Protokoll der Sitzung vom 09.07.2010

(Beifall bei der LINKEN)

Um diese zwei wichtigen Aspekte haben wir den Antrag von FDP und CDU ergänzt. Jetzt fordere ich Sie dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Daten, die rechtswidrig erhoben wurden und die nun in der ganzen Welt herumschwirren, ohne Wenn und Aber gelöscht werden.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl mit der Hamburger Bundesratsinitiative zur Änderung des Datenschutzgesetzes als auch mit den heute vorliegenden Ergänzungsanträgen wird in Teilen rechtliches Neuland betreten. Bisher hinkt die Politik in vielen Bereichen der Regulierung technischen Fortschritts hinterher. Häufig wird erst aus praktischen Erfahrungen heraus der Bedarf erkannt, etwas zu tun. In Bezug auf die heutigen Anträge kann ich daher nur feststellen: besser jetzt als nie!

Der Ursprungsantrag von CDU und FDP basiert auf Erkenntnissen mit dem Unternehmen Google, das sich sowohl bei Street View als auch bei der weiteren Datenaufzeichnung nicht nur immun gegenüber dem deutschen Datenschutz gezeigt hat, sondern auch nur zugibt, was eh schon bekannt ist. Ich denke da an die besagte Innen- und Rechtsausschusssitzung, in der ein Vertreter von Google sich erst damit verteidigte, dass er ja in der letzten Sitzung nicht gefragt worden sei, ob noch mehr Daten aufgezeichnet werden. Er sagte, wir hätten ja nicht gefragt, und deshalb hätte das keine Rolle gespielt. Das finde ich wirklich unglaublich. Zwei Tage spä

(Heinz-Werner Jezewski)

ter schlagen wir die Zeitung auf, und da rudert Google wirklich heftig zurück, weil doch mehr Daten aufgezeichnet wurden, als irgendjemand zwei Tage vorher zugegeben hatte. Nach diesen Erfahrungen muss ich sagen, dass ich Google im Moment gar nichts mehr glaube. Erstens muss man sie fragen, und wenn man sie gefragt hat, bekommt man eine Antwort, aber die stimmt dann zwei Tage später leider auch nicht mehr.

Wo Street View in den USA eher als lustiger Spaß gesehen wird, ist das Vorhaben besonders in Schleswig-Holstein auf Kritik gestoßen. Nicht nur Molfsee wehrte sich gegen die Totalablichtung des Ortes. Auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sowie Politikerinnen und Politiker waren wütend über diesen Eingriff in ihre Privatsphäre. Google möchte mit Street View nur die Menschheit bereichern und ihre Wünsche erfüllen. Es muss aber für dieses Bundesland festgestellt werden, dass viele Menschen hierauf gar keinen Wert legen, ihre Wohnung, ihren Garten oder ihr Auto im Internet wiederzufinden. Aus Schleswig-Holstein hat Google mittlerweile so viele Einsprüche erhalten wie aus dem Rest der Bundesrepublik zusammen. Das totale Recht auf Transparenz wird hier abgelöst von dem Wunsch, wirklich einfach nur in Ruhe gelassen zu werden.

Aus unserer Sicht hat sich Google bei der kritischen Auseinandersetzung mit seinem Vorhaben sehr unprofessionell, wenn nicht sogar dumm verhalten. Statt mit der Angst der Menschen vor Google als Big Brother sensibel umzugehen, hat das Unternehmen mit Ignoranz gegenüber unserem Datenschutz reagiert und fröhlich weitergemacht. Es ist daher vor allem der Beharrlichkeit von Herrn Dr. Weichert und Herrn Dr. Caspar zu verdanken, dass es überhaupt Einspruchsmöglichkeiten vor der Veröffentlichung der Bilder gibt und die Rohdaten von Widersprechenden auch gelöscht werden. Auch die Justizministerkonferenz hat im Juni mit ihrem Beschluss in Hamburg ein deutliches Signal gesetzt, dass der deutsche Datenschutz keine Frage der Beliebigkeit ist.

Und damit sind wir bei den vorliegenden Anträgen. Erst wurden für Street View Daten aufgezeichnet, die schon vielfach vorher aufgezeichnet wurden, dann kam heraus, dass leider auch Auszüge aus ein paar Mails und Homepages aufgezeichnet wurden, obwohl man das gar nicht wollte. Und jetzt wissen wir auch, wer Schuld hat: die Software! Das finde ich besonders interessant. Ich kann mich irgendwie dunkel daran erinnern, dass die auch von Menschen entwickelt wird und der Mensch immer vor dem

Computer sitzt und nicht der Computer selbst es ist, der so etwas macht. So etwas könnte passieren; das wäre eine Reaktion. So etwas darf aber überhaupt nicht passieren. Daher begrüßen wir alle vorliegenden Anträge.

