Die Gewalt gegen Polizeibeamte war auch bereits Thema im Innen- und Rechtsausschuss im Rahmen der Erörterungen zu der letzten Tagung der Innenministerkonferenz. Da waren auch einige meiner Vorredner anwesend. Es wurde deutlich, dass zwar die Zahl der strafbaren Widerstandshandlungen und Körperverletzungen im Laufe der letzten Jahre zurückgegangen ist, sich aber dafür die Gewaltbereitschaft und die Qualität der Übergriffe gegen Polizeibeamte verändert haben.
Seit 2004 ist die Anzahl der Gewaltdelikte von 954 mit einem extremen Rückgang in 2006 auf 484 Fälle im letzten Jahr bei 704 Fällen angelangt. Ganz
langsam geht also die Zahl der Übergriffe zurück. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber jede verletzte Polizistin und jeder verletzte Polizist ist eine oder einer zu viel.
Schleswig-Holstein beteiligt sich an der Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zur „Gewalt gegen Polizeibeamte“. Außerdem wird zukünftig in der Polizeilichen Kriminalstatistik differenzierter erfasst, welche Handlungen es gegen Polizeibeamte gibt. Wir werden also bald genauere Daten dazu vorliegen haben, in welchem Umfang Gewalt gegen Polizisten ausgeübt wird, wer die Täter sind, in welchen Situationen die Beamten Gewalt ausgesetzt sind und welche Vorschläge es insbesondere gibt, um Gewalt zu vermeiden. Mit diesen Statistiken erhalten wir dann die notwendige Grundlage, um uns weiter mit diesem Thema zu befassen.
Aber auch schon heute gibt es verschiedene Überlegungen zu den Ursachen der Gewalt gegen Polizeibeamte. In dem Bericht werden der Wertewandel in Teilen der Gesellschaft, der Akzeptanzverlust gegenüber der Polizei und die zunehmende Bereitschaft, Konflikte mit Gewalt zu lösen, angesprochen. Hinzufügen lassen sich aber auch schon die Perspektiv- und Mutlosigkeit mancher Menschen, die keine beruflichen Perspektiven haben, in der Integration gescheitert sind oder keine ausreichende Erziehung erhalten haben. Es geht hier um Menschen, die wütend sind auf die Gesellschaft, in der sie scheitern, und deshalb ein Kräftemessen mit dem Staat - in Person des Polizeibeamten - suchen. Für den SSW möchte ich ganz klar sagen, dass diese Menschen keine besseren Menschen werden, indem sie hart oder zukünftig noch härter bestraft werden.
Im Gegensatz zur SPD bin ich nämlich der festen Überzeugung, dass die vorhandenen Strafgesetze ausreichend sind. Der Kollege Fürter hat es schon ausgeführt. Auch weiterhin ist es strafbar, jemanden zu schlagen und Ähnliches. Das gilt gleichermaßen, egal ob es eine Polizistin oder ein Polizist ist oder eine Privatperson. Ich fand es etwas unverständlich, dass das Spezialdelikt weiter ausgeweitet werden soll. Das halte ich für nicht zuträglich.
Liebe Frau Kollegin Hinrichsen, haben Sie bei meinem Redebeitrag mitbekommen, dass die SPD-Fraktion mitnichten härte Strafen gefordert hat, sondern einen Spezialstraftatbestand mit sogar geringeren Strafen, durch den schlicht und ergreifend Handlungen erfasst werden sollen, die bisher nicht erfasst sind? - Das macht es übrigens auch schwer, aus der polizeilichen Kriminalstatistik des § 113 StGB ableiten zu wollen, dass die gesamte Zahl der Gewalthandlungen gegen Polizeibeamte abgebildet wird. Ich habe es vorhin erläutert, das ist nicht der Fall.
- Welche meinen Sie jetzt? - Entschuldigen Sie: Bei einem Polizisten, der in einer Vollstreckungshandlung ist, ist es Widerstand gegen den Vollstreckungsbeamten. Es ist etwas anderes, ihn grundsätzlich zu schlagen, weil er in einer Uniform vorbeikommt. Das ist weiterhin Körperverletzung. Das gilt auch für mich. Wenn ich hier sitze und der Kollege Jezewski auf mich losgehen würde, dann ist das Körperverletzung. Er tut es nicht.
Ich verstehe nicht, warum wir weitere Straftatbestände brauchen. Mit welchem Inhalt brauchen wir diese? - Ich weise darauf hin, dass ich den Herrn Innenminister bei unserer Diskussion über die Innenministerkonferenz gefragt habe, welche anderen Straftatbestände die Kollegen aus anderen Bundesländern schaffen wollen. Das stand dort nämlich als Protokollnotiz. Diese Frage konnte mir der Kollege Schlie nicht beantworten. Er wusste auch nicht, was die jetzt wollten. Was für weitere Straftatbestände? - Die Antwort darauf haben Sie mir auch in Ihrer Rede nicht gegeben.
