Die Ministerpräsidenten der Länder sind sich darin einig, dass wir in den letzten Jahren wichtige Weichen gestellt haben, um in den Ländern die Zukunft
zu gewinnen und zu gestalten. Wir haben die frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote ausgebaut. Wir können gerade in Schleswig-Holstein eine positive Entwicklung verzeichnen. Wir haben ein Investitionspakt in der beruflichen Bildung. Wir haben den Hochschulpakt 2020 und die Exzellenzinitiativen auf den Weg gebracht.
Wir waren uns allerdings darin einig, dass das noch nicht reicht. Deshalb haben die Ministerpräsidenten die Bildungsminister, die Wissenschaftsminister und die Forschungsminister gebeten, das Gespräch mit der Bundeskanzlerin vorzubereiten. Damit wollten wir der Debatte und dem Regierungshandeln zugunsten der Bildung noch mehr Schub geben. Wir wollten eine Qualifizierungsinitiative für Schleswig-Holstein starten und unsere Botschaft lautet: Bildung muss auch in Zukunft Priorität haben. Der Gipfel von Bund und Ländern in Dresden war ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir sind uns über die Länder- und über die Parteigrenzen hinweg darin einig, dass es die gesamtstaatliche Verantwortung gebietet, gemeinsam stärkere Anstrengungen zu unternehmen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Föderalismus hier relativiert werden soll. Nein, wir haben einen Wettbewerb untereinander.
Wir haben in den Ländern unterschiedliche Ausgangslagen und Bedürfnisse. Dennoch bekennen wir uns zur gesamtstaatlichen Verantwortung, weil die Herausforderungen eindeutig sind. Wir müssen Antworten auf den demografischen Wandel finden. Wir müssen dem Fachkräftemangel entgegenwirken, und wir müssen die Schulen fit machen für die künftigen Herausforderungen. Dies müssen wir im Interesse unserer jungen Leute leisten. Deshalb ist das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Finanzierung von höheren Ausgaben für Bildung und Forschung ein Erfolg für die jüngere Generation.
Dabei will ich überhaupt nicht den Eindruck erwecken, als seien alle Fragen beantwortet. Es ist allerdings ein ehrgeiziges Ziel, dass wir uns vornehmen, bundesweit 10 % des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben. Zum Vergleich: 2006 lagen wir bundesweit bei rund 8,5 %.
Natürlich können die Länder dies nicht allein schultern, und natürlich können die Länder ihren jeweiligen Anteil nicht mit der gleichen Leichtigkeit auf
bringen. Wir wissen, dass wir noch harte Verhandlungen vor uns haben, und wir haben deshalb eine Strategiegruppe eingesetzt, die ihre Arbeit aufnehmen wird und uns zur Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten im Oktober 2009 weitere Vorschläge und Konkretisierungen unterbreiten wird.
Für Schleswig-Holstein bedeuten die Dresdner Beschlüsse eine Stärkung unseres Kurses. Wir haben in dieser Legislaturperiode wichtige Entscheidungen getroffen. Wir schaffen 1.155 zusätzliche neue Stellen für Lehrerinnen und Lehrer bei zurückgehenden Schülerzahlen. Wir wollen rund 1.300 Stellen für bessere Lernbedingungen als Demografierendite im System lassen, die wegen der demografischen Entwicklung zwischen 2010 und 2020 abgebaut werden könnten, aber nicht abgebaut werden. Und für 2009 und 2010 sind rund 50 Millionen € eingeplant, um ein Kindergartenjahr beitragsfrei anbieten zu können.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines anmerken: Ich habe die Debatte heute Morgen sehr aufmerksam verfolgt. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass manche Beiträge groteske Züge annahmen.
Ist es eigentlich nicht mehr möglich, dass wir uns gemeinsam über eine solche Anstrengung für unsere Kinder und für unsere Eltern freuen können, meine Damen und Herren?
Mir ist es recht egal, ob das erste oder dritte Jahr beitragsfrei gestellt wird. Ich bin kein Pädagoge. Die einen sagen, das erste beitragsfreie Jahr werde mehr Kinder in die Kindergarten bringen, Herr Klug. Die anderen sagen, das dritte Jahr sei wichtig, weil es als Vorbereitung auf die Grundschule diene. Deswegen sei es wichtig. Mir ist es im Grunde genommen recht egal. Mir ist auch egal, wer die Diskussion begonnen hat. Es ist nämlich eine Leistung, die wir gemeinsam in dieser Koalition erbracht haben. Ich gestatte mir, einmal zu sagen, dass ich stolz darauf bin, dass wir diese Leistung hinbekommen haben.
Wir haben Erfolge in der Schulpolitik; Bildungsministerin Erdsiek-Rave wird dazu noch etwas sagen. Wir haben Erfolge in der Hochschul- und Forschungslandschaft,
und Wissenschaftsminister Dr. Marnette setzt hier an. - Herr Kollege, setzen Sie sich doch einmal hin und schauen Sie es sich an!
