Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

An die Kollegin von der CDU habe ich noch eine kleine Korrektur: Unser Gesetzentwurf sieht nicht vor, dass eine Urne oder möglicherweise ein Sarg irgendwo privat in einem Garten vergraben werden kann. Uns geht es bei Privatgrundstücken wirklich nur um das Verstreuen der Asche. Das will ich gern klarstellen, weil das ein häufiges Missverständnis bei dem Entwurf ist. Das haben Sie nämlich vorhin gesagt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann ist ja gut, dass Sie das noch einmal klargestellt haben!)

Wer bestimmt die Würde des Menschen? Auch das war eine Frage, die Sie gestellt haben. Ich bin der Meinung, dass das ganz klar der Mensch zu Lebzeiten tut, bevor er irgendwann einmal verstirbt. Ich bin der Meinung, man sollte sich darüber Gedanken machen, wie man gern bestattet werden möchte.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Dazu wollen Sie mich zwingen?)

(Dr. Patrick Breyer)

- Nein, das muss man nicht. Unser Gesetzentwurf sieht bei allen neuen Sachen, die irgendwie ein bisschen tiefgreifender sind, vor, dass das schriftlich kundgetan und ordentlich hinterlegt werden muss. Es reicht auch nicht, wenn man vom Hörensagen weiß: Meine Oma hat ja irgendwie gewollt. Das reicht nicht. Vielmehr muss das schriftlich niedergelegt sein; sonst geht es nicht. Von daher gibt es auch überhaupt keine Zweifel daran, ob das gewünscht ist oder nicht. Damit ist zum Beispiel auch das Thema Sozialbestattungen - Herr Breyer hat es gerade schon ausgeführt - kein Thema.

Was die Öffentlichkeit von Grabstätten angeht, so haben wir jetzt schon in ganz vielen Fällen keine Öffentlichkeit der Grabstätte. Bei Seebestattungen etwa ist es ein bisschen schwierig, zu der Grabstätte zu gelangen. Man kann mit dem Schiff dahin fahren oder sich irgendwo an die Wasserkante stellen. Aber so richtig an dieses Grab heranzukommen, wie es bei der klassischen Erdbestattung mit einem Grabstein der Fall ist, ist nicht mehr möglich.

(Anita Klahn [FDP]: Ich rede von einem Be- tretensverbot eines privaten Grundstücks!)

Auch das Argument bezüglich der Ahnenforschung, das häufig ins Feld geführt wird, ist in Deutschland hinfällig, weil hier Gräber nach 20 Jahren typischerweise - ich sage einmal - eingeebnet werden.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Eka von Kalben?

Ja.

Bitte schön.

Sie haben eben wiederholt, was Herr Breyer schon gesagt hat, nämlich dadurch, dass die zu Versterbenden vorher festlegen müssen, wie sie bestattet werden wollen, sei der Vorwurf ausgeräumt, das könne ein Problem für sozial Schwache sein. Ich halte das für lebensfremd. Haben Sie sich einmal darüber Gedanken gemacht, dass alte Menschen, die wenig Geld haben, ihre Entscheidung unter Umständen nicht danach fällen, was sie sich selber wünschen, sondern mehr danach,

wie sehr sie ihren Angehörigen später zur Last fallen? Das ist aus meiner Sicht eine große Gefahr bei Ihrem Vorschlag. Dieser enthält viele Dinge, die ich gut finde. Aber ich sehe durchaus die Gefahr, dass es dazu kommt, dass Menschen, um ihren Angehörigen nicht zur Last zu fallen, sich für etwas anderes entscheiden. Haben Sie darüber nachgedacht?

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, Frau von Kalben. Vielen Dank für die Frage. Das war übrigens eine sehr häufige Anmerkung von Bürgern, die das an mich herangetragen haben: Sie wollen den Hinterbliebenen nicht zur Last fallen, und sie hätten gerne diese Möglichkeit. Das heißt, wenn wir diese Möglichkeit schaffen, geben wir den Leuten die Möglichkeit zu sagen: Ja, ich möchte meinen Angehörigen nicht zur Last fallen. Und wer sind wir, Ihnen vorzuschreiben, dass sie das nicht machen dürfen?

