Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

auch ein Stück weit das Verfahren, zu dem das Parlament gefunden hat.

Durch finanzintensive Maßnahmen in anderen Anstalten wird faktisch nur die Schließung der Anstalten Flensburg und Itzehoe übrig bleiben,

(Beifall bei der LINKEN)

will man am Ende nicht in einem verrotteten alten Knast ohne Licht sitzen. So hat sich das der Landtag nicht vorgestellt.

Lassen Sie mich deswegen noch einmal betonen: Überzeugen Sie uns, Herr Minister, mit einer nachvollziehbaren Wirtschaftlichkeitsprüfung! Die Planung der Vollzugsanstalten - dabei bleibe ich für meine Fraktion - darf sich am Ende nicht nach regionalökonomischen Aspekten richten. Wir brauchen aber ein Wiedereingliederungskonzept, um sicherzustellen, dass der Kontakt der Gefangenen zu ihren Familien nicht abreißt, wenn sie nicht mehr wohnortnah untergebracht sind.

Die Kleine Anfrage des Kollegen Koch, die er zu dieser Thematik gestellt hat, suggeriert zwar, dass neben der Heimatnähe viele andere Faktoren den Ausschlag für die Unterbringung der Gefangenen geben, wie zum Beispiel das Geschlecht, das Alter, die Schwere der Tat, die Ausbildungssituation. Aber mit Zahlen und Fakten ist diese doch eher bestellte Antwort, die hierauf erfolgte, nicht belegt.

Wichtig bei der Betrachtung der Justizvollzugsanstalten bleibt weiter die Frage der Standorte der Landgerichte. Auch dies wurde bisher nicht mit einem Gesamtkonzept verbunden. Wenn die Landgerichtsstandorte Itzehoe und Flensburg wegfallen, bleiben nur die Standorte in Kiel und Lübeck übrig. Diese Gefahr besteht nach wie vor. Da hilft Ihre Aussage, Herr Schmalfuß, wenig, dass solche Schließungspläne für die Landgerichte nicht bestünden. Herr Minister Schmalfuß, sorgen Sie für Transparenz und Aufrichtigkeit bei diesem Thema! Zum Justizstandort Flensburg werden konkrete Sorgen vorgetragen. Auch beim gestrigen CDU-Empfang ist es wieder so gewesen, dass aus der Justiz heraus, von Juristen oder auch von anderen, von Menschen aus der Region, solche Fragen formuliert wurden. Da reicht das, was Sie bisher vorgelegt haben, nicht aus. Wir brauchen ein Konzept für den Erhalt der kleinen Landgerichtsstandorte Flensburg und Itzehoe. Schleswig-Holstein besteht nicht nur aus Lübeck und Kiel. Die Justiz unterscheidet sich dabei gar nicht von anderen Politikbereichen.

Ich bitte Sie: Zerschlagen Sie nicht Porzellan, überlassen Sie es nicht der nächsten Regierung, die

(Thorsten Fürter)

Scherben aufzusammeln. Um entscheiden zu können, brauchen wir jetzt ein Konzept für die Folgen, die sich aus der möglichen Schließung von Anstalten für die Justizlandschaft ergeben. Wir, das Parlament, haben ein Recht auf die Wahrheit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun die Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen von der Fraktion des SSW.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus der Sicht des SSW kann ich angesichts der heutigen Debatte das Misstrauen der Linken sehr gut verstehen, das sie gegenüber der Landesregierung haben. Angesichts des Handlings, wie es sich heute zeigt, ist dieses Misstrauen begründet. Denn bereits im Untersuchungshaftvollzugsgesetz wurde weiterhin von der Schließung der JVA Flensburg ausgegangen. Natürlich werden, wie meine Kolleginnen und Kollegen vorhin schon gesagt haben, die Baumaßnahmen in anderen Gefängnissen Tatsachen schaffen, aus denen sich dann später die angeblichen Sachzwänge ergeben werden. Mit anderen Worten: Es wird immer schwieriger, alternative Sparvorschläge zu entwickeln.

Wo stehen wir eigentlich? - Klar ist, dass wir im Dezember einen Landtagsbeschluss gefasst haben, in dem die Landesregierung gebeten wird, keine finanzwirksamen Maßnahmen zur JVA Flensburg einzuleiten. Dieser Beschluss steht. Bevor sich die Landesregierung darüber hinwegsetzt, muss der Finanzausschuss beteiligt werden.

