Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

Das Wort hat nunmehr die Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehört zu den Binsenweisheiten internationaler

(Bernd Voß)

Zusammenarbeit, dass beschlossene Resolutionen immer nur so gut sind, wie sie vor Ort umgesetzt werden. Das gilt nicht nur für die anstehende UNKlimakonferenz in Kopenhagen, sondern auch für die regionale Zusammenarbeit im Ostseeraum.

Die Ostseeparlamentarierkonferenz stellt die parlamentarische Dimension der Ostseekooperation dar, und sie ist eine notwendige Vertiefung der Arbeit des Ostseerats. Die Ostseeparlamentarierkonferenz ist also kein Parlament. Aus Sicht des SSW gehört die Ostseekooperation außerdem zu den Kernaufgaben des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Ich hebe diesen Punkt ausdrücklich hervor, weil in den letzten Jahren nicht immer ganz klar war, ob dies von einer Mehrheit des Landtags weiterhin so gesehen wird. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich die Aussage unseres neuen Landtagspräsidenten in seiner Rede zu seiner Wahl am 27. Oktober, dass der europäische Bezug unserer Parlamentarierarbeit seines Erachtens gestärkt werden sollte und gestärkt werden muss.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Jens-Christian Magnussen [CDU] sowie vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das sollte für die Ostseezusammenarbeit gleichermaßen gelten. Zum einen ist sie mit der OstseeStrategie der EU nun wirklich in der EU angekommen; zum anderen ist das dichte Netzwerk der Ostseekooperation Ausdruck für gelebte europäische Politik. Ich rufe daher in Erinnerung, dass es ein Merkmal der Zusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten ist, dass sich regionale Parlamente und nationale Parlamente gleichberechtigt daran beteiligen. Ich füge hinzu, dass mit der Gründung des Parlamentsforums Südliche Ostsee eine Lücke in der Zusammenarbeit der Südregionen des Ostseeraums geschlossen wurde.

(Beifall der Abgeordneten Anette Langner [SPD])

Zu den Inhalten in unserem nunmehr gemeinsam gestellten Antrag hier und heute ein paar Anmerkungen: Der SSW steht dazu, dass kein Weg daran vorbeigeht, die Umweltbelastung durch die Schifffahrt deutlich zu reduzieren. Mit guten Worten allein werden wir die Ostsee nicht retten können. Das Konzept Clean Baltic Shipping ist mit anderen Worten genauso notwendig wie die Umsetzung des HELCOM-Aktionsplans insgesamt. Ich finde es gut, dass unsere neue FDP-Kollegin das noch einmal ausdrücklich in ihrer Rede hervorgehoben hat.

Auch wenn es um die Entwicklung von grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten im Ostseeraum geht, muss Schleswig-Holstein am Ball bleiben, zumal wir mit den Erfahrungen aus dem deutsch-dänischen Grenzland auch wirklich punkten können.

Hinzu kommt, dass auch die Einbeziehung der nationalen Minderheiten - der dänischen, der friesischen und der deutschen Minderheit in Dänemark etwas Besonderes darstellt. Mit der Analyse des Schleswig-Holsteinischen Landtags aus der letzten Wahlperiode zu den besonderen sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der Minderheiten ist deutlich geworden, dass nationale Minderheiten für eine Region durchaus ein Standortfaktor sind und dass sie zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit - sprich, auch wenn es um die Etablierung grenzüberschreitender Arbeitsmärkte geht - etwas beitragen können. Stichworte sind hier Brückenbau und Kulturenvermittlung.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Unser interfraktioneller Antrag enthält als Letztes die Aufforderung an die Landesregierung, dem Landtag über die Umsetzung der im Antrag genannten Ziele zu berichten. Das ist gut so, weil damit auch eine Dynamik im Umsetzungsprozess gesichert ist. Für die Landesregierung bedeutet dies, dass sie dem Landtag gegenüber auch in der Pflicht steht darzulegen, wieso sie glaubt, dass alles besser werden kann, ohne dass die Zuständigkeiten für Europa-Angelegenheiten bei einem eigenständigen Europaminister oder einer Europaministerin angesiedelt sein soll. Ich bin gespannt auf die Berichterstattung und denke, dass wir dann auch damit weiter arbeiten werden.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei CDU und FDP)

Für die Landesregierung spricht der stellvertretende Ministerpräsident. Herr Minister Dr. Garg, Sie haben das Wort.

