Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki und erteile das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Im Hinblick auf Ihre Eingangsausführungen, Herr Kubicki, verweise ich auf die Ergebnisse des „Pallas“-Untersuchungsausschusses. Ich glaube, da waren Sie sogar Mitglied.

Der zehnte Jahrestag des „Pallas“-Unglücks ist ein guter Zeitpunkt, über die tatsächlich gezogenen Konsequenzen zu diskutieren. Nach der Havarie des Holzfrachters ,,Pallas“ am 29. Oktober 1998 vor der Nordseeinsel Amrum waren sich noch alle einig, dass so schnell wie möglich eine einheitliche nationale Küstenwache auf die Beine gestellt werden müsse. Die Bilanz nach zehn Jahren Kompetenzgerangels zwischen Bund und Küstenländern fällt ernüchternd aus, trotz einiger Fortschritte. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, wie Innenminister Lothar Hay in seiner Presseerklärung vom 28. Oktober eine ohne Ausnahme positive Bilanz der Sicherheit auf See zieht. Fakt ist: Auch zehn Jahre nach dem Desaster um das „Pallas“-Unglück gibt es immer noch keine einheitliche nationale Küstenwache. Das ist ein Armutszeugnis für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Küstenländern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die sensiblen Regionen der Nord- und Ostseeküste brauchen eine klare Sicherheitsstruktur. So schnell wie möglich muss es eine neue schlagkräftige Behörde geben, in der die jeweiligen Aufgaben

(Wolfgang Kubicki)

der jetzigen Partner im Bereich der Küstenwache zusammenfließen. Die bestehende komplizierte Konstruktion ist untauglich, um den wachsenden Risiken - zunehmender Schiffsverkehr, wachsende Schiffsgrößen und auch schlecht ausgebildete Besatzungen - in der Küstenschifffahrt angemessen zu begegnen.

Ich erinnere daran: Die „Pallas“ führte nur Treibstoff mit sich, war aber keineswegs ein Öltanker. Wir haben aber inzwischen von Russland aus im engen Fahrwasser erhebliche Transportleistungen von Energieträgern.

Was gibt es nicht alles an Institutionen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen? - Es gibt einen Koordinationsverbund Küstenwache. Dort sind die Schiffe von vier Bundesbehörden zusammengefasst: Zoll, Wasser- und Schifffahrtsdirektion, Bundespolizei und Fischereischutz. Alle Schiffe tragen das Logo „Küstenwache“. Weiter gibt es das Havarie-Kommando als Bund-Länder Einrichtung. Hinzu kommt das Maritime Sicherheitszentrum - MSZ - als Dachorganisation in Cuxhaven. Es besteht aus sieben Partnern: Den vier Bundesbehörden des Koordinationsverbundes Küstenwache, der Leitstelle Schifffahrtspolizei, dem Havariekommando und der Marine, die zurzeit nur mit einem Verbindungsoffizier vertreten ist, da noch kein Mandat für innere Einsätze besteht. Alle sieben Partner haben eigene Leitstellen, die in einem gemeinsamen Lagezentrum See zusammenarbeiten. Jährlich wechselt im Turnus die führende Leitstelle. Ich kann da keine effektiven Strukturen erkennen, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie wir es hier mal andiskutiert haben. Herr Kollege Feddersen, insofern teile ich Ihre Ausführungen voll und ganz, dass es hier noch viel zu tun gibt.

Es gibt zurzeit keine zentrale Stelle, die das Recht hat, Sofortentscheidungen für alle denkbaren polizeilichen Anlässe auf See zu treffen. Das sieht der Innenminister ähnlich. Ich kann ihm aber nicht folgen, wenn er in Hinblick auf die nationale Küstenwache eine neue Mammutbehörde des Bundes als große Gefahr an die Wand malt. „Mammutbehörde“ ist ein Kampfbegriff, der hier nicht hingehört. Es geht um die größtmögliche Sicherheit auf See für unsere Küstenbereiche von Schleswig-Holstein. Dafür brauchen wir keine drei Verwaltungsorganisationen und zersplitterte Kompetenzen. Notwendig ist und bleibt die Schaffung einer einheitlichen nationalen Küstenwache, einer Coastel Guard wie in den USA. Wenn sich Bund und Länder nicht einigen können, dann muss das der Bund als nationale Aufgabe an sich ziehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und glaube - in diesem Punkt gibt es doch eine ziemlich große Übereinstimmung -, dass da noch viel getan werden muss. Ich schließe mich der Aussage an, dass wir das im Ausschuss noch intensiv beraten müssen.