Seit Wochen versucht das Justizministerium, die Schließung der JVA Flensburg mit Zahlen argumentativ zu unterlegen und die fehlende Wirtschaftlichkeit des Gefängnisses zu demonstrieren. Dies ändert aber nichts daran, dass es Alternativvorschläge gibt, die eine Schließung der JVA Flensburg verhindern können. Es ändert auch nichts daran, dass Einsparungen im Justizvollzug aus einer fachlichen Sicht beurteilt werden müssen - sprich: es geht hier um Menschen, die nicht einfach ein zu kürzender Kostenfaktor sind.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Aus Sicht des SSW möchte ich noch einmal ganz klar hervorheben: Wir greifen hier in die Grundrechte der Menschen ein, und diese Handlung darf nicht nur rein wirtschaftlich betrachtet werden. Dies geht auch aus dem Beschluss des Petitionsaus

schusses hervor, der ausdrücklich begrüßt, dass es im Landtag derzeit keine Mehrheit für eine Schließung der JVA Flensburg gibt, und der Landesregierung empfiehlt, in ihre konzeptionellen Planungen zur Erreichung von Einsparzielen die Betroffenen sowie die im Raum stehenden Alternativen unter Berücksichtigung aller Strafvollzugseinrichtungen im Lande einzubeziehen.

Kurz zusammengefasst sieht die Situation also folgendermaßen aus: Das Kabinett hat die Schließung der JVA Flensburg beschlossen. Das Parlament will das nicht, und es liegt jetzt an der Landesregierung, Akteure einzubeziehen und Alternativen zu prüfen. Jetzt könnte man sagen: Bis zu einem endgültigen Beschluss der Landesregierung haben wir hoffentlich den 6. Mai 2012 erreicht, und dann wird alles anders. Aber ist das wirklich so?

Am 22. Oktober 2003 hat die rot-grüne Justizministerin Lütkes im Innen- und Rechtsausschuss die Schließung der JVA Flensburg angekündigt. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung der CDU vom selben Tag:

„Die Schließung der beiden JVA-Außenstellen Schwarzenbek und Flensburg ist ein weiterer Beleg für die politische Plan- und Konzeptlosigkeit dieser Landesregierung. Gerade in diesen beiden strukturschwachen Regionen unseres Landes werden unnötig wieder Arbeitsplätze im zweistelligen Bereich abgebaut.“

(Anke Spoorendonk [SSW]: Richtig!)

„Die Landesregierung setzt mit ihrer heutigen Entscheidung das falsche wirtschaftspolitische Signal für diese Regionen und für unser Land.“

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das haben wir ja leider nicht verhindern können!)

So viel zum Thema „Es wird alles anders“.

Aber bevor Sie darauf mit Hohn und Spott reagieren: Auch eine schwarz-gelbe Landesregierung macht heute hü und morgen hott. So verurteilt die FDP am 24. März 2010 Herrn Rother, weil dieser in einer Pressemitteilung von den Plänen der Landesregierung zur Schließung der JVA Flensburg spricht. Die FDP wirft dem Vorsitzenden des Innen- und Rechtsausschusses vor, dass die Verbreitung von Unwahrheiten bei den betroffenen Mitarbeitern zu weiterer Verunsicherung führt und nicht von gutem Stil zeuge. Das war 2010.

(Thorsten Fürter)

Die hier angesprochene mangelnde Kommunikation ist auch heute festzustellen. Es ist im Moment kein guter Stil, dass wir sehr überraschende Entscheidungen so kurzfristig mitgeteilt bekommen. Keinem von Ihnen geht es um die Menschen und die Ressourcen vor Ort, sondern schlichtweg um die Einsparung mit möglichst wenig Widerstand. Aber ich verspreche Ihnen: Der Widerstand ist da, und wir kämpfen weiterhin für die JVA Flensburg.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon putzig, wie mir hier von den Koalitionsfraktionen klargemacht wird, was Sache ist.

