Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Eichstädt, Ihre Rede hat sehr gut angefangen, aber bedauerlicherweise das Niveau dann nicht mehr gehalten. Ich will Ihnen auch kurz sagen, warum, nämlich weil es sehr populistisch ist zu sagen: Ihr habt doch damals auch nach der erzwungenen Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten in 70 Tagen gewählt. Da gab es ein bestehendes Wahlrecht, und das Prozedere war von Verfassung wegen vorgegeben. Die Fristen stehen in der Verfassung.

Wir reden jetzt über die Frage einer Normalwahl. Ich erinnere Sie daran: Die nächste Wahl ist eine Normalwahl auf der Grundlage eines neuen Wahlrechts. Ich erinnere Sie daran, dass das Hamburger Verfassungsgericht 1993 die Hamburger Wahl für ungültig erklärt hat und eine Wiederholungswahl angeordnet hat, weil die Wahlvorbereitungen fehlerhaft waren. Selbstverständlich muss bei Normalwahlen Einzelbewerbern oder auch anderen Parteien, die es schon gibt, oder Bürgerbewegungen, die es schon gibt, Gelegenheit gegeben werden, sich auf der Grundlage dieses Wahlrechts zu positionieren. Wenn Sie alle Fristen bei sich und bei anderen Parteien bei der Vorbereitung eines normalen Wahlvorgangs nehmen, dann haben Sie

in aller Regel eine Frist von der Bestimmung des Wahltermins bis zur Wahl, die ein Jahr umfasst. Wir alle sind übrigens auch gehindert, das Wahlrecht noch ein Jahr vor einer Normalwahl zu ändern, weil wir ansonsten die Regelungen nicht durchstehen würden.

Noch einmal: Ich warne, weil die Euphorie jetzt gerade so groß ist, dringend davor zu glauben, mit einem Schnellschuss könnten wir uns jetzt auf den Weg begeben, denn die nächste Regierung wird sich aller Voraussicht nach der gleichen Frage stellen müssen, der sich diese Regierung gestellt hat. Nichts wäre schlimmer, als wenn wir beim nächsten Mal erneut, aus welchen Gründen auch immer, wieder wählen müssten, weil jetzt einige Gruppierungen glauben, auf der Grundlage ihrer Vorstellungen könnte man schnell zu Lösungen kommen.

Ich finde auch diesen Appell immer sehr schön, den jetzt alle hier in diesem Haus vor sich hertragen. Wir können morgen auf der Grundlage der FDPVorschläge das Wahlrecht beschließen. Wollen Sie das?

(Zurufe von der SPD: Ja!)

- Okay. Dann machen wir das so. Das ist ja wunderbar, wenn Sie das wollen, Herr Kollege.

Herr Abgeordneter Kubicki, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Habeck?

Mache ich sofort, Frau Präsidentin.

Jeder hier im Raum bringt Vorschläge mit. Sie sagten schon, die Sozialdemokraten sollen sich vom Acker machen, wenn sie das Einstimmenwahlrecht wieder einführen wollen.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie doch auch!)

- Herr Kollege Fürter, warten Sie es doch in aller Ruhe und Gelassenheit ab, auch bei Ihrem Rechtsverständnis. CDU und FDP werden in der Debatte einen gemeinsamen Vorschlag einbringen, und wir erwarten, dass es vielleicht auch einen gemeinsamen Vorschlag der Oppositionsfraktionen gibt, über den wir uns dann verständigen können. Wir werden das normale parlamentarische Verfahren durchführen. Schon gestern ist deutlich geworden, dass Sie sich hier auf der Grundlage völlig falscher Berechnungen oder großer Ahnungslosigkeit ziem

(Peter Eichstädt)

lich aufplustern. Beim Wahlrecht wollen wir Ihnen da nicht so ohne Weiteres folgen.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie nunmehr eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Habeck?

Herr Fraktionsvorsitzender Kubicki, wie ist das jetzt gemeint? Machen wir den Versuch einer Einigung durch den Landtagspräsidenten, oder werden CDU und FDP diesem Parlament einen Vorschlag vorlegen? Denn dann können wir den Freitagabend besser verbringen.

- Herr Kollege Habeck, auch bei dem Versuch des Landtagspräsidenten, einen großen Konsens herbeizuführen, bedarf es einer Grundlage. CDU und FDP haben eine funktionierende Koalition. Sie haben einen Koalitionsvertrag und sich dabei auch schon darauf verständigt,

(Lachen bei der SPD)

entsprechende Wahlrechtsüberlegungen einzubringen. Dem werden wir folgen, Herr Kollege Habeck.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfache Frage, einfache Ant- wort!)

