Mit dem jetzt vorliegenden Entwurf werden die Einrichtungen transparenter. Die Transparenz ist der beste Schutz vor Missständen. Das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig. Ein Mehr an Transparenz darf umgekehrt für die Pflegekräfte vor Ort nicht zu noch mehr Bürokratie führen. Davon haben wir schon genug. Pflegekräfte sollen während ihrer Arbeit zuerst am Menschen und nicht am Schreibtisch tätig sein.
Transparenz muss sich lohnen. Daher begrüßen wir es auch, dass Einrichtungen von der Regelprüfung bei der Erfüllung harter Kriterien, zu denen auch die Transparenz gehört, für die Dauer von bis zu drei Jahren befreit werden können.
Lassen Sie uns dieses so wichtige Gesetz in den nächsten Beratungen noch einmal intensiv unter den Aspekten der Selbstbestimmung, der Qualitätssicherung, des Verbraucherschutzes, der Umsetzbarkeit und der Entbürokratisierung betrachten! Ich beantrage für die CDU-Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Sozialausschuss und den Innen- und Rechtsausschuss.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heike Franzen. Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Landesverfassung misst dem Schutz der Rechte und Interessen pflegebedürftiger Menschen und der Förderung einer menschenwürdigen Versorgung einen besonderen Rang zu. Dieser Auftrag hat in gleicher Weise Bedeutung für Menschen mit Behinderung.
Mit Inkrafttreten der Föderalismusreform 2006 ist die Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge - soweit sie das Heimrecht betrifft - insgesamt auf die Länder übergegangen. Das Heimrecht ist in seiner konkreten Ausgestaltung im Bundesheimgesetz und in den vier Rechtsverordnungen über bauliche, personelle Anforderungen sowie die Heimmitwirkung und die Sicherung von Leistungen der Bewohner vollständig in unsere Kompetenz übergegangen. Ein möglicher Nachteil dieser Entscheidung kann darin liegen, dass sich in den Bundesländern nun unterschiedliche Regelungen und unterschiedliche Versorgungsstandards herausbilden. Ein Vorteil besteht allerdings darin, dass wir uns mit einer Neuregelung von dem klassischen und traditionellen Fürsorgegedanken sowie dem ordnungsrechtlichen Ansatz des alten Heimgesetzes entfernen und Strukturen entwickeln können, die unserem anspruchvollen verfassungsrechtlichen Ziel gerechter werden.
Der Titel dieses Gesetzes lautet kurz gefasst Selbstbestimmungsstärkungsgesetz. Er beschreibt eine umfassendere Zielsetzung als das alte Heimgesetz. Der Titel macht deutlich, dass die Zielgruppe von älteren und/oder behinderten Menschen in ihrem eigenverantwortlichen Leben gestärkt werden soll. Damit folgt das Gesetz dem klassischen Prinzip der Alten- und Behindertenhilfe, das lautet: So viel Selbstbestimmung wie möglich, so viel Schutz und Fürsorge wie nötig. Schutz gewährleisten und gleichzeitig die Selbstbestimmung stärken darf kein Widerspruch sein. Wir wissen seit Langem, dass die meisten Menschen auch im Fall von Pflegebedürftigkeit und/oder Behinderung selbstbestimmt und auch unabhängig leben möchten; in eigener Häuslichkeit, in der eigenen Wohnung. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass entsprechende Wohnformen wie zum Beispiel Wohnungen mit Betreuung, Servicewohnen, Hauswohngemeinschaften und so weiter in diesem Gesetz eine umfassende Berücksichtigung finden.
Es ist sehr zu begrüßen, dass dieses Gesetz den Belangen und der Stärkung des Verbraucherschutzes aller Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung ganz besonders Rechnung tragen wird. Zu
künftig sollen Menschen die Möglichkeit haben, sich über Art, Umfang und Entgeltung von Leistungen der Pflegebetreuung und Hauswirtschaft informieren zu können. Sie müssen auch entsprechende Leistungsanbieter wählen dürfen. Anlaufstellen für Krisensituationen werden gesetzlich geregelt sein. Die Neuregelung ermöglicht also nicht nur neue Wohnformen für ältere Menschen und dazu passende Pflege-, Betreuungs- und Versorgungskonzepte. Jeder Betroffene kann zukünftig selbst sein eigenes Wohnumfeld organisieren; mit der Unterstützung von Angehörigen oder auch ehrenamtlich Tätigen. Das bedeutet Respekt vor der individuellen Entscheidung.
