Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Das Thema ist nicht so neu, als dass die Fraktion DIE LINKE es hier jetzt neu entdecken müsste. Wir haben in mehreren Debatten darüber gesprochen und aus dem Umdruck erfahren, dass hier noch nicht vollständige Informationen da sind. Deshalb ist dieser Antrag heute auch wenig sachdienlich und nicht zielführend.

Der zweite Antrag ist ein Entschließungsantrag mit dem Inhalt, die Landesregierung möge eine öffentliche Diskussion über die Justizvollzugsanstalten organisieren. Wenn man dies liest, dann staunt man schon ein wenig. Man fragt sich dann auch, wo die Fraktion, die Abgeordneten der LINKEN, in den letzten Monaten waren. Es kann doch niemandem entgangen sein, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen eine öffentliche, kritische und wirklich schwierige Diskussion über die Zukunft der Justizvollzugsanstalten geführt haben. Wir haben im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse doch wirklich zäh um jede Position gerungen. Und auch der Landtag hat am Ende, nämlich am 15. Dezember 2010, einen Beschluss zu den Justizvollzugsanstalten gefasst. Die Diskussion, die die Fraktion DIE LINKE jetzt einfordert, läuft seit Langem, und sie ist wirklich nicht neu.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

- Ich muss das hier jetzt einmal sortieren, es tut mir leid. - Wir Abgeordnete haben diverse Gespräche vor Ort geführt. Wir von der CDU-Fraktion haben Gespräche mit den Gewerkschaften zur Justizvollzugsanstalt geführt. Auch die Forderung des Landesrechnungshofs nach einer Schließung der kleinen Anstalten war nichts Neues, sie bewegt die Menschen schon seit Längerem. Zum Beispiel haben Abgeordnete der CDU im Oktober 2010 die Justizvollzugsanstalten in Itzehoe und Flensburg besucht und dort ebenfalls mit vielen Betroffenen gesprochen - mit Richtern, Anwälten, Mitarbeitern und vielen anderen Menschen.

Ich möchte auch daran erinnern, dass wir im Rahmen der Debatte über das Untersuchungshaftvollzugsgesetz während der letzten Plenartagungen wiederum deutlich gemacht haben, welche Erwartungen wir haben. Diese lauten nämlich, dass auch die finanziellen Auswirkungen einer Schließung der kleinen Justizvollzugsanstalten noch einmal genauer dargelegt werden müssen. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Dies ist hinlänglich bekannt gemacht worden. Wir haben die Gespräche mit aller Ernsthaftigkeit und mit allen Beteiligten geführt. Ich gehe davon aus, dass die Regierung ihrer Aufgabe nachkommen und diese Gespräche weiterführen wird.

Ich bin ein wenig überrascht darüber, dass Sie hier und heute versuchen, dieses Thema von Neuem aufzukochen. Ich sehe dazu keinen Anlass. Ich sehe, dass wir im Prozess sind. Ich freue mich darüber, dass die Fraktion DIE LINKE nun dazu gekommen ist, diese Diskussion konstruktiv zu begleiten. Ich hoffe, dass sie dies auch im Ausschuss

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

tun wird. Sie sind herzlich dazu eingeladen, diese Diskussion zu begleiten. Ich freue mich deshalb auf die weiteren konstruktiven Debatten im Ausschuss.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Andreas Beran von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist durchaus Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kontrollieren. Dies gilt sicherlich nicht nur für die Opposition, sondern für das gesamte Parlament, aber es ist insbesondere die Aufgabe der Opposition. Das ist ein Thema, das uns als Opposition immer wieder stark beschäftigt. Es umfasst den Fortbestand und die Weiterentwicklung der kleinen Justizvollzugsanstalten wie Itzehoe und Flensburg.

Dass das Interesse so groß ist, hängt auch damit zusammen, dass die betroffenen Menschen vor Ort, also die Menschen, die dort arbeiten, Befürchtungen haben, die sie immer wieder an uns herantragen. Ich kann durchaus verstehen, dass die Linken einen Berichtsantrag stellen, durch den sie Neues hören wollen. Ich finde, es ist in Ordnung, wenn wir im August darüber einen schriftlichen Bericht bekommen, auf dessen Grundlage wir uns dann erneut mit dieser Thematik auseinandersetzen können.

Dass die Skepsis berechtigt ist, haben wir gemerkt, als wir in der letzten Sitzung über das Untersuchungshaftvollzugsgesetz geredet haben. Dabei war zumindest in der Begründung von der Schließung der JVA in Flensburg die Rede. Insoweit werden wir weiterhin unser Augenmerk auf dieses Thema haben. Mehr dazu folgt im August.