- Das war eine einfache Antwort. Selbstverständlich werden CDU und FDP einen gemeinsamen Vorschlag zur Änderung des Wahlrechts in die Diskussion einbringen.

Erlauben Sie nun eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eichstädt?

Selbstverständlich.

Herr Kubicki, würden Sie diese überraschende Ankündigung möglicherweise noch ergänzen um die Aussage, zu welchem Termin Sie das machen wollen?

- Erstens, Herr Kollege Eichstädt, steht das schon im Koalitionsvertrag. Zweitens beginnen CDU und FDP jetzt auf der Grundlage ihrer unterschiedlichen

Vorstellungen damit, einen Kompromiss zu finden. Wir gehen davon aus, dass die parlamentarische Beratung über den gemeinsamen Vorschlag möglicherweise aus den Fraktionen heraus oder von CDU und FDP im Dezember beginnen kann.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das wird aber immer später! Herbst hieß es doch!)

- Wir können es jetzt drehen und wenden, wie wir wollen, Herr Kollege Fürter. Es ist mir klar, dass Sie nicht akzeptieren können und nicht akzeptieren wollen, dass das Gericht erklärt hat, dass dieser Landtag und damit auch der Landtag in seiner Mehrheit handlungs- und arbeitsfähig ist. Die Mehrheit dieses Landtags ist ausdrücklich nicht infrage gestellt worden, die Zusammensetzung ist nicht verändert worden, die Legitimität ist nicht infrage gestellt worden. Die Handlungsfähigkeit besteht, und wir werden diese Handlungsfähigkeit auch dokumentieren und damit in die Wahldebatte gehen.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk?

Selbstverständlich.

Ich versuche einmal, Ihren Gedankengang aufzugreifen, Herr Kollege Kubicki. Das heißt also, Sie werden dann auch in Kauf nehmen, dass wir gegebenenfalls mit einem Wahlgesetz zu leben haben, das mit einer Stimme Mehrheit in diesem Parlament beschlossen wird?

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

- Frau Kollegin Spoorendonk, ich will das nicht, das ist nicht mein Ansatz. Aber zur Not, wenn die anderen Parteien sich nicht bewegen wollen, wird es so sein.

(Lachen bei der SPD)

Dieser Landtag hat eine Mehrheit, und er wird innerhalb der vom Verfassungsgericht gesetzten Fristen die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllen und im Zweifel auch beschließen.

Was ist daran so merkwürdig? Ich kann mich wirklich nicht entsinnen, dass das Verfassungsgericht

(Wolfgang Kubicki)

uns aufgegeben hat, jetzt eine Allparteienregierung zu bilden.

(Beifall bei der CDU)

Es kann auch nicht so sein, Frau Kollegin Spoorendonk - auch das steht nicht im Urteil und ist nicht vorgegeben -, dass es eine Einstimmigkeit im Parlament geben muss.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden sich hier um Kopf und Kragen!)

- Überhaupt nicht, Herr Tietze. Ich erkläre Ihnen nur die Rechtslage.

(Lachen bei der SPD - Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist un- fassbar!)

- Herr Kollege Habeck, Sie sollten vielleicht wirklich nachdenken. Descartes hat gesagt: „Ich denke, also bin ich“, nicht: „Ich glaube, also bin ich“. Gestern haben Sie von Ihrem Glauben philosophiert. Auf völlig falscher Grundlage haben Sie diese Regierung angegriffen und moralisch diskreditiert.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird sich zeigen!)

- Das zeigt sich überhaupt nicht, Herr Kollege Habeck. Wir werden schon feststellen, ob es eine Einigungsmöglichkeit gibt. Aber es gibt keine Legitimität, dass wir uns auf der Grundlage und Vorstellungen der Sozialdemokraten oder der Grünen einigen müssen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat nun die Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fand die Ausführungen gerade eben sehr interessant. Ich darf darauf hinweisen: Als wir schon eine Debatte wegen des Wahlgesetzes hatten, wurde ausdrücklich nachgefragt, was das mit dem neuen Wahlgesetz im Koalitionsvertrag bedeutet. Da hieß es noch, Herr Kubicki - das haben Sie auch hier im Landtag gesagt -: Herbst 2010. Jetzt soll es Dezember sein. Ich verstehe es langsam nicht mehr. Das Wahlgesetz wird schon länger im Innen- und Rechtsausschuss verhandelt, und da wäre es schön

gewesen, wenn wir da schon einmal einen Antrag gesehen hätten.