Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

Das, meine Damen und Herren, würde ich mir nicht vollständig zu eigen machen. Aber ich möchte zumindest darauf hinweisen: Mir persönlich wäre es schon lieb, wenn wir die Neuverschuldung so weit reduzieren könnten, dass sie unterhalb der Inflationsrate bliebe. Das wäre, so denke ich, historisch der richtige Weg.

Sie, Herr Minister, sind stolz auf das Urteil des Evaluationsausschusses. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Ich warte eigentlich immer noch auf eine Erklärung für Ihre Protokollnotiz vom 20. März zu der Verwaltungsvereinbarung. Ich würde das gern einmal hören. Dort schreiben Sie mit meinen Worten:

(Gerrit Koch [FDP]: Bestimmt nicht! - Hei- terkeit bei der FDP)

Wenn vergleichbare Bundesländer den Konsolidierungspfad nicht einhalten - ich sage jetzt in Klammern dazu: zum Beispiel aufgrund einer Rezession -, dann schaffen wir es als Schleswig-Holstein auch nicht. Dazu habe ich von Ihnen bisher noch nichts, noch gar nichts gehört.

Insofern, Frau Loedige, denke ich, dass der ganze Finanzplan wahrscheinlich von der Realität überholt werden wird. Die Konsolidierung auf Neuverschuldung null bis 2020 ist eine Schimäre.

Wenn Sie der SPD vorwerfen, dass sie in den 90erJahren oder auch Anfang dieses Jahrhunderts nicht versucht hätte, das strukturelle Defizit zu bekämpfen, dann möchte ich Sie bitten, die alten Finanzpläne, zum Beispiel von Finanzminister Möller, durchzulesen. Dort war auch schon immer die Rede davon, die strukturelle Neuverschuldung auf null zu reduzieren. Das ist das gleiche Spiel, das Sie jetzt hier betreiben. Es hat damals nicht funktioniert, und es wird heute nicht funktionieren. Der einzige Unterschied ist: Als die SPD und die Grünen noch an der Regierung waren, hatten wir ein strukturelles Defizit von ungefähr 600 Millionen €. Herr Minister Wiegard hat es geschafft, dieses strukturelle Defizit auf über 1 Milliarde € zu erhöhen. Das ist der

(Ulrich Schippels)

Unterschied zwischen den Politiken der verschiedenen politischen Parteien.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie benutzen diesen ganzen Popanz nur, um in der konkreten politischen Praxis bei den „Kurzen“ zu kürzen, bei den Kindern.

Dann höre ich immer das Wort von der Generationengerechtigkeit. - Frau Heinold, Sie sind gemeint!

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mir wird im Kontext der Schuldenproblematik bezüglich der Generationengerechtigkeit immer ganz anders. Meine Damen und Herren, wer hat denn die Schulden verursacht? Waren es die Kinder in den Kindertagesstätten? Waren es die Schülerinnen und Schüler? Nein, es war letztlich unsere Generation, die die Schulden angehäuft hat, insbesondere auch dadurch, dass unsere Generation - übrigens alle Parteien, die wir hier haben - die Reichen und die großen Unternehmen immer mehr steuerlich entlastet haben. Alle haben mitgemacht, CDU, FDP, Grüne und SPD. Jetzt zu sagen, die Kinder, die Schülerinnen und Schüler sollen für diese falsche Politik bluten, ist ein Skandal.

In der Tat müssen wir unseren Haushalt in Ordnung bringen, aber nicht dadurch, dass wir an den Hochschulen kürzen, nicht dadurch, dass wir am Personal sparen, nicht durch die Verlagerung von Kosten zum Beispiel auf den Bund und andere Länder wie bei der baltischen und skandinavischen Archäologie, nicht durch Kürzung bei den Studienplätzen, bei der Medizin, und schon gar nicht durch sogenannte Demografiegewinne bei Lehrerinnen und Lehrern, nicht durch die Beteiligung der Eltern an den Schulbuchkosten und schon gar nicht durch die Streichung des beitragsfreien Kita-Jahres.

Holen wir uns das Geld dort, wo es ist: bei den Reichen, die immer reicher werden, bei den großen Unternehmen, die von einer Steuervergünstigung zur nächsten hüpfen. Sie allerdings wollen das nicht aus Prinzip, und Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, haben sich nicht getraut. Ich hoffe, das wird in Zukunft anders werden. Wir haben kein Ausgabenproblem, wir haben ein Einnahmeproblem.

