Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

Wir Grünen stellen fest, dass es zunehmend gut frequentierte Fährverbindungen gibt, die lediglich zu 40 % ausgelastet sind.

Wir befürchten im Zuge des geplanten Brückenbaus irreparable Auswirkungen auf das sensible Ökosystem der Ostsee und den Vogelflug sowie einen drastischen Attraktivitätsverlust der Region als Tourismusstandort in der Bauphase und wahrscheinlich auch in der Nutzphase.

(Zuruf von der CDU: Im Gegenteil!)

Weiter sind sicher ein Verlust an Arbeitsplätzen,

(Martin Kayenburg [CDU]: Herr Matthies- sen, was für ein Blödsinn!)

nämlich in der Fähr- und Hafenwirtschaft der Region, und eine fatale Priorisierung des bis zu 9 Milliarden € teuren Projekts gegenüber nachhaltigen Verkehrskonzepten in Schleswig-Holstein.

Vor einer Verabschiedung im Bundestag und im Bundesrat fordern wir die Bundesregierung und Landesregierung dringend auf, die Auswirkungen des Brückenbaus auf das sensible Ökosystem der Ostsee nachhaltig zu untersuchen und dabei sicherzustellen, dass irreparable Schäden im Zuge des Baus ausgeschlossen werden können,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

auf einer aktualisierten Datenlage beruhende Rentabilitätsberechnungen vorzunehmen, um Bedenken ökonomischer Art realistisch beurteilen zu können.

(Detlef Matthiessen)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Der Stahl, der dort verbaut werden soll, ist noch nicht gegossen. Das Zementpulver für den Beton ist noch nicht produziert.

Ich habe die Entwicklung der Kohlepreise recherchiert. 1996 38,21 €/t bei Grenzübergang, 2006 -

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

- Ich komme gleich dazu. - Ich nehme es vorweg. Zumindest der Minister versteht mich. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Kohlepreisen und der Produktion von Zement, Beton und Stahl.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Ich kläre Sie darüber auf, wie tief dieser Zusammenhang ist. 2006 61,76 €/t, 2008 2. Quartal 106,01 €/t. Jetzt, heutiger Preis - ich war gerade vor einigen Tagen bei den Stadtwerken in Neumünster -: Da haben sie für 146 €/t einkaufen müssen.

(Zuruf von der CDU: Wer ist dort Bürger- meister?)

Es ist völlig logisch, dass bei dieser Entwicklung von Kohlepreisen eventuelle Ersatzbrennstoffe ähnliche Preisentwicklungen nehmen. Das sind Dinge, die wir zur Kenntnis nehmen müssen, wenn wir von einem Verkehrsprojekt reden, das in der Mitte des nächsten Jahrzehnts gebaut werden soll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir erwarten von der Regierung, ein Konzept vorzulegen, durch das sichergestellt wird, dass der geplante Bau der Querung nicht zu einer Verhinderung anderer nachhaltig und dringend benötigter Verkehrsprojekte führt. Insofern sind wir in dieser Frage fest an der Seite der FDP.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Diese Inhalte entsprechen einem Beschluss des kleinen Parteitags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. September 2008. Wir haben viele Unterstützer für diese Resolution, das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbelt-Querung, NABU, Nautischer Verein, DLRG, Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere. Auch der Betriebsrat von Scandlines Deutschland unterstützt diese Resolution und hat sie mitgezeichnet, Transnet, Bezirk Hamburg/Schleswig-Holstein ebenfalls.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen mit unserer Kritik also nicht allein. - Ich darf einmal einen Schluck Wasser nehmen.

(Zuruf von der CDU: Nicht wegspülen!)

Sie kennen aus der Presse das Buch des ehemaligen Verkehrsministers Hansen, der mit Tiefensee verhandelt hat. Er war entsetzt über dessen ablehnende Haltung. Auch die Kanzlerin hat das Ihrige getan bis sie nicht mehr konnte -, den Bau der Brücke zu bremsen, so gut sie konnte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Gabriel bezeichnet das als eine bekloppte Idee. Meine Damen und Herren, das ist die Bundesebene.

Nur hier auf Landesebene wird anders reagiert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und in Hamburg bauen die Grünen Kohlekraftwerke!)

Die Landespolitiker haben eine gigantische Vision.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Grünen bauen gigantische Kohlekraftwerke!)

Der Redner der CDU sprach eben von Wahnsinnsvorteilen. Meine Damen und Herren, falls solche Vorteile zu erschließen sind, erschließen wir die mit einem ertüchtigten Fährkonzept zu einem Teil der Kosten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da wird diese Brücke zum Jahrhundertprojekt emporgeredet, zum wirtschaftlichen Heilsbringer. Altkanzler Helmut Schmidt, den ich nicht in allen Punkten schätze, hat gesagt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Ich teile das nicht, ich plädiere aber dafür, hier mit Vernunft heranzugehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Träumen ist schön, aber Traumtänzerei bei diesem Projekt kann volkswirtschaftlich ausgesprochen gefährlich werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Minister, lassen Sie untersuchen, aktualisieren Sie die Verkehrsprognose, untersuchen Sie die Baukostenentwicklung, die zu erwarten ist, und setzen Sie die in Relation zu den zu erwartenden Projektpreisen! Sehen Sie sich die Energiebilanz an, das heißt wie viel Energie in dieses Projekt hineingesteckt wird! Lassen Sie mal nachrechnen, ob durch die Nutzungsphase -

(Detlef Matthiessen)

Herr Abgeordneter, auch zehn Minuten gehen zu Ende.

Untersuchen Sie also die graue Energie daraufhin, ob die jemals durch die Nutzkosten wieder eingespielt wird!

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen bei diesem Projekt ist aberwitzig. Kommen Sie vom Schwebezustand auf den Teppich der Realität zurück, meine Damen und Herren!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das politische Mammutprojekt feste Fehmarnbelt-Querung wirft seit Langem seine Schatten voraus, ohne dass das Bauwerk überhaupt steht. Wir haben uns in diesem Haus bereits mehrfach und eingehend mit dem Milliardenprojekt politisch auseinandergesetzt. Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages sind Fakten geschaffen worden, deren Auswirkungen letztendlich noch nicht absehbar sind. Deswegen ist der Antrag der FDP auch richtig.

So wird gebetsmühlenartig von einer Gesamtsumme von rund 5,5 Milliarden € ausgegangen, wovon Dänemark den Löwenanteil übernimmt. Die Hinterlandanbindung auf deutscher Seite soll noch einmal 840 Millionen € kosten.

Jeder von uns hat am eigenen Leib erfahren, wie die Energiepreise in den letzten Jahren gestiegen sind. Der Kollege Matthiessen hat das gerade noch einmal verdeutlicht. Diese Preisentwicklung ist bisher überhaupt noch nicht in die Kalkulation einge

flossen. Das führt natürlich automatisch dazu, dass alles das, was wir bisher an Prognosen hatten, völliger Humbug ist. Das wird teurer werden, und zwar nicht nur der Gesamtbau, sondern selbstverständlich auch die Hinterlandanbindung. Wenn man das nicht berücksichtigt, handelt man finanzpolitisch fahrlässig. Genau dieses Verhalten macht deutlich, dass man hier auf politischem Wege etwas durchdrücken will, koste es was es wolle und wider besseres Wissen.