Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage angesichts der Debatte einmal „Moin“! Es ist gut, dass wir diese Dänemark-Strategie haben. Es ist ausdrücklich zu loben, dass sich der Landtag und die Landesregierung nicht nur auf die Kooperation mit Hamburg beschränken und darauf schauen. Ich stimme dem Kollegen von Boetticher ausdrücklich zu, dass eigentlich eine Gesamtstrategie für den norddeutschen Raum erforderlich ist. Deswegen ist es per se auch nicht schlimm, wenn man die INTERREG-Programme zusammenlegt. Per se und theoretisch ist es gar kein Problem.

Unser Problem ist - das wird Sie nicht erstaunen -, dass die Dänemark-Strategie den Fokus eindeutig auf die feste Fehmarnbelt-Querung verschiebt. Das haben wir eben auch in der Rede von Herrn von Boetticher gehört. Das ist das einzige konkrete Projekt, das in diesem Bericht steht. Deswegen ist das Zusammenfassen der Töpfe noch keine Strategie und kein Strategieersatz.

Der Bericht sammelt im Wesentlichen das, was es bisher an Kooperationen gibt. Er ist 34 Seiten lang, ich habe es nicht nachgezählt, aber ich würde raten, dass 29 Seiten davon auflisten, was es an Koopera

(Carsten-Peter Brodersen)

tionen gibt. Das ist auch nicht schlimm. Es ist ja gut, dass man das so aufbereitet bekommt. Aber es ist eben noch kein Blick in die Zukunft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW sowie vereinzelt bei SPD und der LIN- KEN)

Es ist eben noch keine Strategie. Es ist ein formaler Ansatz. Ich habe wahllos drei oder vier Zitate von wahrscheinlich 300 oder 400 herausgegriffen, die man nehmen könnte. Es heißt in diesem Bericht beispielsweise:

„Die Staatskanzlei wird sich … für die erneute Einsetzung einer deutsch-dänischen Arbeitsmarktkommission stark machen … “

Man will „die Entwicklung eines Entwicklungskonzepts“. Weitere sinngemäße Zitate, „Aufbau einer strategischen Partnerschaft bei der Ernährungswissenschaft“, „Entwicklung einer gemeinsamen Position zu den europäischen Förderstrukturen“.

Sie hören also: Die zentralen Begriffe sind Entwicklung, Konzept und Kommission. Form statt Inhalt, oder, wie man bei den Grünen sagt: Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis!

Das alles sind aber keine Handlungsempfehlungen und keine Handlungansätze, wie es heißt. Es ist, wie man vielleicht in Dänemark sagen würde, „Systemsnak“. Der Fokus wird - das ist das Problem des Berichtes - nur auf das Bestehende gelegt und nicht auf die Probleme. Da wäre mehr Ehrlichkeit hilfreich gewesen, um zu einer wirklich klaren, substantiellen und qualitativen Bestimmung dessen zu gelangen, was an der Zeit ist, beantwortet zu werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Flemming Meyer [SSW])

Ich nehme wieder ein Beispiel aus dem Bericht - es geht um die Universität Flensburg - und zitiere erneut:

„Eine besonders intensive Zusammenarbeit … besteht zwischen der Syddansk-Universitet (SDU) und der Universität Flensburg im Bereich der Kultur- und Wirtschaftswissenschaften. In dem Bachelor-Studiengang „Internationales Management“ … findet ein intensiver Austausch von Studierenden und Lehrenden statt.“

Das ist genau der Studiengang, den die Landesregierung eigentlich abschaffen wollte. Das ist natür

lich etwas dumm und ärgerlich. Man hätte sich jetzt natürlich in dem Bericht eine Analyse gewünscht, wie es weitergehen soll, wenn das die Kooperation mit Dänemark auszeichnet, und wie sie weiter ausgebaut werden soll. Das kann aber nicht erfolgen, weil sich die Landesregierung da immer noch nicht klar positioniert hat.

Ein zweites Beispiel ist die Kultur. Anke Spoorendonk hat es schon angesprochen. Wir haben die Diskussion um die Kulturhauptstadt Sønderborg. Das Problem in der Region ist die Kulturförderung. Es gibt diverse Möglichkeiten, das zu machen. Sie werden aber nicht qualitativ analysiert, sondern in diesem Fall gar nicht angesprochen. Aber es gibt natürlich Diskussionen und Pläne, die Museen, die Orchester und überhaupt das ganze Bildungsangebot zu vernetzen. - Schweigen dazu im Bericht, geschweige denn eine Strategie, wie man das hinkriegen will.

