese Nationale Strategie beinhaltet 330 Ziele und 430 Maßnahmen zu allen relevanten Themen. Damit wurde auch ein mehrjähriger dialogorientierter Prozess mit entsprechenden regionalen Workshops und Foren auf den Weg gebracht. Dieser Prozess steht noch ganz am Anfang, aber auf Bundesebene ist man im Gange.
Angesichts der Tatsache, dass wir bereits vor 15 Jahren eine Selbstverpflichtung eingegangen sind, weil man sich der Problematik schon damals bewusst war, müssen wir leider feststellen, dass die Umsetzung nur schleppend in Gang gekommen ist und dass dies nun wieder auf die politische Agenda gesetzt wurde.
Wie sieht es nun mit Schleswig-Holstein und seiner Verpflichtung aus, etwas für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu tun? Der Bericht führt umfangreich auf, in welchen Bereichen die Landesregierung überall tätig ist, was sie bisher alles geleistet hat und künftig noch leisten will. Dafür gebührt der Landesregierung auch unser Dank.
Im Bericht macht die Landesregierung deutlich, dass das europäische ökologische Netz „NATURA 2000“ ein zentrales Element der EU zur Erhaltung der biologischen Vielfalt ist. Aufbau, Unter
haltung und Sicherung des Netzes sind von der EU geregelt, aber die politische Wirklichkeit in Schleswig-Holstein sieht meines Erachtens leider etwas anders aus. Gerade im Zusammenhang mit der Ausweisung von NATURA-2000-Gebieten hat sich diese Landesregierung auf Eiderstedt und in der ETS-Region nicht gerade als Naturschützer hervorgetan.
Dies gilt auch für eine Reihe weiterer politischer Initiativen der Landesregierung, wie zum Beispiel die Änderung des Landesnaturschutzgesetzes, das wesentliche naturschutzfachliche Standards aufgeweicht hat, die Abschaffung des Knickerlasses mit den Schäden, die hieraus resultieren, der geplante Komplettverkauf des Landeswaldes, der von der Opposition glücklicherweise gerade noch verhindert werden konnte,
die Änderung der Jagdzeitenverordnung und die ruhige Hand der Landesregierung derzeit, wenn es um Ölbohrungen im Nationalpark geht, um nur einige Punkte zu nennen. Diese Liste lässt sich wirklich ewig fortsetzen.
Nach dieser naturschutzfachlichen Bankrotterklärung der Landesregierung stellt sich nun die Frage, wie es weitergehen soll. Uns läuft die Zeit davon, und der vor kurzem herausgebrachte Bericht zum Artensterben macht noch einmal deutlich, dass dringend etwas getan werden muss. Auch bei uns ist ein Viertel der Arten gefährdet. Das Sterben der Arten ist auch im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Lebensräumen und Ökosystemen zu sehen. Diese gilt es zu erhalten. Das muss unser vordringliches Ziel sein.
Ich gebe zu, dass wir in Schleswig-Holstein nicht allein die biologische Vielfalt retten können, aber wir sollten unseren Beitrag dazu leisten. Die Landesregierung muss die Selbstverpflichtung ernst nehmen und endlich anfangen, eine Natur-, Umwelt- und Artenschutzpolitik zu machen, die diesen Namen auch wirklich verdient.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/2185, dem Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst bildet seit Anfang 2002 den Rahmen für ein modernes Gesundheitsdienstleistungssystem. Dieses Gesetz wendet sich insbesondere an Menschen, deren gesundheitliche Probleme aus belasteten sozialen Lagen und beschränkter Verfügung über persönliche gesundheitsförderliche Ressourcen resultieren. Es geht also um Bevölkerungsgruppen, die von einem stark auf eigenverantwortlich-aktives Handeln setzenden Gesundheitswesen nicht genügend erreicht werden. Beispiele sind von sozialen Notlagen Betroffene, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, Wohnungslose, psychisch Kranke, Sucht- und Drogenabhängige oder HIV-positive Menschen.
