Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

(Beifall)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat sich der Herr Abgeordnete Jürgen Weber gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde sehr gern ein paar Worte zu dem Beitrag des Kollegen Günther sagen, der sich immerhin mit dem UK S-H befasst hat. Herr Kollege Günther, Sie haben gesagt, wir seien ein Parlament, und wir sollten unsere Meinungen austauschen. Das wollen wir auch gern tun.

Der erste Punkt war die Frage, warum wir nicht dafür seien, Strukturen zu überprüfen. Herr Günther, natürlich sind wir dafür, Strukturen zu überprüfen. Wissen Sie eigentlich, was in diesem UK S-H seit Jahren passiert? Wissen Sie, wie viele Gutachter und wie viele Sanierer in den letzten Jahren für wie viele Millionen von Beiträgen dort begutachtet und Strukturen durchaus mit positiven und erfolgreichen Abschlüssen überprüft haben?

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Anders als andere stehe ich nicht an zu sagen, dass auch die Arbeit, die Herr Schleifer als ein Bestandteil von Sanierung dort gemacht hat, positive Ergebnisse gezeitigt hat. Es ist also nicht das Problem der Strukturüberprüfung. Wogegen wir uns wenden, ist, dass in dieser Situation Strukturen zerschlagen werden sollen. Das ist unser Problem.

Zweiter Punkt. Sie haben sehr kryptische Anmerkungen zum Thema Fusion gemacht nach dem Motto: Jetzt reden alle vom gemeinsamen Klinikum, früher seien wir nicht dafür gewesen. Ich will deutlich sagen: Ich habe Sie so verstanden, dass die CDU-Fraktion ohne Frage zur Fusion steht und weiterhin eine Fusion des Klinikums haben will. Wenn dem so ist, nehme ich das als positive Botschaft auf. Ihr Koalitionspartner war derjenige, der von Beginn an in diesem Landtag immer gegen die Fusion argumentiert hat

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

und mehr als einmal gegen die Fusion eingetreten ist. Wenn die Union das anders sieht, nehme ich das

als positives Zeichen. Ich meine, Sie so verstanden zu haben.

Dritte Anmerkung: Privatisierung. Wir müssen gar keinen Popanz aufbauen. Auch privates Kapital ist im Bereich des Klinikums erforderlich. Das haben wir alles schon. Wir haben private Beteiligungen in der Service GmbH, wir haben Managementverträge. Wir haben Konzepte für Öffentlich-Private Partnerschaft, die wir auch brauchen. Das ist komplett unumstritten. Was wir nicht wollen, ist ein Ausverkauf, ein Abverkauf des gesamten Klinikums, der sämtliche Strukturen infrage stellt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vierter Punkt - das ist der, über den wir eigentlich streiten müssen. Die Frage ist nämlich, wie künftig der bauliche Masterplan finanziert werden soll. Das ist der eigentliche Punkt. Sonst würde bei den Regierungsfraktionen wahrscheinlich nicht einmal über Privatisierung nachgedacht. Auch in der Großen Koalition haben wir dieses Thema bewegt. Da will ich Ihnen deutlich sagen: Natürlich gibt es einen erheblichen Investitionsstau. Den abzubauen ist die Voraussetzung dafür, dass dieses Klinikum vernünftig arbeiten kann. Das ist auch eine Frage der Rechtsform. Die Frage ist, wie man Kapital gewinnt. Die Frage ist aber nicht, ob man Eigentümer wechselt. Das ist nicht der Ansatzpunkt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen in den wenigen Sekunden, die ich jetzt habe, noch einmal deutlich machen: Wir haben das im letzten Jahr in der Großen Koalition beschlossen. Da stand das Thema Schuldenbremse schon längst auf der Tagesordnung und war auf den Weg gebracht. Tun Sie nicht so, als sei durch das, was wir gestern hier im Landtag beschlossen haben, die Frage der Finanzierung des Masterplans ein völlig neues Thema. Das ist nicht von vorgestern oder von vorvorgestern. Wir haben es gemeinsam im letzten Jahr beschlossen. Es wäre schön, wenn auch die Union dabei bliebe.

(Beifall bei der SPD)

Letzter Satz: Gießen-Marburg. Ich will dazu nur Folgendes sagen: Natürlich muss man abwarten, was der Wissenschaftsrat sagt. Ich will Ihnen aber sagen: Der Betreuungsschlüssel an den Betten für die Medizinerausbildung ist schon jetzt hart an der Grenze dessen, was die Approbationsordnung rechtlich zulässt. Die Hessen können es sich vielleicht erlauben, in Gießen-Marburg die Exzellenz

herunterzufahren. Die haben noch andere Universitätskliniken in Hessen. Die haben noch andere Medizinische Fakultäten. Das haben wir nicht. Wenn wir diesen Weg gehen, bauen wir Exzellenz ab. Das kann ernsthaft niemand wollen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Uni-Klinikum Gießen-Marburg wird hier immer wieder genannt. Es wurde im Jahr 2006 an die RHÖN-KLINIKUM AG verkauft. Finanzexperten freuen sich über die schwarze Null, die dort geschrieben wird. Ich schildere Ihnen jetzt, wie sich das auf die medizinische Versorgung ausgewirkt hat. Zitat eines niedergelassenen Kollegen vor Ort:

