Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

Nun hat sich das Parlament durchgerungen, diesen Punkt hier zu diskutieren. Wenn man auf die weiteren Anträge und Kleinen Anfragen in diesem Um

feld guckt, entwickelt sich der Kollege Thoroe ja langsam zu einem wahren Fan der Bundeswehr, der alle Tage das Thema wieder aufgreift, heute das Thema Auslandseinsätze.

Die elf Missionen, die derzeit von der Bundeswehr im Ausland durchgeführt werden, sind - da braucht man gar nicht die Bundesregierung zu fragen, sondern man kann es im Internet nachgucken auf der Internetseite des Einsatzführungskommandos - alle abgesichert durch Mandate der UNO, der Europäischen Union oder der NATO. Ich finde, es ist schon ein starkes Stück, wie hier versucht wird, einmal mit dem Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Köhler und dann im zweiten Absatz mit der abwegigen Auffassung, all das könnte grundgesetzwidrig sein, den Eindruck zu erwecken, als würden Truppen der Bundeswehr im Ausland in einer Art und Weise eingesetzt, die nicht in Ordnung ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Alle Einsätze der Bundeswehr sind durch den Deutschen Bundestag mandatiert. Sie suggerieren hier einen Grundgesetzverstoß in der Kombination verschiedener Aussagen zu diesem Thema. Man könnte fast sagen: saubere dialektische Kaderschulung, eine kleine Bewerbung um den Förderpreis der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

DIE LINKE stellt sich an dieser Stelle außerhalb eines gesellschaftlichen und überparteilichen Konsenses.

Es ist - um auch inhaltlich auf den Punkt einzugehen - nicht nur Fakt, sondern es ist auch absolut richtig, dass deutsche Interessen vertreten werden mit einer Vielzahl unterschiedlicher zur Verfügung stehender Instrumente: diplomatische Instrumente, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche und militärische Mittel, und, wenn eben geboten, auch durch bewaffnete Einsätze. Da braucht man gar nicht so zu tun, als ob das eine große Entdeckung wäre, die Sie uns hier vorgetragen haben, oder etwas fürchterlich Neues, sondern es empfiehlt sich einfach einmal ein Blick in das Weißbuch der Bundeswehr, das an vielen Stellen deutlich macht, wie die Vertretung von Interessen stattfinden kann und muss. Ich greife nur einmal ein Beispiel heraus, Seite 22 der aktuellen Fassung, das Thema Transportwege, Ressourcen und Kommunikation. Dort heißt es:

„Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Interesse an internationaler Stabili

(Björn Thoroe)

tät und ungehindertem Warenaustausch. Wie viele andere Länder ist es in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen im globalen Maßstab abhängig und auf funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme angewiesen. Verwerfungen im internationalen Beziehungsgefüge, Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten Welt nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.“

Es heißt dazu dann weiter:

„Wir müssen Krisen und Konflikten rechtzeitig dort begegnen, wo sie entstehen, und dadurch ihre negativen Wirkungen von Europa und unseren Bürgern möglichst weitgehend fernhalten.“

All das basiert auf dem Boden des Grundgesetzes, und all das halte ich auch für richtig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie mögen das selber ablehnen, Sie mögen das auch als skandalträchtig empfinden. Sie vertreten damit eine einigermaßen abwegige und nicht konsensfähige Position.

Ich möchte trotzdem diesen Tagesordnungspunkt nutzen, um auch noch einmal den Bogen zurück zum Schleswig-Holsteinischen Landtag zu schlagen und zu sagen: Wir, die CDU-Fraktion, stehen hinter den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Einsatz.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind ihnen dankbar für den gefährlichen Dienst, den sie für unsere und - Herr Thoroe - auch für Ihre Sicherheit leisten. Insbesondere gilt unser Wunsch den Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr aus Schleswig-Holstein sowie den schleswig-holsteinischen Standorten, die sich im Einsatz befinden, dass sie wohlbehalten an Leib und Seele zurückkehren mögen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ganz kurzes Wort zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Bernstein. Natürlich ist es durchaus legitim, die Fragen zu stellen, seitdem damals vor gut 20 Jahren grundsätzliche Änderungen im Weißbuch vorgenommen worden sind, die - ich war damals Soldat - auch von uns intensiv diskutiert worden sind. Sind wir wirklich dafür da, auch wirtschaftliche Interessen zu vertreten oder zu schützen? Selbstverständlich kann man das kritisch diskutieren. Das sieht meine Partei auch sehr kritisch, zumindest in Teilen. Ich glaube, es ist durchaus bekannt, dass wir da in unserer Partei sehr viele Meinungen dazu vertreten.

Ich finde, das darf man auch diskutieren, denn es ist ein sehr ernstes Thema. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod, nicht nur der Soldatinnen und Soldaten, sondern auch der Menschen, die von den Einsätzen betroffen sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Wir haben bei den internationalen Einsätzen auch das möchte ich vorwegschicken - ein Problem. Das sieht man am Horn von Afrika. Wir brauchten eigentlich eine internationale Polizeitruppe. Denn es sind häufig Aufgaben, die eigentlich klassische polizeiliche Aufgaben sind. Dazu gehört übrigens auch die Bekämpfung von Piraterie.