Bei dem Gesundheitsdienstgesetz hat der Landtag auch die Aufgabe der Gesundheitsberichterstattung des Landes und der Kommunen festgeschrieben. Dabei wurde die kommunale Gesundheitsberichterstattung gestärkt und zur pflichtigen Selbstverpflichtungsaufgabe erklärt. Sowohl die Landesregierung als auch die Kreise und kreisfreien Städte haben sich dieser Aufgabe - ohne Zweifel mit unterschiedlichem Engagement gestellt, aber im Großen und Ganzen kann man auch anhand dieses Berichtes sagen, dass sie sich dieser, auch neueren Aufgabe gestellt haben. Gesundheitsberichterstattung spielt inzwischen eine fest etablierte Rolle das ist mir besonders wichtig - als Grundlage politischen Handelns.
Die Landesregierung hat seit Inkrafttreten des Gesundheitsdienstgesetzes mehrere Gesundheitsberichte vorgelegt. Der letzte Bericht - diesen haben wir hier auch debattiert - kam zum Thema Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in SchleswigHolstein. Wir haben die Ergebnisse dieser Berichte zur Grundlage für gesundheitspolitisches Handeln gemacht. Ich will Beispiele nennen: unser Gesundheitsziel Verringerung der vorzeitigen Sterblichkeit an koronaren Herzerkrankungen, aber auch verschiedene Aktivitäten im Bereich Brustkrebs wie das bundesweit einmalige Projekt „Qualitätsgesicherte Mamma-Diagnostik“ oder das Netzwerk BETRIFFT BRUST unter dem Dach der Gesundheitsinitiative der Landesregierung.
Schließlich greife ich noch einmal den Bereich Kinder- und Jugendgesundheit auf. Politische Konsequenzen, die wir aus dem Bericht gezogen haben, sind beispielsweise familienunterstützende Projekte, das verbindliche Einladungswesen zu den Früherkennungsuntersuchungen, aber auch zur Gesundheitsförderung sozial benachteiligter Menschen, die sogenannten Gesundheitsknoten, sowie Hilfen für Alleinerziehende.
Sie wissen, dass wir unter dem Dach des Kinderund JugendAktionsplans Gesundheitsförderung, Kinderschutz und Armutsbekämpfung gleichermaßen anstreben, um mit diesem Querschnittsansatz der Abwärtsspirale aus materieller Not, sozialer und kultureller Verarmung und gesundheitlichen Risiken entgegenzutreten. Das ist auch eine Konsequenz aus der Berichterstattung: Wir bringen integrierte Ansätze stärker auf den Weg.
Meine Damen und Herren, Land und Kommunen arbeiten in der Gesundheitsberichterstattung eng zusammen. Es wurden einheitliche Kriterien für eine kommunale Gesundheitsberichterstattung entwickelt. Und obwohl einige Kommunen durchaus Anlaufschwierigkeiten hatten, hat sich die Zahl der Berichte über die Jahre erfreulich entwickelt. Die höchste Anzahl an Berichten verzeichnen wir nun seit 2004. Ganz offensichtlich bedurfte es erst einmal in einigen Bereichen des Anlaufs und möglicherweise auch des Anreizes.
Besonders gut funktioniert die Zusammenarbeit von Land und Kommunen bei den Schuleingangsuntersuchungen, deren Ergebnisse in jährlichen Berichten dargestellt und dem Haus regelmäßig zur Kenntnis gebracht werden.
Der heutige vorliegende Bericht zeigt, wie Kommunen ihre Zuständigkeit für eigene Schwerpunktsetzungen in ihrer Gesundheitsberichterstattung ge
nutzt haben. Dies war mir wichtig. Denn wenn man die Berichte aus den Kommunen liest, dann stellt man fest, dass diese eine unglaubliche Bandbreite an Themen umspannen. Es gibt Mortalitätsberichte, Berichte über Zahngesundheit, lokale Gesundheitsberichte zur Lage der Senioren, zur Kindergesundheit, zur Darstellung von Ressourcen im öffentlichen Gesundheitswesen.
Auch auf kommunaler Ebene hat sich gezeigt, dass die Gesundheitsberichte nicht nur geduldiges Papier füllen, sondern Ausgangspunkt für gesundheitspolitisches Handeln sind. Konkret: Beispielsweise verfolgt das Projekt „Gesundheit an der Westküste“ das Ziel, auch künftig überall im Land eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für die Bevölkerung sicherzustellen. Es ist damit Ergebnis des Schwerpunktes des Gesundheitsberichtes des Kreises Nordfriesland.