Selbstständiges und individuelles Leben muss aber nicht mit Schutzlosigkeit und Abhängigkeit einhergehen. Deshalb ist die Qualitätssicherung ein weiterer wichtiger Baustein in diesem Gesetz. Träger stationärer Einrichtungen, aber auch die Anbieter von neuen Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen sind künftig verpflichtet, umfassend über ihre Leistungen, den Umfang und die Preise zu informieren. Der Transparenz der Qualität in den Einrichtungen wird zukünftig weiter durch die Verpflichtung Rechnung getragen, dass Ergebnisse von Regelprüfungen der Aufsichtsbehörden zu veröffentlichen sind. Außerdem haben Beratungsstellen und Krisentelefone die Pflicht, den zuständigen Behörden ihre Informationen zur Verfügung zu stellen. Zukünftig müssen die Prüfinstanzen MDK und Heimaufsicht intensiv zusammenarbeiten, wobei der Schwerpunkt der Prüfung dieser Behörden bei der Struktur- und Prozessqualität liegt.
Liebe Frau Kollegin Franzen, an dieser Stelle bin ich nicht mit Ihnen einer Meinung. Richtige Strukturen und angemessene Prozesse nach zum Beispiel pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen tragen erst dazu bei, dass wir eine gute Ergebnisqualität haben. Das Thema Ergebnisqualität ist eines der schwierigsten Themen überhaupt. Wir wollen definieren, was die richtige Pflege für Menschen ist. Wir wollen definieren, welcher Weg dahin bei den Menschen zu einer hohen Zufriedenheit führt. Genau deshalb ist das Thema der Ergebnisqualität einer der schwierigsten Aspekte in diesem Dreiklang. Unser Ziel ist es, Strukturqualität zu analysieren, sie zu systematisieren und vielleicht auch anzupassen. Das Gleiche gilt für die Prozessqualität.
Es wird zukünftig unangemeldete Kontrollen geben, das begrüßen wir. Gleichzeitig sage ich im Zusammenhang mit diesem Thema aber auch immer wieder: Jede unangemeldete Kontrolle bei einem Pflegebedürftigen bedeutet ein unangemeldetes
Eindringen in die Intimsphäre und in das Privatleben. Deshalb muss man an dieser Stelle sehr sorgfältig vorgehen. Man muss auch sehr sorgfältig abwägen, wie man sich in dieser Situation verhält. Ich nenne ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie liegen im Krankenhaus. Mit einem Mal geht die Tür auf und ein fremder Mensch kommt herein, der sagt: Ich komme vom MDK. Bitte stellen Sie sich neben das Bett. Ich möchte sehen, ob Sie heute Morgen vernünftig gewaschen worden sind, ob Sie sauber sind, ob Ihre Haare gekämmt sind, ob das Bett frisch bezogen ist. Sie würden sagen: Sagen Sie mal, was fällt Ihnen ein!
- Genau das ist der Punkt. Insofern ist das Thema „unangemeldete Kontrollen“ ein ganz schwieriges Thema. Aber ich sage nicht, dass die nicht notwendig sind.
Unangemeldete Kontrollen wird es natürlich auch im Bereich des betreuten Wohnens geben. Betreutes Wohnen wird zukünftig einer Zertifizierungspflicht unterworfen. Das heißt, Standards müssen genau festgelegt sowie transparent und öffentlich gemacht werden.
Stationäre Einrichtungen haben zukünftig gesetzlich die Verpflichtung, ein Beschwerdemanagement zu betreiben. Sie haben weiterhin die Verpflichtung, Pflege zu dokumentieren. Allerdings soll das in Zukunft vereinfacht werden und transparent dargestellt werden. Auch da haben wir wieder eine schwierige Situation: Wie will ich als MDK Pflegeabläufe prüfen, wenn ich keine Dokumente habe, wenn ich nicht nachvollziehen kann, in welcher Situation möglicherweise Pflegefehler entstanden sind und wie sie behebbar sind? Auch das ist eine Gratwanderung. Aber ich stimme Ihnen zu: Pflegekräfte dürfen nicht ständig nur mit Dokumentation beschäftigt sein. Sie sind vielmehr dafür angestellt, sich um die Menschen zu kümmern.
