Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Mir ist noch etwas deutlich geworden. Wenn gesagt wird, das Glücksspiel werde gemacht, obwohl es verboten ist, und deshalb sei es besser, es freizugeben, dann entspricht das nicht meinem Rechtsverständnis. Dann müssen wir uns darüber unterhalten, was ist, wenn Verbote in der Straßenverkehrsordnung und so weiter nicht eingehalten werden. Wie gehen wir damit um? Lassen wir sie zu, oder heben wir beispielsweise die Straßenverkehrsordnung auf? Ich habe ein anderes Verständnis davon.

Schauen wir uns einmal an, wohin Sportwetten führen. In diesem Zusammenhang möchte ich nur einmal auf die Bundesliga-Skandale hinweisen. Ich habe keine Lust, dass wir in diesem Bereich neue Felder aufmachen und so etwas weiter unterstützen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Axel Bernstein [CDU])

Herr Abgeordneter, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu? - Nein, keine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bernstein.

Dann erteile ich dem Herrn Abgeordneten Thorsten Fürter von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine lieben Abgeordneten! Ich möchte insbesondere den Aspekt der Sportwetten beleuchten. Ich glaube, bei der Frage, was verboten ist und was nicht verboten ist, kann man es sich im Zeitalter des Internets nicht so einfach machen. Man kann das nicht einem Tabakverbot, einer Tabakeinfuhrzollbestimmung oder einem Verbot im Straßenverkehr gleichsetzen.

Als Jurist und als netzpolitischer Sprecher sage ich, dass wir im Zeitalter eines umfassenden Netzes ein

Problem haben mit Waren, die keine physische Entsprechung brauchen. Dies gilt beispielsweise für Bilder, Musikdarstellungen, aber auch für Sportwetten, also für Transaktionen, die ausschließlich im Internet stattfinden können. Deshalb brauchen wir als Rechtsstaat eine Antwort darauf, wie wir damit umgehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können es uns nicht so einfach machen und sagen: Was verboten ist, muss Deutschland auch durchsetzen.

Herr Jezewski, wir sitzen häufiger im Innen- und Rechtsausschuss zusammen. Ich wundere mich deshalb, wenn auch Sie von der Fraktion DIE LINKE das so vertreten und sagen, der Staat müsse diese Verbote im Internet durchsetzen. Dann frage ich mich, wie nach den Vorstellungen der LINKEN diese Verbote im Internet durchgesetzt werden sollen. Soll eine chinesische Mauer um Deutschland herum im Internet gebaut werden, eine Mauer, die die staatlichen Verbote aufrechterhält? Das kann doch wohl nicht ernst gemeint sein. Bei einer chinesischen Mauer im Internet schlösse sich dann allerdings der Kreis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Die Grünen machen bei solch einer Positionierung nicht mit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Sie verzichten. Okay, das ist so notiert.

Dann erteile ich für einen weiteren Dreiminutenbeitrag dem Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Beran, was ich Ihnen vorhin zitiert habe, stammt aus dem EuGH-Urteil. Sie haben vorhin vor diesem Hause gesagt, Sie seien bei der Kommission gewesen, und dort habe man Ihnen erklärt, wie das zu verstehen sei.

(Zuruf von der FDP: Der Pförtner!)

Wenn es ein Verfassungsgerichtsurteil unseres Landesverfassungsgerichts gibt, laufen Sie dann zur Regierung und fragen, wie dieses Urteil aufzufassen ist? Ich glaube, Sie würden nicht ernsthaft auf diese Idee kommen.

Ich glaube, das Interpretationsmonopol eines EuGH-Urteils gibt es nicht. Dieses liegt erst recht nicht bei der Kommission. Deshalb können Sie uns in diesem Hohen Hause viel darüber erzählen, was Sie mit wem bei der Kommission besprochen haben.

Was ich Ihnen vorhin vorgetragen habe, entspricht dem Originalwortlaut des Europäischen Gerichtshofs. Das ist völlig unzweifelhaft in der rechtlichen Bewertung. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Bernd Heinemann von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. von Boetticher, Sie haben eben einiges gesagt, das sehr vollmundig und sehr schön klang. Aber ich empfehle Ihnen, einfach einmal die Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums des Innern - ich habe Sie hier in meiner Hand - zu lesen. Dann werden Sie sehen, dass die Bestandteile dieses Glücksspielmonopols weiterhin gelten. Dem widerspricht auch nicht das Urteil. Es ist genau benannt, was gilt. Der EuGH hat diesen Vertrag auseinandergenommen und die Bestandteile bewertet. Danach kann auch weiter verfahren werden, beispielsweise hinsichtlich des Verbots des Internet-Glücksspiels und so weiter.

Herr Kollege Arp und Frau Kollegin Heinold, alles das, was ich heute gehört habe, eben auch von dem Kollegen Fürter, geht in eine Richtung: Wie stehen wir finanziell besser da? Ich hätte mir gewünscht, man hätte sich mal die Problemstellung der suchtkranken Spielerinnen und Spieler genauer angeguckt.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das halte ich für das eigentliche Thema. Ich bin Gesundheits- und Sozialpolitiker, und deswegen werden Sie von mir in dieser Richtung eher noch kurz etwas hören.