Aus Sicht des SSW muss mindestens zweigleisig gefahren werden. Zum einen müssen die Beamten geschützt werden, die Gewalt ausgesetzt sind. Neben der Ausstattung mit Schutzwesten oder Pfefferspray geht es hier vor allem auch um die Ausbildung der Beamten. An erster Stelle sollte die Schulung der rhetorischen Fähigkeiten stehen. Die Waffe des Polizisten ist das Wort. Wenn das nicht mehr hilft, müssen Reaktionsfähigkeit, Selbstverteidigung und Einsatzfertigkeit funktionieren.
Das zweite Gleis, das aus unserer Sicht befahren werden muss, ist der Umgang mit Gewalt in unserer Gesellschaft. Es ist erst einmal positiv zu sehen, dass die Gewalt gegen Personen und Polizeibeamte mehr in den Fokus gerückt wird, obwohl die Anzahl der Delikte eigentlich nicht gestiegen ist. Dies spricht für eine andere Wahrnehmung in der Gesellschaft und dafür, dass Gewaltausbrüche nicht mehr hingenommen werden. Damit einher muss aber auch gehen, dass von vornherein versucht wird, Gewalt zu verhindern. Statt also über höhere Strafen, andere Straftatbestände und anderes nach Gewaltausübungen nachzudenken, muss nach unserer Ansicht die Präventionsarbeit gestärkt werden. Wir müssen an die Ursachen von Gewalt heran und präventiv wirken.
Darüber hinaus müssen auch die Delikte, die gegen Polizeibeamte gerichtet sind, geahndet werden. Straftaten gegen körperliche Unversehrtheit müssen höher bestraft werden als bei Eigentumsdelikten. Über Täter-Opfer-Ausgleiche und Konflikttraining muss versucht werden, den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Mit dieser Bündelung an Maßnahmen wird man Gewalt gegen Polizeibeamte nicht verhindern können, aber wir müssen unser Möglichstes dafür tun, dass die Zahl der Delikte auch in Zukunft sinkt und dass es immer weniger verletzte Polizeibeamtinnen und -beamte gibt.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung Drucksache 17/380 dem Innenund Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung
gegeben werden soll. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Bildung und Kultur, Herrn Dr. Ekkehard Klug, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die individuelle Förderung ist ein Leitprinzip für den Schulunterricht in Schleswig-Holstein. Die Begabungen, die unsere Schülerinnen und Schüler mitbringen, sind der wertvollste Schatz an den Schulen. Die Bandbreite dieser Begabungen ist sehr groß. Unsere Lehrkräfte müssen also in der Lage sein, auf jede Schülerin und auf jeden Schüler eingehen zu können; auf diejenigen mit Lernschwierigkeiten ebenso wie auf diejenigen mit herausragenden Begabungen.
Für die Förderung von hochbegabten Kindern und Jugendlichen gibt es bislang vor allem zwei Wege. Zum einen gibt es den Weg der Akzeleration, also die Möglichkeit, sich früher mit dem Wissensstoff höherer Jahrgänge zu beschäftigen. Dies geschieht etwa in der Eingangsphase der Grundschule, durch das Überspringen eines späteren Jahrgangs oder auch im Rahmen eines Frühstudiums. In einem zweiten Bereich hat sich eine Reihe von zusätzlichen Förderangeboten außerhalb des regulären Unterrichts etabliert. Ein Beispiel dafür sind die Enrichment-Kurse oder die JuniorAkademie in St. Peter-Ording. Die diesjährige Abschlussveranstaltung der JuniorAkademie findet übrigens am 23. Juli hier im Landtag statt. Einen Überblick über das gesamte Spektrum gibt die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zum Thema Hochbegabtenförderung aus dem Jahr 2008. Das ist die Landtagsdrucksache 16/1672.
Das ist insgesamt ein sehr wertvolles Engagement, das auf hohe Resonanz stößt. Ich habe in diesem Hause immer wieder darauf hingewiesen, dass wir uns damit noch nicht zufriedengeben können. Wir gehen nun einen Schritt weiter und beginnen damit, die Hochbegabtenförderung systematisch in den täglichen Unterricht zu integrieren. Die Schulen brauchen dafür praxisnahe Modelle und ein Netzwerk, das gegenseitige Unterstützung leistet. Wir haben das Anfang Februar auf den Weg gebracht. Elf Schulen werden bis zum Ende des kommenden Schuljahrs Konzepte für die Hochbegabtenförde
rung erarbeiten und erproben. Dabei sind hochbegabte Schülerinnen und Schüler in der Rolle als Schülerpaten für jüngere Mitschülerinnen und Mitschüler einbezogen.