Das heute vorgelegte Gesetz betrifft die rund tausend Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie besondere Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen mit insgesamt rund 50.000 Bewohnerinnen und Bewohnern in Schleswig-Holstein. Es hat das Ziel, so viel Selbstbestimmung wie möglich und so viel Schutz wie nötig für diese Menschen zu gewährleisten. Es ist ein komplexes Gesetzeswerk auf der einen Seite mit ordnungsrechtlichen Komponenten, auf der anderen Seite aber auch mit Verbraucherschutzaspekten für selbstständiges und selbstbestimmtes Leben.
Der Regelungsumfang dieses Gesetzes betrifft sehr viele Menschen, aber auch sehr viele unterschiedliche Einrichtungen. Es versteht sich von selbst, dass zum jetzigen Zeitpunkt kein Konsens über diesen Entwurf bestehen kann. Wir werden mit allen Beteiligten in den nächsten Wochen diesen Entwurf diskutieren: im Ausschuss, in Anhörungen oder auch in Einzelgesprächen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir uns letztendlich auf ein Gesetz verständigen werden, das der grundsätzlichen politischen Zielrichtung weiterhin Rechnung tragen wird, nämlich selbstbestimmtem Leben im Alter unter Beachtung der Menschenwürde. Deshalb danke ich der Ministerin für diesen ersten großen Gesetzentwurf.
Ich danke der Frau Abgeordneten Jutta Schümann und erteile das Wort für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht des Bundes auf die Länder übertragen worden. Mit einer landeseigenen Regelung wird in weiten Teilen im Bereich der öffentlichen Fürsorge die Bundesregelung ersetzt. Die Regelungen zum Heimvertrag bleiben weiterhin in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das alles hatte den Sinn, dass in Zukunft auf landesspezifische Besonderheiten mehr Rücksicht genommen werden kann. Zweitens können gesetzliche Lücken ergänzt werden, ohne dass langwierige bundesweite Abstimmungsprozesse nötig werden. Der in Art. 5 a der Landesverfassung verankerte Auftrag kann mit Leben erfüllt werden, die Rechte und Interessen pflegebedürftiger Menschen zu schützen und eine Versorgung zu fördern, die allen Pflegebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Die Umsetzung des Verfassungsauftrags soll nach dem Willen der Landesregierung in drei aufeinander abgestimmten Bausteinen erfolgen: dem Heimgesetz, dem Landespflegegesetz und durch Regelungen zur Durchführung des Bundesaltenpflegegesetzes und der Altenpflegehilfe. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ist der erste Baustein.
Auch wenn der Titel „Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Behinderung“, der mittler
weile nur noch ein Untertitel ist, einen anderen Eindruck vermittelt: Im Prinzip ist das nichts anderes als ein Heimgesetz. Allein der Gesetzestitel suggeriert etwas anderes. Genau hier, liebe Frau Ministerin, liegt das Problem. Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, ist ein handwerklich und inhaltlich in weiten Teilen überhaupt nicht zu beanstandender Ersatz für das bisherige Regelwerk des Bundes, auch wenn - wir müssen im Ausschuss darüber reden, warum das passiert ist - die sektorenspezifische Gliederung im Gesetz nicht konsequent durchgehalten worden ist und dies an mancher Stelle zu einer verwirrenden Gesetzessystematik führt. Sie könnten Aufklärung darüber geben, warum Sie die ursprüngliche Systematik nicht beibehalten haben.
Viele Regelungen entsprechen inhaltlich den bisherigen Bestimmungen im Bundesheimgesetz. Es wurden aber vonseiten der Landesregierung - das ist das eigentliche Problem - hohe Erwartungen geweckt, die jetzt von den Betroffenen, von Angehörigen, von Heimbeiräten und Verbänden eingefordert werden. Viele dieser Erwartungen erfüllt der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf nicht und wird es im Zweifel auch gar nicht können, wenn wir realistische Maßstäbe dafür ansetzen, was auf Landesebene tatsächlich möglich ist. Anspruch und Wirklichkeit fallen hier in vielen Bereichen auseinander.