Dass auch die Aufzeichnung von Inhaltsdaten unter das Fernemeldegeheimnis fällt, brauchen wir auch nicht weiter zu diskutieren. In den vorliegenden Anträgen geht es jedoch um technische Daten. Der Kollege von Abercron hat das ausgeführt. Das sind die sogenannten WLAN-Daten. Aber auch mit diesen Daten sind Verknüpfungen möglich, die in die Privatsphäre hineingehen. Allerdings möchte ich hier auch deutlich sagen, dass ebenso Anwendungen möglich sind, die wirtschaftlich sinnvoll und berechtigt sind und die wir nicht von vornherein verdammen sollten. Die Erfassung von WLAN-Daten ist nicht neu, und Google ist auch nicht das erste Unternehmen, das diese Daten wirtschaftlich nutzt. Trotzdem halten wir die vorliegenden Anträge für ein wichtiges politisches Signal und für eine notwendige Auseinandersetzung mit der Risikoabschätzung für die Zukunft. Für sämtliche Anträge beantragen wir daher Ausschussüberweisung, damit wir uns dort noch eingehender mit diesem Thema auseinandersetzen können, und zwar abschließend.

Zum Abschluss darf ich noch auf Folgendes hinweisen: Zwischenzeitlich sind die Zeiten ja fortgeschritten. Wir hatten dieses Thema ja schon ein- bis zweimal auf der Tagesordnung. Inzwischen haben der Landesbeauftragte für Datenschutz in Rheinland-Pfalz, aber auch der Datenschutzbeauftragte in Hamburg Strafantrag gestellt. Es ist natürlich spannend, was dabei herauskommt, weil ja auch zugegeben worden ist, dass sie diese Daten gesammelt haben. Ich denke, eine abschließende Beratung im Innen- und Rechtsausschuss wird dieser Sache am meisten dienlich sein, um vielleicht doch noch zu versuchen, einen gemeinschaftlichen Beschluss herbeizuführen.

(Beifall beim SSW)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor es wieder Verwechselungen mit Mitgliedern meiner Partei gibt, die mal irgendwelchen Parlamenten angehört haben oder noch angehören: Den

(Silke Hinrichsen)

folgenden Beitrag mache ich ausdrücklich als Abgeordneter Kai Dolgner und nicht als Mitglied meiner Fraktion.

(Zuruf: Jetzt wird es gefährlich!)

- Das wird gar nicht gefährlich.

Es ist relativ leicht, jetzt, da wir nicht direkt in die Verantwortung an der Stelle involviert sind - wie sagte der Kollege Fürter so schön Neudeutsch -, Google-Bashing zu betreiben. Das ist auch richtig. Ich bin Herrn Dr. von Abercron für sein Beispiel mit dem Briefkasten außerordentlich dankbar; denn das ist exakt das Beispiel, das ich in allen möglichen Zirkeln seit ungefähr zehn Jahren benutze, wenn es um die verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung geht. Ich hoffe, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Sensibilität, was das Einsammeln von Daten - es wurde ja auch gesagt, über das Internet wurden ganz viele Daten gesammelt, und man weiß nicht, wem das alles gehört -, verdachtsunabhängig wohlgemerkt, angeht, in den Köpfen bleibt, wenn wir wieder über Vorratsdatenspeicherung zu reden haben, inklusive des Beispiels von Herrn Dr. von Abercron. Das wollte ich hier noch einmal loswerden.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Klaus Schlie.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag der Fraktionen von CDU und FDP soll erreicht werden, das gewerbsmäßige kartografische oder planmäßige Erfassen privater Funknetzdaten zu verbieten, es sei denn, der Betroffene hat dazu vorher seine Zustimmung erteilt. Auslöser für den Antrag ist der Umstand, dass das Unternehmen Google im Zusammenhang mit seinem nach wie vor umstrittenen Street-ViewProjekt auch andere Daten gesammelt hat, ohne dass die Betroffenen oder die Öffentlichkeit zuvor davon in Kenntnis gesetzt worden wären. Das Prinzip Zufall ist hier wohl eher nicht an der Tagesordnung gewesen.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geht uns alle an, jeden einzelnen Menschen und jedes einzelne Unternehmen. Datenschutz auch und gerade im Zusammenhang mit elektronischer Kommunikation und den dazu gebräuchlichen Medien

ist kein Selbstzweck. Nahezu jeder ist vor allem im privaten Umfeld davon betroffen, sei es durch die sich steigender Beliebtheit erfreuenden Laptops oder die mittlerweile zum Alltag gehörenden Handys, die zunehmend nicht nur zum Telefonieren, sondern auch als Zugang zum Internet genutzt werden, wie der Kollege Fürter das vorhin noch einmal deutlich gemacht hat. Niemand kann sich dem wirklich noch entziehen.

