Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

(Dr. Ralf Stegner)

Dann geht nämlich das Geld nicht in Bürokratie, sondern das Geld geht in direkte Förderung von Familien. Wir wollen Familien entlasten. Das sind nämlich die Lastesel dieser Nation, um das einmal zu sagen. Die fragen sich manchmal, was wir für sie tun. Früher war die FDP für solche Politik auch noch zu haben. Schade, dass Sie es nicht mehr sind.

(Anita Klahn [FDP]: Was?)

- Ja, früher waren Sie für Entlastung von Bürgern. Das sind Sie heute nicht mehr, das nehmen wir zur Kenntnis.

Gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Abgeordneten Anke Erdmann?

Mit dem allergrößten Vergnügen.

Frau Erdmann, bitte.

Herr Dr. Stegner, vielleicht können Sie mir bei einer Einschätzung helfen. Die Union hat jetzt verschiedene Probleme aufgezeigt und sagt, sie gäben dafür 23 Millionen €, damit die alle gelöst würden. Wir haben jetzt gerade festgestellt: Wir haben für den gleichen Bereich schon 100 Millionen € aufgewendet, und die Probleme sind noch nicht alle gelöst. Glauben Sie, diese 23 Millionen € werden jetzt den Durchbruch in diesem Bereich bringen?

(Zurufe)

Lassen Sie mich das einmal so sagen: Wenn das Argument lautet, ihr gebt zu wenig Geld aus, und Geld löst das Problem, und man gibt das Vierfache von dem aus, was die wollen, dann scheint mir das besser zu sein.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Danke!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die KitaDebatten im Landtag zeigen, wo der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist. Wir wollen die Chancengleichheit für die Familien in diesem Land, wir wollen die Chancengleichheit für Kinder, die es

schwer haben. Davon gibt es sehr viele in diesem Land. Wir haben beschämend viel Kinderarmut in diesem Land. Das wollen und müssen wir ändern. Wir sind insgesamt ein reiches Land, aber die Chancengleichheit ist nicht erreicht. Ich bedanke mich wirklich noch einmal ausdrücklich bei Ihnen, Herr Oppositionsführer. Wir haben Sie gestern so schändlich kritisiert für den Antrag mit dem Schweinefleisch. Das war kein guter Antrag. Aber dieser Antrag heute war wirklich prima, weil er diesen Unterschied so deutlich herausgearbeitet hat, dass wir wirklich etwas tun wollen für Qualität, für Elternentlastung, für gute Kita-Politik in Schleswig-Holstein. Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Daniel Günther, weiter so, noch häufiger solche Anträge, darüber freuen wir uns sehr.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Heiner Garg von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Stegner, es wird Ihnen auch mit rhetorischen komischen Figuren nicht gelingen, den Freien Demokraten zu unterstellen, dass sie Familien nicht entlasten wollen. Insofern war das ein recht plumper Versuch, auf ein Argument der Kollegin Klahn einzugehen, das ich in der Tat teile.

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

In einer Zeit, in der zumindest das Geld in Schleswig-Holstein nicht auf der Straße liegt, halte ich es sehr wohl für notwendig, dass man sich überlegt, wie man diejenigen entlastet, die Entlastung am meisten brauchen. Da ist in der Tat die Frage, die die Kollegin Klahn aufgeworfen hat, vollkommen zu Recht gestellt: Muss es eine einkommensunabhängige Entlastung sein, oder beginnt man möglicherweise nicht lieber erst einmal mit einer am Einkommen orientierten Entlastung? - Punkt eins.

Sie behaupten zweitens, dass Sie mit Ihrer Großtat, die Sie für das nächste Jahr angekündigt haben, Familien entlasten. Es mag sein, dass im einen oder anderen Fall eine Entlastung eintritt. Ich will Ihnen aber auch sagen: Sie brauchen, um das zu organisieren - das geben Sie immerhin ganz transparent zu -, zehn Stellen im Landesamt für Soziale Dienste. Diese zehn Stellen sind meiner Meinung nach

(Dr. Ralf Stegner)

jedenfalls steuerfinanziert. Das heißt, Sie setzen bei den Bürokratiekosten noch eins obendrauf. In der Tat, so stellen sich die Freien Demokraten Familienentlastung nicht vor, dass diese Familien ihre Entlastung erst einmal selber bezahlen müssen, Herr Dr. Stegner.

(Beifall FDP)

Und vor diesem Hintergrund -

Herr Abgeordneter, ich dachte, Sie seien mit diesem Gedanken zu Ende. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie eine Bemerkung der Kollegin Eka von Kalben gestatten, die schon länger darauf wartet?

Aber selbstverständlich.

Dann hat Frau von Kalben jetzt das Wort. Vielen Dank.

Lieber Herr Garg, es ist ganz gut, dass ich Ihren zweiten Punkt auch noch mit anhören konnte, denn dadurch ist meine Frage noch verstärkt worden. Mir ist jetzt noch weniger klar, wo Ihr Weg eigentlich hinführt. Ich frage mich, wie das zusammenpasst, wenn Sie sagen, es wäre besser, die 100 € nicht für jeden und jede - zugegebenermaßen gibt es sehr gut verdienende Menschen, die das unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten vielleicht weniger brauchen als die Masse der anderen Familien -, sondern einkommensabhängig zu zahlen und eine Einkommensprüfung für 100 € Kita-Entlastung einzuführen, dann aber gleichzeitig in Ihrem zweiten Argument die Bürokratiekosten kritisieren. Mir erscheint das überhaupt nicht logisch. Ich weiß, in Hamburg war das alles sehr einkommensabhängig, die Kita-Gebühren.

(Anita Klahn [FDP]: Ja!)

Ich durfte dort so einen Bereich betreuen. Was meinen Sie, wie viele Menschen damit beschäftigt waren, von morgens bis abends irgendwelche Einkommensnachweise zu überprüfen.

(Zurufe SPD)

Wenn wir das Geld dafür dann von dem für Qualität und den Ausbau von Kitas abziehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass das in Ihrem Sinne ist. Ich verstehe deshalb Ihr Argument, was diese einkommensabhängige Überprüfung angeht, nicht, wenn Sie gleichzeitig sagen, es werde zu viel Bürokratie geschaffen.

Es ist schade, dass Sie nicht auch mein drittes und letztes Argument gehört haben. Dann hätten Sie mitbekommen, dass wir vor dem Hintergrund der sehr knappen - sehr knappen! - öffentlichen Mittel, bei all den Wunschträumen, die der Kollege Stegner hier skizziert hat - und wer wollte ihm da widersprechen, dass Ausbildung von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Universität am besten kostenfrei für diejenigen zu organisieren ist, die sie in Anspruch nehmen -, sagen: Weil wir - auch nicht der großartige Kollege Stegner - das derzeit finanziell nicht leisten können, ist die Investition in die Struktur genau der richtige Weg. Das ist genau das, was die Union im Prinzip in ihrem Antrag vorhat, nämlich in den Ausbau, in die Struktur, in die Infrastruktur zu investieren.

Frau Kollegin von Kalben, darüber waren wir uns übrigens, als die Landtagswahl noch nicht so nah vor der Tür stand, sehr einig, als wir darüber diskutiert haben, wie wir mit dem unsinnigen Betreuungsgeld umgehen wollen. Da gab es hier eine große Einigkeit in diesem Landtag, dass das in den Ausbau der Infrastruktur, in die Qualitätsverbesserung der Kitas, fließen sollte. Und das wäre mein drittes Argument gewesen.

(Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD])

Und ich habe mitnichten davon gesprochen, dass wir Bürokratie A durch Bürokratie B ersetzen sollen, sondern ich habe davon gesprochen, dass natürlich die Frage berechtigt ist, ob bei knappen finanziellen Mitteln, die auch noch wie mit einer Gießkanne über alle verteilt werden, das der richtige Weg ist. Ich glaube, es macht vielmehr Sinn, ein entsprechendes qualitativ hochwertiges Angebot in der Kita und in der unter Dreijährigenbetreuung anzubieten, wenn man von begrenzten Mitteln ausgehen muss.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

(Dr. Heiner Garg)

Gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Abgeordneten Eka von Kalben?

