Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle auch noch an die Kolleginnen und Kollegen der FDP und der CDU ergänzen. Sie können jetzt nicht zu Ihren Freunden der IHK gehen und sagen: Eigentlich wollten wir das ja nicht. Jetzt müssen Sie den Rücken gerademachen und sagen: Es macht keinen Sinn, es ist ökono

misch nicht vertretbar, diesen Flughafen weiter zu betreiben. Sie müssen der Wahrheit ins Auge sehen. Wir müssen diesen Flughafen abwickeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist zweierlei ein gutes Zeichen: Einerseits haben Sie verstanden, dass man Flughäfen nicht in aller Welt betreiben kann, sondern dass man auch die Nachhaltigkeit im Blick haben muss. Sie haben begriffen, dass Sie damit ein Stück auch die Haushaltspolitik des Landes verbessern. Und Sie haben auch zu Zeiten des Kopenhagener Klimagipfels ein Zeichen gesetzt. Das finde ich sehr gut. Wie gesagt, ich freue mich, dass Sie dazu stehen. Insofern können Sie nicht sagen, dass nur die Grünen in Schleswig-Holstein Flughäfen abwickeln können und wollen. Sie sind jetzt dabei. Willkommen im Club!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesverteidigungsministerium hat mit einem Brief vom 11. November 2009 nochmals bestätigt, dass das Marinefliegergeschwader 5 verlegt wird. Die Stadt Kiel hat Planungssicherheit. Meine Damen und Herren, die Kieler haben diese Realität anerkannt. Sie erarbeiten gerade ein Nachnutzungskonzept, das auch schon im Bau- und Wirtschaftsausschuss vorgestellt wurde. Im Übrigen, wenn Sie sich das Gelände dort ansehen, werden Sie feststellen: Dort werden künftig Arbeitsplätze entstehen, dort werden Wohnungen entstehen, es wird ein Lebensraum entstehen, den die Kielerinnen und Kieler annehmen werden und in dem sie eine nachhaltige Perspektive haben werden.

Es gibt noch Klärungsbedarf; Sie haben das angesprochen. Gut, wir werden das noch in diesem Jahr klären, wenn dort noch ein Gesprächsbedarf besteht. Dann müssen sich die Fraktionen in Kiel zusammensetzen und dann gegebenenfalls sehen, wann sie diese Abwicklung hinbekommen.

Aber eines ist klar: Seit 1991 ist mehrfach bestätigt und jetzt auch von dem Staatssekretär Dr. Peter Wichert zugesichert worden, dass das Marinefluggeschwader den Platz dort verlassen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit 2006 wird kein Regionalverkehr mehr über Kiel-Holtenau abgewickelt. Die Fluggesellschaften, die zuletzt Linien geflogen sind, mussten alle subventioniert werden. Es gab keine ausreichende Nachfrage. Obwohl kein Regionalflugverkehr stattfindet, erfordert der Betrieb derzeit 1,3 Millionen €, die hälftig von den Gesellschaftern getragen werden müssen. Ich habe bereits am Anfang meiner Rede gesagt: Das

(Christopher Vogt)

ist ein völliger ökonomischer Unsinn in Zeiten knapper Kassen.

(Zuruf von Wolfgang Kubicki [FDP])

Es gehört auch nicht zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge, Herr Kubicki, einen öffentlichen Flughafen vorzuhalten. Wenn Sie fliegen wollen, was Sie wahrscheinlich gern tun und häufig auch nutzen, dann wissen Sie, der internationale Hamburger Airport ist gut erreichbar. Sie werden wahrscheinlich selber auch schon den Kielius der Autokraft und den KielEXX von Vineta benutzt haben. Damit ist man dann relativ schnell am Flughafen. Wahrscheinlich werden Sie aber mit dem Auto dorthin fahren und die teuren Parkhausgebühren bezahlen. Ein Fraktions-Vorsitzender der FDP ist ja nicht arm. Aber, wie gesagt, auch der ÖPNV ist hier gut zu nutzen.

Es gibt keinen Käufer für die Kieler Flughafengesellschaft, und das Land hat kein Geld und sollte auch kein Geld mehr dafür ausgeben.

Es gibt Punkte, die zu regeln sind. Das ist sicherlich komplex. Es sind Fördermittel geflossen, es gibt Altlasten, dann der Flugsport und die Transporte von Transplantationsorganen - das muss man sicherlich auch alles bedenken. Ich gestehe auch zu, dass das einige Zeit braucht.