70 bis 80 % der Glücksspieler in Schleswig-Holstein, die ihre Familien und sich selbst ganz beson

ders ins Unglück gestürzt haben, stammen nicht sozusagen aus dem Glücksspielsstaatsvertrag und haben Probleme mit Lottospielen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, das zum Beispiel zu liberalisieren. Nein, sie machen ihr Unglück im liberalisierten Spielhallenmarkt, der ja ein „Unterhaltungsspiel mit Gewinnmöglichkeiten“ darstellt. 70 bis 80 % der Spieler haben dort ihre Karriere begonnen. Es ist einer Hausfrau, einem Rentner, einem jungen Arbeitslosen ebenso wie einem selbstständigen Kaufmann oder einem höheren Verwaltungsangestellten ohne Weiteres möglich, an einem halben Tag 1.500 € in einer Spielhalle zu lassen. Schauen Sie sich doch einmal an, wie aus diesem Automatenspiel, das jetzt „Unterhaltungsspiel mit Gewinnmöglichkeiten“ heißt, ein Glücksspiel gemacht wird. Das ist es nämlich. Dazu könnten Sie mal einen Gesetzentwurf vorlegen. Wir wären sehr gespannt auf den Gesetzentwurf.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Aber sich mit Herrn Gauselmann oder anderen, die in dieser Branche tätig sind, anzulegen, traut sich keiner. Das finde ich schade. Kümmern Sie sich um die Suchtkranken, und hören Sie auf mit kleinkrämerischer Rechnerei. Das wird nicht funktionieren.

Frau Loedige, wenn Sie tatsächlich den liberalisierten Markt wollen, dann sollten Sie sich erst einmal in einer Spielhalle umgucken und sich mit denen unterhalten, die dort den ganzen Tag ihre Zeit verbringen und ihre Familien ins Unglück stürzen. Dann können Sie sehen, was liberale Politik ausmachen kann.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Kollege Fürter, das ist heute schon beeindruckend. Heute Morgen habe ich Sie als den kommenden Arbeiterführer erlebt, anschließend als den leidenschaftlichsten Vertreter für Frauenrechte, den ich in dieser Fraktion je gesehen habe, und jetzt sehe ich Sie plötzlich wieder als den an, den ich die ganzen Tage erlebt habe. Aber in Ordnung.

(Zurufe)

- Ach, jetzt habe ich Sie noch verwechselt; das tut mir leid.

(Dr. Christian von Boetticher)

(Heiterkeit)

Ich bin so verwirrt über diese Fraktion.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Fürter, es wäre schön, wenn Sie nicht ganz so verwirrt wären wie ich und mir zuhörten. Ich habe gesagt: Wie wäre es denn, wenn wir uns Gedanken darüber machen, illegale Glücksspielangebote in Deutschland effektiv zu bekämpfen? Von Internetsperren haben Ihre angehenden Kollegen von CDU und FDP in der letzten Tagung gesprochen; die habe ich zitiert. Aber ich mache mittlerweile so lange Internetkurse für Anfänger, dass ich auch in dieses Haus ein bisschen Sachkenntnis reinbringen werde.

(Heiterkeit)

Natürlich werden wir nicht irgendwelche Angebote zensieren, filtern, sperren können. Das geht nicht, das werden wir nicht hinkriegen. Löschen vielleicht noch, aber nicht sperren. Das werden Ihre Kollegen von CDU und FDP auch im Rahmen des Jugendmedienschutzes noch verstehen lernen. Es funktioniert nicht. Wir müssen Wege finden. Und das sind Wege, die nicht wir in diesem Landtag finden - wir kommen ja gerade mal eben bis kurz vor Hamburg und Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern klar -, sondern das sind Wege, die die Bundesregierung finden muss und die auf europäischer und auf noch höherer Ebene gefunden werden müssen, dass es jedem Land erlaubt sein wird, illegale Angebote in seinem Bereich auszuschließen. Das funktioniert natürlich, indem man Wettanbieter, die aus anderen Ländern hier Geschäfte machen, die hier illegal sind, entweder in ihren Heimatländern verfolgt oder indem man - das ist das Einfachste - Finanztransaktionen überprüft.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wollen Sie da einmarschieren, oder was?)

Wenn ein Spieler keine Aussicht hat, seinen Gewinn in Deutschland je in Empfang nehmen zu können, dann ist die Motivation für Glücksspiele relativ gering. Es liegt natürlich in unserem Verantwortungsbereich, Wege zu finden, um illegales Glücksspiel zu bekämpfen. Sie können doch nicht sagen, ich kann es nicht bekämpfen, deswegen mache ich das, was illegal ist, legal. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sagen Sie das mal beim Rauschgift. Seit 40 Jahren kämpfen Sie gegen Rauschgift und haben es nicht geschafft. Es gibt immer noch Süchtige. Also sagen Sie doch: Wir waren erfolglos, wir machen Rauschgift legal. Ge

nau dasselbe machen Sie gerade beim Glücksspiel. Das ist das Unverschämte.

(Beifall bei der LINKEN und SPD)

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp für einen weiteren Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Glück hören uns zu dieser Stunde nicht viele zu. Junge Menschen hätten für das, was Sie hier von sich geben, null Verständnis. Machen Sie doch mal einen Vorschlag dafür, wie Sie Internet sperren wollen, wo Sie sperren wollen und wen Sie sperren wollen. Sagen Sie das doch einfach mal in dieser Runde,

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)