Vielleicht kommt noch ein Aspekt hinzu, der hier schon erwähnt wurde: Das Bundesverfassungsgericht hat zur Menschenwürde bei Haftbedingungen geurteilt und dabei kritisiert, dass zwei Gefangene 23 Stunden am Tag zusammen sind, ohne dass es eine abgetrennte Toilette gibt. Dies kann sogar dazu führen, dass Häftlinge freigelassen werden müssen. Das halten wir für nicht in Ordnung. Dies macht deutlich, dass wir auch über die Frage der Kapazitäten weiter nachdenken müssen. Diese Kapazitäten haben wir nicht nur in den drei großen

Vollzugsanstalten, sondern auch in Itzehoe und in Flensburg.

Nun zum Antrag der Linken: Es ist nach unserem Verständnis über demokratische Arbeitsteilung zwischen Parlament und Regierung Aufgabe der Fraktionen, öffentliche Diskussionen zu politischen Themen zu organisieren und hierbei betroffene Sachverständige und Interessierte anzusprechen und die Landesregierung mit den Ergebnissen dieses Dialogs zu konfrontieren, nicht umgekehrt. Es ist Aufgabe der Landesregierung, dem Parlament nicht nur eine überzeugende Begründung und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für die beabsichtigte Schließung der Anstalten in Flensburg und Itzehoe vorzulegen, sondern auch einen Entwurf für die weitere Vollzugsplanung in unserem Land unter Einbeziehung der Fachöffentlichkeit und Personalräte zu erarbeiten und im Innen- und Rechtsausschuss vorzustellen.

Der Antrag der Linken zielt dann in die richtige Richtung, wenn beabsichtigt ist, die Landesregierung mit den Auswirkungen ihres Handelns auf die Gesamtsituation des Strafvollzugs in SchleswigHolstein zu konfrontieren. Den Vorschlag, hier die Landesregierung zu verpflichten, ein öffentliches Hearing zu einem Thema zu organisieren, halten wir nicht geeignet für eine sachgerechte Lösung, denn hier geht es nicht nur um ein Expertenthema, sondern auch um sehr empfindliche Belange der Betroffenen, nämlich der Gefangenen und der Bediensteten in den Anstalten.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Abgeordneter Gerrit Koch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die vorliegenden Anträge ansieht, dann könnte man schon auf die Idee kommen, dass die Linken in einer Parallelwelt agieren und nicht das mitbekommen, was um sie herum vorgeht. Ich war bisher der Meinung, dass die Linken zumindest dem Geschehen hier im Land mit großer Aufmerksamkeit folgen. Ganz sicher war ich mir auch, dass die Linken wissen, wie man Veranstaltungen organisiert. In beiderlei Hinsicht habe ich mich wohl getäuscht.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

(Barbara Ostmeier)

Ich erinnerte mich richtig, und ein Blick in das Plenarprotokoll vom 15. Dezember 2010 bestätigte meine Erinnerung, dass die Mehrheit in diesem Hause beschlossen hat, dass im Jahr 2011 keine finanzwirksamen Maßnahmen zur Schließung der JVA Flensburg eingeleitet werden. Vor Einleitung finanzwirksamer Maßnahmen zur Schließung der JVAs in Flensburg und Itzehoe sei des Weiteren der Finanzausschuss zu beteiligen. Sie, liebe Abgeordnete der Linken, haben dem zwar nicht zugestimmt, aber wissen können Sie es doch noch. Außerdem sollten Sie auch den Inhalt des beschlossenen Doppelhaushalts 2011/2012 noch im Kopf oder zumindest im Aktenschrank haben. Das, was dort steht, wird, davon gehe ich als rechtstreuer Bürger aus, auch umgesetzt. Warum sollte man das hier wiederholen?

(Beifall bei FDP und CDU)

Ihre Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung bisher „geplant, eingeleitet oder umgesetzt“ hat, die „eine öffentliche fachliche Diskussion über den Strafvollzug, insbesondere über Schließung und Weiterbetrieb der JVA Flensburg und/oder der JVA Itzehoe befördern“, finde ich besonders spannend. Warum fragen Sie das, wenn Sie zugleich beantragen, dass die Landesregierung eine öffentliche Diskussionsveranstaltung durchführen soll? Aus dem Zusammenspiel der Anträge ist für mich erkennbar, dass es Ihnen gar nicht um die Antworten der Regierung geht. Die Beantwortung interessiert Sie genauso wenig wie die bisherige Beschlusslage. Ihr Berichtsantrag erschließt sich mir deshalb überhaupt nicht.

Geradezu enttäuscht bin ich auch von Ihrem Antrag, die Regierung solle „eine öffentliche Diskussion zur Perspektive der JVA in Flensburg und der JVA Itzehoe organisieren“. Es freut mich, dass Sie unserer Regierung - natürlich zu Recht - zutrauen, eine ausgewogene Diskussionsveranstaltung auf die Beine zu stellen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Normalerweise misstrauen Sie doch allem Regierungshandeln.