(Beifall bei der LINKEN)

Packen Sie die Schulden gemeinsam mit dem Bund in einen Altschuldentilgungsfonds, und lassen Sie diesen durch die, die es sich leisten können, finanzieren. Das ist Generationengerechtigkeit. Diejeni

gen, die die Schulden verursacht haben, die sogenannten Leistungsträger dieser Generation, sollen das Geld abdrücken.

Wenn Sie so weitermachen, dann haben wir bis 2020 im Land Schleswig-Holstein 11.000 gut dotierte Posten bei der Bundeswehr verloren. Hinzu kommen noch die Stellen beim Zivilpersonal. Dann haben wir 5.300 gut dotierte Posten bei der Landesverwaltung verloren. Und Herr Albig packt dann noch Stellenstreichungen im Land und bei Kommunen drauf. So gehen ungefähr 30.000 Arbeitsplätze baden, 30.000 Arbeitsplätze, die das Land braucht, 30.000 Einstiegsstellen, die Sie der Jugend rauben. Das ist kein Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Das ist ein Beitrag zur Entvölkerung des Landes.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Habeck?

Herr Schippels, ich möchte Sie fragen, ob ich Sie richtig verstanden haben, dass Sie den Truppenabbau bedauern, und ob es in der Logik nicht folgerichtig wäre, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Bundeswehr ordentlich aufzurüsten.

- Sie haben das falsch verstanden. Wir möchten zivile Arbeitsplätze. Wir möchten die umwandeln in zivile Produktion. Wir haben beim letzten Mal hier - ich denke, Sie waren auch im Raum - über die Rüstungskonversion gesprochen. Ich habe an den anderen Kieler Oberbürgermeister erinnert, der gesagt hat: Wer auf Rüstung baut, baut auf Sand. Das müssen wir ja leider auch hier wieder feststellen. Und ich habe mit diesem Oberbürgermeister darauf verwiesen, dass wir für Friedensproduktion sind. Dafür muss das Geld her, und dafür stehen wir ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

(Ulrich Schippels)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Stabilitätsrat hat zu Beginn des Monats verkündet, dass das Sanierungsprogramm Schleswig-Holsteins geeignet sei, einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2020 zu erreichen. Nicht zuletzt weil die Konsolidierung Voraussetzung für den Erhalt der Finanzhilfe von Bund und Ländern ist, sieht der SSW diese Entwicklung natürlich grundsätzlich positiv. Der Stabilitätsrat hat sich allerdings nur zu den Zahlen geäußert und nicht politisch Stellung zu den einzelnen Maßnahmen genommen. Das ist auch nicht seine Aufgabe. Aber deshalb kann die Tatsache, dass der Stabilitätsrat hier ein „Rechnerisch richtig“ bescheinigt, nicht als Rechtfertigung für eine völlig verfehlte Politik herhalten.

(Beifall beim SSW)

Wenn wir uns nämlich die Liste der Konsolidierungsmaßnahmen anschauen, trübt sich das Bild; denn hier sehen wir, dass die Landesregierung die Einschnitte in den Sozialhaushalt oder bei der Kultur und den Minderheiten unverändert als nahezu unumgängliche Bedingung für eine gelungene Konsolidierung darstellt. Das sind natürlich politische Prioritäten, die Sie setzen, die wir aber nicht teilen. Die Haushaltskonsolidierung ist nicht der Grund für Ihre unsoziale und kulturlose Politik, es sind die politischen Prioritäten, die Sie unter dem Deckmantel der Haushaltskonsolidierung ausleben.

(Beifall beim SSW)

Sie, die schwarz-gelbe Koalition, wollen die starken Einschnitte im Sozialbereich, Sie wollen die Einschnitte im Kulturbereich, und Sie wollen die Rückschritte in der Minderheitenpolitik. Es gibt andere Parteien in diesem Parlament, die genau das nicht wollen.

(Beifall beim SSW)

Eine solche Sicht der Dinge können wir nämlich ganz und gar nicht teilen. Der SSW ist nach wie vor der Auffassung, dass ein erfolgreicher Konsolidierungskurs nicht zwangsläufig zulasten der Ärmsten und Schwächsten im Land gehen muss.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Die vorgesehenen Maßnahmen und Kürzungen im aktuellen Doppelhaushalt sind nicht alternativlos. Wir sehen heute wie auch für die Zukunft durchaus Spielräume, um auch in einer angespannten Haus

haltslage eine andere, sozial gerechtere und zukunftsweisendere Politik zu machen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Voraussetzung, meine Damen und Herren, hierfür ist schlicht und einfach der politische Wille und nichts anderes.

