Drittens. Diese Einschätzung hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Wir wissen, dass es eine Unter- und auch Fehlversorgung von vielen Demenzkranken gibt. Wir wissen auch, dass nicht einmal jeder fünfte Patient Medikamente wegen seiner Demenz bekommt, und nach wie vor ist die Betreuung in der Familie oder in den Heimen meist nicht auf die Bedürfnisse und die restlich verbliebenen Fähigkeiten der Kranken abgestimmt. Allerdings haben wir zwischenzeitlich eine Menge an Verbesserungen und Maßnahmen eingeleitet.
Volkswirtschaftlich müssen wir feststellen, dass aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr Demente zu versorgen sein werden - bei immer weniger personellen und finanziellen Mitteln. Insofern ist natürlich zu begrüßen, dass die Bundesregierung und die Pflegekassen zusätzliche Betreuungskräfte für die Pflege gewinnen wollen.
Das ist natürlich auch für Bezieherinnen und Bezieher von ALG II eine Chance. Schließlich ist die Ge
sundheits- und Pflegebranche ein Wachstumsmarkt, und es ist somit von den Arbeitsagenturen konsequent, Arbeit suchende Menschen in diesen Markt zu integrieren. Allerdings sollte dies nicht um jeden Preis und nicht mit Zwang erfolgen; das habe ich bisher aber auch nirgendwo gehört. Darunter leidet die Qualität von Pflege. Das geht zulasten der Ergebnisqualität in den Pflegeheimen, und auch die Prozesse sind möglicherweise durch Menschen, die mit geringerem Engagement tätig werden, nicht optimal.
Anders ausgedrückt: Arbeitslose, die eine Zusatzqualifikation durchlaufen müssen, weil sie ansonsten finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, werden sicherlich nicht mit großer Motivation ihre verantwortungsvolle Aufgabe durchführen. Genau das ist aber notwendig, wenn man sich insbesondere im Bereich der Pflege intensiv engagieren will.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es versteht sich von selbst, dass die Betreuungsassistenten für Demenz korrekt geschult werden und dass diese Schulungsinhalte selbstverständlich mit den traditionellen Ausbildungsgängen für Altenpflege und Krankenpflege sowie gerontopsychiatrischen Sonderausbildungen in Einklang gebracht werden müssen.
Es ist auch selbstverständlich, dass diese Assistenten in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen angestellt werden müssen. Sie sind nicht als Ersatz - vielleicht sogar als billiger Ersatz - für Pflegekräfte zu sehen, sondern sie sind ein zusätzliches wichtiges Element im Bereich der Betreuung und Pflege von demenzkranken Menschen, die neben den traditionellen Altenpflegeund Krankenpflegekräften ergänzende Aufgaben übernehmen. Deshalb ist bei Einsatz dieser Assistenten auch der Nachweis der Zusätzlichkeit zu erbringen, und sie dürfen auch nicht bei der zugrunde zu legenden Fachkraftquote berücksichtigt werden.
Liebe Kollegin Birk, nicht verstanden habe ich, warum Sie fordern, dass Arbeitslose aus dem Pflegebereich ebenfalls eine entsprechende Qualifikation durchlaufen müssen, wenn sie sich für diese Betreuungsassistenz interessieren. Ich weiß nicht, an welche Arbeitslosen Sie denken. Wir wissen seit Langem, dass Arbeit suchende Pflegekräfte - insbe
sondere Altenpflegekräfte - häufig nach circa sieben Jahren aus ihrem originären Arbeitsfeld aussteigen, weil sie zum Beispiel keine Aufstiegs- oder Karrierechancen haben. Die meisten allerdings verlassen ihren Arbeitsplatz, weil sie die Arbeitssituation nicht mehr ertragen können. Arbeitserwartung und persönliche Erwartung klaffen eklatant mit der Pflegerealität auseinander. Das ist für die meisten so unerträglich, dass sie nicht mehr bereit sind, überhaupt zurückzukehren.
