Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Denn Reichtum verpflichtet auch zu sozialer Verantwortung.

Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung kann uns viele Erkenntnisse zu sozialen Problemlagen in unserem Land liefern, die dann eine Grundlage für das politische Handeln darstellen. Daher ist es gut, uns über die Entwicklungen in unserem Bundesland berichten zu lassen.

Abschließend will ich einen Dank an die Kollegin Frau Bohn und den Kollegen Andresen richten: Dass wir eine gemeinsame Beratungsgrundlage gefunden haben, ist ganz prima. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen im Ausschuss und auf den Bericht der Landesregierung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Wie wichtig das Thema der SPD ist, sehe ich gerade an der Teilnahme an der Diskussion. Ich finde das sehr interessant und spannend. Die FDP ist immerhin noch zu 50 % anwesend. Es ist mir sehr wichtig, das einmal darzustellen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

- Über Qualität können wir uns auch noch unterhalten.

Wir haben wieder viel soziale Rhetorik gehört. Wir haben gehört, warum wir dringend einen Armutsund Reichtumsbericht brauchen. Ich frage mich dabei natürlich, warum jetzt eigentlich nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle zwei Jahre?

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Haben wir ge- ändert!)

- Sie haben ja Ihren Antrag geändert.

Vielleicht ist ja die Erkenntnis gekommen, dass es doch sehr hohe Kosten verursacht. Aber ich frage mich auch, warum Sie es eigentlich als jährlichen Armuts- und Reichtumsbericht wieder reinbringen. Warum fordern Sie eigentlich nicht einen Bericht zur gesellschaftlichen Entwicklung? Ich glaube, das würde dem Thema viel mehr gerecht werden. Das, was Sie tun, dient wieder nur der üblichen Polarisierung und der üblichen Spaltung.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Michael von Abercron [CDU])

Meine Damen und Herren, die Liberalen - das wird Sie sicherlich nicht überraschen - halten Ihren Antrag grundsätzlich für nicht zielführend.

Die statistische Erfassung von Daten wird durch die Statistikämter geleistet. Wissenschaftlich aufbereitet werden die Daten durch diverse Institute. Politische Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, ist Aufgabe der Parlamente. Ich sehe nicht, was von staatlicher Seite hier noch zu leisten wäre. Es gibt Berichte, Zahlen, Daten, Veröffentlichungen zu diesem Thema. Das ist hier alles dargestellt worden. Weitere Aufgaben lehnen wir - ehrlich gesagt ab. Es widerspricht der Haushaltskonsolidierung.

Die Einstellung von weiterem Personal - das habe ich ausgeführt - ist nicht möglich. Ich will mich auch nicht bemühen, noch einmal den Armutsbegriff zu definieren. Das hat Kollege Baasch eben am Anfang seiner Rede versucht. Ich bin mir sehr sicher, dass wir alle hier wissen, was der Begriff

(Wolfgang Baasch)

Armut beinhaltet. Ich bin mir sicher, dass jeder von uns in seinem Umfeld von Menschen weiß, die mit Armut zurechtkommen müssen. Da denke ich auch ganz gezielt an viele Rentner und Pensionäre, die mit einem geringen Einkommen auskommen müssen.

Von Ihrer Seite aber wird der Begriff Armut immer wieder als Kampfbegriff instrumentalisiert. Bei Ihnen geht es um Pauschalierung und Panikmache. Sie konstruieren etwas, um es als Vehikel zu benutzen, die Politik der bürgerlichen Parteien als unsozial darzustellen. Das ist durchschaubar, und ehrlich gesagt, glaubt Ihnen das auch schon keiner mehr. Sie haben keine Lösung.

Ich möchte gern, dass wir im Ausschuss eine sachliche Debatte führen. Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, gemeinsam einen Antrag hinzubekommen. Ich freue mich, dass es dem Ministerium möglich gemacht wurde, in einer angemessenen Zeit, die ihm zur Verfügung gestellt wird, diese Berichterstattung durchzuführen.

Ich würde von Ihnen gern hören, welche Konsequenzen Sie für unsere Politik denn ziehen wollen? - Wir sagen Ihnen ganz klar: Vernünftige Arbeits-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik - das ist mehr, um Armut zu bekämpfen, als Sie mit Ihren rhetorischen Dingen immer wieder versuchen.

Wir haben, um es Ihnen noch einmal klar aufzuzeigen, schon einiges getan. Ein neuer Landesentwicklungsplan ist aufgelegt, mehr Freiräume für wirtschaftliche Entwicklung werden zugelassen. Wir entwickeln somit das Programm Arbeit weiter. Wir bauen Infrastruktur aus, wir unterstützen den Straßenbau - und nicht nur für die notwendigen konventionellen Straßen, sondern auch Datenautobahnen, die notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung sind.

(Zuruf)

- Haben Sie schon einmal etwas von Breitband gehört? - Sprechen Sie einmal mit Unternehmen, und fragen Sie, wie wichtig das ist, um in SchleswigHolstein zu bleiben. Wenn wir das nicht bieten, haben wir diese Arbeitsplätze nicht, und dann haben wir auch keine Menschen mehr, denen wir Arbeitsplätze anbieten können.

Gerade vorgestern - das haben Sie vielleicht auch schon wieder vergessen - haben wir das Schulgesetz verabschiedet, damit die Bildung unserer Kinder verbessert wird.