Wie gesagt, die SPD in Kiel hat noch Beratungsbedarf, habe ich gehört. Die Grünen haben dafür Verständnis. Immerhin muss man aber sagen: Sowohl SPD als auch CDU in Kiel standen mehr als fünf Jahre lang für einen Ausbau der Holtenauer Startund Landbahn. Dieser angedachte Flughafenausbau war mit Abstand der dümmste politische Plan, den die Kieler Politik je verfolgt hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es reicht der gesunde Menschenverstand - vielen Dank für Ihren Applaus, Herr Kubicki -, um bei der Lektüre der unzähligen Gutachten festzustellen, dass dieser Flughafen nie eine Zukunft gehabt hat.

Ich darf auch den Exkollegen Austermann - ich habe ihn hier ja leider nicht mehr erleben können - zitieren, der am 4. Mai 2006 folgendes zu Protokoll gegeben hat: Norddeutschland hat einen großen Flughafen, und das ist Hamburg. Die Vorstellung, man könne daneben Alternativen aufbauen, ist unrealistisch. Kiel wird ein kleiner Regionalflughafen bleiben.

Durch Widerstände der Grünen und der Bürgerbewegung wurde der geplante Ausbau gestoppt. Kiel

hat viel klüger gehandelt als Lübeck. Wir sind ja gespannt, wie das Konzept von Herrn Saxe aussehen wird. Der Mensch sollte lernfähig sein. Wir haben heute zahlreiche Anträge zu diesem Thema auf dem Tisch. Ich denke, wir sind einen Schritt weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den Beschlüssen des Landes Schleswig-Holstein und der Landeshauptstadt Kiel in 2006 wurde seinerzeit nach zähem Ringen ein Schlussstrich gesetzt und der Ausbau des Flughafens ad acta gelegt. Damit wurde eine lang gehegte Forderung des SSW erfüllt. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Finanzierung eines Ausbaus nicht zu begründen ist, und natürlich auch des Betriebes nicht, und dass sich das Ganze auch wirtschaftlich nicht trägt. Der Abzug der Linien und das Einstellen des Flugbetriebes haben deutlich gemacht, dass auch mit Subventionen und allerlei Entgegenkommen sich niemand dazu bewegen ließ, wirklich regelmäßig und eigenwirtschaftlich einen größeren Flugbetrieb von Kiel aus aufzunehmen. Das ist die Geschichte und auch die Wahrheit.

Wer sich den Flughafen in Holtenau heute anschaut, stellt fest, dass das Land und die Stadt Kiel als Gesellschafter an einem Flughafen beteiligt sind, auf dem nur noch Ambulanzflüge und Geschäftsreiseverkehr sowie Zieldarstellungsflugverkehr für die Bundeswehr abgewickelt werden. Anders ausgedrückt: Das Land zahlt Geld fürs Nichtfliegen. Da stimme ich mit dem Antrag der Linken überein, dass wir das Geld nicht haben, das wir jährlich immer noch an Bezuschussung in den Flughafen reinbuttern. Es ist auch niemandem zu erklären, dass dieser „Geisterflughafen“ nicht schon längst abgewickelt wurde.

Bereits in anderen Zusammenhängen haben wir als SSW immer wieder gefordert, dass es nicht Aufgabe des Landes ist, Regionalflughäfen zu betreiben. Auch beim Flughafen Lübeck-Blankensee haben wir eine Beteiligung abgelehnt. Das tut die Landesregierung auch, also muss man hier auch mit gleichem Maß messen. Wir stellen fest, dass das Land jetzt immer noch mit zweierlei Maß misst. Dies ist

(Andreas Tietze)

eine Ungleichbehandlung zugunsten des Kieler Flughafens.

Welche Möglichkeiten gibt es, das Land aus dieser Misere herauszuholen? - Da wäre zum einen die Möglichkeit, dass das Land seinen Gesellschafteranteil an die Stadt Kiel verkauft, oder vielleicht auch nur kostenlos an die Stadt überträgt.

(Beifall der Abgeordneten Gerrit Koch [FDP] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Realistisch gesehen ist aber nicht davon auszugehen, dass Kiel einen solchen Deal eingeht - wofür ich auch durchaus Verständnis habe, das kostet die Kieler nämlich durchaus Geld. Zum anderen könnte man die Anteile an einen Dritten verkaufen, beispielsweise die IHK. Das ist aber genauso unrealistisch. Bleibt als Konsequenz, den Betrieb durch Auflösung der Gesellschaft zu beenden. Natürlich kann die Gesellschafterversammlung einen Beschluss auf Abwicklung treffen. Doch hierbei muss bedacht werden, dass dies nicht von heute auf morgen umsetzbar ist. Hierbei handelt es sich um eine längerfristige Lösung, es muss ein geordnetes Verfahren geben. Dies sage ich insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigten. Die Stadt Kiel und das Land haben hier Verpflichtungen, denen sie nachkommen müssen. Man kann sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen und alles sich selbst überlassen.