Genau das hat bereits im Vorfeld zu enttäuschten Reaktionen geführt, die bei einer ehrlichen Benennung des Gesetzes wahrscheinlich ausgeblieben oder zumindest moderater ausgefallen wären. Wenn der Gesetzentwurf nichts anderes oder nichts wesentlich anderes als ein Heimgesetz ist, das notwendigerweise auch Regelungen von neuen Wohnformen enthalten muss, dann sollten wir es auch so nennen. Der jetzige Titel wird ansonsten zu Recht als ein Marketinggag empfunden.
Ich will das an folgenden Punkten verdeutlichen. Erstens: Sicherung und Stärkung der Mitwirkung. Allein der im Titel betonte Begriff der „Selbstbestimmungsstärkung“ suggeriert, dass künftig auf die Mitwirkung eines jeden einzelnen Bewohners in einer stationären Einrichtung besonderer Wert gelegt werden soll. Vergleichen Sie jetzt den § 16 des Entwurfs mit der Regelung im alten § 10 des Bundesheimgesetzes, der die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner regelt. Dieser Vergleich zeigt, dass die Landesregelung teilweise hinter den Regelungen des Bundes zurückbleibt. Beispielsweise ist eine Mitwirkung der Bewohner bei der Veränderung des Entgelts in Ihrem Gesetz überhaupt nicht vorgesehen.
In § 10 des Bundesheimgesetzes ist die Mitwirkung auf die Verwaltung sowie Geschäfts- und Wirtschaftsführung des Heimes festgeschrieben, wenn besondere Leistungen aus dem Heimvertrag durch den Träger erbracht werden. Eine solche Regelung fehlt in Ihrem Gesetzentwurf. Konkret heißt das an dieser Stelle, dass die Selbstbestimmung nicht gestärkt, sondern geschwächt wurde, Frau Ministerin.
Zweitens: Abgrenzung zwischen verschiedenen Einrichtungsformen. Das von der Landesregierung verfolgte Prinzip von „so viel Selbstbestimmung wie möglich und so viel Schutz wie nötig“ stößt an seine Grenzen, wenn es darum geht, neue Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen gesetzlich zu definieren. Ich gebe Ihnen sofort zu: Nicht alle Grenzfälle können im Gesetz berücksichtigt werden. Was aber geschieht, wenn ein Bewohner einer besonderen Einrichtung nach § 8 im Laufe der Zeit immer mehr Leistungen in Anspruch nehmen muss, sodass letztlich die Voraussetzungen einer stationären Unterbringung im Sinne des § 7 vorliegen? Wie wird in diesem Fall die staatliche Aufsicht sichergestellt, wenn in einer Einrichtung nach § 8 nur anlassbezogene Prüfungen erfolgen, in einer Einrichtung nach § 7 aber regelmäßig einmal im Jahr kontrolliert werden soll, wie in § 20 vorgeschrieben?
Natürlich ist es kaum möglich, im Hinblick auf die wechselnden Bewohnerstrukturen und den sich ändernden Hilfebedarf eine trennscharfe Unterscheidung im Gesetz zu definieren. Sowohl die Bewohner als auch die Einrichtungsträger einer besonderen Wohn-, Pflege- und Betreuungsform müssen sich aber darauf einstellen können, mit welchen behördlichen Vorgaben sie rechnen können und müssen. Das bedeutet auch, dass die gewollte Stärkung der Kundensouveränität an ihre Grenzen stoßen kann. Dann muss man das den Menschen aber auch klipp und klar sagen und darf ihnen nichts anderes vormachen. Bisher wurde vonseiten der Landesregierung allerdings das genaue Gegenteil kommuniziert.
Drittens: Auskunft und Beratung. Der Gesetzentwurf sieht in § 3 vor, nach Maßgabe des Haushaltes ergänzend zu den bereits bestehenden Beratungsmöglichkeiten ein neutrales, niedrigschwelliges und von Eigeninteressen unabhängiges Beratungsangebot in Schleswig-Holstein zu etablieren.
