Protokoll der Sitzung vom 22.01.2016

(Beifall PIRATEN)

Zum Glück haben Sie jetzt eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet, die die Informationsflüsse zwischen den Ministerien verbessern soll. Hoffen wir, dass dies hilft, dass derlei Kommunikationsunglücke der Vergangenheit angehören.

Nicht zuletzt sei hier noch einmal deutlich festgehalten, dass Sanierung ohne Planfeststellung geht. Nicht die Neuvorhaben sind das Problem dieses Landes, es ist der Zustand der vorhandenen Infrastruktur. Wir alle wissen, wie schlecht es um den Zustand der Straßen in unserem Land bestellt ist. Wir haben dieses Thema in dieser Legislaturperiode im Plenum nicht nur einmal debattiert. Es gibt Vorhaben, die dringend und sehr schnell geplant und umgesetzt werden müssen. Ich denke da an die A 21 zwischen Bad Segeberg und Bad Oldesloe. Dort stehen jetzt 100 Schilder wegen Straßenschäden. Diese Schäden werden nicht beseitigt. Der Kollege Koch kann ein Lied davon singen. Ich glaube, wir haben Glück, dass er seine Stoßdämpfer dem Land noch nicht in Rechnung stellen kann, sonst hätte er das wahrscheinlich schon lange gemacht.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Die heute geführte Diskussion geht insofern in gewisser Hinsicht am Kernproblem der Infrastruktur in diesem Land vorbei. Diese ist in einem miserablen Zustand. Herr Meyer, für Sanierungsvorhaben bedarf es keiner Gesetzesänderungen. Nutzen Sie in diesem Sinne das kommende Jahr, um mit Experten über zügige Umsetzungen notwendiger Sanierungsvorhaben nachzudenken. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im Landtag darüber debattieren, wie große Infrastrukturmaßnahmen zügiger geplant werden können, um sie schneller der Baureife zuführen zu können, damit die Bagger endlich anrollen können. Angesichts der teilweise langen Planungszeiten ist

(Uli König)

es durchaus nachvollziehbar, wenn gefordert wird, Planungsverfahren zu beschleunigen, um Projekte voranzutreiben. Die Frage ist aber: Wie sollen die Verfahrensbeschleuniger aussehen? Welchen Weg wollen und können wir gehen? Schließlich handelt es sich hierbei nicht ausschließlich um Landesrecht. Viele der rechtlichen Grundlagen sind Bundesoder EU-Vorgaben.

Forderungen, die Entscheidungswege zu beschleunigen, die Planfeststellungsverfahren zu optimieren, den Rechtsweg zu straffen oder bei kleineren Maßnahmen womöglich gänzlich auf Planungsschritte zu verzichten, sind plakativ. Sie hören sich so schön einfach an. Die bestehenden rechtlichen Vorgaben sind aber nicht einfach vom Himmel gefallen. Sie gründen auf politischen Mehrheitsbeschlüssen, die durchaus ihre Berechtigung haben. Wenn man aber eine Änderung bestehender Gesetze wünscht, dann müssen diese auf den politischen und rechtlichen Prüfstand. Dies wäre aus Sicht des SSW ein aufrichtiger Umgang mit bestehenden Gesetzen.

In diesem Kontext sehe ich den Vorstoß von Minister Meyer herauszufinden, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um bei der Umsetzung größerer Infrastrukturprojekte wieder schneller zu werden. Dabei halte ich es durchaus für angemessen, die bestehenden Standards mit Standards aus anderen Ländern zu vergleichen.