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

„Die Qualität der Patientenversorgung ist seit der Privatisierung erheblich schlechter geworden. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aus der Region beschweren sich öffentlich über eine schlechtere Qualität der Patientenversorgung. Oberärzte der Kinderklinik beschweren sich in einem Offenen Brief über eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen auf der Kinderintensivstation. Innerhalb von wenigen Jahren haben 18 Fachärztinnen und Fachärzte und Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung gekündigt. Sie alle mussten durch Assistenzärztinnen und -ärzte ohne Berufserfahrung ersetzt werden.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe lange auf einer Intensivstation gearbeitet. Nachts um halb drei gehören allein keine Anfänger auf die Intensivstation.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Das sind die Zeit und der Ort für erfahrene Ärztinnen und Ärzte.

Auf der Intensivstation der Kinderklinik ging es um die kleinsten Patienten des privaten Uni-Klinikums, Frühgeborene mit komplexen Fehlbildungen, krebs

kranke Kinder, junge Diabetiker. Das ist alles nicht rentabel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ist das in der Uni-Klinik Kiel anders?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinter der betriebswirtschaftlichen schwarzen Null in diesem Krankenhaus steckt ein tiefrotes medizinisches Minus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

An allererster Stelle kommt die Qualität der Versorgung und dann die Wirtschaftlichkeit. Wirtschaftlichkeit ja, aber Benchmarking und Shareholder Value gehören nicht in eine Uni-Klinik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir Grüne wollen, dass die Qualität der medizinischen Versorgung in Schleswig-Holsteins einzigem Haus mit Maximalversorgung erhalten bleibt.

Frau Dr. Bohn, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki zu?

Im Moment nicht, Entschuldigung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist aber scha- de! - Weiterer Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

- Ich versuche gerade, über Qualität zu sprechen. Ich dachte, das wäre deutlich geworden. Vielleicht ist es das aber auch nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinter dem Betriff Maximalversorgung verbirgt sich kein Luxus. In vielen Krankenhäusern in Schleswig-Holstein wird gute Medizin betrieben. Das Uni-Klinikum müssen Sie sich wie einen Airbag vorstellen. Im Notfall machen andere Kliniken eine Vollbremsung und die Patientenversorgung wird vom Airbag Uni-Klinikum übernommen. Das bedeutet Maximalversorgung. Wir Grüne wollen, dass Schleswig-Holstein ein Bundesland mit einem Airbag und einer Uni-Klinik für alle Patientinnen und Patienten bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Wir Grüne sind dafür, im Rahmen der Enquetekommission unter Beteiligung der Mitarbeiterschaft

(Jürgen Weber)

Möglichkeiten der strategischen Zusammenarbeit mit dem Uni-Klinikum Eppendorf in Hamburg zu überprüfen. Wir halten eine „Gesamtstrategie nachhaltige öffentliche Daseinsvorsorge“ vom UK S-H im 5K-Verbund mit den fünf Krankenhäusern für denkbar. Aber auch so eine Strategie muss gemeinsam entwickelt werden.

Ich fordere die Landesregierung auf: Halten Sie sich an den gültigen Vertrag. Der läuft bis 2015. Die Zeit bis dahin können wir nutzen. Alles andere wäre für das Gesundheitswesen, für Wissenschaft und für Forschung ein falsches Signal für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt beim SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Daniel Günther für einen Dreiminutenbeitrag das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zum Kollegen Weber: Ich habe hier eben für die CDU-Fraktion gesprochen. Deshalb habe ich auch für die CDU-Fraktion deutlich gemacht, dass wir zu dieser Fusion stehen. Wir sehen auch bei allen Ergebnissen, die das UK S-H vorlegt, dass diese Fusion wirklich sehr, sehr viele Erfolge gebracht hat. Deshalb finde ich es gut, dass hier im Haus auch übergreifend erkannt wird, dass dieser damals eingeleitete Prozess richtig war.

Das Zweite ist: Ich finde, Sie haben eben gut dokumentiert - vielleicht hätten Sie das weniger dem Parlament, sondern mehr Ihrem Nebenmann im persönlichen Gespräch erläutern sollen -, dass Privatisierung in einigen Bereichen auch durchaus Erfolge bringt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, Sie haben in Ihrer Rede wieder den Eindruck erweckt, wenn Private Aufträge übernehmen, sei das Teufelszeug, und wir im Landtag müssten das geschlossen ablehnen.