Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Abweichungen vom Grundlastbetrieb gehen vor allem bei modernen Kohlekraftwerken mit hohen Wirkungsgradverlusten einher. Auch der Ausbau des Stromnetzes widerspricht dem Gesagten der Landesregierung. Durch die bisherige verzögerte Netzverstärkung in Schleswig-Holstein werden allein heute schon circa 15 % der Jahresleistung der installierten Windkraftanlagen abgeschaltet, da der Strom nicht ins Netz gespeist werden kann. Wenn Sie es also mit dem Ausbau von Windkraft in Schleswig-Holstein ernst meinen, dann sollten Sie unserem Antrag zustimmen,

(Beifall bei der LINKEN)

denn erstens ist unser Antrag das Fazit aus dem Antrag Drucksache 17/961, der die Aufnahme einer Länderklausel in das CCS-Gesetz vorsieht. Zweitens würden die Netze nicht durch Strom aus weiteren fossilen Kraftwerken verstopft.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich gehe jetzt noch einmal auf das Thema Atomkraft ein. Das Tempo, mit dem die Bundesregierung gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung - wir haben es im Wendland gesehen - die Verlängerung der Atomlaufzeiten durch den Bundestag jagt, ist absolut dreist und aus unserer Sicht völlig verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Flemming Meyer [SSW])

Die Regierung hat dabei nicht nur gegen die Interessen der Bevölkerung und zukünftiger Generationen gehandelt, sie behindert den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Altmeiler und pannenanfälligen Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel sind ein untragbares Risiko für uns alle.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem hat sich gezeigt, dass es unmöglich ist, jede denkbare Gefahrenquelle von vornherein auszuschließen. Jeder Kabelbrand und jedes geplatzte Rohr können aus einem Atomkraftwerk innerhalb von Minuten eine Bombe machen.

Wir haben auch das Problem mit den ungelösten Entsorgungsfragen. Da die Atomkraftwerke trotz der ungelösten Entsorgungsfrage weiter laufen, kommen jährlich 400 t hochradioaktiven Atommülls zum bereits existierenden Atommüllberg hinzu. Im Jahr 2030 wird die Bundesrepublik mit etwa 24.000 m³ hochradioaktivem Atommüll irgendwie umgehen müssen, weil es immer noch keine Lösung gibt. Ein Millionstel Gramm des radioaktiven Schwermetalls, eingeatmet in die Lunge, reicht, um Krebs zu verursachen. Wir sprechen hier von 24.000 m³. Auch das Märchen vom billigen Atomstrom kann man allein durch die Zahlen des letzten Castor-Transportes widerlegen. Der vergangene Castor-Transport hat das Land Niedersachsen 25 Millionen € gekostet.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Und warum?)

Die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und auch der Betrieb von Atomkraftwerken sind energiepolitisch kontraproduktiv.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist rückwärtsgewandt und gefährlich. Atomkraft ist keine geeignete Brückentechnologie hin zu den erneuerbaren Energien. Die Atomkraft gefährdet zudem die Existenz der kommunalen Energieversorger, die zunehmend auf erneuerbare Energien setzen.

(Ranka Prante)

Aus den oben genannten Gründen fordern wir die sofortige Stilllegung der drei Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern den Stopp des Baus der drei geplanten Kohlekraftwerke in und um Brunsbüttel. Wir fordern außerdem einen ökologisch unbedenklichen und zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Ferner fordern wir die Überweisung des Antrages „Kohlekraftwerke in Brunsbüttel“ an den Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bedanke ich mich im Namen der Grünen-Fraktion für die Berichte der Landesregierung. Jedoch bleibt nach dieser höflichen Eingangsbemerkung nur Platz für Enttäuschung, für Wut und für Verachtung einer schwarz-gelben Politik, die unser Land um Jahrzehnte zurückwirft.

Der Bundestagsabgeordnete Wadephul - hier im Haus kein Unbekannter - klagt, es sei nicht hinreichend klar, wofür die CDU stehe, was ihr Markenzeichen sei. Dabei ist völlig klar, was das Markenzeichen der CDU ist. Die Energiepolitik der CDU ist von gestern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie setzen auf Großkraftwerke, die die Netze für Zukunftsenergien verstopfen. Sie verlängern die Laufzeit von Atomkraftwerken. Sie bauen neue Kohlekraftwerke. Sie setzen auf alte Technik und sprechen von Revolution.

Der Atomkonsens bedeutete keineswegs den Sofortausstieg. Krümmel durfte danach bis 2016, Brokdorf bis 2018 weiter laufen. Das war also ein sanfter Übergang oder - wie es das Gesetz formuliert - eine geordnete Beendigung des Atomzeitalters. Es war also eine Brücke in ein neues Zeitalter.

Die CDU und der FDP-Bundeswirtschaftsminister reden bei der Laufzeitverlängerung von Übergangstechnologien, von Brücken. Die erneuerbaren Energien sind allerdings viel erfolgreicher als man ursprünglich annahm. Sie übertreffen regelmäßig

die Erwartungen. Gemessen an den Annahmen von gestern ist die Brücke also kürzer geworden. Sie wollen mit dem neuen Gesetz die Brücke aber verlängern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie lassen zwei Systeme, die nicht zusammenpassen, aufeinander zulaufen. Nach 2015 ist rechnerisch Schluss mit dem weiteren Ausbau der Windenergie, würde man die Ausbaudynamik von heute hochrechnen.