Drittens. Die Energie wird angesprochen, aber nicht in ihren Problemen benannt. Wir haben Probleme bei den deutsch-dänischen Netzen. Der dänische Strom geht durch die deutschen Netze durch. Ich habe noch nicht gehört, dass die Diskussion, die wir jetzt auf Bundesebene zum Netzausbau führen, mit der Dänemark-Strategie vernetzt wird. Es wäre aber dringend an der Zeit, um die Kooperation des Stromflusses in den Netzen mit den Dänen zu regeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD], Heinz-Werner Jezewski [DIE LIN- KE] und Anke Spoorendonk [SSW])

Auch - und das ist eklatanter - bei den Häfen für die Offshore-Windparks gibt es keine gemeinsame Strategie, sondern eine klare Konkurrenz. Hier stehen die schleswig-holsteinischen Häfen der Westküste vor allem zu Esbjerg in einer klaren Konkurrenz. Eine Strategie müsste das erst einmal aussprechen, benennen, um dann zu schauen, ob es auch da möglicherweise eine Kooperation geben kann. Es gelingt aber nicht, wenn man sich immer nur an der Oberfläche hält und an den Gedanken von System, Kommission und so weiter.

Der vierte Punkt von vielen weiteren, den ich ansprechen möchte, ist die Gesundheitswirtschaft. Auch das wird angesprochen. Aber das Problem ist, dass die Dänen sich viel weitergehende Kooperationen vorstellen könnten, aber keinen Ansprechpartner in Schleswig-Holstein haben. An wen soll sich Carl Holst wenden, wenn er die Krankenhauskooperation voranbringen will? - An Heiner Garg und

(Dr. Robert Habeck)

das Sozialministerium? An die Krankenhäuser direkt? An die Krankenkassen, an die Kommunen gar? - Wir haben auf unserer Seite einen völlig unklare Struktur, wie die Gesundheitswirtschaft aufgestellt ist. Deshalb wird die Kooperation in dieser Struktur nicht vorankommen.

Lange Rede kurzer Sinn: Das einzig konkrete Projekt, das da ist, ist die feste Fehmarnbelt-Querung. Sie wissen, dass wir der Belt-Querung kritisch und ablehnend gegenüberstehen. Das sollte die Strategiedebatte nicht erschweren, aber nur diesen Punkt zu setzen, desavouniert doch das Anliegen, eine gesamte Dänemark-Strategie aufzuführen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Letzter Punkt: Die Belt-Querung steht synonym für Infrastruktur. Wir halten es nicht für ausreichend und eigentlich auch für falsch, die Belt-Querung mit der Forderung, die A 7 sechsstreifig bis zur dänischen Grenze auszubauen, zu kontern. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über den Antrag von SSW und SPD enthalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freunde von den Grünen, vielleicht können Sie am Wochenende auf dem Parteitag klären, wie Ihre Position zur Fehmarnbelt-Querung ist, ob kritisch ablehnend oder zähneknirschend mittragend. Das würde uns in diesem Haus sicherlich interessieren.

Zurück zum Antrag!

„Eine Strategie ist ein längerfristig ausgerichtetes, planvolles Anstreben eines Ziels unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel und Ressourcen.“

So sagt es jedenfalls Wikipedia, und in diesem Fall reicht mir das.

Welches eine Ziel die Landesregierung nun genau mit der Dänemark-Strategie anstrebt, bleibt in der bisherigen Berichterstattung eher vage und im Dunkeln. Auch die verfügbaren Mittel und Ressourcen, die eingesetzt werden sollen, werden eigentlich nur angedeutet. Ich will aber eine langfristige Planung

der Verbesserung der Beziehungen zu unserem nördlichen Nachbarland überhaupt nicht schlechtreden.

DIE LINKE kritisiert an diesen Planungen in der Hauptsache, dass sie sich nicht auf den Bereich des Sozialen erstrecken, dass sie den Umgang mit Migrantinnen und Migranten nicht thematisieren, dass sie die Gleichstellung der Geschlechter nicht einbeziehen und die Minderheiten darin zu kurz kommen. Im Grunde genommen kritisiere ich also an der Dänemark-Strategie der Landesregierung das Gleiche, was ich an der Politik der Landesregierung grundsätzlich kritisiere. Und doch begrüße ich die Ausarbeitung einer solchen Strategie, und ich begrüße auch den Antrag, den SPD und SSW hierzu dem Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt haben. Allerdings scheint uns dieser Antrag noch verbesserungswürdig zu sein. Ich will das an einem einzigen Punkt festmachen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und SSW, Sie haben in dem Antrag einen Punkt - das ist mit Sicherheit nicht zufällig der erste Punkt - geschrieben, der da heißt:

„Konkrete Zielsetzungen zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in der Region Sønderjylland/Schleswig (Stichworte sind hier sechsstreifiger Ausbau der A 7/E 45, Ausbau der B 5, Beseitigung des Nadelöhrs Eisen- bahnbrücke Rendsburg, zweispurige Eisen- bahnlinie auf der Jütland-Hamburg-Route usw.) “

Ich selbst komme aus dem Grenzland und weiß, dass dies dort beliebte Forderungen sind.