Die Präsidentin hat gewechselt. Ich darf aber darauf hinweisen, dass ich die Zeit, die ich vorhin überzogen hatte, jetzt eingespart habe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/2288 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich teile Ihnen mit, dass das Parlament in letzter Zeit keine mündlichen Berichte mehr an die Ausschüsse überwiesen hat. Der Antrag ist mit der Berichterstattung des Ministers erledigt. Der Ausschuss kann im Rahmen der Selbstbefassung jederzeit das Thema wieder an sich ziehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:

Einkommens- und Vermögensentwicklung in Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/2278

Ich erteile dem Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Marnette, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich vertrete hier Minister Wiegard. Der letzte Bericht zur Entwicklung der Einkommen und Vermögen in Schleswig-Holstein stammt aus dem Jahr 1998. Die vorliegende Fassung deckt den Zeitraum von 1996 bis 2005 ab. Die Steuerstatistik wird alle drei Jahre vom Statistischen Landesamt erstellt. Die bis 2007 reichende Statistik ist noch nicht abgeschlossen. Sofern aktuellere Daten zur Verfügung standen, wurden diese vom Finanzministerium entsprechend eingebaut.

Einige von den Antragstellern abgefragte Daten lassen sich deshalb nur sehr schwierig darstellen. Zum Beispiel konnten im letzten Bericht vor zehn Jahren noch die Fragen nach der Vermögensentwicklung

(Detlef Matthiessen)

in Schleswig-Holstein aus der Veranlagung der Vermögensteuer beantwortet werden. Seit dem 1. Januar 1997 - das wissen Sie ja - wird diese Steuer nicht mehr erhoben.

Die wesentlichen Ergebnisse des Berichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Erstens. Während die Einkommen der abhängig beschäftigten Schleswig-Holsteiner von 1996 bis 2005 kontinuierlich gestiegen sind, gilt für den Betriebsüberschuss der Selbstständigen das Gegenteil. Die Entwicklung entspricht jedoch in beiden Bereichen dem Trend im Bund.

Zweitens. Das Einkommensniveau in SchleswigHolstein lag am Ende des Berichtszeitraums grundsätzlich unter dem Bundesdurchschnitt. Beim Anstieg von Preisen für Energie, Mieten oder Lebensmittel sind Alleinerziehende oder Familien besonders betroffen. Zudem ist der Anteil der Kinder unter 15 Jahren, die in einer Bedarfsgemeinschaft nach ALG II leben, im Berichtszeitraum nicht gesunken.

An beiden Punkten zeigt sich, wie wichtig es ist, alle Anstrengungen auf die Schaffung weiterer Arbeitsplätze und auf wirtschaftliches Wachstum auszurichten.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: So ist es!)

Gut 68.000 Menschen sind in Schleswig-Holstein in den letzten drei Jahren wieder in Arbeit gekommen. Auf diesem Weg müssen wir weitermachen. Nur mit wirtschaftlicher Dynamik und mit Freiräumen im Haushalt für entsprechende Investitionen werden wir im Wettbewerb mit den anderen Bundesländern bestehen können und den Familien eine entsprechende Einkommensentwicklung ermöglichen.

Drittens. Die Zahl der Einkommensmillionäre - ab einem Einkommen von 511.000 € - bewegt sich im Berichtszeitraum zwischen 1.000 und 1.500. Eine Tendenz nach oben ist nicht zu erkennen. Ein populistischer Rückschluss auf gewaltige Umverteilungen unten und oben lässt sich also nicht ziehen. Vielmehr muss man festhalten, dass bundesweit allein bei der Einkommensteuer die obersten 10 % der Haushalte rund 55 % des Steueraufkommens zahlen, das untere Drittel der Haushalte dagegen 60 % aller staatlichen Transferleistungen erhält.

