Vor dem Hintergrund des wirklich stark steigenden Kreuzfahrttourismus und den Chancen, die sich dabei für die Landeshauptstadt ergeben, kann ich diesen Wunsch natürlich nachvollziehen. Denn eins ist klar: Sonntagsöffnungen generieren zusätzliche Kaufkraft, mehr Wertschöpfung und ein höheres Steueraufkommen und schaffen damit die Grundlage für die Finanzierung von staatlichen Aufgaben, insbesondere natürlich auch von Sozialausgaben.
„Aber im Gegensatz zur Bäderregelung in Mecklenburg-Vorpommern erachten wir die schleswig-holsteinische Regelung für ausbalanciert.“
(Christopher Vogt [FDP]: Das müssen Sie doch einmal erklären! - Weitere Zurufe - Glocke der Präsidentin)
Gerade als Sylter sollte Herr Tietze wissen, dass die Saison ganzjährig ist, gerade auf Inseln wie Sylt. Sie sind auch selbst jemand, der von der Bäderregelung profitiert. Sie haben selbst im Wirtschaftsausschuss gesagt, dass Sie sonntags einkaufen gehen. Sie steigern selbst die Nachfrage an Sonntagen
Sonntagsöffnungen beleben die Tourismusorte, Sonntagsöffnungen sind wichtig für SchleswigHolstein, weil Schleswig-Holstein geprägt ist von Kurzurlaubern, die gerade auch an den Vor- und Nachsaison-Wochenenden zu uns kommen. Deswegen müssen wir uns an die Bedürfnisse der Touristen anpassen. Anders als die Grünen sehen wir keine Notwendigkeit für restriktivere Ladenöffnungszeiten. Aus diesem Grunde haben wir auch den Gesetzentwurf im Wirtschaftsausschussabgelehnt. Natürlich werden wir den denkwürdigen Kurs der Grünen und von Herrn Tietze in bleibender Erinnerung behalten.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.
(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Hans-Jörn Arp [CDU]: Ich hoffe, dass die Rede auch auf Sylt gelesen wird!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Kumbartzky, zwischen den Regelungen „immer auf“ und „immer zu“ gibt es eben noch die Bäderregelung. Und die regelt das eben.
- Ja, aber die Frage ist, wie sie es regelt. Insofern sehe ich da keinen Widerspruch. Es geht nicht um Schwarz oder Weiß, sondern es geht um eine ordnungspolitische Rahmensetzung. Darüber haben wir im Ausschuss diskutiert.
Ich bin im Übrigen auf Neoliberalismus angesprochen worden. Ich gebe zu, dass ich dieses böse Wort, dieses Unwort im Ausschuss verwendet habe. Aber auch der Neoliberaliusmus setzt in der Definition, die ich gefunden habe, immerhin einen bestimmten Ordnungsrahmen voraus.
Das heißt, es geht hier nicht um die Entscheidung zwischen „immer auf“ und „immer zu“, sondern es geht tatsächlich um den Ordnungsrahmen.
Herr Kollege Callsen, ich habe mich ein wenig über Ihre Rede gewundert. Ich habe es vorhin schon gesagt: Ich habe mir sehr intensiv Ihren Bundesparteitag angeschaut.
- Man muss immer auch für andere politische Themen offen sein. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich die Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, ihres Zeichens CDU-Vorsitzende,
zu der Frage der christlichen Grundwerte ihrer Partei sinngemäß. Sie hat gesagt: es gibt ein Zuwenig an Christentum, es gibt ein Zuwenig an Gespräch über das christliche Menschenbild.
- Ja. Das C im Parteinamen soll der Kompass für CDU-Politik sein. - Der Delegierte von Boetticher war da.
Sie hat dann ausgeführt, und das finde ich sehr interessant: Ziel unserer ethisch orientierten Politik in der Zukunft muss sein, dass wir uns stärker an die christlich-jüdische Tradition erinnern.
Ich will jetzt hier nicht pastoral werden, aber ich habe einmal Theologie studiert - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kubicki. Die christlich-jüdische Tradition, lieber Herr Kubicki, ist tatsächlich 3.000 Jahre alt. Das Sabbatgebot, das die Grundlage für das Sonntagsgebot war, wurde im Jahre 630 v. Chr. begründet.
Wenn wir über eine Tradition reden, wie Frau Merkel es macht, darf man doch einmal Fragen stellen. Mit Recht ist das Sonntagsgebot von der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz übernommen worden. Mit Recht gibt es in unserer Gesellschaft, weil wir uns genau auf diese christlich-jüdische Tradition berufen, die Ihnen sicher nicht fremd ist, den Sonntagsschutz mit Verfassungsrang.
Lieber Herr Kollege Callsen, nicht wir Grüne haben ein Problem, sondern Sie haben ein Problem. Sie haben das Problem, den Kirchen zu erklären, wie Sie sich auf der einen Seite programmatisch zu einer christlich-jüdischen Tradition bekennen und darauf auch die zukünftige Politik ausrichten wollen und sich auf der anderen Seite aus einem Dialog verabschieden.
Nichts anderes habe ich im Ausschuss kritisiert. Ich hätte mich gefreut, wenn über unseren Gesetzentwurf nicht abgestimmt worden wäre, wenn Herr de Jager die Gespräche mit der Kirche geführt und dann im Ausschuss berichtet hätte.
- Nein, Sie haben auf der Abstimmung bestanden, und Sie haben gesagt - jetzt möchte ich den Minister zitieren -: Ich gehe mit dieser Bäderordnung in die Gespräche. Alles, was ist, ist gut. In dem Sinne hat er argumentiert.
Wenn ich einen Dialog so eröffne, wenn mir jemand mit dem Verfassungsgericht droht, dann muss ich mich nicht wundern, wenn die Kirche etwas sagt. Ich habe natürlich auch einen guten Draht zu den Kirchen. Ich habe mit den entsprechenden Vertreterinnen und Vertretern telefoniert. Wenn man so in die Gespräche geht - nach Herrn Kubickis Leitmotto, nach dem Sie Politik betreiben -: Macht die Tür zu, ich komme durch die Wand,
wenn man das als Politikansatz versteht, muss man sich natürlich nicht wundern, wenn die Kirchen an dieser Stelle sich fragen, wozu sie noch reden sollen, und sagen: Dann können wir gleich zum Landesverfassungsgericht gehen.