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Frau Klahn, Sie haben vorhin gesagt, dass es in Bremen, wo es schon eine ähnliche Regelung gibt, nur relativ wenige Fälle sind. Dazu möchte ich anmerken: Wenn wir uns zum Beispiel im Hohen Haus heute darum kümmern würden, wie wir einmal bestattet werden wollen, so würde das - hoffe ich - nicht dazu führen, dass wir in absehbarer Zeit eine größere Fallzahl haben, sondern ich hoffe, dass wir alle noch lange unter den Lebenden verweilen. Das heißt, wenn wir heute die Möglichkeit eröffnen, dass zum Beispiel die Asche auf einem privaten Grundstück verstreut werden kann, und die Leute das heute schriftlich verfügen, dann kann es sein, dass noch 20, 30 Jahre vergehen, bis die Regelung zur Anwendung kommt, weil die Leute älter werden.

Ansonsten fand ich es sehr interessant, dass Sie von der FDP so vehement gefordert haben, dass der Staat mehr kontrollieren soll, ob die Asche auch wirklich ausgestreut worden ist und hier und da und dort.

Kommen Sie bitte zum Ende.

(Uli König)

Die Forderung nach mehr Staat war mir bei der FDP doch irgendwie fremd. Aber vielleicht ist das ein neuer Ton. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen vonseiten des Parlaments liegen nicht vor. Jetzt hat die Landesregierung das Wort. Die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Kristin Alheit, spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Gesetzentwurf greift eine in unserer, aber auch in anderen europäischen Gesellschaften schon länger zu beobachtende Entwicklung auf: Die Bandbreite gewünschter und möglicher Bestattungsformen ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Dies ist meiner Ansicht nach ein Ausdruck von gesellschaftlichem Pluralismus. Dabei ist es in der Tat ein ganz beachtliches Argument zu fragen: Was wollen Menschen? Es ist aber auch für uns alle hier, sowohl für die Legislative als auch für die Exekutive, zwingend zu fragen: Was entspricht der Menschenwürde? Was wird ihr auch posthum gerecht?

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat zu dieser Frage eines immer wieder ganz deutlich gemacht: Menschenwürde ist nicht verfügbar, auch nicht für den Einzelnen oder die Einzelne. Darum kann eine Meinungsumfrage eben nur einen Hinweis auf Meinungen geben und eine sorgfältige Abwägung nicht ersetzen. Es ist auch deutlich geworden, dass dies, bezogen auf die Regelungsvorstellungen im Gesetzentwurf, hier im Hause sehr umstritten ist.

Aus Sicht der Landesregierung erfordert die Erörterung dieser Frage eine Einbeziehung breiter Teile der Gesellschaft. Bestattungskultur betrifft eben zum einen die sehr persönliche Frage des und der Einzelnen: Wie möchte, wie kann ich bestattet werden? - Sie betrifft aber auch uns als Gesellschaft, nämlich mit der Frage: Was bedeutet Tod? Was bedeuten Tote für uns? Wie zollen wir ihnen Respekt, und wie wahren wir ihr Andenken?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dieser ganz grundsätzlichen Seite erlauben Sie mir

ganz kurz, auf einige konkrete und pragmatische Aspekte des Gesetzentwurfs einzugehen, wie es schon einige meiner Vorredner getan haben.

Eine Frage, die mit dem Verstreuen auf dem Grundstück stellt, ist schon ansatzweise angesprochen worden, nämlich ob der Nachbar des Grundstücks dies dulden muss; denn die Totenasche macht ja nicht an den Grundstückgrenzen halt. Aufgrund der Eigenschaft von Asche ist es eben unwahrscheinlich, dass sie genau innerhalb der Grundstücksgrenzen bleibt. Ist das etwas, was dem Frieden zwischen Nachbarn wirklich dienlich ist?

Es gibt aber noch einen anderen Punkt. Sie beschränken den Anwendungsbereich Ihres Gesetzes auf diejenigen, die hier ihren letzten ersten Wohnsitz hatten. Wieso eigentlich? Ist diese Ungleichbehandlung schlüssig? Eine solche Einschränkung finde ich nicht zwingend; denn sie würde dazu führen, dass zum Beispiel Studierende, die nicht ihren ersten Wohnsitz hier haben, dieses Recht nicht in Anspruch nehmen dürften. Auch darüber sollte man sicherlich noch einmal reden.

Und die Überwachungsfrage ist tatsächlich keine ganz banale. Wer überwacht denn die Ordnungsgemäßheit der häuslichen Verwahrung? Was ist mit den zwei Jahren? Egal, wie es gemacht wird, es ist völlig klar, dass der Verwaltungs- und Vollzugsaufwand, der dadurch bei den Kommunen entsteht, bei denen im Moment nicht vorgesehen ist. Damit haben wir meiner Ansicht nach einen Musterfall für die Auslösung von Konnexitätskosten.