Ich fasse kurz zusammen: Positiv herauszustreichen ist, dass wir eine weitere Versorgungskomponente im Bereich der Dementenversorgung durch die Betreuungsassistenz geschaffen haben. Es ist gut, dass dies auch in Abgrenzung zu den anderen Berufen gesetzlich vorgeschrieben und geregelt wurde. Ich stelle fest, dass Dauer und Inhalt der Qualifizierung von Interessierten durch die bestehenden Betreuungsrichtlinien bereits jetzt detailliert geregelt sind.
Insofern kann ich nur noch einmal wiederholen: Uns ist nicht so ganz deutlich geworden, welche Zielrichtung dieser Antrag in Gänze hat. Wir sollten ihn im Ausschuss beraten, und deshalb plädiere ich dafür, ihn an den Ausschuss zu überweisen.
Ich danke Frau Abgeordneter Jutta Schümann und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ein bisschen Angst davor, dass eine vom Grundsatz her gute Idee, die mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz und § 87 b SGB XI auf den Weg gebracht wurde, zerredet wird, bevor man sich im Detail mit diesen Möglichkeiten auseinandergesetzt hat.
Ich verstehe Ihren Antrag, liebe Kollegin Birk, vor allem als Mahnung, sich tatsächlich an das zu halten, was in dem Gesetz festgeschrieben wurde, und ich gebe Ihnen recht, dass es sich bei dem Einsatz von Pflegeassistentinnen beziehungsweise Pflegeassistenten natürlich um eine Gratwanderung handelt. Denn die Situation von Pflegeeinrichtungen hat sich gegenüber dem Zustand noch vor zehn Jahren dramatisch geändert. Vor diesem Hintergrund wissen wir, dass Mitarbeiter zusätzliche Unterstützung gut gebrauchen können. Denn die Betreuung
von Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz ist eine sehr sensible und anspruchsvolle Aufgabe. Die oftmals schwierige Betreuungssituation erfordert neben fachlichem Wissen notwendigerweise auch die Zusammenarbeit in einem professionellen Pflegeteam.
Allerdings ist die Vorstellung - in diesem Sinn verstehe ich auch die Mahnung von Frau Birk -, dass in einem Schnellkurs erworbenes Wissen und ein Betreuungspraktikum ausreichen sollen, um schwer kranke und psychisch veränderte Menschen betreuen zu können, etwas problematisch. Schließlich kann man einen Menschen nicht auseinanderdividieren. Man kann ihn einerseits nicht nur ein „wenig“ betreuen wollen und andererseits seine komplexen Probleme völlig ausklammern. Das kann im Einzelfall funktionieren, ich glaube aber nicht, dass das generell funktionieren wird, insbesondere nicht in stationären Pflegeeinrichtungen mit vielen schwerst pflegebedürftigen Menschen.
Der Vorschlag, durch die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslose zu Betreuungsassistenten umzuschulen, hat verständlicherweise zwiespältige Reaktionen ausgelöst. Natürlich gibt es auch unter den Arbeitslosen Menschen, die sich die Arbeit in einer Pflegeeinrichtung vorstellen können und die die für diese Tätigkeit notwendige Sensibilität und Empathie mitbringen. Was nicht passieren darf - deshalb finde ich es richtig, dass wir darüber diskutieren und uns gern auch im Ausschuss damit intensiver beschäftigen -, ist, dass Arbeitslose wahllos in Weiterbildungsmaßnahmen gesteckt werden, in der Hoffnung, sie würden später in einer Pflegeeinrichtung dann schon irgendwie damit klarkommen.
Damit wird weder den zu Betreuenden noch den Pflegekräften und den dafür abgestellten Arbeitslosen ein Gefallen getan. Für einen Pflegeberuf muss man sich ganz bewusst entscheiden, und man kann nicht in einen Pflegeberuf von anderen „hineinentschieden“ werden.
Genau diese Befürchtung, Frau Kollegin Birk, so habe ich das verstanden, greifen Sie in Ihrem Antrag auf. Ich verstehe ihn so, dass Langzeitarbeitslose niemals gegen ihren Willen von der Bundesagentur für Arbeit in entsprechende Schulungen zum Betreuungsassistenten geschickt werden sollen. Es soll verhindert werden, dass billige Arbeitskräfte womöglich Fachkräfte verdrängen.