Viertens. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist in Schleswig-Holstein kontinuierlich gestiegen. Erstaunlich ist dabei, dass der Anteil der Männer in Teilzeitarbeit zugenommen hat. Die Entwicklung

bei der Teilzeit macht deutlich, wie wichtig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Die Entscheidungen der Landesregierung zum Ausbau der Betreuung unter Dreijähriger waren deshalb richtige und diesen Trend unterstützende Maßnahmen.

Fünftens. Die Auswirkungen der kalten Progression auf die Einkommen der Schleswig-Holsteiner lassen sich nicht beziffern. Im Ergebnis sind in Schleswig-Holstein wie im übrigen Bundesgebiet die steuerpflichtigen Einkommen von geringer Verdienenden, wenn überhaupt steuerpflichtig, von diesem Phänomen besonders betroffen. In diesem Zusammenhang hält der Bericht auch fest, dass es im Berichtszeitraum 71 gesetzliche Änderungen allein im Einkommensteuerrecht gegeben hat. Das waren keine 71 ganz banalen redaktionellen Änderungen, sondern Korrekturen in wesentlichen Bereichen des Einkommensteuerrechts.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war ein Steuer- berater-Konjunkturprogramm!)

Von einzelnen Freibeträgen über Niedrigenergiehaus-Zulagen, von Einkommensteuersätzen bis zum Abzug von Sonderausgaben wurde x-mal eingegriffen und das komplexe Einkommensteuerrecht noch komplizierter und undurchdringbarer gemacht. Die Zahl der einzelnen Regelungen innerhalb der Gesetze wird auf über 500 geschätzt. So viele Operationen machen das Steuerrecht weiß Gott nicht besser.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber gerechter!)

Bezogen auf die Fragestellung, welche Mehreinnahmen das Land hätte, wenn anstelle der Kinderfreibeträge für alle Eltern ein Kindergeld ausgezahlt werden würde, kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass ein einheitliches Kindergeld für alle die öffentlichen Haushalte nicht entlasten, sondern belasten würde, und zwar bundesweit mit rund 12 Milliarden €.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dafür können wir die Grunderwerbsteuer erhöhen!)

Ich kann damit zusammenfassen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Aus dem Bericht ergeben sich insgesamt einige interessante und sehr spezifische Diskussionspunkte für die nähere Ausschussberatung.

(Beifall)

Ich danke Herrn Dr. Marnette für seinen Bericht und eröffne die Aussprache. Für die antragstellende

(Minister Dr. Werner Marnette)

Fraktion hat die Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei der Verwaltung für diesen Bericht bedanken. Er ist informativ, er ist übersichtlich gestaltet, und für uns ist er eine gute Grundlage für die weitere Arbeit.

Auch wenn viele Daten nicht wirklich aktuell sind Sie sind darauf eingegangen, Herr Minister -, so zeigen sie doch wichtige Tendenzen auf.

Ende Oktober 2008 hatten wir die besten Arbeitsmarktzahlen seit vielen Jahren. Seit der Einführung der Hartz-IV-Gesetze ist die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein um 48.400 gesunken. Wollen wir aber eine ehrliche Bilanz ziehen, so müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an der Gesamtzahl der abhängig Erwerbstätigen kontinuierlich steigt.

(Zuruf von der CDU: Was ist daran schlecht?)

Ebenso wächst der Anteil der Leiharbeiter, und der Anteil der geringfügig entlohnten Beschäftigten hat sich bis 2004 erheblich ausgeweitet und ist im Jahr 2007 trotz einer konjunkturellen Hochphase nur leicht zurückgegangen. Es gibt also immer weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und immer mehr geringfügig entlohnte Beschäftigte. Von 1999 bis 2007 ist hier ein Zuwachs von 24 % zu verzeichnen. Das, meine Damen und Herren, ist eine Entwicklung in die falsche Richtung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Grundsatz muss lauten: Von guter Arbeit muss der Mensch auch leben können und nicht ergänzende Hilfe beantragen müssen. Für die Menschen sind nicht die Bruttoeinkommen von Bedeutung, sondern das, was unter dem Strich bleibt. Wenn wir den Verbraucherindex mit berücksichtigen, bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Realeinkommen von 1996 bis 2005 nicht gestiegen sind. Da ist es auch kein Trost, dass die Anzahl der Einkommensmillionäre über die Jahre hinweg ebenfalls nicht gestiegen ist.