Ich weiß, dass dies angesichts des Beratungsgegenstands vielleicht ein paar schnöde erscheinende Aspekte sind. Aber bei einer gesetzlichen Regelung sollten wir sie nicht gänzlich ausblenden. Ich will noch einmal deutlich machen, dass für die Landesregierung, wie bereits dargelegt, Folgendes im Vordergrund steht: Es geht hier vor allem um eine nicht einfache ethische und für unsere Gesellschaft ganz wichtige relevante Frage. Aus Sicht der Landesregierung ist ein möglichst breiter Konsens darüber ausgesprochen wichtig, einer, der weit über die Gremien dieses Landtags hinaus diskutiert werden sollte. - Ganz herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/3934 federführend dem Innenund Rechtsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Akzeptanz der Windenergienutzung

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/3941

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry schreibt:

„Wenn du bescheiden bist, gibst du dem Winde nach wie die Wetterfahne, da ja der andere mehr Gewicht hat als du selber.“

Wir PIRATEN wollen nicht bescheiden sein. Wir wollen nicht nachgeben. Wir wollen, dass Schleswig-Holstein Mut zeigt und eine neuen Kurs einschlägt, nämlich den bundesweit einmaligen Weg geht, den Ausbau der Windenergie im Einklang mit dem Willen der betroffenen Bürger vor Ort zu gestalten.

(Beifall PIRATEN)

Konkret sieht unser Gesetzentwurf, den wir heute beraten, vor: Solange es genügend Gemeinden gibt, die neuen Windparks offen gegenüberstehen oder die sie sich sogar ausdrücklich wünschen, sollen keine Windkraftanlagen in Gemeinden geplant werden, die sie gerade nicht haben wollen und ablehnen. Das ist die Quintessenz unseres Gesetzentwurfs. Wir PIRATEN sind davon überzeugt, dass der Ausbau der Windkraft überhaupt nur gemeinsam mit den Bürgern gelingen kann. Wenn die Proteste gegen die Windenergienutzung immer weiter zunehmen, wenn die Akzeptanz zusehends verloren geht, dann kann ganz leicht ein Federstrich des Bundesgesetzgebers die kompletten Rahmenbedingungen der Energiewende zunichtemachen. Die tollsten und sichersten Pläne nutzen nichts, wenn sich die Rahmenbedingungen infolge von Protesten

so ändern, dass Investitionen nicht mehr rentierlich sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe die Sorge um Rechts- und Investitionssicherheit für Windenergievorhaben; aber unser Gesetzentwurf zur Durchsetzung des Bürgerwillens bei der Windkraftplanung bedeutet doch kein Risiko für die Energiewende und für die Investoren. Das wahre Risiko für die Windenergieentwicklung sind diejenigen, die die Planung nach rein technokratischen Gesichtspunkten auch gegen den entschiedenen Widerstand der Menschen vor Ort durchpeitschen wollen und dadurch einen Protest solchen Ausmaßes schüren, dass die Energiewende insgesamt zum Erliegen zu kommen droht. Wie groß dieses Risiko ist, sehen wir gerade an den aktuellen Berliner Plänen. Wir sehen den Protest der Bürger hier im Land. Wir sehen Volksinitiativen gegen Windenergie. Wir sahen zuletzt sogar Parteigründungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Entscheidung über Windenergieanlagen vor Ort zu treffen, ist eine Chance zur lokalen Gestaltung der Energiewende, um in einen Dialog mit Investoren zu treten, um Rahmenbedingungen zu vereinbaren, unter denen solche Projekte ermöglicht werden können. Im Grunde genommen leuchtet es ja auch jedem ein, dass es sinnvoll ist, die Windenergieflächen im Einklang mit dem Willen der Kommunen und der Bürger vor Ort zu planen. Das wollen die Gemeinden, das wollen die Windkraftgegner, aber auch die Windkraftverbände befürworten das.

So ist bei der Landesplanung über Jahre hinweg verfahren worden, bis das Oberverwaltungsgericht Anfang des letzten Jahres entschieden hat, dass diese Praxis mit den bisher gültigen Gesetzen nicht im Einklang steht. Deswegen legen wir, abgesichert durch ein Rechtsgutachten, heute einen Gesetzentwurf vor, der die Umsetzung des Bürgerwillens im Planungsverfahren gesetzlich absichert.

(Beifall PIRATEN und Oliver Kumbartzky [FDP])