Protokoll der Sitzung vom 19.03.2010

Herr Minister, Sie reden von produktiver Ruhe an den Schulen und werfen einen Brandsatz, eine Nebelkerze nach der anderen:

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

das Vorschaltgesetz, der Aufnahmeerlass, der Erlass für die Betreuten Grundschulen, den Sie offenbar gerade „rausgeworfen“ haben und der zu Beunruhigung an der Basis führt. Wir reden über das Ypsilon-Modell, das offiziell gar nicht vorliegt, über das Schulgesetz, wo der Referentenentwurf vor der Kabinettssitzung schon einmal durch das ganze Land gepustet wurde. Die Verunsicherung ist allerorten. Das ist auch schon eine Leistung, Herr Minister.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Ihrem Versuch, es sich mit niemandem zu verscherzen, haben Sie alle gegen sich aufgebracht. Man kann feststellen: Ecki allein zu Hause.

Beim Vorschaltgesetz gilt es genauso wie bei G8 und G9. Bei G8 und G9 haben Sie es geschafft, dass die Philologen Ihnen nicht einmal applaudieren. Sie haben es geschafft, dass Sie Ihr Koalitionspartner offen unter Beschuss nimmt. Und Sie haben sogar die G9-Elterninitiativen verprellt, weil Sie gesagt haben: Für eure Schule, für eure Kinder soll das alles nicht gelten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist echt interessant, wie man so etwas hinbekommen kann. Dabei wäre es interessant zu schauen: Wie bekommen wir G8 vernünftig hin? Wie bekommen wir die Kuh vom Eis? Das hat Ihr Fraktionschef, Herr Kubicki, auch festgestellt. Er denkt, er muss jetzt die Chose richten, die Herr Dr. Klug angerichtet hat. G8 ist schlecht gemacht. Das stimmt, das wissen wir.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Damit haben wir doch nichts zu tun!)

- Herr von Boetticher, ich würde nicht mit dem Finger auf andere weisen. Sie waren sozusagen auch mit in der Koalition.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. Lerndruck und Dauerstress, das ist tatsächlich etwas, was wir unseren Schülerinnen und Schülern im G8-Zweig ersparen können.

Wir können uns einmal bestimmte Schulen ansehen. Schauen wir nach Neumünster, nach Mölln, nach Schleswig. Dort funktionieren G8-Gymnasien. Bevor ich mir neue Stellen wünsche, wäre doch

(Cornelia Conrad)

der erste Punkt, zu schauen: Warum gelingen eigentlich diese Schulen? Was ist der Punkt, warum diese Schulen funktionieren?

Herr Kubicki hat jetzt vollmundig gesagt, 400 Stellen sollen zusätzlich an die Gymnasien fließen. Die entscheidende Frage ist - ich würde mich freuen, wenn ich dazu gleich etwas Näheres hören könnte -: Geht es bei diesen 400 Stellen um zusätzliche Stellen, oder geht es darum, weiter umzuschichten? Der Minister hat schon deutlich gemacht, dass zum kommenden Schuljahr 180 Stellen aus anderen Schularten an die Gymnasien fließen werden, auf Kosten von Grundschulen und aus dem Förderfonds, der aufgelöst wird.

Ich habe überhaupt kein Problem damit, die Gymnasien besser auszustatten. Aber die Frage an dieser Stelle ist doch - das ist auch der Zusammenhang mit dem Vorschaltgesetz: Was ist Ihr Blick auf die Schullandschaft?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Vorschaltgesetz war doch wirklich nur der Punkt zu sagen: Sie wollen zur alten Güteklassenpädagogik, Sie hängen an der Realschule und haben Ihr Problem mit der Gemeinschaftsschule. Wir sehen jetzt den neuen Schulgesetzreferentenentwurf. Wenn Sie wirklich Mumm in den Knochen hätten, Herr Klug, dann würden Sie sagen: Mit Gemeinschaftsschule kann ich überhaupt nichts anfangen. Stattdessen versuchen Sie, diese Schulform durch die kalte Küche auszuhöhlen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich mache das einmal an ein paar Beispielen klar. Beim Aufnahmeerlass kippen Sie die Abschulungsregel. Beim Pflichtstundenerlass machen Sie es den Gymnasialkräften noch unattraktiver, an Gemeinschaftsschulen zu gehen, und beim Schulgesetz haben Sie vor, die Schutzklausel zu kippen. Sie höhlen die Gemeinschaftsschule durch die kalte Küche aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Sie reden von produktiver Ruhe. Frau Conrad, Sie reden hier über Probleme, die wir ohne diese Koalition gar nicht hätten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Produktive Ruhe, Herr Minister! Wenn das die produktive Ruhe ist, die Sie gerade anzetteln, möchte