In der Gesundheitsregion Segeberg haben sich ambulante und stationäre Gesundheitsdienstleister auf Initiative des Kreises zusammengeschlossen. Auch das ist ein Resultat aus der lokalen Berichterstattung.
Ebenfalls abgeleitet aus lokalen Berichten über die Gesundheit von Senioren, unterstützt die Landesregierung in den vier Modellregionen Lübeck, Flensburg, Heide und Itzehoe das bundesweit einmalige Modellprojekt zur ambulanten geriatrischen Versorgung.
Meine Damen und Herren, der Antrag, dem die Landesregierung mit dem vorliegenden Bericht heute entspricht, zeigt, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag die Bedeutung der Gesundheitsberichtserstattung würdigt, wahrnimmt und dass die Berichte diskutiert werden. Ich sehe darin eine Anerkennung des bisher Geleisteten, glaube allerdings auch, dass die Tatsache, dass wir dieses Thema hier und heute debattieren, Anreiz sein wird, es noch einmal vor Ort aufzugreifen. Dafür gibt es in der einen oder anderen Region auch Anlass, um die Gesundheitsberichterstattung weiterzuentwickeln und zu forcieren.
Ich freue mich über diese Diskussion und interpretiere dies als Aufforderung an Landesregierung und Kommunen, in ihrem Engagement nicht nachzulassen. Ich will dies meinerseits mit dem Appell verbinden, auch weiterhin die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um dem Auftrag des Gesetzgebers kontinuierlich nachkommen zu können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, obwohl ich nun einige kritische Bemerkungen zum Bericht machen werde, weiß ich den Arbeitsaufwand, den er verursacht hat, zu würdigen. Und bei einem Blick in den Haushalt sehen wir, dass es ein sehr kostbarer Bericht ist.
Das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst vom 14. Dezember 2001 sieht unter § 6 vor, dass mindestens einmal in der Legislaturperiode Landesgesundheitsberichte über einzelne Themen oder Bevölkerungsgruppen durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren abgegeben werden. Dieser Berichtspflicht ist das Ministerium auf Antrag der Regierungsfraktionen nun nachgekommen.
Mit dem Gesundheitsdienstgesetz werden die Träger des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verpflichtet, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der Berichterstattung dafür Sorge zu tragen, dass Untersuchungen oder Erhebungen durchgeführt werden, um gesundheitsschädigende Beeinträchtigungen abzuwenden oder ihnen präventiv begegnen zu können. Daher sollten auch die Berichte der Kreise und kreisfreien Städte besondere Beachtung finden. Diese Berichte und Untersuchungsergebnisse liefern Daten und Fakten, auf die das Land als Aufsicht mit entsprechenden Maßnahmen reagieren kann.
Zu Recht nehmen „Kinder- und Jugendgesundheit“ in § 7 sowie die „Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen“ in § 7 a einen besonderen Stellenwert im Gesetz ein. Um Kindesmisshandlungen oder Entwicklungsstörungen noch wirkungsvoller begegnen beziehungsweise vermeiden zu können, haben wir uns seinerzeit nicht für die Änderung des § 7 a entschieden, sondern sind mit dem Kinderschutzgesetz noch einen Schritt weiter gegangen. Im Bericht der Landesregierung wird dieses Thema ausführlich behandelt.
Die Gesundheitsberichtserstattung wird zunehmend auch als Grundlage für gesundheitspolitisches Handeln verstanden; da sind wir uns alle einig. Dies spiegelt sich insbesondere bei den Themen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brustkrebs und Kin
der- und Jugendgesundheit wider. Ich vermisse hingegen Rückschlüsse aus der zweifellos interessanten Auswahl an Berichten der Kreise und kreisfreien Städte.
Es wird auch nicht deutlich, ob das Land als Aufsicht anhand der eingegangenen Berichte aus den Kreisen und kreisfreien Städten diese ermuntert beziehungsweise aufgefordert und unterstützt hat,
daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen oder dass diese Themen auf Landesebene politisch begleitet werden. Vielleicht steckt dies noch in den Kinderschuhen.