Doch leider habe ich für den SSW immer wieder deutlich machen müssen, dass wir bei dieser Landesregierung keine Ideen, keine Visionen und auch kein Konzept dafür erkennen können, wie Schleswig-Holstein inhaltlich weiterentwickelt werden soll. Ich will damit sagen, dass wir unser Land nicht einfach gesundsparen können. Bewährte und unentbehrliche Strukturen, beispielsweise im sozialen, kulturellen oder minderheitenpolitischen Bereich, müssen nachhaltig gesichert und ausgebaut werden. Es ist und bleibt eine wesentliche Aufgabe der Landespolitik, Schleswig-Holstein zukunftsfähig zu erhalten. Wir sind fest davon überzeugt, dass dies auch vor dem Hintergrund der Sparvorgaben möglich ist. Voraussetzung hierfür ist, dass die Landesregierung im Bundesrat keinen unsäglichen Steuergeschenken zulasten der Länder zustimmt und die Einnahmeseite des Landeshaushalts genau in den Blick nimmt.

Dabei reicht es eben nicht, sich nur virtuell 100 Millionen € versprechen zu lassen, sondern wenn man Geld aus dem Haushalt herausziehen lässt, dann muss der Bund neues Geld, richtiges Geld, Bargeld, wenn man so will, auch wieder in den Haushalt einstellen. Mit diesen virtuellen Versprechungen können jedenfalls wir nicht leben.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei SPD und der LINKEN)

Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch der Ansatz, in Zukunft verstärkt kostendeckende Gebühren für Verwaltungsleistungen zu erheben und eine permanente Aufgabenkritik zu üben, wird von uns begrüßt. Daneben wird es aber kaum reichen, auf zweifelhafte Mehreinnahmen aus der Liberalisierung des Glücksspiels zu bauen. Aus Sicht des SSW ist es viel sinnvoller, die gegenwärtige positive Entwicklung der Steuereinnahmen zum Anlass für eine grundlegende Revision des Steuerrechts zu nehmen. Hierauf muss die Landesregierung auf Bundesebene drängen. Allein die Reduzierung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf den ursprünglichen Zweck würde für Schleswig-Holstein zusätzliche Einnahmen in einer Größenordnung von bis zu 600 Millionen € bedeuten.

Auch die Pläne, zu gemeinsamen Anleihen von Bund und Ländern zu kommen, müssen endlich in die Tat umgesetzt werden. Im Gegensatz zu gemeinsamen Anleihen der EU-Mitgliedstaaten bestehen hier durch die gemeinsame Finanzverfassung keinerlei rechtliche oder inhaltliche Einwände. Durch dieses Instrument würde Schleswig-Holstein bekanntlich zwischen 20 Millionen und 40 Millionen € jährlich an Zinsersparnissen bekommen. Die aktuellen Signale aus Berlin stimmen uns hoffnungsvoll, und wir hoffen, dass dies dann auch möglichst schnell geregelt werden kann.

Aber, meine Damen und Herren, auch das Land selbst hat vieles in der Hand, um bei sich selbst zu sparen. Die Verwaltungsstruktur, die wir in Schleswig-Holstein haben, ist die unübersichtlichste und wahrscheinlich auch teuerste, die man sich überhaupt denken kann. Nur aus der Opposition kommen Vorschläge, wie man sich hier besser aufstellen kann. Dass die Koalition diese ausgestreckte Hand der Opposition ausschlägt, ist nicht nur unklug, sondern diese Politik kostet das Land auch Geld, das es eigentlich nicht hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte dabei einen Punkt hervorheben, den wir vielleicht später noch diskutieren werden. Es geht um die Landesplanung, wie man sie organisiert und wie schlapp das von der Landesregierung gemacht wird und dass uns das Ganze 750.000 € kosten soll. Rausgeschmisseneres Geld als dieses Geld gibt es in diesem Land nicht.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fasse zusammen: Trotz der schwierigen finanziellen Situation dürfen wir die Weichen für unser Land nicht so stellen, dass ihm Zukunftschancen genommen werden. Mit Augenmaß, mit sozial ausgewogenen Reformen des Steuersystems und dem nötigen Verhandlungsgeschick auf Bundesebene kann der nötige Freiraum erhalten werden, um dieses Land trotz Konsolidierungskurs aktiv weiterzuentwickeln. Für den SSW steht fest, dass nicht nur der Erhalt der sozialen und kulturellen Infrastruktur Aufgabe der heutigen und der kommenden Landesregierung ist. Schleswig-Holstein muss vor allem auch durch Bildungsinvestitionen für die Zukunft vernünftig aufgestellt werden. Deshalb sind Bildungsabbau und Kulturlosigkeit für uns nicht die Antwort auf unser Finanzproblem. Es geht besser. Ich hoffe, dass es ab 6. Mai besser werden wird.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Tobias Koch das Wort.