Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

- Herr Dr. Stegner, Sie haben in Ihrer Rede wieder den Eindruck erweckt, wenn Private Aufträge übernehmen, sei das Teufelszeug, und wir im Landtag müssten das geschlossen ablehnen.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Weber hat eben deutlich gemacht, dass es in einigen Bereichen natürlich positive Ergebnisse gibt, dass Private eben vieles auch gut können. Herr Weber, ich bin Ihnen dafür auch dankbar, dass Sie das so dargestellt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Das Dritte ist: Auch wenn wir hier über das UK S-H sprechen, möchte ich doch noch einmal weil Sie hier Drohkulissen aufbauen - ein Wort zum Uni-Klinikum Gießen-Marburg sagen. Ich habe mich sehr genau damit beschäftigt. Vorhin sind die Zahlen von Herrn Kubicki in Zweifel gezogen worden, der gesagt hat: 4 % mehr Personal im Pflegebereich, 7 % mehr im ärztlichen Bereich, aber 10 % mehr Patienten. Wissen Sie, wie die das gemacht haben? - Die haben gleich, als sie dort die Federführung übernommen haben, ein völlig neues Konzept zur Patientenbetreuung umgesetzt. Sie haben die gesamten Ablaufprozesse nicht aus Sicht des Klinikums organisiert, sondern gefragt, wie es am optimalsten für den Patienten in der Betreuung ist, wie man die Wege für ihn kürzen kann. So haben sie die einzelnen Bereiche auch aufgebaut. Es sind genau solche Managemententscheidungen, die durchgesetzt werden, die zu Einsparungen führen können. Das läuft nicht auf Kosten der medizinischen Qualität. Das wollte ich an der Stelle auch noch einmal deutlich feststellen.

(Beifall bei der CDU)

Für einen weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Christian von Boetticher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht verwunderlich, dass ich die Worte des Kollegen Weber mehr schätze als die des Kollegen Stegner, weil sie in der Regel etwas sachorientierter sind als das, was wir von dem sogenannten Oppositionsführer hören.

Herr Stegner, Sie erinnern sich vielleicht noch dunkel an das Jahr 2004. Das ist noch nicht so furchtbar lange her, dass man sich daran nicht mehr erinnern könnte. Damals sind unter Ihrer Führung als Finanzminister die Landeskliniken privatisiert worden. Wenn ich heute Ihre Worte hier höre, haben Sie damals die Kliniken der Meute der Privaten zum Fraß vorgeworfen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist Ihr Duktus, den Sie hier heute benutzen - in Zusammenarbeit mit Handlungen, die Sie selber als Finanzminister im Jahr 2004 vorgenommen haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Dr. Marret Bohn)

Ich finde, angesichts dieser Tatsache sollte man zu einer etwas rationaleren Debatte neigen, als Sie das getan haben. Ich werde das tun.

Wir stehen heute vor einer Herausforderung, die nicht erst seit der Schuldenbremse besteht - da ist ja richtig -, sondern wir wissen, dass wir mit dem Masterplan auch einen hohen Landesanteil zu erbringen haben. Wir haben einen Plan mit einer Zielvorgabe, die wir gemeinsam hier auch vereinbart haben. Jetzt müssen wir überlegen, wie wir das hinkriegen.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Kollege Kubicki, können Sie für Ihre Fraktion -

(Heiterkeit)

- Nein, so weit ist es noch nicht.

- Entschuldigung, das war nicht persönlich gemeint. Ich nehme die Namensverwechslung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Buder [SPD])

Können Sie als Jurist für Ihre Fraktion erklären, Herr von Boetticher - der 31. März 2015 ist eine klare Regelung; vor diesem Termin kann nicht verkauft werden -, wie Sie den Masterplan umsetzen wollen? Wie wollen Sie in der Zwischenzeit diese 700 Millionen € organisieren, oder wollen Sie gar nichts machen, sodass es noch weiter heruntergewirtschaftet wird? Das wollte ich noch einmal fragen.

- Ich finde es nett, dass Sie mich heute fragen. Sie wissen aber genau, dass Sie die Antwort Anfang nächster Woche bekommen werden, wenn wir nämlich unsere Konzepte und unsere Aufträge an die Landesregierung dazu vorstellen werden. Ich muss Sie einfach um diese Geduld bitten, das gilt für jeden anderen auch.

(Serpil Midyatli [SPD]: Dann können wir ja nach Hause gehen!)

Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Ein verantwortliches Ministerium muss natürlich verschiedene Optionen abklären, welche Möglichkeiten wir haben, das sind die juristischen, das sind aber unter der gegebenen Haushaltslage auch haushaltspolitische.

