In unseren Augen war schon der von Rot-Grün geschlossene Atomkonsens kein Atomausstieg, sondern garantierte den reibungslosen Betriebsablauf der AKW. Bereits bei diesem Konsens brauchten die Atomkraftbetreiber sicherheitsrelevante Nachrüstungen für die alten AKW nicht zu leisten.
Wie sich in den letzten Tagen zeigte, ist dieses Vorgehen zu einer unglaublich gefährlichen und verantwortungslosen Tradition geworden. Der Baubeginn der sich noch im Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke lag zwischen 1970 und 1982. Darauf will ich noch einmal eingehen, denn wir haben keine neuen Atomkraftwerke; wir haben veraltete Atomkraftwerke, und zwar sind alle 17 Atomkraftwerke veraltet.
Die Verlängerung der Laufzeiten dieser AKW in Deutschland und damit auch der drei AKW in Schleswig-Holstein stellt eine konkrete Gefährdung der Bevölkerung dar. Brunsbüttel soll nun acht Jahre länger am Netz bleiben, Brokdorf und Krümmel weitere 14 Jahre. AKW nutzen radioaktive Stoffe wie Uran und Plutonium zur Energiegewinnung.
Sie schädigen das Leben, sie schädigen die Umwelt. Die Atomkraftwerke wurden nachweislich für eine Betriebszeit zwischen 30 und 40 Jahren gebaut. Die drei Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein sind, wie bereits erwähnt, bereits alle um die 30 Jahre alt. Sie müssen abgeschaltet werden.
Jetzt sollen sie trotz alledem weiterlaufen. Schleswig-Holstein ist Standort der AKW Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf. Brokdorf ist ein Druck
wasserreaktor, Krümmel und Brunsbüttel sind Siedewasserreaktoren des Typs 69. Speziell dieser Reaktortyp 69 gilt als besonders schlecht, da er immens störanfällig und unsicher ist. Die Rohrwände sind dünn, und der Sicherheitsbehälter ist anfällig für ein Durchschmelzen bei einem SuperGAU. Die Freisetzung radioaktiver Strahlung im Störfall wäre besonders schnell und hoch, sodass nur wenig Zeit für die Evakuierung der Bevölkerung zur Verfügung stünde.
Zudem sind die AKW, wie schon betont, sehr alt, so alt, dass die Komponenten zum Teil nicht mehr ich betone: nicht mehr - ausgetauscht oder auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden können. Aber auch diese Überprüfung wirft, wie ich eben schon ausgeführt habe, Probleme auf, da manche Schwachstellen mikroskopisch klein - wie zum Beispiel bei den Rohrleitungen - und damit nicht zu sehen sind. Manche Eigenschaften von verwendeten Werkstoffen sind nicht ohne Zerstörung überprüfbar. Und tatsächlich sind manche Mechanismen von Alterungsprozessen bekannt, aber noch nicht vollständig verstanden, ganz zu Schweigen von der fehlenden Sicherheit vor Terroranschlägen. Der Passus, der die Absicherung der AKW gegen Flugzeugabstürze durch die Betreiber vorsah, ist nach dem nun geschlossenen Vertrag gegenstandslos. Er wurde einfach aus dem Abkommen herausgenommen.
Zu all diesen Gefahren kommt hinzu, dass die AKW unterversichert sind. Schäden werden von Experten bei einem GAU auf 5 Billionen € pro AKW geschätzt. Doch in unserem atomfreundlichen Deutschland brauchen die Betreiber ihre Kraftwerke nur auf 2,5 Milliarden € zu versichern, was sich nachhaltig auf die Versicherungsbeiträge auswirkt.
All diese Probleme sind spätestens seit 2001 bekannt. Expertenforderungen, die ältesten AKW stillzulegen, wurden aber nie - ich wiederhole: nie ernsthaft geprüft. Ein sich jetzt in der Diskussion befindlicher Ruf nach umfangreichen baulichen Nachrüstungen ist nahezu unmöglich umzusetzen.