Ich möchte aber deutlich sagen, dass es dabei nicht darum gehen kann, das Klagerecht einzudampfen. Öffentlichkeitsbeteiligung muss sein. Öffentlichkeitsbeteiligung ist in einem Planfeststellungsverfahren das A und O in einem solchen Verfahren. Nur so wird gewährleistet, dass sich betroffene Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbringen können, um entsprechend Gehör zu finden. Dazu gehört dann auch das Recht zu klagen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wir wissen, wie umfangreich Großprojekte sind, hat der einzelne Bürger kaum eine Möglichkeit, die Materie komplett zu bearbeiten. Daher halte ich es für richtig, dass es auch das Verbandsklagerecht gibt. Diese Rechte zu beschneiden, halte ich daher für den falschen Weg. Nur durch die frühzeitige Beteiligung können sich betroffene Bürgerinnen und Bürger einbringen, um entsprechend Gehör zu finden. Dass diese Beteiligungsmöglichkeit genutzt wird, macht deutlich, wie unterschiedlich die Interessen des Gemeinwohls gesehen werden können.

Ich halte es aber auch aus dem Grund für notwendig, weil der Bürgerwille wichtig ist für die Akzeptanz von Großprojekten. Vorgehensweisen wie beim Dialogforum zur festen Fehmarnbelt-Querung machen deutlich, dass solche neuen Wege durchaus ein richtiger Weg sein können, die Bevölkerung vor Ort besser, schneller und effektiver mitzunehmen. Auch wenn Klagen damit nicht verhindert werden, können solche Maßnahmen dazu beitragen, sie zu verringern.

Unterm Strich kann ich sagen: Gerichtsverfahren sind eine legitime Kontrolle der Verwaltung. Wenn Planfeststellungsbeschlüsse von Gerichten aufgehoben werden, dann liegt dies nicht am Kläger, sondern an der Sturheit derer, die an rechtswidrigen Plänen festgehalten haben. Um eine hohe Akzeptanz von Planungen zu erreichen, sind neben der frühzeitigen Beteiligung von Bürgern und Verbänden auch transparente Verfahren und eine Offenheit hinsichtlich der Alternativen zur Lösung der Verkehrs- und Umweltprobleme notwendig. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Plenum liegen nicht vor. Jetzt hat die Landesregierung das Wort. Es spricht der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn noch einmal drei Punkte zur A 20 nennen, denn ich glaube, es ist ganz wichtig, zum siebten Abschnitt noch einmal klar zu sagen, was da eigentlich passiert ist.

Erstens. Ich habe nie und an keiner Stelle behauptet, der Adler oder der Adlerhorst seien allein schuld, sondern: Dies allein bedeutet eine Verzögerung von sechs bis acht Monaten. Das war ein Dominostein, der im Verfahren andere Dinge ins Stolpern gebracht hat: die Nachkartierung, die alle fünf Jahre geschehen muss, eine neue Verkehrsprognose. Daher die Verzögerung um zwei Jahre.

Zweitens. Ich trage die Verantwortung dafür, diese Entscheidung getroffen zu haben. Es ist eine Abwägungsentscheidung zu sagen: „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, weil ich genau vor der Situation stand, die im Abschnitt Bad Segeberg meine Vorgänger hatten. Sie haben anders entschieden, und

(Flemming Meyer)

Sie sehen, wo wir gelandet sind, nämlich vor Gericht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Drittens. Wenn immer die Mär davon geht, dass da so viel Geld verloren gegangen sei, das der Bund eingestellt hat - auch die Vorgängerregierung hat sämtliche Planungsaktivitäten auf die A 20 gleichzeitig konzentriert, weil man darauf spekuliert hat, dass das Geld im Bereich Bad Segeberg fließen kann. Weil man es schlecht vorbereitet und eine Abwägungsentscheidung in die andere Richtung getroffen hat, nämlich Schnelligkeit vor Gründlichkeit, ist dieses Geld nicht geflossen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie werden mir verzeihen, dass man in den verbleibenden drei Minuten nicht auf die gesamte Debatte eingehen kann.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie haben genug Redezeit!)

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir uns die Fragen stellen müssen: Kann SchleswigHolstein, kann Deutschland eigentlich noch Infrastruktur? Haben wir noch Zutrauen für Großprojekte? Warum dauert das in Deutschland mit den Verkehrswegen alles so lange? Und vor allen Dingen: Wie ändern wir das?