- Ja, eben. Insofern müsste es doch möglich sein, dass Sie sich auch etwas anderes als das gelbe Blatt Papier vor Ihnen anschauen. Sie sollten sich mit den Zahlen und der Entwicklung, die sich bei uns vollzogen hat, beschäftigen; sie war nämlich auch unter den haushalterischen Vorgaben nicht einfach.
Wir können Erfolge verzeichnen, und Dr. Marnette setzt genau hier an. In den letzten Monaten haben wir etwa die Weichen dafür gestellt, dass in den nächsten Jahren 4.000 zusätzliche Studierende aufgenommen werden können. Dies gilt nicht für die „preiswerten“ Studiengänge - so will ich es einmal sagen -, sondern dem Bedarf entsprechend für die teureren Studiengängen der Ingenieurs- und Naturwissenschaften. Wir haben den Weg frei gemacht für mehr Forschung und Innovationen auch außerhalb der Hochschulen. Denken Sie an XFEL, denken Sie an das Fraunhofer-Institut in Lübeck, an den Ausbau des ISIT in Itzehoe, an das Partikeltherapiezentrum, an Exzellenzcluster, an Graduiertenschulen. All dies sind millionenschwere Investitionen in die Forschungslandschaft hier bei uns in Schleswig-Holstein.
Wir müssen Bildung ganzheitlich denken. Diese beginnt bei der frühkindlichen Bildung, erstreckt sich über Schule und Ausbildung, über Hochschule und Forschung, über Weiterbildung und endet beim lebenslangen Lernen.
In diesem Sinne steht die Bildung jetzt auf der Tagesordnung der Nation. Das ist ein Erfolg, und es ist eine Schlussfolgerung aus Dresden, die in die Zukunft weist.
Ich danke Herrn Ministerpräsident Carstensen für seinen Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben bundesweit Hunderttausende Schülerinnen und Schüler für längeres ge
meinsames Lernen, für mehr Lehrer, gegen das Turbo-Abitur und gegen Studiengebühren protestiert. Recht haben sie!
Bildungsarmut, mangelnde Integration, Fachkräftemangel und demografischer Wandel fordern eine abgestimmte Bildungspolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Deshalb hat die Kanzlerin einen Bildungsgipfel einberufen. Der Gipfel entpuppte sich aber als reine Show. Er hat die Erwartungen im Hinblick auf eine Stärkung des Bildungssystems in Deutschland nicht erfüllt.
Herr Carstensen, Sie als unser Ministerpräsident haben im Vorfeld die Mitfinanzierung des Bundes von Schulmittagessen und Schulsozialarbeit gefordert. Beides ist auf dem Gipfel - wie so vieles andere auch - nicht konkretisiert worden. Sie loben ihn trotzdem und stellen sich heute an die Spitze der Bewegung im Land, nachdem die Koalition übrigens ohne eine Moderation durch Sie - ein Jahr lang erbittert über kostenfreie Kitas gestritten hat. Sich nach einem Jahr zu einigen, ist eine stolze Leistung. Ich hoffe aber, dass der Bildungsgipfel nach einem Jahr weiter sein wird als wir hier im Land nach einem Jahr Streit.
Frau Erdsiek-Rave, Sie haben gemeinsam mit dem Abgeordneten Weber festgestellt, dass die Roadmap für die Bildungspolitik in Deutschland fehlt. Trotz aller Widersprüche des Schulgesetzes hierzulande entstehen hier mehr Gemeinschaftsschulen als irgendwo sonst in Deutschland. Inzwischen zeigen Meinungsumfragen, dass längeres gemeinsames Lernen eine gesellschaftliche Mehrheit hat. Bringt die Landesregierung diese Forderung nun in den strategischen Beratungsprozess des Bildungsgipfels ein? - Bisher ist davon wenig zu hören.
In der Landesregierung besteht immerhin Einigkeit über das Ziel der Ganztagsschulen und darüber, allen Kindern an Kitas und Schulen eine gesunde und kostenlose Mittagsverpflegung vorzuhalten sowie Schulsozialpädagogik einzurichten. Eine realistische Möglichkeit, die Bundesebene in die Finanzierung einzubeziehen, ergibt sich offenbar über die Jugend- und Sozialpolitik, zu der Mittagsverpflegung und Schulsozialarbeit gezählt werden. Die ersten Erfolge der Beschlüsse des Krippenausbaus zeigen, dass die Länder hier eher bereit sind als im Kernressort der Schulpolitik, Finanztransfers zwischen Bund und Ländern zuzulassen. Herr Carstensen, hier nehmen wir Sie beim Wort. Hierzu erwar
Wenden wir uns dem Übergang zwischen Schule und Ausbildung zu! In Deutschland leben 4 Millionen Menschen, die als funktionale Analphabeten nicht gut genug lesen und schreiben können, um im Alltag und im Beruf zu bestehen. Herr Carstensen, ich bin dankbar dafür, dass Sie auf das Thema lebenslanges Lernen hingewiesen haben. Ich weise schon einmal darauf hin: Wir werden zu dem Thema Analphabetismus einen kleinen Beitrag leisten, indem wir weiterhin daran festhalten, dass die Volkshochschulen hier im Land diese Arbeit leisten können. Wir wissen, dass das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Das ist nur ein Bestandteil des Mosaiks des großen Felds des lebenslangen Lernen. Jahr für Jahr verlassen 80.000 Jugendliche ohne Abschluss die Schulen. Jeder dritte Jugendliche mit Migrationshintergrund bekommt keinen Ausbildungsplatz. 400.000 Jugendliche verschwinden im Übergangssystem zwischen Schule und Beruf.
Die Europäische Union erwartet nun von Deutschland bis zum Jahr 2013 eine Neuorientierung des Systems der beruflichen Bildung. Die Initiativen aus Deutschland hierzu sind bisher noch nicht weit gediehen. Wir Grüne haben dazu auch hier im Landtag Konzepte eingebracht. Für uns sind drei Ziele entscheidend: Erstens. Damit tatsächlich alle Jugendlichen einen berufsqualifizierenden Schulabschluss machen können und auch auf die Berufswahl vorbereitet werden, braucht es schon in der Schule ein Coaching-System. Es braucht mehr und besser gestaltete Praktika in Betrieben sowie die in Dänemark so erfolgreichen Produktionsschulen. Erste Schritte werden hier gemacht, aber unser Gesamtkonzept wurde hier im Landtag von der Großen Koalition in Bausch und Bogen abgelehnt. Es lohnt, sich damit auseinanderzusetzen.
Zweitens. Kein Jugendlicher darf nach der Schule verloren gehen oder Warteschleifen drehen. Deshalb ist das duale System durch außerbetriebliche und innerbetriebliche sowie überbetriebliche Ausbildungsgänge des Staates zu ergänzen, die zu einem anerkannten Abschluss führen. Das ist der springende Punkt. Wir brauchen keine Warteschleifen, wir brauchen anerkannte Abschlüsse.
Drittens. Unser völlig unübersichtliches Ausbildungssystem muss modularisiert werden und besser als bisher Anschluss an die Hochschulbildung
finden. Meisterprüfungen sollten zum Beispiel daraufhin getestet werden, ob sie nicht einem Bachelor gleichzustellen sind. Auch hierzu erwarten wir im Bundesrat konkrete Initiativen von Schleswig-Holstein.
Kommen wir zur Hochschule! Seit den 70er-Jahren existiert überall in Deutschland - und gerade auch seitens des Wissenschaftsministeriums in Schleswig-Holstein - die Mär vom Studentenberg. Seit meiner Studienzeit wird ein Hochschulpakt nach dem anderem geschnürt. Auch jetzt wieder gibt es den Hochschulpakt I und II. Diese Pakte gehen immer von einem Zeitrahmen aus, der in etwa einer Legislaturperiode entspricht. Jetzt rechnet man sogar noch mit dem demografischen Wandel. Das heißt, dass der Berg danach abflachen soll. Stattdessen müssen Bund und Länder gemeinsam 700.000 Plätze mehr als heute anbieten, um den flächendeckenden Einser-NC und die endlosen Warteschleifen und Verdrängungskämpfe, die es inzwischen schon zwischen Abiturienten und Auszubildenden gibt, zu verhindern. Es reicht eben nicht, den demografischen Wandel auszugleichen. Wir brauchen darüber hinaus eine deutliche Erhöhung der Studierendenquote, um im internationalen Vergleich mitzuhalten.
Bund und Länder müssen daher die dramatische Unterfinanzierung unseres Hochschulsystems überwinden und damit systematisch mehr Studienplätze und bessere Studienbedingungen schaffen. Das ist keine Sache von vier oder fünf Jahren. Unser Hochschulsystem muss vielmehr dauerhaft auf breitere Füße gestellt werden. Zugangshürden wie die flächendeckenden NCs und vor allem die Studiengebühren verbauen jetzt schon tausendfach Hochschulzugänge, auch wenn eine Frau Ministerin Schavan das nicht wahrhaben will. Hier erweist sich die CDU wirklich als Bildungsbremse. Sie verhindert auf diese Weise die Entwicklung zukünftiger Eliten.
Nach dem quantitativen Ausbau geht es aber auch um die Verbesserung der Qualität. Jeder fünfte und mancherorts schon jeder sechste Studierende verlässt die Hochschule ohne Abschluss. Der Bologna-Prozess hat hoffnungsvoll begonnen, aber er hat häufig nur dazu geführt, dass Lernstoff verdichtet wurde, wodurch die Abbrecherquoten steigen. Wir brauchen eine Neuorientierung der Studiengänge sowie Freiräume und Zeitfenster für Praktika und Auslandsaufenthalte. Das ist das Versprechen von Bachelor- und Master-Studiengängen. Das muss auch eingehalten werden. Das heißt natürlich