Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Über die Sicherheit von Atomkraftwerken und ein Endlager für die neuen Mengen Atommüll wurde von der Bundesregierung und den Energiekonzernen allerdings weitgehend geschwiegen. Erst ein Schreiben von Justiz- und Atomminister Schmalfuß brachte dieses Thema wieder in den Fokus. Unser Dringlichkeitsantrag für die letzte Tagung fand leider keine Zustimmung bei CDU und FDP. Heute liegt uns ein schriftlicher Bericht von Minister Schmalfuß vor - auch mündlich hat er das bestätigt -, der die von uns in der letzten Tagung geforderten Informationen gibt. Er legt den Finger in die Wunde, die offen in der Frage des Atomausstiegs zwischen CDU und FDP klafft.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Hier muss ich der FDP im Land Respekt zollen;

(Beifall des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

sie steht zum Atomausstieg und damit gegen den Atomkompromiss. Ich weiß aus eigenem Erleben beim Thema CCS sehr wohl um die Schwierigkeit, gegen die eigene Bundespartei eine Position zu vertreten.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Sicherheit von Atomkraftwerken muss höchste Priorität haben. Es dürfte aber schwer werden, die Konzerne tatsächlich zur Finanzierung der erforderlichen Sicherheitsaufwendungen zu bringen.

(Olaf Schulze)

Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits auf unkalkulierbare Risiken für die jeweiligen Landesetats hingewiesen, die sich aus der im Bundestag beschlossenen Laufzeitverlängerung alter Atomkraftwerke ergeben. Wegen einer wohl vergessenen Entschädigungsvorschrift im Atomgesetz können sich Atomkonzerne die finanziellen Aufwendungen für anstehende Sicherheitsnachrüstungen bei den Ländern wiederholen. Dies wäre der finanzielle GAU für den Landeshaushalt mit den beiden störanfälligsten Atomkraftwerken Deutschlands.

Angela Merkel und ihre Regierung setzen die Errungenschaften der letzten Jahre aufs Spiel. Sie richten sich nach den Wünschen der vier großen Energiekonzerne, die Atomkraftwerke betreiben. Dies wird zur Schwächung der erneuerbaren Energien führen und die Investitionen der Stadtwerke in eine dezentrale, nachhaltige Energieversorgung und die Stellung von deutschen Unternehmen der Energiebranche auf dem Weltmarkt gefährden. Weil kein wirklicher Wettbewerb auf dem Strommarkt entstehen kann, werden auch Verbraucher unter dieser Entscheidung leiden.

Auch handwerklich machen die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen nur Murks. Ein Bundestagsverfahren, das im Plenum zu einem Eklat führte und von Bundestagspräsidenten Lammert wegen des Verdachts mangelnder Sorgfalt und wegen fehlender sachlicher Begründung der verlängerten Laufzeiten kritisiert wurde, wird der Dimension der Entscheidung nicht gerecht.

Der Zick-Zack-Kurs im Bundesrat zur Frage der Beteiligungsrechte steht im Widerspruch zur überwältigenden Mehrheit der Verfassungsrechtler, die eine Bundesratsbefassung als zwingend erforderlich ansehen. Ich hoffe sehr, dass Bundespräsident Wulff noch zu den Worten steht, die er als Ministerpräsident Niedersachsens seinen Regierungssprecher im Mai sagen ließ: „Niedersachsen geht davon aus, dass das Gesetz zustimmungspflichtig wird“, und er das Gesetz nicht unterschreibt. Dabei sollte das aktuelle eindeutige Angebot von Charlotte Roche allerdings nicht seine Entscheidung leiten.

Meine Damen und Herren, wir müssen weiter alles dafür tun, dass die Pläne der Bundesregierung niemals Wirklichkeit werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Auch zur Frage der Kohlekraftwerke in Brunsbüttel sollte das Parlament klar Stellung beziehen, wie es der Antrag der Linken vorsieht.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Zum nun vorliegenden Änderungsantrag von CDU und FDP kann man nur den Kopf schütteln. Nebulös formuliert, unterstützt der Antrag den Bau von Kohlekraftwerken in Brunsbüttel. Wenn ich Herrn de Jager richtig verstanden habe, sagt er ganz klar: Kohlekraftwerke dürfen nur noch gebaut werden, wenn sie CCS-ready sind. Sie dürfen nur noch gebaut werden, wenn eine Lagerung des CO2 erfolgen kann, allerdings nicht bei uns in SchleswigHolstein. Wir wollen zwar die Kohlekraftwerke, aber die Einlagerung wollen wir hier nicht haben. Dafür kämpfen wir, und dafür werden wir uns einsetzen. So die Regierung.