Rund 40 % aller deutschen Haushalte mit Internetanschluss nutzen WLAN für den drahtlosen Zugang ins Netz. Viele Menschen gehen dabei allerdings sehr sorglos mit WLAN um. Frau Kollegin Brand-Hückstädt hat ja darauf hingewiesen. So verschlüsseln sie insbesondere ihren Zugang nicht, was ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt. Hier gilt es, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen und sie zu sensibilisieren.

Doch damit allein ist es sicherlich nicht getan. Deswegen begrüße ich ausdrücklich die Zielsetzung des vorliegenden Antrages, der rechtsklare gesetzliche Regelungen für die gewerbsmäßige Erfassung von Daten aus privaten Funknetzen und Mobiltelefonen einfordert. Der rasante technische Fortschritt im Bereich der Telemedien und -kommunikation mit seinen immer neuen Nutzungsmöglichkeiten muss allerdings bei der Festlegung bestimmter Regelungsinhalte berücksichtigt werden. Nach meiner Überzeugung bedarf es einer gründlichen Prüfung, welche Regelungen für die Erfassung von Funknetzen und von Daten aus Mobiltelefonen erforderlich sind.

Hinsichtlich des in dem Antrag geforderten Zustimmungsvorbehalts für die gewerbliche Erfassung privater Funknetzdaten müssen - so sehe ich es jedenfalls - noch einige Punkte auf ihren Praxisbezug hin überprüft werden. Auf welchem Weg kann beispielsweise die Zustimmung eingeholt und erteilt werden, wenn das Funknetz bei der Erfassung keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann? Möglicherweise ist eine Widerspruchsmöglichkeit für Betroffene vorzuziehen.

Auf jeden Fall gilt es, eine praktikable Lösung zu finden, die einerseits einen wirksamen Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor der ungewollten Nutzung ihrer persönlichen Daten bietet, andererseits aber auch nicht die Anwendung moderner Technologien unbeabsichtigt erschwert oder verhindert; auch das ist hier ja angesprochen worden. Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen bietet dafür eine gute Grundlage.

(Dr. Kai Dolgner)

Nachdem durch die Meldungen über das von Google durchgeführte Scannen von WLAN-Netzen eine erhebliche Verunsicherung bei den Nutzern dieser Technik eingetreten ist, halte ich es trotz der Zusage von Google, dieses Verfahren künftig nicht mehr anzuwenden, für notwendig, die skizzierten Fragen im Zusammenhang mit der Schaffung einer rechtsklaren gesetzlichen Regelung dieses Sachverhaltes zügig zu klären.

Herr Abgeordneter Fürter, die Landesregierung Schleswig-Holsteins ist für alles zuständig, was die Verfassung unseres Landes ihr ermöglicht. Insofern ist an dieser Stelle allerdings Ihr Handy-Info-System nicht ganz richtig gewesen. Auf Antrag Schleswig-Holsteins ist die Forderung nach einer solchen Regelung in einen Entschließungsantrag aufgenommen worden, der heute vom Bundesrat im Zusammenhang mit der Gesetzesinitiative zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zur großräumigen Erfassung von Gebäuden, Straßen und Plätzen jetzt wiederum nach Auskunft des Abgeordneten Fürter - beschlossen worden ist. Hier hat sein Handysystem offensichtlich geklappt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Neben dem Punkt der Unkenntlichmachung gibt es in dem Antrag von CDU und FDP noch weiter gehende Punkte. Deswegen ist es sicherlich richtig und notwendig, das zu beraten und dieses Thema weiterhin in der politischen Diskussion im Bundesrat und in Deutschland insgesamt zu belassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Die SSW-Fraktion hat die Überweisung aller Anträge an den Innen- und Rechtsausschuss beantragt. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP abgelehnt worden.

Das Wort hat der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Herr Weber.

Herr Präsident! Wir beantragen, alle Anträge, auch die Änderungsanträge zu eigenständigen Anträgen zu erklären. Wir sind nämlich gern bereit, allen vier Anträgen zuzustimmen.

Wir kommen dann zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/651, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag, Drucksache 17/651, gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt worden ist.

Ich lasse nun abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/649. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag, Drucksache 17/649, mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW abgelehnt worden ist.

Ich lasse nun abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 17/646 (neu). Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Ich stelle ich fest, dass der Antrag, Drucksache 17/646 (neu), mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, DIE LINKE und SSW bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden ist.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/601, abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag, Drucksache 17/601, mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, DIE LINKE und SSW bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN angenommen worden ist.

Meine Damen und Herren, damit haben wir die Beratung diesen Tagesordnungspunkts abgeschlossen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 29 auf:

Transparenz bei der Aufarbeitung der Krise der HSH Nordbank AG

Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Drucksache 17/685

(Minister Klaus Schlie)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.