Holstein, sondern der Reichtum nimmt in ganz Deutschland zu. Auch das wollen wir einmal aneinander gegenüberstellen. Es muss untersucht werden, welche Ursachen es gibt und welche Bedingungen dazu führen, dass es hier bei uns immer mehr Millionäre gibt. Auch das müsste man einmal diskutieren.
Es müssten auch Maßnahmen ergriffen werden, damit letztlich die von oben das Geld auch nach unten geben.
Wenn diese beiden Teile, Armut und Reichtum, gleichzeitig wachsen, dann zeigt sich daran eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, dann kann und muss man darauf verteilungspolitische Antworten finden. Und die wollen wir in einem ersten Schritt feststellen. Wir wollen hier nicht über Einzelpunkte diskutieren, sondern hierzu einen Bericht vorgelegt bekommen, damit wir dem auch allumfassend in Schleswig-Holstein begegnen können.
Eine Berichterstattung ersetzt nicht die Politik, aber ein wissenschaftlich erarbeiteter Armutsund Reichtumsbericht kann eine Politik der ernsthaften Armutsbekämpfung voranbringen.
Ja, das mache ich. - Wenn die Politik in dieser Hinsicht versagt, dann wird ein solcher Bericht es natürlich auch abbilden. Das ist das Risiko schlechter Sozialpolitik. Aber dieses Risiko ist immer noch leichter zu tragen als wachsende Armut in unserem Land.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Armut ist ein Thema und ein Problem in unserer Gesellschaft. Davon betroffen sein können viele Menschen, auch unterschiedliche Gruppen. Das
können Jüngere sein; das können Alleinerziehende mit Kindern sein; das kann auch der Selbstständige sein, der in Not gekommen ist, weil seine Firma nicht mehr läuft. Es kann auch die Älteren treffen: im Alter fit, aber kaum Geld zum Leben. Das kann es durchaus geben.
Etwa ein Fünftel der Bürger in Deutschland sind nach dem, was wir bisher wissen, davon betroffen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir uns auch in Schleswig-Holstein mit dem Armutsproblem und den möglichen Wegen da raus intensiv beschäftigen. Dies wollen wir den betroffenen Menschen mit dem Antrag, dem folgenden Bericht der Landesregierung und den anschließenden Beratungen auch deutlich signalisieren.
Es ist ein gutes Zeichen, dass CDU, FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW sich auf einen gemeinsamen Antrag verständigt haben.
Frau Kollegin Jansen, wenn man Ihrer Rede zugehört hat, ist doch eigentlich eins klar: Sie kennen bereits das Ergebnis und suchen jetzt nur noch nach den Daten. Das ist die Erhebungsfrage, die Sie hier stellen. Eigentlich brauchen Sie doch gar keine Daten mehr, wenn Sie schon alle Erkenntnisse für die Schlussfolgerung haben.
Sie beantragen, zusätzliches Personal einzustellen. Das wollen wir nicht, und das halten wir auch nicht für notwendig.
Wir haben hinreichende Informationen aus dem EU-Bericht 2010. Wir haben die Bundesberichte 2001, 2005, 2008 und bekommen jetzt den für 2011. Wir haben im Parlament 1999 eine Debatte dazu geführt, wir haben zwischenzeitlich über Kinderarmut, den Kindergesundheitsbericht, all diese Themen diskutiert. Ich glaube, wir haben eigentlich weniger ein Analyseproblem - da sind wir eigentlich schon weiter, als auf dem Stand, auf dem Sie augenblicklich hier diskutieren.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt hinzusetzen. Armut wird nicht dadurch weniger, dass noch mehr Statistiken erstellt werden. Armut wird dadurch weniger, dass man auf die wirklichen Ursachen kommt, sich mit ihnen beschäftigt und den politischen Willen zur Veränderung hat.
Armut ist im Übrigen auch nicht immer ein materielles Problem, es gibt auch eine Armut, die sich bei der Bildung ausdrücken kann, manchmal kann sie sich auch im Geist ausdrücken, manchmal kann sie sich auch im sozialen Verhalten ausdrücken
- natürlich nicht in diesem Haus -, sie kann sich auch in Persönlichkeitsfragen ausdrücken. Das ist also ein Thema, das wir nicht allein auf Statistiken und Zahlen reduzieren sollten. Das ist eine Frage, die gesamtgesellschaftlich anzupacken ist.
Es ist klar, dass das Thema nicht nur für sich, sondern auch in die Gesamtentwicklung der Gesellschaft eingeordnet werden muss. Deshalb beinhaltet der Antrag auch folgerichtig, sich mit der Vermögensentwicklung zu beschäftigen, denn natürlich ist die Gesamtfrage etwas, was sich darin widerspiegelt.
Unübersehbar ist - das, was sie jetzt hören, hätten Sie in diesem Parlament schon seit Jahren, als Sie noch nicht dabei waren, hören können -, dass die Schere in der Gesellschaft auseinandergeht. Das haben wir auch deutlich gesagt. Es ist allerdings auch deutlich, dass viel getan wird, um die Lebens-, Bildungs- und Entwicklungschancen zu fördern. Ich nenne hier beispielhaft die Themen Betreuung, Kindergarten, Bildung, Hartz IV. Gerade in den letzten Jahren wurde viel getan, um hier gegenzusteuern. Das wollen wir bei dieser Debatte schon vorweg deutlich gesagt haben.
Vielleicht kann ein solcher Bericht, der bis zur Sommerpause vorgelegt werden soll, auch dazu beitragen, dass wir Effektivitätssteigerungsvorschläge bekommen. Denn ich glaube, dass in den verschiedenen Systemen zum Teil dadurch noch Luft ist, dass sich vieles noch nicht so effektiv darstellt, wie es möglich wäre. Es wäre schön, wenn die Regierung auf diesen Aspekt auch einen Blick werfen könnte.
