Netzneutralität bedeutet, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden und grundsätzlich denselben Bedingungen unterliegen. Das heißt, die EMail des Aufsichtsratsvorsitzenden wird genauso schnell verschickt wie die E-Mail des Hausmeisters. Große und kleine Anbieter von Inhalten befinden sich im Netz grundsätzlich in derselben Position. Nur so konnten im Übrigen auch in der Vergangenheit aus ehemals kleinen Anbietern sehr große, ja weltweite Akteure werden.
Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund 2010 eine öffentliche Konsultation gestartet, an der sich zum Beispiel auch die deutschen Landesmedienanstalten beteiligt haben und deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Das Thema, das sich fern und abstrakt anhört, hat also erhebliche europapolitische, nationale sowie regionale Bezüge; deshalb sprechen wir heute darüber.
Hier sind Landes- und Bundesebene gefordert, denn die Bundesregierung wird sich im Frühsommer, also bald, dazu positionieren. Schon deshalb müssen wir uns als Parlament jetzt dazu verhalten, wenn wir auf diese Entscheidung noch Einfluss nehmen wollen.
Dieser Zeitpunkt, nach der Anhörung in Brüssel und vor der Entscheidung in Berlin, ist dafür genau richtig. - Das ist die Motivation unseres Antrags.
Bisher sind in Europa und in Deutschland die Positionen noch sehr unterschiedlich. Von der Haltung, der Markt regele alles, bis hin zur Forderung, das demokratische Netz staatlich zu sichern und zu regeln, reicht das Spektrum.
Diese Themen finden sich in der Arbeit der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestags wieder, die demnächst wahrscheinlich letztmalig tagt und deren Ergebnis die Entscheidung auf der Bundesebene beeinflussen wird.
Die Ergebnisse der europäischen Konsultationen sind eindeutig und finden sich in unserem Antrag wieder. Es gilt, die Offenheit und die Demokratiestruktur des Netzes zu erhalten, die Transparenz für den Verbraucher zu erhöhen und, bevor neue europäische Vorschriften dazu erlassen werden, die Umsetzung des EU-Rechtsrahmens für elektroni
In der Ebene darunter aber liegen etliche Probleme, die das Netz in seiner bisherigen Struktur qualitativ beeinflussen, ja beschädigen könnten. Lassen Sie mich dazu zwei Beispiele nennen.
Erstens. Ein Internet der zwei Geschwindigkeiten ist für uns unsozial und schadet der Demokratie im Netz; denn es gewinnt der Anbieter, der am meisten zahlt, und das sind die großen Konzerne und Betriebe. Diese Ökonomisierung des Netzes lehnen wir ab.
Zweitens. Dieser Situation kann der Nutzer nur entgehen, wenn er den Anbieter wechselt. Das aber setzt Transparenz voraus. Das heißt, der Nutzer muss wissen, wie sich sein Provider verhält. Diese Transparenz ist allerdings noch nicht gesichert. Es gibt zwar das seit November 2010 auf EU-Ebene beschlossene sogenannte Telekompaket, das eine generelle Informationspflicht vorsieht, dieses Paket ist aber in vielen Punkten wenig konkret und in vielen EU-Staaten noch gar nicht umgesetzt. Ein Code of Conduct aller Marktbeteiligten über das Verhalten des jeweiligen Providers, kontrolliert durch staatliche Behörden, wäre zum Beispiel ein erster wichtiger Schritt für diese Transparenz. Im Übrigen können Regierungen selbst Anforderungen an die Qualität der zu erbringenden Dienste stellen. Auch das ist in der Bundesrepublik noch nicht geschehen.
Wir haben deshalb in unserem Antrag die wichtigsten Forderungen, abgeleitet aus den europäischen Konsultationen, aufgenommen, definiert und zur Abstimmung gestellt. Deswegen ist unser Antrag konkreter als der von CDU und FDP. Man kann nicht nur allgemein auf Rahmenbedingungen verweisen. Das erscheint mir zu wenig. Ich bitte deshalb, beide Anträge als selbstständige Anträge zu behandeln.