Einige dieser Befürchtungen - das habe ich eingangs gesagt hat der Gesetzgeber erkannt und auch aufgegriffen. Das muss man an dieser Stelle fairerweise und ganz deutlich sagen. Betreuungsassistenten sind ausschließlich in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis zu beschäftigen. Das findet man in § 87 b Abs. 1 Nr. 2 SGB XI. Betreuungsassistenten sollen eine zusätzliche - eine zusätzliche! - Betreuung ermöglichen. Das finden Sie in § 87 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB XI.
Daneben sind in der von der Bundesgesundheitsministerin genehmigten Richtlinie vom 25. August 2008 weitere Anforderungen im Detail festgeschrieben: Aufgabenkatalog, Qualifikation und persönliche Eignung der zu gewinnenden Menschen. Man mag im Einzelfall darüber streiten, wie das auszulegen ist, ich halte es aber trotzdem für ausgesprochen positiv, dass man sich im Vorfeld einer solchen Maßnahme ernsthaft Gedanken darüber gemacht hat, welche Erfahrungen, welche Eigenschaften Menschen überhaupt mitbringen sollen, die mit anderen Menschen in einer sehr, sehr schwierigen Lebenssituation umgehen sollen. Man hat sich darüber Gedanken gemacht, was man auf der einen Seite den Menschen, die betreuen sollen, zumutet, aber auf der anderen Seite auch darüber, was man den zu Pflegenden im Zweifel damit zumutet.
Mich hat gefreut - das sage ich an der Stelle auch ganz deutlich -, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit nicht aufgegriffen hat, um dem Pflegefachkraftmangel zu begegnen. Das kann man mit dieser Maßnahme nämlich nicht. Es freut mich aber, dass der Gesetzgeber endlich erkannt hat, dass es in einem Heim, in einer stationären Einrichtung mehr geben muss als eine „satt-und-sauber-medizinische Pflege“ am Menschen, sondern dass zur Pflege auch die individuelle Zuwendung zum Menschen gehört und dass gerade an Demenz erkrankte Menschen vor allem diese zusätzliche menschliche Zuwendung brauchen und oftmals weniger medizinische Grundpflege.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder weiß, dass Menschen in einem Pflegeheim auf kompetente Unterstützung angewiesen sind. Bewohner mit erheblichen Handicaps können sich oftmals nicht selbst waschen und benötigen Unterstützung beim Essen und Trinken. Doch es sind nicht diese Grundbedürfnisse allein, die ein Bewohner in einem Pflegeheim hat: Soziale Nähe, Zuhören und sich Zeit lassen sind ebenfalls Grundbedürfnisse, die leider allzu oft der hektischen Routine in den Heimen zum Opfer fallen.
Demente Bewohner haben manchmal einen nicht zu stillenden Bewegungsdrang. Sie fühlen sich in der neuen Umgebung fehl am Platz und machen sich auf eigene Faust auf den Weg nach Hause. Überforderte Pflegekräfte wissen sich manchmal nicht anders zu helfen, als die Betroffenen einzuschließen oder sogar zu fixieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es positiv, wenn Betreuungsassistenten die Lebensqualität der Bewohner verbessern helfen und direkt auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen können.
Doch der Teufel liegt wieder einmal im Detail. Denn so, wie die Arbeitsagenturen dieses neue Betätigungsfeld angehen, besteht die Gefahr, dass Billigjobs geschaffen werden. Wir hatten das alles schon einmal, die Diskussion um das Blätterfegen im Park oder die Betreuung von Kleinkindern als Tagesmutter. Es ist immer das gleiche Muster: Von außen werden Tätigkeiten als einfach erlernbar eingeschätzt und damit als ideale Beschäftigung für Arbeitslose. Doch der Umgang mit dementen Patienten will gelernt sein. Fachliche Standards sind unabdingbar. Bereits die Konfrontation mit psychischen Stimmungsschwankungen, die bei Demenz regelmäßig auftreten, erfordert ein hohes Maß an Professionalität. Wer in heiklen Situationen die Distanz verliert, schadet dem Bewohner und unter Umständen auch sich selbst. Darum müssen auch die Assistenten in funktionierende professionelle Netzwerke eingebunden werden.