Frau Präsidentin, wie immer bin ich präsidiumsund zeitfreundlich, ich nutze die Zeit nicht voll aus. Es ist alles gesagt, und wir freuen uns auf die Beratungen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kalinka. - Ich erteile für die SPD-Fraktion dem Kollegen Wolfgang Baasch das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Armut bemisst sich nicht nur am Mangel an Geld, sondern auch an mangelnder Teilhabe an zentralen Lebensbereichen wie Bildung, Erwerbsarbeit, gesundheitliche Versorgung, Wohnen und Kultur. Als armutsgefährdet gelten nach EU-Standard Menschen, deren Einkommen weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Bevölkerung beträgt. Legt man die Zahlen des 3. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung von 2008 zugrunde, gilt eine Armutsrisikoquote zwischen 13 und 18 % in der Bundesrepublik - je nach Methodik der Datenerhebung.
Neben den Daten aus dem 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fordern aber auch andere, wie zum Beispiel das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen, auf, sich mit der Lebenssituation von in Armut lebenden Menschen auseinanderzusetzen.
So besagt das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besteht. Zu diesem menschenwürdigen Existenzminimum gehört nicht nur die Sicherung der physischen Existenz, sondern eben auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.
Das Bundesverfassungsgericht macht mit seinem Urteil deutlich, dass die aus unterschiedlichsten Gründen auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesenen Menschen keine Almosen-Empfänger sind, sondern als Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf eine menschenwürdige Existenz haben. Das beinhaltet auch, dass die Unterstützungsleistungen nach klaren Kriterien und nicht nach Kassenlage der öffentlichen Haushalte zu gewähren sind.
Im Klartext bedeutet dies, dass das berühmte Lohnabstandsgebot nicht durch die Senkung der Leistungen für hilfsbedürftige Menschen und damit durch die Gefährdung des Existenzminimums verwirklicht werden darf. Vielmehr bedeutet es für mich, dass endlich Mindestlöhne dafür sorgen, dass nicht immer mehr Menschen, die Vollzeit arbeiten, auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
Oder um es noch klarer und eindeutiger auszudrücken: Mindestlöhne sorgen für soziale Gerechtigkeit und helfen, Armut zu vermeiden. Die Tatsache, dass selbst eine Vollbeschäftigung nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern, muss in der Regel als Sozialmissbrauch durch Unternehmen bezeichnet werden, die zu geringe Löhne zahlen und darauf vertrauen, dass ein Ausgleich aus Steuermitteln vorgenommen wird.
Arbeitslosigkeit ist eine der wichtigsten Ursachen, warum Menschen in Armut rutschen. Arbeitslosigkeit führt zu finanzieller Not, dem Verlust sozialer Sicherheit und dem Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Durch Arbeitslosigkeit der Eltern werden auch Kinder in Mitleidenschaft gezogen. Kinderarmut zu bekämpfen, ist eine Herausforderung, der wir uns alle vordringlich stellen müssen. Kinderarmut begegnet man, indem man die Einkommensarmut der Eltern beispielsweise durch Integration in den Arbeitsmarkt abbaut. Es gilt aber auch, die Familien- und Erziehungskompetenz zu fördern, Alltagshilfen für Familien zu stärken, Kindergesundheit zu fördern und den Ausbau einer kinder- und familienfreundlichen Infrastruktur voranzubringen. Dazu gehören natürlich gebührenfreie Kinderbetreuungseinrichtungen und ein umfassendes Ganztagsschulwesen.
Ich will noch in kurzen Stichworten aufzeigen, dass es auch spezifische Formen der Armut gibt, die in unserer Gesellschaft vorhanden sind. So tragen Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren ein besonders hohes Armutsrisiko. Eine Gruppe, die stark armutsgefährdet ist, ist die Gruppe der Migrantinnen und Migranten. Die Armutsgefährdungsquote der Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit liegt weit über dem Durchschnitt der gesamten Bevölkerung. Im 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird die Zahl der Menschen, die in der Bundesrepublik als wohnungslos gelten, auf etwa 250.000 Personen geschätzt - auch eine Zahl, die uns sicher anregt, darüber nachzudenken, was das für Schleswig-Holstein bedeutet.
Die Armuts- und Reichtumsberichtserstattung bedeutet aber auch, sich mit der Verteilungsgerechtigkeit in unserem Land zu beschäftigen.
und schwer überwindbar wahrgenommen, kann das die Akzeptanz der demokratischen Gesellschaftsordnung und unserer Wirtschaftsordnung infrage stellen. Das gilt vor allem dann, wenn große Teile der Bevölkerung an den Einkommenszuwächsen der Gesellschaft nicht mehr teilhaben. Wenn 2007 allein die 50 reichsten Deutschen ihr Vermögen um insgesamt 50 Milliarden € steigern konnten, dann zeigt dies das krasse Missverhältnis zur Einkommensund Vermögensentwicklung der großen Mehrheit in unserer Bevölkerung.
Der reiche Teil der Gesellschaft muss angemessen an den sozialen Aufgaben beteiligt werden, so an der Bekämpfung der Kinderarmut, an der Stärkung der Familien, an der Vermeidung von Altersarmut und der Finanzierung unserer Sozialversicherung. Das bedeutet, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben beteiligt werden muss. Darum ist es eindeutig: Wir brauchen eine Reform der Erbschaftsteuer sowie die Wiedereinführung der Vermögensteuer und andere faire Umverteilungsmechanismen.