Mich erschüttert jedoch, dass Sie, liebe Linke, offenbar nicht wissen, wie man eine öffentliche Diskussionsveranstaltung organisiert. Warum laden Sie nicht selbst zu einer Veranstaltung ein, wenn Ihnen das hier wirklich am Herzen liegt?

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben in diesem Haus, die meisten von uns aber auch vor Ort, über die JVAs in Flensburg und Itzehoe ausgiebig gesprochen und auch mit den Betroffenen diskutiert. Kollegin Ostmeier hat das bereits ausgiebig vorgetragen. Selbstverständlich wird es - selbst, wenn Sie es nicht glauben mögen - auch weiterhin Gespräche im Ausschuss geben - gern auch mit Ihnen - über den sogenannten Diskussionsantrag.

Die Beschlusslage des Landtags habe ich im Übrigen erwähnt. Aus Sicht der FDP-Fraktion ist ein weiterer Bericht, der keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erbringen wird, überflüssig und kontraproduktiv. Anstatt den Mitarbeitern im Justizministerium Zeit für ihre Arbeit zu geben, wollen Sie, liebe Linke, die dortigen Kapazitäten mit dem Schreiben von Berichten und der Organisation von Veranstaltungen binden.

(Widerspruch bei der LINKEN)

- Das finde ich auch. Deshalb sage ich es ja. - Den Berichtsantrag haben wir aus diesem Grund abgelehnt.

Betrachtenswert wäre aber in der Tat, wie wir mit dem neuen Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgehen, das hohe Anforderungen an die verfassungsgemäße Unterbringung von Gefangenen stellt. In seinem Bericht in der Drucksache 17/668 beweist der Justizminister, dass er bereits weit vor diesem aktuellen, aber inhaltlich nicht neuen Urteil dafür Sorge getragen hat, die Anzahl der Haftplätze mit verfassungswidrigen Haftbedingungen abzubauen. Zurzeit erfüllen landesweit noch 46 Haftplätze nicht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Fertigstellung des Hauses B in Lübeck 2014 werden aber 80 verfassungskonforme neue Haftplätze geschaffen. Die Zeit für eine verantwortungsbewusste Arbeit unseres Justizministeriums sollte im Sinne aller Betroffenen nicht durch das immerwährende Zusammentragen längst bekannter Tatsachen, wie von den Linken beabsichtigt, geschmälert werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Thorsten Fürter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst ein Wort an die Regierungs

(Gerrit Koch)

fraktionen: Ich finde, es war schon etwas unsouverän, was Sie hier an den Tag legen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist ja in der Tat so, dass wir hier im Landtag ab und zu Debatten haben, bei denen sich jeder hier im Publikum fragt: Was soll das?

(Heiterkeit bei der FDP - Zurufe: Genau!)

Was soll das? Das geht manchmal auch von unserer Fraktion aus; es kommt manchmal aber auch von FDP oder CDU. Manchmal sitzt man hier und fragt sich: Was soll jetzt an dieser Stelle diese Debatte? Ich muss ganz ehrlich sagen: So weit außen steht der Antrag der Linksfraktion auch nicht, dass man sagen müsste, an dieser Stelle müsste unbedingt ein Zeichen gesetzt werden, und zwar dadurch, dass es hierfür keinen Bericht der Landesregierung gibt. Ein solcher Bericht erfolgt ja sowieso; ich gehe doch davon aus, dass Herr Schmalfuß gleich in die „Bütt“ gehen wird, um die Position der Landesregierung darzustellen. Ich finde das unsouverän, und ich finde - das muss ich hier auch deutlich sagen -, das ist absolut unnötig.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das als Vorbemerkung.

Ich erinnere an den Beschluss des Landtags vom Dezember 2010, wonach die Landesregierung keine finanzwirksamen Maßnahmen zur Schließung der JVA Flensburg einleiten solle. Weiter heißt es da: „Vor Einleitung von Maßnahmen zur Schließung ist der Finanzausschuss zu beteiligen.“

Es hat sich in dieser Zeit tatsächlich relativ wenig verändert. Was liegt uns an neuen Fakten vor? Der einzige Unterschied zu früher ist, dass wir jetzt wissen, was CDU und FDP unter dem Begriff „keine finanzwirksamen Maßnahmen“ verstehen. Diese Formulierung bedeutet nämlich: keine Finanzinvestitionen in Flensburg und Itzehoe, dafür aber in anderen Anstalten. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die ausgeklammerten Anstalten in Flensburg und Itzehoe; das versteht sich ja wohl von selbst.

Die Landesregierung bleibt trotz gegenteiligen Beschlusses dabei und bereitet - das ist im Prinzip daraus zu folgern - die Schließung der Anstalten in Flensburg und Itzehoe vor.

Herr Minister Schmalfuß und Herr Ministerpräsident Carstensen, ich finde, Sie ignorieren damit

auch ein Stück weit das Verfahren, zu dem das Parlament gefunden hat.