Wo soll das denn eingelagert werden, wenn nicht in Schleswig-Holstein? Wollen Sie das nach Niedersachsen exportieren, die auch schon angekündigt haben, dass sie das nicht haben wollen?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Dann seien Sie doch endlich ehrlich und sagen: Kohlekraft hat keine Zukunft mehr. Wenn Sie weiter für Kohlekraft sind, seien Sie ehrlich und sagen Sie den Menschen: Dann müssen wir auch das CO2 hier verpressen, und dafür stehen wir als Landesregierung ein. Das müssen Sie den Menschen sagen. Sie können nicht auf der einen Seite gegen die CO2Einlagerung und auf der anderen Seite für neue Kohlekraftwerke sein, während sich der Minister hinstellt und sagt: Das geht gar nicht. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Es ist eine gute Nachricht, dass immer mehr Stadtwerke in Deutschland der Energieerzeugung durch Kohle die rote Karte zeigen und ihre Investitionen zurückziehen.

(Johannes Callsen [CDU]: Gegen alles und kein Konzept!)

Was wir brauchen, ist eine Energiepolitik, die neben den Eckpfeilern Energieeinsparung und Energieffizienz ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt. Hierbei ist die Windenergie auf dem Land und auf dem Meer der wichtigste Baustein für unser Land.

Ich freue mich sehr, dass zur Kabelanbindung für Offshore-Windkraft im Wattenmeer ein guter Kompromiss zwischen Antragsteller und Naturschutzverbänden gefunden worden ist. Dies zeigt,

(Olaf Schulze)

wie wichtig die haupt- und ehrenamtliche Arbeit der Naturschutzverbände ist. Durch weniger Kabel und nur noch eine Trasse wird die einzigartige Natur im Wattenmeer geschont, und es wird ein wichtiger Schritt für die Realisierung der künftigen Offshore-Windparks vor unserer Nordseeküste erreicht. Ich hoffe sehr, dass die Bedeutung der Offshore-Windkraft insgesamt wieder mehr ins Bewusstsein der Landesregierung kommt. Nach unseren Gesprächen mit Wissenschaftlern wurde uns deutlich gemacht, dass das Wirtschaftministerium hier lange Zeit geschlafen hat und dass viele Forschungsaufträge durch Nichtstun jahrelang blockiert wurden.

(Beifall der Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ran- ka Prante [DIE LINKE])

Nicht nur in der Gesundheits- und Energiepolitik machen die aktuellen Regierungen in Bund und Land Politik für Lobbyisten und gegen die Bevölkerung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer einseitig auf die finanziellen Vorteile von nur wenigen setzt, gefährdet die Grundlagen des Allgemeinwohls und ruft Bürgerproteste ins Leben. Das wollen und werden wir verhindern; möglichst bald auch hier in Kiel.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich nun der Frau Abgeordneten Ranka Prante das Wort.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über drei Technologien. Es scheint so, als seien diese Technologien vergleichbar. Darum wurden die vier Anträge wohl auch zusammengelegt. Doch dies ist ein fataler Fehler in den Augen der LINKEN, denn Kohle und Atom gehören zu einer Energieerzeugung, die der Vergangenheit angehören muss, und zwar sofort. Beide, Atomkraft und Kohlekraft, zerstören unsere Umwelt, schaden der Gesundheit und sind mit den erneuerbaren Energien nicht zu vereinbaren.

Die andere Technologie ist die Offshore-Technologie. DIE LINKE befürwortet den Ausbau von

Offshore. Dies ist eine zukunftsfähige Technologie zur Energiegewinnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich fange mit den Kohlekraftblöcken in und um Brunsbüttel an: Um das 40-Prozent-Ziel der Bundesregierung bis 2020 einhalten zu können, bräuchten wir fossile Kraftwerke, die die durchschnittliche CO2-Emission von 368 g pro kWh nicht überschreiten. Die Kohleblöcke in Brunsbüttel erreichen aber CO2-Emissionswerte von mindestens 750 g pro kWh; also fast doppelt so viel. Zudem sollen die geplanten Kohlekraftwerke in Brunsbüttel CCS-ready gebaut werden, was mir noch einmal bestätigt worden ist. Sonst können sie nicht emissionsarm arbeiten und wirken. Das bedeutet, dass der Kraftwerksneubau für nachträgliche Installationen zur Abscheidung von CO2 vorbereitet wird.