Dabei ist noch gar keine Rede davon, dass die Betreuung dementer Patienten gar nicht jedermann liegt. Ungeduldige Naturen sind hier fehl am Platz, ebenso übrigens Beschäftigte, die ihren Ekelgefühlen nicht Herr werden können. Wenn also jemand in den Job gedrängt wird, ohne wirklich dafür geeignet zu sein, wird es fast zwangsläufig zu Pflegemängeln kommen.
lassen, denen ein Letzentscheidungsrecht eingeräumt wird. Aber ich möchte die Heimleitung sehen, die nicht jeden Strohhalm packt, der sich ihr bietet.
Heime mit massiven Personalengpässen werden im Zweifel schon einmal darauf vertrauen, dass es alles nicht so schlimm werden wird, solange nur genügend Personal an Bord ist. Ich warne hier vor einer scheinbaren Sicherungsleine, denn letztendlich werden die Heime allein nach Kostenstruktur entscheiden. Sie können angesichts der derzeitigen Finanzierungssituation auch gar nicht anders.
Also müssen wir uns auf das Gespür und die Menschenkenntnis der Jobfinder und Berater verlassen. Gerade hier sehe ich aber die Gefahr, dass Menschen in den Job als Betreuungsassistent gezwungen werden, die eigentlich gar nicht reinpassen. Jeder vermittelte Arbeitslose ist gut für die Statistik. Das gilt nicht nur in diesem Bereich, sondern natürlich auch in anderen.
Der vorgelegte Antrag möchte dem vorbeugen, indem bei Abbruch der Qualifikationsmaßnahme ausnahmsweise keine Sanktionen erfolgen. Diese systemfremde Ausnahmeregel ist in der Praxis nur schwer handhabbar. Die Ausnahmeregelung führt zu Ungerechtigkeiten. Es stünde sogar zu befürchten, dass gerade auch Ungeeignete in die Maßnahme gedrängt werden, nach dem Motto: Es passiert ja nichts, wenn Sie abbrechen.
Alle Argumente zeigen, dass die Betreuungsassistenten eben genau das sind, was wir aus den guten alten Zeiten kennen, als Arbeitsbeschaffung noch Arbeitsbeschaffung, also ABM, hieß. Sie sind nämlich ein rein arbeitsmarktpolitisches Instrument - jedenfalls aus Sicht der Arbeitsagenturen. Wir haben viele Arbeitslose, also schneidern wir ihnen einen Job.
Doch genau andersherum wird ein Schuh daraus. Wir haben Probleme in der Versorgung dementer Bewohner von Pflegeheimen. Diese Probleme gilt es zu beseitigen. Wir haben ein pflegerisches Problem. Wir haben kaum akademische Pflegekräfte in der Betreuung dementer Menschen, wir haben eine massive Finanzierungslücke und einen dementsprechend großen Personalmangel. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes Pflegeheim muss verbessert und die Professionalisierung muss optimiert werden. Dann können wir auch über die Einsatzbereiche von Assistenten sprechen - aber erst dann.
Ich danke Herrn Abgeordneten Harms. - Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt Frau Abgeordnete Angelika Birk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil die Kollegin Schümann gesagt hat, sie habe nicht ganz verstanden, warum wir den Antrag gestellt haben. Alles was hier positiv festgehalten wurde, was seitens der zuständigen Stellen bereits gemacht wurde, um bestimmte Qualitätskriterien festzuschreiben, stelle ich gar nicht in Abrede. Ich habe nur - dazu hat Herr Harms das Notwendige gesagt - erstens meine Zweifel, ob sie eingehalten werden. Deshalb meine und unsere Aufforderung mit diesem Antrag, diese Dinge auch weiter zu verfolgen.
Das Zweite ist - das ist hier noch nicht ganz klar als erledigt zu sehen -: Ich finde sowohl die Einstufung der Bezahlung als auch vor allem das Beschreibungsbild unklar. Pflegekräfte - Jutta Schümann, das haben Sie selber gesagt - haben meistens nicht gelernt, mit dementen Menschen umzugehen.