Durch Fortbildung und Beratung werden die Projektgruppen intensiv unterstützt. Nach eineinhalb Jahren können sich diese Schulen als Kompetenzzentren für die Hochbegabtenförderung zertifizieren lassen, und ihre erfolgreichen Konzepte sollen dann flächendeckend im ganzen Land angeboten werden können. Für dieses Projekt hatten sich innerhalb kurzer Zeit weit mehr Schulen beworben, als wir berücksichtigen konnten. Es gibt also bei den Lehrerinnen und Lehrern im Land eine hohe Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Flankierend bieten wir für alle Lehrkräfte deutlich mehr Fortbildung und für angehende Lehrerinnen und Lehrer, die sich im Studium befinden oder im Vorbereitungsdienst sind, mehr Ausbildungsmodule an. Vor allem im Bereich der Diagnostik, also der Frage, wie erkenne ich eine Hochbegabung, gibt es hohen Informationsbedarf.
Die integrative Hochbegabtenförderung hilft, angemessen auf heterogene Lerngruppen eingehen zu können. Dieser Ansatz kommt allen Schülerinnen und Schülern zugute. Das gilt auch für ein zweites Projekt, das wir vor Kurzem ausgeschrieben haben. Es zielt darauf ab, für Kindertagesstätten und Grundschulen ebenfalls eigene Kompetenzzentren einzurichten. Dieses Projekt wird von der Karg-Stiftung unterstützt und besitzt bundesweit Modellcharakter, weil es die Begleitung Hochbegabter über mehrere Bildungsstationen hinweg erleichtern will.
Meine Damen und Herren, Sie sehe also, dass Schleswig-Holstein zwar einiges nachzuholen hat, aber dennoch auf diesem Feld neue Akzente setzen kann.
Mir ist dabei wichtig, dass es um Fortschritte für die gesamte Lernkultur in Kindergärten und Schulen geht. Die im Aufbau befindlichen Kompetenzzentren werden die bereits vorhandenen Angebote wie die JuniorAkademie und die EnrichmentKurse sinnvoll ergänzen. Darüber hinaus wollen wir in Zukunft - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - die Einrichtung besonderer Lerngruppen für hochbegabte Schülerinnen und Schüler ermöglichen, wenn dazu an einem Standort die erforderliche Schülerzahl vorhanden ist.
Vielen Dank, Herr Minister. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Susanne Herold.
Herr Klug, ich danke Ihnen erst einmal für Ihren Bericht. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In vielen Bundesländern hat man bereits erkannt, welch ein außerordentlich leistungsfähiges Potenzial Hochbegabte für unsere Gesellschaft darstellen, wenn sie denn entsprechend ihrer hohen Begabung gefördert und beschult werden.
Da müssen wir in Schleswig-Holstein auch hinkommen. Diesen Ansatz haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode verfolgt - wissend, dass in anderen Ländern die Förderung von Hochbegabten weit über das hinausgeht, was in unserem Bundesland bisher üblich ist. Deshalb werden wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dafür sorgen, dass Hochbegabte zukünftig endlich auch eine schulische Heimat in Schleswig-Holstein bekommen.
Fast 20 Jahre ist unter einem SPD-geführten Bildungsministerium so gut wie nichts für hochbegabte Kinder getan worden. Die ehemalige Bildungsministerin hat stets auf Alibiprojekte wie Enrichment-Angebote und Sommer-Camps gesetzt. Hier werden jedoch ausschließlich Schülerinnen und Schüler bedient, die ausgezeichnete Leistungen in der Schule erbringen. Nur darf man nicht den Fehler machen, gute Noten mit einer Hochbegabung gleichzusetzen, denn Hochbegabung bedeutet nicht gleich automatisch Hochleistung. Das ist das eigentliche Problem, vor dem wir stehen.
Wenn jährlich 10.000 hochbegabte junge Menschen in Deutschland die Schule ohne einen Abschluss verlassen, dann stimmt da etwas nicht. Das genau kann sich unsere Gesellschaft auch nicht leisten.
Der Begriff Hochbegabung beschreibt lediglich eine im Vergleich zu den Fähigkeiten normal begabter Menschen außerordentliche logische Denkfähigkeit und Denkgeschwindigkeit. Ob sich aus dieser hohen geistigen Disposition auch eine Hochleistung entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Hier scheint das frühe Erkennen einer Hochbegabung am wichtigsten zu sein. Fachleute schätzen, dass
Deshalb ist es aus unserer Sicht wichtig, dass verpflichtende Module zur pädagogischen Diagnostik zur Förderung besonderer intellektueller Begabungen im Rahmen des Studiums und der Ausbildung von Erziehern und Lehrkräften ausgeweitet werden.
Wer gefördert wird und wer nicht, darf nicht länger dem Zufall überlassen bleiben. Gute Bildungspolitik wird in Zeiten des zunehmenden Wettbewerbs um die besten Köpfe auch mehr und mehr zum Standortfaktor.