Meine Damen und Herren, achten wir also darauf, dass sich der grundsätzliche Charakter des Internets nicht ändert. Denn es geht im Kern um Selbstbestimmung und Demokratie im Netz. Dafür lohnt es sich zu streiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben in diesen Tagen, welche immense Bedeutung der gleichberechtigten Informationsverbreitung im Internet zukommt. Onlinedienste haben aktuell wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung in der arabischen Welt. Es kommt darauf an, diese Technik und den Zugang zu ihr so zu gestalten, dass demokratische Grundprinzipien unserer Gesellschaft dadurch gestärkt und nicht geschwächt werden.
Der unbeschränkte Zugang zu Informationen und die Möglichkeit, Informationen frei verbreiten zu können, sind zentrale Grundrechte. Diese müssen auch im Netz gelten, ohne Wenn und Aber.
Worum geht es bei der Netzneutralität? Mit dem Begriff der Netzneutralität ist die Gleichbehandlung aller Internetnutzer durch den Zugangsanbieter gemeint. Anders ausgedrückt: Gemeint sind der diskriminierungsfreie Transport von Daten und die Gleichbehandlung aller Datenpakete. Die unvergleichliche Erfolgsgeschichte des Internets als offenes demokratisches System war nur durch die Wahrung des Prinzips der Netzneutralität möglich. Datenpakete wurden bislang gleichberechtigt im Netz transportiert, ungeachtet ihres Absenders und ungeachtet ihres Empfängers. Wir können aber nicht darauf vertrauen, dass dies so bleibt. Globale Konzerne, darunter auch große deutsche Unternehmen, haben sich in die Startlöcher begeben und angefangen, das grundlegende Prinzip der Netzneutralität zu hinterfragen. Wir stehen also vor der Entscheidung, ob wir es rein wirtschaftlichen Interessen überlassen wollen oder ob wir die demokratische Entwicklung des Netzes weiterhin schützen wollen.
Die Meinung meiner Fraktion ist klar. Heute findet auch im Bundestag eine von uns beantragte Debatte zu diesem Thema statt. Wir wollen den demokratischen Charakter des Netzes schützen und die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer stärken, anstatt sie zu schwächen.
Wir wehren uns eindeutig und klar gegen ein Zweiklasseninternet, bei dem die Informationen desjenigen, der mehr zahlt, schneller fließen. Dies ist aus unserer Sicht auch verfassungsrechtlich schlicht und einfach verboten.
Mit dieser Meinung stehen wir nicht allein. Auch die Europäische Kommission hat die Bedeutung der Netzneutralität für unsere moderne Informationsund Wissensgesellschaft erkannt. Das Prinzip der Netzneutralität ist in der Digitalen Agenda 2020 explizit erwähnt und auch für schützenswert erklärt worden.
Bei der Einführung von nach unterschiedlichen Nutzern differenzierten Preismodellen müsste entweder eine generelle Identifizierungspflicht eingeführt werden oder aber die Datenpakete müssten hinsichtlich Art, Umfang und Inhalt analysiert werden. Des Weiteren gibt es bereits - Herr Fischer hat es gesagt - für bestimmte Bereiche im Onlinedienst eine starke Konzentration auf wenige Anbieter. Die Suchmaschine Google, um nur diese zu nennen, besitzt in Deutschland einen Anteil von 90 %. Hierdurch bestehen in Ansätzen monopolistische Strukturen. Letztlich besteht hierdurch auch die Gefahr, dass das Netz durch diese einseitige Marktmacht missbraucht wird.
Der Gesetzgeber muss seiner Regulierungspflicht nachkommen. Daher auch unser Antrag. Mögliche Ansatzpunkte dafür bestehen einmal auf der europäischen Ebene und zum anderen auf nationaler Ebene. Wünschenswert wäre, dass wir auf europäischer Ebene einheitliche, sichere und verbindliche Standards bekämen. Wir haben es immerhin mit einem Markt von einer halben Milliarde Bürgerinnen und Bürgern zu tun. Daher würden diese auch international, zum Beispiel in Richtung der Anbieter aus den Vereinigten Staaten, ausstrahlen. Auf nationaler Ebene bestehen Einflussmöglichkeiten über die Bundesnetzagentur. Auch nenne ich in diesem Zusammenhang das Telekommunikationsgesetz.