Das ist auch etwas, was es in diesem Land immer gegeben hat. Deshalb habe ich eben den Hinweis auf das Jahr 2004 gemacht. Man hat immer gefragt: Was können wir uns in diesem Land leisten? Darauf musste ein Finanzminister - im Übrigen auch im Jahr 2004 - gucken. Was können wir uns leisten?

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir hätten diese Debatte heute in diesem Haus nicht, weil unsere Ziele ähnlich sind, wenn wir nicht im Jahr 2005 bei der Regierungsübernahme einen Investitionsstau von 700 Millionen € festgestellt hätten.

(Zurufe von der SPD)

Unter dem leiden wir heute.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe noch keine Antwort!)

- Doch. Das ist eine Antwort, dass Sie die Ergebnisse und die Aufträge an die Regierung am Dienstag erfahren.

Wir haben diesen Sanierungsstau gefunden, der nun einmal daraus entsteht, wenn man 17 Jahre lang bei diesen Strukturen, die man heute so hoch wertschätzt - Frau Bohn, von denen Sie gesagt haben, wie wichtig sie sind; aber auch die Grünen waren damals daran beteiligt - genau diese Investitionen über eineinhalb Jahrzehnte nicht tätigt. Genau das müssen wir heute abarbeiten. Genau dieser Herausforderung stellen wir uns. Wir stellen uns dieser Herausforderung sehr bewusst und sehr angemessen. Herr Stegner, das wäre eigentlich angesichts Ihrer eigenen Geschichte Anlass für ein bisschen mehr Demut vor dem, was Sie selber einmal in diesem Landtag auf der Regierungsbank mitgetragen haben. Das wäre eigentlich angebracht gewesen. Aber ich erwarte das gar nicht mehr von Ihnen, denn so kennen wir Sie.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Werner Kalinka.

(Dr. Christian von Boetticher)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es würde einen reizen, eine halbe Stunde etwas zu sagen. Ich will aber - ohne dass ich dafür Beifall haben möchte - drei Punkte nennen, die mir nach dieser Debatte wichtig sind.

Erstens. Es ist ein kleiner Unterschied, ob manche Stellen besser dotiert sein könnten - auch im öffentlichen Dienst, das mag sein - oder ob ich möglicherweise Menschen für 6,50 € die Stunde arbeiten lasse. Das ist für mich ein ganz klarer Unterschied in der Debatte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Wenn ich mir vorstelle, dass Menschen in der Pflege heutzutage von 8,52 € die Stunde leben müssen, und was sie dafür leisten müssen, dann möchte ich doch darum bitten, hier etwas mehr zu differenzieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zweitens. Man kann ja alles so oder so sehen, aber die Kollegin Dr. Bohn hat für mich völlig zutreffend dargestellt, dass wir im Gesundheitswesen schon heute - wir haben überall einen hohen Arbeitsdruck - einen unerträglich hohen Arbeitsdruck haben. Bei der Art und Weise, wie hier Ärzte und Pflegepersonal zum Teil in Anspruch genommen werden, müssen wir uns alle genau überlegen, dass wir uns hier über Menschen unterhalten, die behandelt werden müssen, und über Menschen, die das leisten müssen.

(Beifall)

Wer von diesem Thema ein bisschen Ahnung hat, das kennt und erlebt, was Menschen im Bereitschaftsdienst über 24 Stunden leisten und wie sie sich engagieren müssen, der weiß, dass die Kollegin Recht hat, dass man dort nicht von der Uni kommende Ärzte nachts um halb drei Uhr auf der Intensivstation einsetzen kann.

Wir müssen immer bedenken, dass wir uns hier über Menschen unterhalten. Darüber müssen wir uns sehr, sehr viele Gedanken machen. Ich werde mir darüber Gedanken machen, wenn ich die Vorschläge gehört habe.

(Vereinzelter Beifall)

Drittens. In den 80er-Jahren war ich ehrenamtlicher Ausschussvorsitzender beim Kreiskrankenhaus in Preetz. Es wies 1 Million D-Mark Minus aus. Es

wurden Vorschläge gemacht. Der erste Vorschlag war: Die Arbeitskräfte aus der Küche und im Bereich der Reinigung sollten freigesetzt werden. Ich habe mich mit Engagement dagegengestellt. Das Krankenhaus arbeitet jetzt inzwischen nach 25 Jahren wirtschaftlich und sogar gewinnbringend.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß, dass man die Uni-Klinik nicht mit einer kleinen Klinik vergleichen kann, aber der Ansatz, zunächst einmal nur Dienstleistung der kleinen Servicekräfte zu privatisieren, erfordert auch, darüber nachzudenken, ob das wirklich der alleinige Weg ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)