Dr. Heiner Garg, Stellvertreter des Ministerpräsidenten:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch die Partner der neuen Landesregierung haben sich ganz klar darauf verständigt, dass sich Schleswig-Holstein künftig noch stärker als bisher

(Anke Spoorendonk)

im europäischen Zusammenspiel darstellen wird und darstellen muss. Wir müssen im besten Sinne des Wortes Lobbyarbeit leisten und Grundlagen für frühzeitige Positionierung auch im europäischen Kontext ermöglichen. Diese Zielsetzung ist auch Grund für die Organisationsentscheidung, die Querschnittsaufgabe Europa in die Staatskanzlei zu holen. Ich bin sicher, mit der Ressorterweiterung der Staatskanzlei um die Europaangelegenheiten wird es uns gelingen, Schleswig-Holstein im harten europäischen Wettbewerb noch wirksamer als bisher zu positionieren. Denn eines müssen wir im Auge haben: Europäische Zusammenarbeit und Ostseezusammenarbeit sind keine Schön-Wetter-Themen. Das ist internationale Zusammenarbeit, das ist ein Zukunftsthema.

(Beifall bei FDP und CDU)

In unserer globalen Welt - und ganz besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - reicht es nicht aus, sich als zwar starke, aber kleine Region allein dem Wettbewerb zu stellen. Gerade heute kommt es darauf an, Kräfte zu bündeln, voneinander zu profitieren und gemeinsam die Herausforderungen der Zeit anzugehen.

Deshalb arbeiten wir zusammen mit den norddeutschen Ländern. Deshalb arbeiten wir zusammen mit unseren Nachbarn in Dänemark. Deshalb arbeiten wir zusammen mit unseren Partnern im Ostseeraum.

Da kommt es gerade recht, dass der Europäische Rat vor drei Wochen eine EU-Strategie für den Ostseeraum beschlossen hat. Diese EU-Strategie wird der Entwicklung unserer Ostseeregion einen zusätzlichen Schub geben. Genau den wollen wir nutzen.

Heute stehen zwei Resolutionen des Parlamentsforums Südliche Ostsee und der Ostseeparlamentarierkonferenz zur Debatte. Die Parlamente des Ostseeraums haben beide Resolutionen parteiübergreifend beschlossen. Die Landesregierung begrüßt die einvernehmlich gefassten Beschlüsse. Selbstverständlich werden wir auch unseren Teil zu deren Umsetzung beitragen. Die Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene halte ich für ganz besonders wichtig, um die Partner rund um die Ostsee noch enger zusammenrücken zu lassen. Deshalb begrüße ich es sehr, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag an den Beratungen der Ostseeparlamentarierkonferenz beteiligt.

Ich freue mich auch, dass die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg dem Parlamentsforum beigetreten ist. Über die Beschlüsse der Ostseepar

lamente freue ich mich ganz besonders, weil dem meerespolitischen Anliegen weiterhin großes Gewicht gegeben wird. Die Beschlüsse folgen einer integrativen Meerespolitik, wie sie SchleswigHolstein schon seit Längerem verfolgt.

Die maritime Wirtschaft unserer Region zu fördern und den Zustand der Ostsee nachhaltig zu verbessern, war und bleibt unser Ziel. Wirtschaft und Natur in Einklang zu bringen - das ist die Basis für jede zukunftsgerichtete Politik. Deswegen begrüße ich die breite Unterstützung der schleswig-holsteinischen Initiative für Clean Baltic Shipping.

Der Fünf-Punkte-Aktionsplan hat die Zustimmung von sechs Ostseeorganisationen und vom Deutschen Bundestag erhalten. Die EU-Kommission hat die Projektkomponenten in ihren besagten Aktionsplan zur EU-Ostseestrategie aufgenommen. Dadurch haben wir nun auch den Segen des Europäischen Rats für das Konzept. Das ist ein ganz großer Erfolg, den wir uns alle gemeinsam auf die Fahne schreiben dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei FDP und CDU sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Innerhalb der Ostseekooperation hat für SchleswigHolstein die Kooperation mit Dänemark herausragende Bedeutung. Hier bestehen die engsten Kontakte.