Nach Auffassung des SSW wäre ein realistischer Ausstiegstermin an den Abzug des Marinefliegergeschwaders 5 gekoppelt. Das wäre dann voraussichtlich im Jahr 2012. Das ist ja nicht mehr lange hin. Damit würden sich für die Stadt Kiel ganz neue Entwicklungschancen im Kieler Norden ergeben. Die direkte Verbindung der Stadteile Holtenau und Friedrichsort und eine damit verbundene Stadtteilentwicklung wäre möglich. So sehen es übrigens auch die Kooperationspartner der Stadt Kiel. In diesem Zusammenhang ist dann zu klären, wie es mit den derzeitigen Nutzern weitergehen soll. Es ist daher notwendig, dass man genau guckt, welche Stadtteilentwicklung unter Einbezug des Flughafengeländes möglich ist, und man muss die Abwicklung des Flughafens nicht unter unnötigem Zeitdruck betreiben.

SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW haben in der Stadt Kiel eine Konzeption für die Weiterentwicklung des Geländes und den dazugehörigen Stadtteilen erarbeitet. In diesem Sinne sollten wir die Stadt Kiel dann eben auch entsprechend unterstützen.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Zum Abstimmungsverfahren: Wir haben ja vereinbart, eine alternative Abstimmung zwischen dem Antrag von CDU und FDP, möglicherweise angefüttert mit den Anregungen der SPD, und dem Antrag der LINKEN durchzuführen. Dem Antrag der SPD stimmen wir natürlich zu, weil es dort gerade auch um Arbeitnehmerrechte geht. Wir sehen aber nicht, dass der Antrag von CDU und FDP wirklich zielführend ist, weil kein Mensch diesen Flughafen kaufen wird beziehungsweise diese Anteile, kein Mensch will sie übernehmen. Wenn man wirklich handeln will, dann muss man die Gesellschaft abwickeln. Da sind die LINKEN genau auf dem richtigen Weg, deshalb werden wir in der Endabstimmung den Antrag der LINKEN unterstützen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Fischer von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gern den Beitrag von Herrn Kumbartzky aufnehmen.

(Christopher Vogt [FDP]: Das war meiner!)

- Entschuldigung, da habe ich Sie verwechselt. Das kann vielleicht gerade noch passieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das passiert mir auch noch! - Heiterkeit)

- Das beruhigt mich ausgesprochen. Wir werden dann gemeinsam unsere Fortschritte abklären können.

Sie haben darauf hingewiesen - ich zitiere -, dass eine Privatisierung des Flughafens das Ziel sei. So haben Sie es gesagt. Wenn das stimmt, dann möchte ich Sie gern bitten, dass Sie sich in dieser Landesregierung einmal darüber einigen, in welche Richtung Sie wollen. Der Kollege Arp hat gesagt: Ausstieg. Das haben wir sehr gelobt, das finden wir gut, dass er dazugelernt hat. Er hat ja auch die Punkte genannt, die abgewickelt werden müssen. Sie sagen, eigentlich könnten Sie sich auch eine Privatisierung vorstellen. Das ist ein Teil der Argumentation, die ich aus der Debatte über den Flughafen aus der Vergangenheit sehr gut kenne.

(Lars Harms)

Aber Sie wissen auch, dass eine Privatisierung nur Sinn macht, wenn Sie einen Investor bekommen, der dort großflächig und sehr stark einsteigt, also mit Charter und entsprechenden Flugangeboten. Das ist das Gegenteil dessen, was wir eigentlich wollen.

Deshalb würde ich Sie herzlich bitten, Ihre beiden sehr unterschiedlichen Auffassungen über die Zukunft dieses Areals so zu harmonisieren, dass wir wissen, wie es weitergeht, damit wir auch die Planungssicherheit für die Stadt und für das Land haben, die wir in dieser Frage brauchen. Das wäre mir schon sehr wichtig. Einigen Sie sich bitte, sonst geht es auf Dauer immer weiter hin und her.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der LINKEN und SSW)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Damit eins klar ist: Wir meinen das Gleiche, und Sie treiben auch keinen Keil zwischen uns oder in den Antrag. Er ist deutlich formuliert. Wir sagen nur das, was wir können. Und das machen wir im Gegensatz zu Ihnen auch noch gut. Der Unterschied besteht darin, dass wir sagen, wir ziehen unsere Beteiligung zurück. Wir fordern die Landesregierung auf, unsere Beteiligung zu veräußern. Dann sind wir das ist ja die Lex Lübeck - raus. Ob wir nun jemanden finden, ist die nächste Frage. Wir kennen ja die Situation in Lübeck. Wir sind auch nicht so blauäugig, dass wir glauben, es käme ein Großinvestor, der Holtenau ausbauen will.

(Jürgen Weber [SPD]: Vielleicht ein Kleinin- vestor!)