Liebe Frau Ministerin Trauernicht, welche weiteren Beratungsmöglichkeiten sollen das konkret sein? Die acht trägerunabhängigen Beratungsstellen kön
nen es nicht sein, denn sie haben ihre Rechtsgrundlage in § 7 des Landespflegegesetzes. Das Pflegenottelefon kann es auch nicht sein. Denn es hat seine Rechtsgrundlage in § 4 des Entwurfs. Um welche zusätzlichen Beratungsmöglichkeiten handelt es sich dann, wenn § 3 des Gesetzentwurfs ausdrücklich keine Rechtsgrundlage zur Förderung von Pflegestützpunkten nach § 92 c SGB XI neuer Fassung ist? Ich frage an dieser Stelle ernsthaft: Ist es überhaupt notwendig, eine weitere Beratungsmöglichkeit zu etablieren? Angesichts der Tatsache, dass es in Schleswig-Holstein bereits die verschiedensten Beratungsmöglichkeiten durch die Pflegekassen, die Kreise und kreisfreien Städte, Institutionen, Verbände und Aufgabenträger gibt, stellt sich die Frage, warum wir das zur Verfügung stehende Geld nicht bei den Pflegebedürftigen zu 100 % ankommen lassen wollen.
Ich will Ihnen, weil viele nicht wissen - das ist kein Vorwurf -, welche Beratungsstrukturen es schon heute gibt, die nennen. Erstens: §§ 13 ff. SGB I, grundsätzliche Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger; zweitens: § 7 SGB XI, Beratungspflicht der Pflegekassen gegenüber den Versicherten und deren Angehörigen; drittens: § 37 Abs. 3 SGB XI neuer Fassung, Beratung von Pflegegeldempfängern für selbst beschaffte Pflegehilfen zur Sicherung der Qualität häuslicher Pflege durch zugelassene Pflegeeinrichtungen oder durch die Landesverbände der von den Pflegekassen anerkannten Beratungsstellen; viertens: § 45 SGB XI, Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen durch die Pflegekassen; fünftens: § 11 SGB XII, Beratungspflicht der Kreise und kreisfreien Städte zur allgemeinen sozialhilferechtlichen Beratung und Unterstützung; sechstens: § 71 SGB XII, Beratungspflicht der Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Altenhilfe; siebtens: § 4 Heimgesetz, Beratungspflicht der Kreise und kreisfreien Städte als Heimaufsichtsbehörden; achtens: § 7 Landespflegegesetz, trägerunabhängige Beratungsstellen; neuntens: weitere Beratungsangebote durch Institutionen, Vereine, Verbände und Aufgabenträger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund der Beratungsvielfalt frage ich Sie ernsthaft, ob Sie Geld, das besser bei den Pflegebedürftigen ausgegeben wird, in den Aufbau nochmals einer neuen Beratungsstruktur stecken wollen.
Ich finde, an der Stelle sollte man im Ausschuss ernsthaft zum Wohle der Pflegebedürftigen noch einmal darüber reden können und dürfen, ohne gleich diffamiert zu werden, dass man den Pflegebedürftigen irgendetwas vorenthalten wolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorgelegte Gesetzentwurf ist in weiten Teilen nichts anderes als ein Heimgesetz, das gegenüber der bisherigen Bundesregelung versucht, neue Wohn- und Betreuungsformen zu berücksichtigen. Im Vorfeld wurden hohe Erwartungen geweckt, die ein solches Heimgesetz vermutlich gar nicht erfüllen kann.
Herr Kollege Garg, ist Ihnen bewusst, dass es nicht nur darum geht, durch Beratung in Pflegefällen direkt zu helfen, sondern durch diese Beratung auch Pflegefälle zu vermeiden oder auch Menschen zu helfen, zum Beispiel länger in der häuslichen Umgebung zu bleiben, bevor man in eine stationäre Einrichtung wechselt, und dass dies auch Effekte sind, die direkt bei den Menschen ankommen?
- Aber selbstverständlich, lieber Kollege Baasch, ist mir das bewusst. Genau aus diesem Grund - ich hätte die Frage anders gestellt, aber Sie kriegen jetzt eine Antwort auf die Frage, die Sie gestellt haben - wurde diese Beratungspluralität, die ich Ihnen gerade zugegebenerweise etwas nervig vorgelesen habe, weil man das ein bisschen schnell machen muss, geschaffen.