Ich will jetzt einfach einmal auf den Antrag kommen. Es habe ja geheißen, die Landesregierung habe nichts zu berichten, könne nichts berichten; es komme dann im Spätsommer ein Antrag. Wir haben gefragt, inwieweit die Haushaltsbeschlüsse im Dezember von der Landesregierung eingehalten worden sind, und haben darüber hinaus die konkrete Frage gestellt:

„Wurden 2011 finanzwirksame Maßnahmen für andere JVAen in Schleswig-Holstein geplant, eingeleitet oder umgesetzt?“

Einmal ganz ehrlich: In einem ordentlich geführten Ministerium - und ich bin mir sehr sicher, dass das Justizministerium ordentlich geführt ist - ist das nicht Ablenkung der Beamten. Da sagt ein Beamter: „Ich schaue einmal in die Unterlagen“, und dann weiß er das.

Kollege Koch, natürlich stelle ich hier keine Berichtsanträge, um die Regierung gut aussehen zu lassen. Das machen Sie ja ständig; das ist Ihre Aufgabe. Das wissen Sie ja auch. Ich habe natürlich die Aufgabe, Berichtsanträge zu stellen, bei denen die Regierung vielleicht nicht so gut aussieht.

Deswegen haben wir Frage 3 gestellt: Inwieweit werden durch die Planung, Einleitung oder Umsetzung von finanzwirksamen Maßnahmen für andere Justizvollzugsanstalten finanzielle Mittel in Anspruch genommen, die wir irgendwann brauchen würden, wenn die Justizvollzugsanstalten Flensburg

und Itzehoe erhalten werden sollen? Genau das möchte ich wissen.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Ich lasse eine Zwischenfrage zu, jawohl.

Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, dass es auch Ihnen möglich ist, in den Haushalt zu schauen, um zu sehen, welche finanzwirksamen Leistungen im Justizbereich im Jahre 2011 erbracht werden?

Da stimme ich Ihnen zu. Aber über die aktuelle Umsetzung - das wissen Sie genauso gut wie ich kann mir nur das Ministerium Auskunft geben.

Uns geht es darum - der Kollege Fürter hat das sehr genau angesprochen -: Es wird Geld für Kiel ausgegeben. Glauben Sie mir: Ich finde es richtig, dass in Kiel eine Sporthalle gebaut wird. Denn auch Sport gehört zum Strafvollzug und ist ein ganz wichtiger Bestandteil. In Kiel gibt es jedoch eine Sporthalle. Diese ist nicht so, wie sie sein sollte. Ich finde auch, sie müsste renoviert werden. Aber unter dem Diktat knapper Mittel müssen wir jetzt nicht viel Geld für Planungsaufträge ausgeben, das dann fehlt, wenn es darum geht, die Justizvollzugsanstalt Flensburg zu erhalten.

Dann fragen wir weiter, welche Maßnahmen die Landesregierung bisher gefördert hat, die eine öffentliche, fachliche Diskussion fördern sollen. Denn genau darum ging es uns hier im November und Dezember. Wir haben gesagt, wir wollen eine öffentliche Diskussion. Vielen Dank, Kollege Koch, dass Sie uns das zutrauen. Natürlich können wir gute Veranstaltungen organisieren. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Kommen Sie einmal bei einer vorbei. Auch Sie können da etwas lernen. Aber von der Landesregierung wollen wir die breite öffentliche Diskussion mit allen Beteiligten.

Ich kann Ihnen ganz deutlich sagen: Ich spreche in Flensburg mit Anwälten. Kollegin Hinrichsen fragt immer: Wie geht es denn mit den Anwälten weiter, die in Flensburg praktizieren? - Ich spreche mit Anwälten und frage: Wie wird es denn bei euch weitergehen, und was kommt dann? Dann sagen sie: Mit uns redet ja niemand von der Landesregierung;

(Silke Hinrichsen)

nicht einmal mit unseren Organisationen wird geredet;

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

wir sind bei dieser ganzen Diskussion völlig außen vor.

Ich denke, wir werden dieses Thema im Ausschuss haben, wir werden dieses Thema auch wieder in einer Plenarsitzung haben. Ich kann mich der Kollegin Hinrichsen nur anschließen: Kampflos machen Sie das Ding nicht dicht.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Justizminister Emil Schmalfuß das Wort.