(Zurufe von der SPD)

- Das ist mir klar, dass Sie lachen müssen. Das hat Frau Erdsiek-Rave in Jahren nicht hinbekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir haben die Schulsozialarbeit eingeführt, das haben Sie auch nicht geschafft, und wir setzen uns endlich dafür ein, dass auch Hochbegabtenförderung vorgenommen wird.

Wir schaffen Voraussetzungen, damit Menschen in Arbeit kommen und nicht von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. Ganz klipp und klar: Eine gute Wirtschafts- und Bildungspolitik ist eine sehr gute Sozialpolitik.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Warum machen Sie denn keine?)

- Wir machen keine? - Keine Sorge, Herr Dr. Stegner!

Für uns ist es wichtig, dass wir Teilhabe- und Aufstiegschancen eröffnen. Das tun wir nicht nur darauf will ich noch einmal deutlich hinweisen durch das beitragsfreie dritte Kitajahr. Wenn Sie die Diskussionen verfolgt haben, wissen Sie, dass das keinerlei Auswirkungen hatte. Ich finde es wirklich faszinierend, dass Sie ignorieren, dass es auch in Ihrer Partei Menschen gibt, die noch den gesunden Menschenverstand haben und sagen: Es ist nicht finanzierbar.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es muss zentrale Aufgabe von Politik sein, Armut zu bekämpfen und allen Menschen gleiche Teilhabechancen zu ermöglichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Birte Pauls [SPD])

Es ist deshalb umso erschreckender, dass die Bundesrepublik im Vergleich der OECD-Staaten sehr schlecht abschneidet. Laut einer Studie der OECD steht Deutschland im Vergleich mit 31 anderen OECD- Staaten katastrophal da. Gerade in den Be

(Anita Klahn)

reichen wie Zugang zur Bildung oder Kinderarmut ist Deutschland auf einem der hintersten Plätze wiederzufinden. Die geringste Kinderarmut und den besten Zugang zu Bildung gibt es - wenig überraschend - laut Statistik in Dänemark, Schweden und Norwegen.

In Deutschland leidet jedes neunte Kind unter Armut, in Schleswig-Holstein jedes siebte, in Städten wie Kiel oder Lübeck sogar jedes dritte und in einigen Stadtteilen sogar weit über 50 %. In Dänemark leben hingegen nur 2,7 % aller Kinder in Armut. Das sollte uns allen zu denken geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander. Laut Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gibt es immer mehr Menschen, die zur Gruppe der Armen gehören, zusätzlich besitzen die Armen in dieser Gesellschaft immer weniger. Auch die Gruppe der Wohlhabenden wächst. Besonders dramatisch ist der Blick auf die Mittelschicht. Der Anteil der Mittelschicht an der Gesellschaft sinkt, und die Angst, gesellschaftlich abzurutschen, ist dramatisch. Gerade ältere Frauen, Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau, Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende rutschen in Armut ab. Die Gesellschaft bricht auseinander. Es muss eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe sein, dem entgegenzusteuern.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In Schleswig Holstein gab es 1999 den letzten Landesarmutsbericht. Dieser Bericht gibt auf 273 Seiten einen guten Einblick in die grundlegenden Daten, die unterschiedlichen Dimensionen von Armut, und er zeigt Handlungsoptionen auf. Er zeigt für die sehr unterschiedlichen Themen Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Bildung, Soziales, Gesundheit und Wohnungspolitik auf, wo es in SchleswigHolstein hapert.

Nun kann man sagen, dass das eigentliche Problem ist, dass, obwohl damals die dramatische Entwicklung grundlegend analysiert wurde, danach gesamtgesellschaftlich zu wenig passiert ist. Dies ist zweifelsfrei richtig. Frau Jansen gibt mir zumindest recht. Allerdings gilt der Umkehrschluss auch nicht: Auch kein Armutsbericht schafft mehr Gerechtigkeit. Deswegen meinen wir Grünen, dass es dringend an der Zeit ist, über Vermögensverteilung und Armut grundsätzlich landespolitisch zu diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Aus unserer Sicht ist das Hauptproblem, dass die großen Studien und Zahlen für die Bundesrepublik, wie zum Beispiel der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - Herr Baasch hat es schon erwähnt -, im landespolitischen Alltag keine Rolle spielen. Es gibt keine Konzepte zur Bekämpfung von Armut, und es gibt keine wissenschaftliche Grundlage, auf der die Politik aufbauen kann. Wir begrüßen den Antrag der Fraktion DIE LINKE deshalb grundsätzlich, wir wählen aber einen anderen Ansatz. Wir möchten, dass die Landesregierung in einem Bericht gegenüber dem Parlament den 3. Armuts- und Reichtumsbericht auf SchleswigHolstein herunterbricht, über die Vermögensverteilung und Armut in Schleswig-Holstein berichtet und ihre Maßnahmen dazu vorstellt. So bekommen wir lösungsorientiert und ohne nachhaltigen Verwaltungsaufwand Grundlagen zur Armuts- und Reichtumsentwicklung in Schleswig-Holstein und diskutieren diese dann im Landtag.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Fraktionen der Regierungskoalition - trotz Ihres Wortbeitrags, Frau Klahn - sowie der SPD und dem SSW, dass wir eine breite Mehrheit für diesen Berichtsantrag gefunden haben. Zur Fraktion der LINKEN möchte ich hinzufügen, dass ich gestern gern mit Ihnen als Fachkollegen über diesen Antrag gesprochen hätte. Ich habe Sie gesucht, ich habe Sie nicht gefunden. Es tut mir leid.