Aber ich kenne auch die anderen Diskussionen, die in unserem Land geführt werden. Eine dieser Diskussionen ist die ökologische Diskussion. Abgase machen an politischen Grenzen nicht Halt. Kohlendioxid lässt sich weder auf Länder noch auf Regionen beschränken. Die Zerstörung der Umwelt würde Südschleswig wie Nordschleswig betreffen. An diesem Punkt scheiden sich unsere Geister. Der sechsstreifige Ausbau der A 7 wird ebenso für einen erhöhten Kohlendioxidausstoß sorgen wie der Ausbau der B 5. Wir brauchen nach unserer Ansicht in der Grenzregion keine Stärkung des Individualverkehrs und keine Förderung des Güterverkehrs auf der Straße. Wir brauchen dort Maßnahmen, die den öffentlichen Personennahverkehr fördern und die Güter von der Straße auf die Schiene bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen in der Region Maßnahmen, die den weiterhin notwendigen Individualverkehr verrin

(Dr. Robert Habeck)

gern helfen und seine Umweltbelastung senken. Wir haben daher einen Änderungsantrag eingebracht, der genau diese Ziele thematisiert, und ich werbe hier um Zustimmung zu diesem Antrag. Denn jedes Gramm Kohlendioxid, das wir im Verkehr einsparen, verringert den Druck, die von uns allen abgelehnte Technik des Carbon Capture and Storage, das unbeliebte CCS-Verfahren, doch noch anzuwenden.

Ich weiß, dass es nicht gerade opportun ist, diese beiden Themen miteinander zu verbinden. Aber wir müssen den Menschen in unserem Land sagen, dass die Ablehnung von CCS auch einen Preis hat. Der Preis heißt: CO2-Einsparung, wo immer es geht. Beim Verkehr geht es eigentlich ganz einfach. Da, wo vier Menschen mit einem Auto zur Arbeit fahren anstatt mit vier Autos, werden 75 % CO2 eingespart. Dort, wo diese vier mit einem Elektroauto fahren, wird noch viel mehr eingespart. Zusätzlich brauchen diese vier Menschen auch nur ein Viertel der Kapazität einer Autobahn oder einer Straße. Was liegt also näher, als die im Grenzland schon vorhandenen Strukturen von Mitfahrzentralen zu stärken und auszubauen?

Allein die umweltpolitischen Aspekte der Dänemark-Strategie hier zu erläutern, würde meine Redezeit erheblich überstrapazieren. Ich würde mich daher freuen, wenn wir den Antrag von SPD und SSW in den zuständigen Ausschüssen weiterberaten und dann beschließen könnten. Sollte das nicht möglich sein, werden wir dem Antrag nur zustimmen, wenn der für uns wichtige erste Punkt in unserem Sinn geändert würde. Sollte das nicht geschehen, werden wir uns bei dem Antrag - trotz der sicherlich guten und vielen nachdenkenswerten Ansätze - enthalten.

Den Antrag der SPD zur Nutzung der dänischen EU-Ratspräsidentschaft findet DIE LINKE nützlich und sinnvoll; meine Fraktion wird ihm daher zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich der Fraktionsvorsitzenden des SSW, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann sicherlich die Frage stellen, ob die vorgelegte Dänemark-Strategie auch wirklich eine Strate

gie ist. Da gebe ich dem Kollegen Habeck völlig Recht. Ein Masterplan ist diese Strategie nicht. Ich denke, wir brauchen auch keinen Masterplan. Ich sage für den SSW zu, dass wir in jedem Fall immer wieder mit Anträgen den Finger in die Wunde legen werden, denn Strategiepläne müssen mit konkreten Anträgen unterfüttert werden. Das haben wir immer so gehandhabt, und das werden wir auch weiterhin so tun.

Zu dem Verhältnis von Fehmarnbelt-Region und deutsch-dänischer Grenzregion! Als der Vorgänger des jetzigen dänischen Verkehrsministers, Hans Christian Schmidt - sein Vorgänger hieß Lars Barfoed -, den Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark zur Fehmarnbelt-Querung unterzeichnete, hielt er eine großartige Rede, aus der hervorging: Jetzt werden Dänemark und Deutschland landfest.

Darüber haben wir uns in der deutsch-dänischen Grenzregion sehr gewundert. Verständlich. Das zeigt aber, dass es in der Region Sjælland, in Kopenhagen ein anderes Verständnis gibt als in der Region Jütland, dass man sich nicht miteinander austauscht und dass man nördlich der Grenze das gleiche Problem hat wie hier, dass die lang währende gute konstruktive Zusammenarbeit im deutschdänischen Grenzland in den Metropolen nicht wahrgenommen wird. Das ist das Problem. Lars Barfoed kriegte für seine Bemerkung auch eins auf den Deckel, zum Beispiel von Carl Holst und von anderen, und zu Recht.