Abgesehen von den generellen Gefahren der AKW spricht gegen eine Laufzeitverlängerung das ungelöste Müllproblem. Bisher sind circa 12.500 t radioaktive abgebrannte Brennelemente in den deutschen Atomkraftwerken angefallen. Hinzu kommen mehrere tausend Kubikmeter schwach- und mittelaktiven Mülls und alle Emissionen, die so an das Wasser und die Luft abgegeben werden.
Die Politik und das Vorgehen bezüglich der Atomkraftwerke gleichen also etwa einem Flug ohne Landebahn. Die Entsorgung ist nicht möglich, denn es gibt kein sicheres Endlager.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Inhalte eingehe, muss ich nicht nur meine Enttäuschung, sondern wirklich mein Entsetzen kundtun, dass es in diesem Staat möglich ist, dass sich eine Bundesregierung hinsetzt und geheim einen Vertrag mit der Stromwirtschaft aushandelt, diesen Vertrag nicht den gewählten Parlamentariern auf Bundesebene vorlegt und diesen Vertrag auch noch an der Bevölkerung vorbeizuschmuggeln versucht.
Wenn man sich das Ganze auf der Zunge zergehen lässt, muss man fragen: Was bedeutet das für die Finanzen? Ich gehe nachher noch auf die umweltpolitischen Fragen ein. Was bedeutet das für die Finanzen? Die Brennelementesteuer soll 2,3 Milliarden € einbringen, kostet aber bei der Körperschaftsteuer 0,5 Milliarden € und bei der Gewerbesteuer 0,3 € Milliarden €, die man weniger einnimmt. Wir hätten also ungefähr 1,5 Milliarden € Mehreinnahmen für den Staat, wenn man dies so durchführen würde. Es wird geschätzt, dass die Mehreinnahmen der Konzerne pro Jahr 7,2 Milliarden € betragen werden. Das bedeutet, wenn man das mit einem fiktiven Steuersatz umrechnen würde, dass für diesen Riesengewinn 19 % Steuern bezahlt werden. Dass so etwas in diesem Land möglich ist, dass Riesenkonzerne, die sich mit Gewinnen vollsaugen, mit einem so lächerlichen Steuer- beziehungsweise Abgabensatz belegt werden, ist eine mindestens genauso große Katastrophe für dieses Land.
Dieser Steuersatz gilt auch nur für sechs Jahre. Danach ist nichts mehr mit Bezahlen. Danach fließt die Knete komplett, zu 100 %, in den Säckel der großen Konzerne. Da fragt man sich: Wozu regieren die eigentlich noch in Berlin? Das ist wirklich nicht mehr zu fassen.
Es scheint wirklich so zu sein, dass man sich nur hingesetzt und angehört hat, was die Konzerne verlangen, und man hat wirklich jede Forderung, die diese gestellt haben, einfach kommentarlos übernommen. Ich glaube nicht, dass ein solches Verhalten einer Bundesregierung gut für unser Land ist.
Wir müssen tatsächlich die erneuerbaren Energien fördern. Wenn man sich anguckt, dass von 1950 bis 2008 165 Milliarden € in die Förderung der Atomwirtschaft geflossen sind - da ist noch nicht das mitgerechnet, was steuerlich relevant ist und was uns die Entsorgung möglicherweise noch kosten wird -, wenn wir das alles in erneuerbare Energien gesteckt hätten, hätten wir nicht nur eine bessere Struktur in unserem Land, wir hätten auch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen vor Ort. Das wäre wesentlich zukunftsweisender gewesen als all das, was man in der Vergangenheit gemacht hat.
