Protokoll der Sitzung vom 29.01.2010

Gleichwohl verstehe ich aus der politischen Situation des SSW heraus die Schwierigkeiten mit dieser Debatte. Das akzeptiere ich.

Nicht verstehen kann ich, dass die FDP argumentiert: Weil der Bürgermeister von Ellerbek Montblanc geholt hat, verweigern wir uns einer Debatte über die Synergien der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Hamburg. - Das ist doch der totale Beton, der da in den Mischer eingerührt wird!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Dass Sie noch nicht einmal in der Lage waren, wie die LINKEN, zu denen ich gleich kommen werde, eine konstruktive Mitarbeit zuzusagen, schlägt dem Fass wirklich den Boden aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass DIE LINKE allerdings nach der gestrigen Debatte sagt, der Nordstaat sei ein Verarmungsprogramm, ist nun gar nicht zu verstehen. DIE LINKE müsste doch versuchen, die Regierung mit der Argumentation zu fangen, dass in die Strukturen hineinzugehen ist und nicht eine kleinteilige Spardebatte angezettelt werden sollte. Ihr macht es genau

falsch herum. Damit schlagt ihr eurer eigenen Strategie sozusagen den Rücken weg.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Es ist aufgefallen, dass sich merkwürdige Allianzen gebildet haben. Im Grunde argumentiert ihr mit der Montblanc/Ellerbek-Strategie so, als ob dort eine Art „linke Scholle“ aufgebaut werde. Das scheint mir nicht besonders konsequent und auch nicht besonders links zu sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Was bleibt übrig? Diese Debatte hat gezeigt, dass die Enquetekommission genau das richtige Gremium ist. Wir brauchen es jetzt. Das fraktionelle Schaulaufen, bei dem alles drunter und drüber geht, macht deutlich, dass wir einen Rahmen, einen Raum benötigen, innerhalb dessen die Argumente in Ruhe gesichtet und ergebnisoffen abgewogen werden. Dann sehen wir uns alle im Ausschuss oder hier im Landtag wieder.

Alles spricht dafür, die Enquetekommission einzurichten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Kollege Habeck, ich mache eine Anmerkung, die allerdings für viele Mitglieder des Hauses gilt; es passt nur an dieser Stelle ganz gut: Wir sollten bei dem Verfahren bleiben, dass wir uns während der Plenardebatten grundsätzlich siezen, auch wenn wir uns ansonsten phantastisch verstehen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Heiterkeit - Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich entschuldige mich dafür!)

- Das traf mehrere. Wir haben es jetzt einmal klargestellt. Ich glaube, damit ist die Sache vom Tisch.

Das Wort hat Herr Kollege Jürgen Weber.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Duzen wäre mir nach dieser Debatte sowieso nicht zumute.

(Heiterkeit)

(Anke Spoorendonk)

Natürlich sind wir ein Parlament, und wir tauschen uns politisch aus. Dennoch war ich immer der Auffassung, dass es einen gewissen Grundstandard intellektueller Auseinandersetzung gibt, der auch in einem Parlament notwendig ist. Ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Warum stellt man sich eigentlich hier vorn hin und redet, wenn offensichtlich überhaupt nicht zugehört wird? Sowohl Frau Kollegin Heinold als auch Herr Kollege von Boetticher wenn auch mit einem anderen Resultat - tragen vor, dass es hier ein Handlungsdesiderat gibt, dass wir eine ergebnisoffene Diskussion brauchen, die ohne Festlegungen auskommt und über die Partei- und Landesgrenzen hinweg geführt wird. Dann stellt sich der Kollege von der FDP-Fraktion hin und sagt, wir könnten ja die Regierung fragen; dann würden wir schlau gemacht. Was ist denn das für ein Parlamentsverständnis?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dann stellt sich Frau Kollegin Spoorendonk hin und wiederholt das, was sie seit Jahren redet: Sie ist gegen den Nordstaat. Das wissen wir alle. Wir haben den Nordstaat nicht beantragt. Wir wollen eine ergebnisoffene, vernünftige Diskussion führen. Wenn der SSW das nicht will, dann soll er sie nicht führen. Aber ich denke, die Menschen wollen, dass sie geführt wird. Dann kann man nicht einfach sagen: Ich weiß schon, was dabei herauskommt. Ich weiß auch, was alles Teufelszeug ist. Deswegen will ich das alles nicht. - Diese Betonrede fand ich unterirdisch. Das sage ich selten zu Frau Kollegin Spoorendonk, die ich jetzt auch nicht duze. Aber das war unterirdisch.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wenn die Kollegen der LINKEN „klein ist fein“ vortragen, dann liegt das vielleicht wirklich daran, dass Ihr Parteivorsitzender aus dem Saarland kommt.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Marx lesen Sie von der LINKEN wahrscheinlich auch nicht mehr.

(Heiterkeit bei der SPD)

Dass die politischen Ebenen von Entscheidungen den ökonomischen Prozessen nachfolgen - ich dachte, das sei noch ein Grundbestandteil von Gesellschaftskritik und dialektischer Kenntnis. Aber selbst das ist weg.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bitte Sie alle, das jetzt nicht zu persönlich zu nehmen.

(Heiterkeit)

Ich finde, das intellektuelle Niveau der Debatte in diesem Landtag könnte manchmal durchaus besser sein.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem SSW)

Das Wort erhält der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Herr Jezewski.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir das falsche Forum für diese Diskussion sind. Ich lasse mir gern von den Grünen und den Sozialdemokraten erklären, was linke Politik ist. Ich könnte Ihnen auch sehr gut erklären, was eigentlich sozialdemokratische und grüne Politik wäre. Ich glaube auch, da hätten wir Gesprächsbedarf. Dafür ist der Landtag jedoch das falsche Forum.

Ich denke, das war heute die Sternstunde der Regierungsfraktionen; das war das erste Mal, dass Sie wirklich erlebt haben, dass eine Diskussion innerhalb der Opposition in Gang gekommen ist. Ich glaube, da sitzen die, gegen die sich unsere Kritik richten sollte.

Zur Logik der Diskussion möchte ich einiges sagen: Natürlich macht es Sinn, nicht zwei Statistische Landesämter zu haben, sondern eines. Das macht Sinn, wenn man Geld sparen will. Natürlich macht es Sinn, nicht zwei Datenschutzbeauftragte zu haben, sondern einen, wenn man Geld sparen will. Jetzt kann ich aber weitergehen: Warum haben wir eigentlich fünf? Wir haben ja auch noch die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Niedersachsen. Auch da wäre einer noch einmal um den Faktor 2,5 günstiger. Warum haben wir denn 16 in Deutschland? Dann müssen wir uns fragen: Warum haben wir denn überhaupt Föderalismus? Was haben die sich eigentlich dabei gedacht, ein föderales System einzuführen?

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

(Jürgen Weber)

Nun muss man einmal in die Vergangenheit schauen und überlegen: Was wollten denn die Gründerväter unseres Landes damit erreichen? Da kommt man vielleicht auf Antworten. Ich denke, diese Antworten enthalten schon ein gutes Stück der Wahrheit unserer Kritik an dem Nordstaat.

Ein anderer Punkt der Kritik ist: Wenn der Kollege Weber mir sagt, dass politische Entscheidungen natürlich den wirtschaftlichen Entwicklungen folgen, dann kann ich mich darüber freuen. Aber in aller Regel ist es so, dass wirtschaftliche Entwicklungen die politischen Entscheidungen heutzutage vorgeben, und das ist etwas, was wir überhaupt nicht wollen.

Wenn wir in dem Konstrukt Nordstaat zum Beispiel einfacher über Mindestlöhne in unserem Land oder über soziale Mindeststandards reden könnten, dann wären wir dem Nordstaat gegenüber nicht ganz so abgeneigt.

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte: Im Gegensatz zu manch anderen Parteien ist DIE LINKE durchaus lernfähig. Wir haben in Berlin und Brandenburg einen Prozess durchgemacht, der uns weitergebracht hat, wo wir gesehen haben, dass gegen den Willen der Bürger und ohne das Wachsen eines solchen Prozesses aus der Mitte der Bevölkerung ein solcher Prozess völlig sinnlos ist. Deswegen wäre die Diskussion, wenn sie nicht ergebnisoffen und durchaus auch im Sinne des SSW und in unserem Sinne geführt würde, in einer solchen Kommission eine reine Ressourcenverschwendung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält die Vorsitzende des SSW, Frau Kollegin Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es trifft mich natürlich hart, wenn der von mir sehr geschätzte Kollege Weber sagt, dass ich eine unterirdische Rede gehalten hätte. Ich kann nur sagen: Manchmal muss man unterirdische Reden halten,

(Beifall bei der LINKEN)

und das musste ich in diesem Fall tun. Da, lieber Kollege Weber, mussten Sie jetzt durch.

Zweiter Punkt: Wenn man sagt, eine Enquetekommission sei ergebnisoffen, so ist klar: Das ist sie, vom Ansatz her ist sie ergebnisoffen. Sie spricht Empfehlungen aus. Dann hat der Kollege Koch na

türlich recht: Da muss man sehen, was man mit diesen Empfehlungen macht. Einige Empfehlungen werden dann vielleicht in den weiteren politischen Raum hineingetragen, andere im Bermudadreieck verschwinden. Aber wenn man den Prozess von hinten betrachtet - und genau das habe ich getan -, dann zeigt sich, dass diese Enquetekommissionsarbeit eben nicht ergebnisoffen ist. Man hat gesagt, man wolle alles breit durchleuchten, weil man ja wolle, dass diese fusionsmäßige Zusammenarbeit transparenter würde und man dann auch bessere Argumente dafür hätte. Theoretisch könnte man dann auch weitere Argumente dagegen haben, aber das ist eine eher akademische Diskussion. Darum bin ich näher beim Kollegen von Boetticher, der sagt: Was wir brauchen, ist eine große Anfrage, die endlich einmal fragt: Wie evaluieren wir die Kooperationsprojekte, die jetzt laufen?