Dazu fünf Erkenntnisse. Erste Erkenntnis: Wir haben beim Thema Erhalt und Sanierung eigentlich kein Zeitproblem, wir haben aber ein Problem bei Neubautrassen, die in Deutschland bei Verkehrsprojekten angepeilt werden. Dazu gehört ein Rechtsrahmen, der vorgegeben ist, der durch EURecht vorgegeben ist, den wir kaum ändern können - das ist anders als in den 90er-Jahren beim Verkehrswegebeschleunigungsgesetz für den Aufbau Ost -, viel EU-Recht, das wir umsetzen müssen, das wir kaum ändern können.

Wir haben eine zweite Erkenntnis: Wir haben wenig Spielraum beim Rechtsrahmen, vor allen Dingen wegen der EU-Vorgaben.

(Zurufe)

- Herr Koch, ich komme gleich zu den Fragen. Die Frage ist natürlich: Warum sind EU-Länder wie Dänemark oder die Niederlande schneller und besser als Deutschland? Das liegt vor allen Dingen am Thema Planung und daran, wie wir Planung beschleunigen können.

Dazu die dritte Erkenntnis: Wir brauchen Planungsbeschleunigung in Deutschland. Ich habe meine Experten gebeten, mit externem Sachverstand Vorschläge vorzulegen. Wir werden auch darüber reden müssen, warum uns Planänderungsverfahren so viel Geld kosten. Beim siebenten Abschnitt der A 20 ist 2007 mit der Planfeststellung begonnen worden; Herr Arp, Sie wissen das.

Wir müssen auch darüber reden, wie wir Instanzenwege verkürzen können, und wir müssen auch über die Optimierung von Auftragsverwaltung und Bund und Ländern reden. Ja, meine Damen und Herren, auch darüber müssen wir sprechen.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Vierte Erkenntnis: Mehr Zentralismus ist kein Ausweg. Weder eine Bundesfernstraßengesellschaft - in welcher Form auch immer - noch andere Konstrukte werden uns nennenswert weiterhelfen, wenn wir die Grundfragen der Planungsbeschleunigung nicht gelöst haben. Das gilt im Übrigen auch für ÖPPProjekte.

Fünfte Erkenntnis: Ohne ausreichendes Personal, ohne ausreichende Planungsmittel werden wir den Investitionshochlauf bei Bund und Land nicht umsetzen können. Daran arbeiten wir. Wir setzen das Bundesgeld 2015 um, wir setzen das Bundesgeld auch 2016 um. Wir haben bei den Landesstraßen für 2014 und 2015 doppelt so viel Mittel für Erhaltung und Sanierung in der Umsetzung wie in den Jahren 2010 und 2011. Wir sind dabei, wieder Planungspersonal einzustellen. Wir wollen ebenso die Werkvertragsmittel erhöhen, damit wir die Projekte tatsächlich umsetzen können.

Meine Damen und Herren, viele Stellschrauben, das sind dicke Bretter, die wir zur Planungsbeschleunigung bohren müssen. Es gibt viel zu tun. Wir werden es anpacken, und Sie werden es sehen. - Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 18/3737 (neu) und 18/3739 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist gegen die Stimmen der FDP mit den Stimmen aller anderen Fraktionen überwiesen.

(Minister Reinhard Meyer)

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 11 und 24 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Industriestandort Unterelbe stärken und weiterentwickeln

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3693

b) Zukunftsfähige Weiterentwicklung des Industriegebiets Unterelbe

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 18/3738 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Für die Antragsteller hat jetzt der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein klingt nach Urlaub und schönen Kühen, Glücksland zwischen den Meeren. An Industrie denkt man zunächst einmal nicht. Dabei hat der echte Norden mit der Industrieregion Unterelbe/Brunsbüttel ein echtes Schwergewicht, ein Industriegebiet von 2000 ha Fläche mit 450 ha Erweiterungsfläche. In Kombination mit Industrieund Seehäfen und dem Kanal hat es Zugang zu Hamburg, Ostsee und den Weltmeeren. Dieser Standort findet aufgrund dieser Parameter nicht so schnell seinesgleichen.