Aber okay. Wir wissen, dass das nun angeblich so kommen soll. Wir werden längere Laufzeiten bis zu 14 Jahren bekommen. Das wird die Konzerne mit mindestens 50, vielleicht sogar 70 oder 80 Milliarden € beglücken. Zusätzliche Beglückung kommt dadurch, dass die Sicherheitsanforderungen gesenkt werden sollen - schon wieder eine Katastrophe -, und weil wir das senken und trotzdem einmal etwas kaputtgehen kann, wird vor Mehrkosten geschützt, und es wird gesagt: Wenn euch etwas kaputtgeht, das Herumschrauben an euren Atomkraftwerken aber die Kosten von einer halben Milliarde € aber nicht überschreitet, wisst ihr was, dann erlassen wir euch ein paar Steuern. Macht euch keine Sorgen! Liebe Konzerne, ihr seid abgesichert, ihr vier großen Konzerne, die ihr euch das Land aufgeteilt habt. Wir helfen euch dabei, dass es mit der Teilung auch weiter klappt und damit auch ja keine kleinen Stadtwerke euch in irgendeiner Weise möglicherweise eine minimale kleine Konkurrenz machen können.
Das ist wirklich keine zukunftsweisende Politik, das ist keine zukunftsweisende Energiepolitik, und es ist auch keine zukunftsweisende Finanzpolitik.
Das Ganze zeigt uns keine Perspektive auf, sondern es dreht sich alles in die genau verkehrte Richtung. Wir schaffen eine Konkurrenz für erneuerbare Energien. Wir bauen Arbeitsplätze ab. Das bedeutet nicht nur, dass wir keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern unsere Unternehmen, die sich bei den erneuerbaren Energien engagieren - bei denen wir ein führendes Land sind -, die Arbeitsplätze dort schaffen, durch diesen angeblichen Kompromiss wirklich bedroht sind. Auch die Arbeitsplätze bei den Stadtwerken, die in Zukunft unter Einnahmeverlusten leiden müssen, werden wirklich gefährdet sein.
Das bedeutet, dass sich die Landesregierung auf die Hinterbeine stellen muss und die sogenannte Energiewende - wenn man denn so will - verhindern muss. Es reicht nicht, dass man sich möglicherweise im Bundesrat enthält, sondern wir wollen da eine Gegenstimme sehen.
Wir teilen nämlich die Auffassung der FDP, dass die Laufzeitverlängerung tatsächlich im Bundesrat abgesegnet werden muss. Neben allen energiepolitischen Fragen stellt sich auch da eine finanzpolitische Frage, denn ein Körperschaftsteuerverlust ist für uns als Land Schleswig-Holstein nicht zu ertragen. Ich erinnere an die Debatte von vorgestern, die keine Debatte von vorgestern war.
Ich möchte abschließend hier ein Zitat aus dem „Hamburger Abendblatt“ vom 9. September 2010 bringen. Das ist noch nicht so lange her. Dort wird der Finanzminister folgendermaßen zitiert:
„Schleswig-Holstein werde keinem Gesetzentwurf zustimmen, der zu einer spürbaren Senkung der Einnahmen des Landes führt, betonte der Finanzminister.“
Dieses Machwerk, das da auf Bundesebene geschaffen worden ist, wird genau dazu führen, dass wir markant an Einnahmen verlieren werden. Schon allein das ist ein Grund auch für unsere Landesregierung, eben nicht nur zu sagen: „Wir reden da
nicht mit, kümmern uns nicht drum und nachher enthalten wir uns ein bisschen“, sondern massiv dagegen vorzugehen.
Man muss massiv gegen die neue Energiepolitik und gegen diese für uns nicht erträgliche Finanzpolitik vorgehen - das ist Aufgabe der Landesregierung. Die Landesregierung muss den Mut haben, auf Bundesebene Nein zu sagen, und sie muss den Mut haben, gegen dieses Gesetz, gegen diesen neuen Vertrag zu kämpfen.
Zu einem weiteren Beitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Kubicki macht in seinem Redebeitrag der Politik die Moral zum Vorwurf - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen -,