Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

Nach Auskunft der Deutschen Steuer-Gewerkschaft haben wir allein in Schleswig-Holstein einen Verlust von 350 Millionen € pro Jahr durch manipulierte Kassensysteme. Das ist ein ziemlich dicker Batzen Geld. Die Schätzungen gehen auseinander. Das hat etwas damit zu tun, dass man nicht genau weiß, wer wie viel manipuliert. Wenn man das wüsste, könnte man das den Leuten nachweisen und sagen: Du musst das jetzt nachbezahlen!

Dem Verdacht der Steuerhinterziehung möchte natürlich niemand ausgesetzt werden. Aber hier liegt eine große Chance für die gesamte Branche. Wenn wir es schaffen, mit dem INSIKA-Verfahren den Steuerbetrug einzudämmen, dann profitieren die vielen ehrlichen Gastronomen und Unternehmer. Nur so können wir einen fairen Wettbewerb und Steuergerechtigkeit schaffen, und Steuerbetrug wird nicht zu einem Wettbewerbsvorteil.

Lassen Sie mich kurz auf die technischen Vorteile des Systems eingehen. Erstens. Die Spezifikation ist offen. Das heißt, alle Kassenhersteller können dieses Verfahren gleichermaßen implementieren. Es gibt kein Problem mit irgendwelchen Patenten, wo man noch etwas bezahlen muss, was das Ganze teuer macht. Jeder kann das selber implementieren.

Zweitens. Das ganze Verfahren setzt auf anerkannte kryptografische Standards. Das heißt, es ist aus mathematischer Sicht relativ sicher. Die Teile, die abgesichert sind - wir haben gerade mehrfach gehört,

es gibt immer noch Möglichkeiten drumherum -, sind wirklich sicher; da kann man sich sicher sein, dass da nichts passiert. Das läuft nicht so, dass man einfach eine Blackbox macht und sagt: Ja, das macht schon bestimmt, was es soll - wie es heute einige Kassensysteme machen, Stichwort: Security by Obscurity.

Die Verwendung von Smartcards entspricht dem Stand der Technik. Sie gelten als sehr manipulationssicher und sind auch in der Massenherstellung sehr günstig.

Meine Damen und Herren, es wurde hier schon mehrfach angesprochen: Technische Verfahren allein sind keine Lösung für soziale Probleme. Wir können noch so viele Verfahren entwickeln, welche Steuerbetrug verhindern sollen - die schwarzen Schafe werden immer wieder Möglichkeiten finden, sie zu umgehen. Deshalb kann INSIKA nur funktionieren, wenn schwarze Kassen in der breiten Öffentlichkeit nicht mehr als Kavaliersdelikt wahrgenommen werden.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Zu- ruf Lars Winter [SPD])

Die Strafen für einen solchen Betrug müssen drastischer und die Kontrollen verschärft werden. Die Finanzbehörden müssen genug Fachpersonal haben, um Kontrollen durchzuführen. Sonst funktioniert das Ganze nicht.

(Beifall PIRATEN)

- Spannend, dass nur die PIRATEN klatschen. - Ich weiß, wir haben einen Stellenabbaupfad, den begrüße ich auch. Allerdings nützt es der Landeskasse nichts, wenn Ressourcen in der Steuerfahndung und anderen Kontrollorganen gestrichen werden, bringt doch jede Stelle dem Fiskus Einnahmen, die die Stellenkosten weit überschreiten.

Frau Heinold spricht bei Ladenkassen von 120 Millionen € Verlust durch Falschabrechnung. Wie gesagt, die Deutsche Steuer-Gewerkschaft spricht in Schleswig-Holstein von 350 Millionen €. Wir werden sehen.

Mit einem kombinierten Paket aus Sicherheitslösungen, erhöhten Strafen und Ressourcenschaffung bei den Kontrollorganen kann Schleswig-Holstein seinen Verlust minimieren. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich, dass ich mit der Kollegin Raudies ausnahmsweise einmal einer Meinung bin. Ich schenke Ihnen 1 Minute und 30 Sekunden.

(Beifall PIRATEN - Unruhe)

(Dr. Heiner Garg)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist von den anderen Rednern schon vieles zum System und zum Ablauf gesagt worden. Es geht darum, dass möglicherweise mehrere 100 Millionen € an Steuern durch solche Manipulationsmaßnahmen hinterzogen werden. Das können wir als Staat nicht dulden. Steuerhinterziehung ist unsozial. Wir sollten alles tun, dass dies nicht geschieht. Deswegen macht es Sinn, in die Kassensysteme entsprechende Systeme einzubauen.

Ich freue mich darüber, wenn wir das im Ausschuss noch einmal beraten können, damit die FDP ihre Fragen loswerden kann und wir möglicherweise gemeinsam einen Beschluss fassen können. Das wäre ein ganz tolles Signal aus diesem Hohen Haus. Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und PIRATEN)

Aus dem Parlament liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. - Dann hat jetzt für die Landesregierung die Frau Finanzministerin Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich über die konstruktive Debatte. Ich glaube, dass es großartig wäre, hier einen weit getragenen Beschluss zu bekommen, weil wir Handlungsdruck haben. Da es eine große Einigkeit in der Sache gibt, wird es für Sie vermutlich unproblematisch sein, wenn ich in der Zwischenzeit, während wir hier beraten, in Berlin weiter Druck machen werde, was ich mit Sicherheit tun werde.

Die Debatte läuft schon ziemlich lange. Ja, Herr Koch, es ist ein anspruchsvoller Auftrag, trotzdem finde ich 13 Jahre Beratung viel zu lange, weil uns viel zu viel Geld verloren gegangen ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Die unterschiedlichen Zahlen bei der Frage, wie viel es bringt, mögen sich auch durch den langen Zeitraum erklären. Als der Bundesrechnungshof 2003 zum ersten Mal angemahnt hat, dass Handlungsbedarf besteht, konnte er die Höhe der Steuer

verluste noch nicht abschätzen, irgendwann bezifferte er sie auf 5 Milliarden €, und 2015 hat der Bundesrechnungshof noch einmal geprüft, die Zahl aktualisiert und spricht jetzt von bis zu 10 Milliarden €. Das wären, wenn man die Verteilung der Steuern auf Bund, Länder und Kommunen berücksichtigt, ungefähr 100 Millionen bis 150 Millionen € für Schleswig-Holstein, also durchaus eine relevante Summe, die wir zwingend und dringend an anderer Stelle brauchen, für die Haushaltskonsolidierung, für Bildung, für Infrastruktur.

Es ist gut, dass sich inzwischen alle Bundesländer zu einer Lösung bekannt haben. Was mich unglaublich freut, ist, dass sich der DEHOGA SchleswigHolstein eindeutig hinter unsere Forderung gestellt hat.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das zeichnet ihn aus. Er macht dies, weil er im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit natürlich auch Steuergerechtigkeit braucht. In Schleswig-Holstein können sich die steuerehrlichen Betriebe natürlich darauf verlassen, dass ich mich als Finanzministerin unseres Landes mit Nachdruck gegen die bestehende Wettbewerbsverzerrung durch Steuerbetrug einsetzen werde.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, im Prinzip geht es um zwei Fragen. Die erste Frage lautet: Wann beginnt das Gesetzgebungsverfahren? Nach dem, was ich neu gehört habe - das freut mich -, beabsichtigt der Bund, das Gesetzgebungsverfahren in diesem Jahr nicht nur auf den Weg zu bringen, sondern auch zu beenden. Das wäre hervorragend. Ich glaube, dass es sehr hilfreich ist, wenn Landtage und Landesregierungen weiter den Druck auf den Deckel halten und sagen: Es muss etwas passieren. Das werden wir tun.

Das Zweite ist die Frage: Welches System empfehle ich? Herr Koch, es ist gut, dass Sie sagen: Das Entscheidende ist erst einmal der Beschluss in der Sache und nicht die technische Lösung. Sie haben erläutert, dass Sie nicht zwingend für INSIKA sind, aber sagen, das Ziel, dass sich etwas verändert, ist übergeordnet.

Bei der Frage, was der beste Manipulationsschutz ist, bin ich nach den Informationen, die ich habe, für INSIKA. INSIKA ist ein Verfahren, das vom Bund selbst erarbeitet worden ist, vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben und finan

ziert worden ist. Es ist ein Konzept, das den technischen Anspruch mit dem inhaltlichen Anspruch in einer Gesamtkonzeption verbindet, mit einer Nachschau und anderen Fragen, die dazugehören, auch mit der Ausgabe der Quittung, des Bons. Ich glaube, dass das eine in sich schlüssige und gute Lösung ist.

Die Frage der Kosten ist zwischen Bund und Ländern strittig. Die Kosten sind aber insgesamt auch vom Verwaltungsaufwand her so gering, dass sich bei den hohen Einnahmen, die wir erwarten, das Gesamtkonzept lohnt.

Vielen Dank für die breite Unterstützung. Ich hoffe, dass wir dieses Projekt gemeinsam erfolgreich begleiten, dass der Bund es auf die Schiene setzt, dass es dann durch den Bundesrat geht. Das wäre für unser Konsolidierungsland mit den vielen Herausforderungen, die wir haben, eine gute, eine wichtige, eine sehr unterstützende Maßnahme. Aber das wäre auch für die Wirtschaft gut; denn nichts ist schlechter für die Wirtschaft als Wettbewerbsverzerrung durch Schwarzarbeit, Schwarzgeld und Steuerbetrug. Insofern ist das eine runde Sache und eine gute Sache für uns alle. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 18/3922 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Gesetz zur Einführung einer Karenzzeit für Ministerinnen und Minister

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/3846

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer von der Piratenfraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich darauf hinwei

sen, dass sich mein Rucksack auf seinem Platz befindet, sodass auch Herr Kubicki angstfrei an dieser Debatte teilnehmen kann.

(Zuruf SPD: Ha! Ha! Ha!)

Unser „Terrorstofftier“ wohnt der heutigen Beratung am Bildschirm bei und freut sich, dass unser Antrag zur Einführung von Karenzzeiten für Minister heute endlich zur Sprache und hoffentlich auch zur Abstimmung kommt.

(Zuruf CDU: Mit Sicherheit!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was steht in unserem Gesetzentwurf? Für die Dauer von drei Jahren wollen wir verhindern, dass Minister in gut bezahlte Jobs in Branchen wechseln, für die sie politisch zuständig sind. Außerdem wollen wir, dass Minister bezahlte Vorträge, wesentliche Unternehmensbeteiligungen und auch für die Zukunft zugesagte Posten oder Zahlungen offenzulegen haben.

Warum fordern wir das? Immer mehr Bürger sorgen sich, dass unsere Demokratie durch einen übermächtigen Einfluss der Wirtschaftslobby in Gefahr ist. So stimmen 61 % der Bürger in einer repräsentativen Umfrage der Aussage zu: Unsere Demokratie ist keine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die Wähler das Sagen haben. - Das sagen 61 % der Bürger in Deutschland.

Wer kann sich dieses Eindrucks auch verwehren, wenn es in Schleswig-Holstein bis heute legal ist, dass sich ein Minister von der Branche, für die er zuständig ist, mit einem lukrativen Nachfolgeposten aus dem Amt herauskaufen lassen kann?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist das für eine Frechheit!)