Die CDU fragt sich, wo das Konservative geblieben ist. Meine Damen und Herren, die Fakten geben eine Antwort. Konservativ à la CDU heißt: auf dem Schoß der Großkonzerne sitzen und ein taktisches Verhältnis zu Mittelstand und kommunaler Energiewirtschaft pflegen. Vier gewinnen, Millionen verlieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Konservativ à la CDU heißt: unklare Maßstäbe, unklare Sprache. Atomkraftwerke nicht abschalten und Kohlekraftwerke neu bauen heißt auf CDUDeutsch: ausgewogener Energiemix. Dabei spielen Vernebelungswörter wie Entsorgungspark eine Rolle. Alternative Standorte insbesondere im Süden der Republik werden nicht gesucht. Eine angeblich ergebnisoffene Standortsuche findet also nicht statt.

Meine Damen und Herren, in Schweden und in der Schweiz werden zahlreiche Alternativen intensiv geprüft. In Deutschland spielt nur Gorleben eine Rolle. Ist das ergebnisoffen, meine Damen und Herren? Da lachen doch die Hühner.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem Asse abgesoffen ist, heißt es nun: fröhlich auf nach Gorleben.

Die CDU, so sagt Herr Wadephul, wolle die Politik am Blickwinkel unserer Kinder ausrichten. Daher wird das Atomprogramm verlängert, obwohl es kein Endlager gibt. Unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wir Müll für die Ewigkeit von Strom, den wir verbraucht haben werden. Die CDU eignet sich die Wortwahl der Grünen an, macht aber nicht die dazu passende Politik. Glauben Sie denn, das merkt keiner hier im Land?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Konservativ à la CDU heißt: verstecken hinter sogenannten Grenzwerten. Das Milligramm pro Kubikmeter Rauchgas multipliziert sich bei den Kohlegiganten in Brunsbüttel millionenfach zu Giftwolken, die den Acker unserer Heimat mit Feinstaub

(Ranka Prante)

kontaminieren und die Elbe mit Quecksilber belasten.

In Niebüll, Stadum und Leck verspricht die CDU, dass kein CO2 im Boden Nordfrieslands verpresst werde. In Brunsbüttel verspricht die CDU, dass Kohlekraftwerke nur dann genehmigt würden, wenn sie capture-ready errichtet werden. Die Bereitschaft zur CO2-Abscheidung, zur CCS-Technik, ist also Genehmigungsvoraussetzung für neue Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein. Der Minister hat das heute wiederholt.

Der Energieminister singt also unbeeindruckt das Lied von der sauberen Kohle weiter, auch wenn die Bauern im Umland von Brunsbüttel zu Hunderten auf die Straße gehen und rufen: Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben damit im doppelten Wortsinn recht. Kohle ist nicht sauber für die Umwelt. Kohle ist auch sozial nicht sauber, wenn zum Beispiel in Kolumbien für den Abbau unserer Importkohle Menschen umgebracht werden, wenn sie ihre Dörfer nicht räumen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Der 28. Oktober 2010 war ein schwarzer Tag für die deutsche Energiezukunft. An diesem Tag beschloss die schwarz-gelbe Koalition die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Eine Novelle des Atomrechts müsste doch zumindest die neue und wachsende Bedrohung durch terroristische Einwirkung berücksichtigen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere schlichte Frage nach Sicherheit, insbesondere gegen Terrorgefahren, wird wie folgt beantwortet:

„Das 11. und das 12. vom Bundestag verabschiedete Atomrechtsänderungsgesetz enthalten keine gesetzliche Regelung, dass die Inhaber einer Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zur weiteren Vorsorge gegen Risiken verpflichtet sind, innerhalb eines bestimmten Zeitraums nachzuweisen, dass bautechnische Maßnahmen zum Schutz des Reaktorgebäudes vor Flugzeugabstürzen nach Maßgabe im Einzelnen technisch näher auszuführender Spezifikationen in der jeweiligen Anlage verwirklicht sind.“

Reduziert auf das Wesentliche steht da also: Das Gesetz enthält keine Regelung. Daher sagte soeben Herr Minister Schmalfuß in seiner vornehmen und zurückhaltenden Art, er hätte es begrüßt, wenn der Bundesgesetzgeber durch eine gesetzliche Regelung sichergestellt hätte, dass sicherheitstechnische Nachrüstungen zur Hebung des Sicherheitsniveaus der betreffenden Anlagen zuvor realisiert worden wären.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Herr Minister, wir teilen die Sorge Ihres Hauses und der Reaktoraufsicht, dass Gefahren im Land gegeben sind. Von fünf alten und besonders gefährdeten Atomkraftwerken stehen zwei in Schleswig-Holstein. Der Innenminister ist heute in dieser Angelegenheit unterwegs.