Ja. Selbstverständlich.

Eine Bemerkung nur dazu. Wir waren uns nicht nur einig, sondern wir sind uns einig, dass man in Institutionen investieren muss. Ich glaube, meine Vorrednerinnen und Vorredner der Koalition haben auch sehr deutlich gemacht, wie viel diese Landesregierung in die Qualität und Infrastruktur steckt und diese ausbaut. Insofern sind wir uns an der Stelle auch nach wie vor einig.

- Frau von Kalben, ich habe bisher - und werde das auch weiter in dieser Debatte tun - der Versuchung widerstanden, den Ball aufzunehmen: Was hat Ute Erdsiek-Rave vor 18 Jahren gemacht, was hat eine schwarz-gelbe Landesregierung in zwei Jahren und neun Monaten gemacht oder nicht gemacht, was haben Sie alles Glänzendes gemacht? Ich will damit gar nicht anfangen. Fakt ist: Ja, es wird mehr Geld in die Hand genommen, Fakt ist aber auch, Frau von Kalben, dass das natürlich nicht alles Landesgeld ist, sondern selbstverständlich ist das auch Bundesgeld. Für uns ist es übrigens vor allem Steuerzahlerinnen- und Steuerzahlergeld. Das so sinnvoll und so effektiv wie möglich in die Hand zu nehmen, dafür habe ich plädiert, dass das Geld im Moment - jedenfalls, solange es nicht mehr ist - lieber in die Infrastruktur investiert wird als in einen wie auch immer gearteten Entlastungsscheck, der ganz zufälligerweise zum 1. Januar 2017, also fünf Monate vor der bevorstehenden Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag, dann mit einigem Aufwand verschickt wird. Vielleicht können wir uns ja auf diese Formulierung verständigen.

- Auf alles mögliche bis auf den einen Satz, dass alles Bundesgeld ist, können wir uns verständigen.

- Das habe ich nicht gesagt.

- Das haben Sie eben gesagt, aber das war sicher ein Versprecher.

- Es ist nicht alles Landesgeld, sondern selbstverständlich steckt da auch Bundesgeld drin. Ich habe gesagt, es ist alles Steuerzahlerinnen- und Steuerzahlergeld.

Gut. - Jetzt hat Herr Abgeordneter Stegner den Wunsch, eine Bemerkung zu machen. Herr Garg, lassen Sie diese zu?

Ja, selbstverständlich.

Lieber Herr Kollege Dr. Garg, ich wollte Sie gern auf zwei Sachen aufmerksam machen. Das eine ist, weil hier der Begriff Wahlgeschenk verwendet wird und die Daten genannt werden: Ich würde Sie sehr bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass das, was wir tun, genau das ist, was wir angekündigt haben, übrigens schon sehr viel länger.

Und das zweite, weil Sie von Wunschträumen gesprochen haben, es seien Wunschträume, das zu realisieren: Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass das Land Rheinland-Pfalz - im Augenblick rot-grün regiert das schon realisiert hat. Aber den Einstieg, das zu machen - genau der gleiche Einstieg, über den wir hier reden -, den hat eine sozialliberale Koalition in Mainz begonnen, SPD und FDP zusammen, haben das begonnen. Das ist jetzt in der rot-grünen Regierung in Rheinland-Pfalz zu Ende geführt worden. Das Land Rheinland-Pfalz, was übrigens nicht sehr viel reicher ist als wir, hat also genau das schon erfolgreich geschafft, was wir uns vorgenommen haben, womit wir beginnen wollen. Insofern scheint Ihr Argument, man könne das nun gar nicht machen, das seien nur Wunschträume, anderswo, selbst unter Beteiligung der FDP, anders gesehen zu werden.

- Also, sehr geschätzter Herr Kollege Dr. Stegner, ich habe nicht gesagt, wir könnten das gar nicht machen, sondern ich habe gesagt - Sie waren doch einmal Finanzminister in diesem Land;

(Christopher Vogt [FDP]: Eine große Ära!)