Der Landtag hat in der 10. Tagung einem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zugestimmt, der eine Bundesratsinitiative zur Aufnahme einer Länderklausel in das CCS-Gesetz vorsieht, Drucksache 17/818. Dies sage ich noch einmal zur Erinnerung. Daher stellen wir unseren Antrag.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Gut aufgepasst!)

- Danke schön. Begründet wurde dieser durch die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP mit der generellen Ablehnung der CCS-Technologie für Schleswig-Holstein. Der Bau der geplanten CCS-ready-Kohlekraftwerke widerspricht dieser Begründung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die drei Kohlekraftwerke werden die von der Bundesregierung für 2020 angestrebte Minderung des nationalen Kohlendioxidausstoßes um 40 % gegenüber 1990 ohne die CCS-Abspeisung nicht erreichen. Zudem bleibt zu befürchten, dass bei der tatsächlichen Anwendung der CCS-Technologie für die Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein der nächste Schritt die Installation eines Endlagers für CO2 in Schleswig-Holstein ist. Das würde bedeuten, dass wir dieser Landesregierung einmal wieder nicht trauen können.

16 Millionen t CO2 würden pro Jahr aus Brunsbüttel in die Luft gehen. Das entspricht dem ungefähren CO2-Jahresverbrauch von Schleswig-Holstein. Auch Ihr schwammig formulierter Änderungsantrag kann dies nicht vertuschen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.

(Beifall bei der LINKEN)

(Olaf Schulze)

Ich würde sogar behaupten, Sie haben den Inhalt unseres Antrags entweder nicht verstanden oder verständlicherweise nicht verstehen wollen, wie ich es eben gehört habe. Es geht nicht um eine Bevormundung von Betrieben, sondern unter anderem um die Vermeidung von CCS- Technologie in Schleswig-Holstein und damit auch um die von Ihnen gewollte Länderklausel gegen die CCS-Technologie. Ich möchte aber auch gleich klarstellen, dass wir uns durch die Studie „Klimaschutz: Plan B 2050“ von Greenpeace in unserer Grundforderung bestätigt sehen, dass wir keinerlei neue Kohlekraftwerke brauchen; egal ob mit oder ohne CCS.

(Beifall bei der LINKEN)

Kohle ist unter den fossilen Energieträgern der Rohstoff mit dem höchsten Kohlenstoffanteil. Bei der Verbrennung einer Tonne Steinkohle wird nicht nur Wärme, sondern auch jede Menge Kohlendioxid, nämlich 2,68 kg, freigesetzt. Wenn wir - wie die Landesregierung immer wieder gesagt hat - auf Offshore setzen wollen, dann sollten Sie sich die dazu vorhandenen Gutachten in Bezug auf Kohlekraft und Offshore durchlesen. Der Ausbau von Kohlekraft schließt den Ausbau von Offshore-Anlagen aus. Sie müssen sich schon entscheiden. Moderne Kohlekraftwerke sind aus technischer Sicht und aus Kostensicht auf eine hohe Auslastung festgelegt. Die Verwendung von hohen Temperaturen und Drücken, die für einen Wirkungsgrad von 46 % erforderlich sind, reduzieren die flexiblen Einsatzmöglichkeiten und schlagen sich in den Investitionskosten nieder. Um es kurz zu fassen: Kohlekraftwerke sind nicht flexibel steuerbar und somit nicht teamfähig mit der Windkraft.

Abweichungen vom Grundlastbetrieb gehen vor allem bei modernen Kohlekraftwerken mit hohen Wirkungsgradverlusten einher. Auch der Ausbau des Stromnetzes widerspricht dem Gesagten der Landesregierung. Durch die bisherige verzögerte Netzverstärkung in Schleswig-Holstein werden allein heute schon circa 15 % der Jahresleistung der installierten Windkraftanlagen abgeschaltet, da der Strom nicht ins Netz gespeist werden kann. Wenn Sie es also mit dem Ausbau von Windkraft in Schleswig-Holstein ernst meinen, dann sollten Sie unserem Antrag zustimmen,