Bis 2018 will Dänemark die Fehmarnbelt-Querung bauen. Für Schleswig-Holstein bedeutet das neue Chancen auf Wachstum und Arbeitsplätze. Es muss uns gelingen, die Querung für mehr Wertschöpfung und für Wohlstand zu nutzen. Daran wird diese Regierung gemeinsam mit allen arbeiten, die mit anpacken wollen. Für die Landesregierung ist dabei die Kooperation auf der Jütlandroute ein Vorbild. Trotz der Wirtschaftskrise pendeln immer noch rund 12.000 Deutsche nach Dänemark. Der Landesteil Schleswig und die Region Süddänemark wachsen langsam zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Arbeitsregion zusammen. Im Norden unseres Landes darf das gern noch mehr Fahrt aufnehmen. Spätestens ab 2018 muss uns das dann auch auf der Fehmarn-Route gelingen.

Meerespolitik und die Kooperation mit Dänemark beide Beispiele machen deutlich, dass es bei der europäischen Kooperation und bei der Ostseekooperation um knallharte schleswig-holsteinische Interessen geht. Es geht darum, für die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins das Beste zu erreichen. Es geht um Arbeitsplätze, es geht um Wachs

(Stellvertreter des Ministerpräsidenten Dr. Heiner Garg)

tum und Wohlstand, es geht aber genauso um den sozialen Zusammenhalt. Es geht schlicht darum, unser Land weiter voranzubringen. Dafür wird diese Landesregierung hart arbeiten, und alle hier im Hohen Haus sind eingeladen, uns auf diesem Weg weiter konstruktiv, aber selbstverständlich auch gern kritisch zu begleiten.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Ich danke dem stellvertretenden Ministerpräsidenten für diesen Bericht der Landesregierung. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden.

(Zuruf der Abgeordneten Anette Langner [SPD])

- Doch, Frau Abgeordnete Langner, der Abgeordnete Niclas Herbst hat vorhin Ausschussüberweisung beantragt, so habe ich seinen Beitrag verstanden. - Ich sehe, dass er jetzt den Kopf schüttelt. Dann ist keine Ausschussüberweisung sondern Abstimmung in der Sache beantragt worden. Dann kommen wir zur Abstimmung zu a), Umsetzung der Resolution des 7. Parlamentsforum Südliche Ostsee, Drucksache 17/18 (neu). Ich bitte um das Handzeichen, wer dem zustimmt. - Gegenprobe! Stimmenenthaltungen? Damit ist der Antrag 17/18 (neu) einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung zu b) 18. Ostseeparlamentarierkonferenz, Drucksache 17/19 (neu). Auch hier bitte ich um Abstimmung. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/19 (neu) einstimmig angenommen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 14 und 24 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Unverzügliche Neuordnung der Trägerschaft im SGB II

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/22

b) Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen aus einer Hand erhalten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/37

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn. Das ist ihre erste Rede.

(Beifall)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Schleswig-Holstein erhalten nach aktueller Auskunft der Bundesagentur für Arbeit mehr als 220.000 Arbeitsuchende und ihre Angehörigen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Bundesweit sind es fast 7 Millionen Menschen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2007 - ich wiederhole: 2007! - entschieden, dass die Mischverwaltung aus Agentur für Arbeit und Kommunen verfassungswidrig ist.

Wir Grünen fordern jetzt eine unverzügliche Neuordnung der Trägerschaft im Sozialgesetzbuch II. Warum? Dadurch, dass das Arbeitslosengeld I dem Arbeitslosengeld II vorgeschaltet ist, werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in diesem Bereich zeitverzögert ankommen. Aber sie werden dort ankommen, meine Damen und Herren. Daran gibt es leider keinen Zweifel. Deswegen ist es wichtig, jetzt zu handeln. Oder stimmen etwa die Gerüchte, die ich höre, dass die neue Bundesregierung erst die Wahlen in NRW abwarten möchte? Das will ich nicht hoffen, denn aus meiner Sicht wäre das unverantwortlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN - Zuruf)