ich nicht wissen, wie Ihre produktive Unruhe aussieht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Sie haben in der Opposition auch mich überzeugt, dass Sie klug reden können, dass Sie an einigen Stellen sehr genau hinsehen. Aber bei der aktuellen Debatte müssen wir feststellen: Inhaltlich sind Sie die personifizierte Rückwärtsrolle, Sie bekommen noch nicht einmal geordnete Gesetzesverfahren hin. Klug heißen, klug regieren: zwei Paar Schuhe, und das ist schade.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE hat die Frau Abgeordnete Ellen Streitbörger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gerade zwei Monate her, dass wir als Oppositionsparteien versucht haben, gegen die Änderung des Schulgesetzes vom Januar 2007 zu argumentieren ich betone: zu argumentieren -, weil es eher aus dem Kopf als aus dem Bauch kam. Wir haben gehofft, damit die völlig unsinnige Änderung des Schulgesetzes zu verhindern;

(Beifall bei der LINKEN)

denn diese Änderung zielte ausschließlich darauf ab, die Realschulen als einzelne Schulart zu erhalten. Außer dem Verband der Realschullehrerinnen und -lehrer konnte keiner der für die Anhörung benannten Verbände die Notwendigkeit dieser Änderung erkennen. Es macht weder aus finanzieller noch aus pädagogischer Sicht Sinn, ein ohnehin schon zu sehr zergliedertes Schulsystem noch weiter zu zergliedern.

(Beifall bei der LINKEN und SPD)

Eine Anhörung wird zur Farce, wenn entgegen dem Rat aller Betroffenen und aller Fachleute die eigenen politischen Ziele rücksichtslos durchgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Obwohl CDU und FDP selbst im Bildungsausschuss für eine Schulgesetzänderung aus einem Guss plädierten, wurde die „Lex Realschule“ ausgegliedert und vorgezogen. Nun haben wir diese unsinnige Schulgesetzänderung, aber es fehlt uns

(Anke Erdmann)

leider Volkes Wille für den Erhalt der Realschule. Das war aus meiner Sicht auch wirklich nicht anders zu erwarten gewesen. Frau Conrad, das hat jetzt nichts mit Undemokratie zu tun. Ich habe gelesen, dass die Vorsitzende des Realschullehrerverbandes eingestanden hat, mit dem Begehren gescheitert zu sein.

(Beifall bei der LINKEN - Cornelia Conrad [FDP]: Es liegt aber noch kein Ergebnis vor! Nennen Sie mir doch ein Ergebnis!)

- Ich verstehe Sie leider nicht.

(Gerrit Koch [FDP]: Wir Sie auch nicht!)

So sind die nun verbliebenen - ich wollte sagen: fünf; jetzt habe ich gehört, es sind sechs - Realschulen doch gezwungen, ihre Hausaufgaben nachzuholen und die Umstrukturierung zur Regionaloder Gemeinschaftsschule in Angriff zu nehmen.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Klahn zu?

Nein, im Moment nicht.

(Anita Klahn [FDP]: Schade!)

- Wir können uns ja hinterher unterhalten.

(Heiterkeit)

Es ist weder einzusehen noch zu vertreten, dass fünf Realschulen, die bis jetzt versucht haben, die Fristen des Schulgesetzes zu ignorieren, für ihre Ignoranz auch noch mit einer Fristverlängerung belohnt werden. Alle anderen Schulen im Lande waren in der Lage, innerhalb der vorgegebenen dreieinhalb Jahre ihre Umwandlung zu vollziehen.

Mit einer Gesetzesänderung, die ausschließlich fünf Schulen im Lande bedient, machen wir uns als gesetzgebendes Organ doch lächerlich. Deshalb plädieren wir Oppositionsparteien heute dafür, diese unnötige Änderung wieder zurückzuholen.

(Beifall bei der LINKEN und SPD)