Lieber Herr Kollege Thoroe, auch wenn ich die wirtschaftlichen Umstände natürlich erkennen kann, weshalb Menschen wegen Raubfischerei in die Piraterie getrieben werden, rechtfertigt es diese trotzdem nicht.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Ab- geordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

- Das ist richtig, aber dann sind wir in einer Kriminalitätsdebatte. Wenn ich die Motive für Kriminalität verstehen kann, wenn ich verstehen kann, warum zum Beispiel Jugendliche aus dem Prekariat gewalttätig werden, heißt das noch lange nicht, dass ich die Gewalttätigkeit rechtfertige. Deshalb müssen auch die Piraten am Horn von Afrika bekämpft werden.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das war alles, was ich dazu sagen wollte. Ich halte diesen Antrag - ehrlich gesagt - für ungeeignet, diese wichtigen Fragen zu besprechen. Noch ein Satz

(Dr. Axel Bernstein)

zum Sudan. Der Einsatz ist tatsächlich nicht mandatiert gewesen. Es gibt eine ganze Masse nicht mandatierte Einsätze, weil sie nicht mandatiert werden müssen. Im Sudan war es die Hungerhilfe mit 71 Flügen von C-160. Das muss nicht mandatiert werden. Wir haben eine ganze Masse nicht bewaffnete Auslandseinsätze, wo Bürgerinnen und Bürger zurückgeführt werden und so weiter.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Das hätten Sie übrigens in einer Übersicht aus einer Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE wunderbar herauskriegen können; da brauchen Sie hier nicht zu fragen. Aber gut.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wer bei einem so ernsten Thema wie Auslandseinsätze mit der Verfassung argumentiert, sollte sich auch mit dieser beschäftigen. Sie wissen ja, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen auf den Füßen der bürgerlichen Demokratie, und deshalb halten wir viel von Gewaltenteilung.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Der bürgerlichen? - Zurufe)

- Das ist doch der Standardvorwurf von euch seit 1905, also Leute!

Über die Verfassungsmäßigkeit von bewaffneten Auslandseinsätzen entscheidet mitnichten der Landtag des Landes Schleswig-Holstein - ich habe den Antrag gelesen, den Sie gestellt haben, man könnte da den Eindruck gewinnen -, sondern das Bundesverfassungsgericht. Das kann Sie nicht wirklich ernsthaft überraschen, schließlich sind Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Bundestagsfraktion mit einer Reihe von Klagen dort unterlegen. Ich glaube nicht, dass der Landtag von Schleswig-Holstein die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ersetzen kann, auch wenn sich das einige für die Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts vielleicht wünschen - aber das ist ein anderes Thema.

(Beifall bei der SPD)

Es war ein wegweisendes Urteil eben jenes Gerichts aus dem Jahr 1994, das die Zuständigkeit jetzt kommt’s - für bewaffnete Auslandseinsätze dem Bundestag zugeordnet hat und nicht der Bundesregierung oder etwa einem Bundespräsidenten a. D. Wenn Sie einen vernünftigen Antrag stellen wollen, müssen Sie zumindest den Adressaten ändern, nicht die Bundesregierung, sondern die Kollegen vom Bundestag bitte auffordern. Wir haben

nämlich eine Parlamentsarmee, und das ist auch gut so.

Nun kann man natürlich sagen, das müsste den Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, gerade denjenigen, die sich damit beschäftigen, doch eigentlich bekannt sein. Ich habe Ihnen doch hoffentlich nichts Neues erzählt! Ich frage mich dann allerdings, warum Sie diesen Antrag stellen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Antragsteller diesen Antrag nur stellt, um einmal darüber reden zu können, um seiner scheinbar pazifistischen Zielgruppe zu sagen, dass man die einzigen Pazifisten in dieser Republik sei und da einen Alleinvertretungsanspruch habe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss wahrlich kein Befürworter von bewaffneten Auslandseinsätzen sein, um das für einen schlechten Stil zu halten - abgesehen davon, das Zeitkontingent des Parlaments, das dafür wirklich nicht zuständig ist, überzustrapazieren.

Sie sehen, man kann mit mir gern über die Themen reden, aber bitte in der Mittagspause und nicht unbedingt im Plenum.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Jens-Uwe Dankert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier heute über den Antrag der Fraktion der LINKEN debattieren müssen - Herr Bernstein hat das schon richtigerweise gesagt -, dann möchte ich zunächst im Hinblick auf den ersten Teil dieses Antrags deutlich machen, dass die Bundeswehr den Beschlüssen und der Kontrolle durch den Bundestag unterliegt. Sie ist also eine Parlamentsarmee, deren Einsatz nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz klar geregelt ist. Alle derzeitigen Auslandseinsätze der Bundeswehr sind durch den erforderlichen Mehrheitsbeschluss des Deutschen Bundestags gedeckt. Gesagt werden muss auch, dass die Bevölkerung grundsätzlich hinter der Bundeswehr steht. Sie nimmt neben der Polizei einen Spitzenplatz auf der Vertrauensskala ein.

Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat neben dem Rückhalt durch das Parlament auch überwiegend das Mandat der UN. Zuweilen wurde das Mandat der UN nachgeholt, zum Beispiel bei der Operation Atalanta am Horn von Afrika. Die Lin

(Dr. Kai Dolgner)

ken unterstellen mit ihrem Antrag, dass ein international nicht autorisierter Einsatz vorliegt, zum Beispiel am Horn von Afrika. Das impliziert - das muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen -, das wäre ein Einsatz - das wird von den Linken aus dem Grundgesetz abgeleitet -, der das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören droht. Die Bundeswehr als Friedensstörer! Das ist eine unglaubliche Bewertung. So etwas sagt nicht nur irgendwer, sondern ein Abgeordneter des SchleswigHolsteinischen Landtags. Herr Thoroe, das ist unerhört.