Nun zum Antrag von Union und FDP. Wir haben uns gefragt, was dieser Antrag zu bedeuten hat. Wenn wir in den Koalitionsvertrag von CDU und FDP auf Bundesebene hineinschauen, lesen wir dort ein ganz klares Bekenntnis zur Netzneutralität.
im Internet und anderen neuen Medien … sicherstellt, werden die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern.“
Diese Notwendigkeit besteht auch zweifellos. Dass Sie in Ihrem vorliegenden Antrag auf die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ verweisen, verwirrt nun doch angesichts der Tatsache, dass alle Fraktionen diese Enquetekommission gemeinsam eingeführt haben und dass diese Kommission auch unter dem Vorzeichen steht, dass sie unabhängig von zusätzlichen und aktuellen Gesetzgebungsvorgängen tagt.
Daher verwundert es, dass Sie erst abwarten wollen, was dabei herauskommt, anstatt zu sagen: Wir müssen beim Thema Netzneutralität jetzt handeln.
Herr von Boetticher, Sie kennen ja den breiten Auftrag der Enquetekommission. Die Netzneutralität ist dabei nur einer von vielen Blöcken.
Zwei Sätze zum Schluss. - Die Enquetekommission darf auf keinen Fall Feigenblatt werden, um in diesem entscheidenden Bereich nicht zu handeln. Denn das Internet als Freiheitsmedium zu sichern, ist - das haben auch die letzten Wochen gezeigt eine zentrale Voraussetzung für Veränderungen in unserer Welt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ganz dringend notwenig ist die Stärkung von Medienkompetenz auch in diesem
Hause. Um das Thema zu verdeutlichen und nur, um einmal darüber nachzudenken: Wo bleibt denn die Netzneutralität, wenn man in Maasbüll über eine 64 Kbit/s-Leitung seine E-Mail empfängt, während man in Lübeck eine 10 Mbit/s-Leitung hat? Die Lübeckerin und der Lübecker kann ihre oder seine E-Mails 16-mal schneller empfangen als die Maasbüllerin oder Maasbüller. Wo ist denn da die Netzneutralität? Ich warne davor, Netzneutralität nur da zu sehen, wo der Kunde sitzt und seinen Computer bedient.
Aber um das Thema ein bisschen zu verdeutlichen, will ich ausholen. Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre steckte das Internet noch in den Kinderschuhen. Die beiden größten deutschen Zugangsanbieter damals - AOL und T-Online - erlaubten ihren Kunden zwar das Surfen, aber fast nur auf den eigenen, auf den AOL- beziehungsweise T-Online-Seiten. Man wollte so die Kunden davon abhalten, auf den Seiten der Konkurrenz Werbung ansehen zu können, an der eine andere Firma verdiente. Das rasche Wachstum des WWW sorgte bei diesen Firmen für ein rasantes Sinken der Kundenzahlen, sodass diese Strategie recht bald aufgegeben wurde. Seitdem ist jedes Angebot im Internet über jeden Zugangsanbieter nahezu gleichberechtigt zu empfangen - abhängig natürlich von dem Anschluss, den man hat, ob man 16 Kbit/s oder 16 Mbit/s hat. Die Fachleute nennen auch das Netzneutralität, alle Angebote des Internets überall gleichwertig nutzen zu können.
Nun gibt es schon seit einigen Jahren Bestrebungen, diese Neutralität wieder aufzuheben. Das geschieht auf mehreren Ebenen. Zugangsanbieter versuchen, von Inhaltsanbietern Gebühren zu kassieren, wenn diese ihre Inhalte über deren Zugänge veröffentlichen wollen. Sie können sich einfach vorstellen: Die Webseiten Ihrer Fraktionen wären nur noch bei den Providern einsehbar, bei denen sie Gebühren bezahlen. Das heißt, wenn ich an die Telekom keine Gebühr bezahle, dann sind die Webseiten der Fraktion DIE LINKE nicht sichtbar oder aber sie werden nur mit minimaler Geschwindigkeit geladen. Das ist eines der Ziele der Abschaffung der Netzneutralität. Danach würde das Internet einfach nicht mehr so aussehen, wie es heute aussieht.