Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

Ich möchte gern dazu in meiner Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer Stellung nehmen, weil das zur Geschäftsordnung gehört. Wenn sich Ihr Protest gegen den Begriff Stasi 2.0 richtet, dann sehen Sie ebenfalls, dass das zur Sache gehört.

Herr Abgeordneter, Sie haben hier keinen Geschäftsordnungsantrag gestellt. Vielleicht schauen

Sie noch einmal in der Geschäftsordnung nach, was ein Geschäftsordnungsantrag ist.

Ich sage Ihnen, die Entscheidung, dem Herrn Abgeordneten Dr. Breyer einen Ordnungsruf zu erteilen, haben Sie an dieser Stelle nicht zu kommentieren.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich fahre fort, Frau Präsidentin. 5.000 € sind doch nur der Einstieg in eine schrittweise Abschaffung des Bargelds. Längst existieren im Ausland niedrigere Limits. Im Internet darf man ernsthaft gerade noch für 100 € im Monat Guthabenkarten ohne jede Identifizierung erwerben und verwenden. Und die EU will die Limits dafür noch weiter absenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir PIRATEN fordern, die finanzielle Privatsphäre der Bürger zu schützen, Barzahler nicht unter Generalverdacht zu stellen und die Finger zu lassen von Obergrenzen für Barzahlungen oder in bar bezahlte Guthabenkarten für das Internet. Denn Bargeld ist kein Verbrechen, sondern ein gesetzliches Zahlungsmittel. Das muss es auch bleiben. Dafür stehen wir PIRATEN.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Kollege Hans Hinrich Neve.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick wirkt der Antrag der PIRATEN sympathisch. Beinahe könnte man beim Lesen zu dem Schluss kommen, die Einführung einer Obergrenze sei bereits beschlossene Sache, und das Bargeld stehe als Zahlungsmittel vor dem unmittelbaren Aus. Richtig ist aber: Es gibt Überlegungen, eine europaweit einheitliche Grenze für Barzahlungen festzulegen.

Da ist die Frage: Warum gibt es entsprechende Überlegungen auf europäischer Ebene? Hintergrund sind die schrecklichen Terroranschläge in Paris und die damit verbundene Frage, wie man die Terrorismusfinanzierung am Besten bekämpfen kann. Es geht um Maßnahmen gegen Kriminalität, gegen Geldwäsche und Korruption.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Die PIRATEN verweisen auf die Universität Linz, die die Wirksamkeit von Bargeldobergrenzen für minimal hält. Andere Institutionen hingegen schätzen die Wirksamkeit deutlich höher ein.

Fakt ist: Schon heute gibt es in über zehn Staaten der EU Bargeldobergrenzen zwischen 1.000 € und 15.000 €. Natürlich muss man diskutieren, welche Auswirkungen eine mögliche Bargeldobergrenze auf das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger hat.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle drängt sich die Frage auf: Wann haben Sie das letzte Mal 5.000 € oder mehr in bar bezahlt, meine Damen und Herren, und wie oft kommt das vor? Herr Harms, ich kann mich nicht daran erinnern. Sie mögen vielleicht etwas mehr Geld haben.

Im Antrag wird in der Begründung auch vom Einstieg in die Abschaffung des Bargeldes gesprochen. Das ist absoluter Blödsinn. Das eine hat mit dem anderen nun wirklich gar nichts zu tun.

Frau Präsidentin, ich zitiere unseren Bundesfinanzminister Schäuble, der am 24. Februar 2016 gegenüber der „Südwest Presse“ gesagt hat:

„Das Bargeld wird nicht abgeschafft. Punkt! Und selbstverständlich darf auch künftig jeder über so viel Bargeld verfügen, wie er möchte!“

Ob er das unter der Matratze oder sonst wo hortet, das ist die Sache jedes Einzelnen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Garg?

Nein. - Was die PIRATEN hier machen, ist reine Stimmungsmache. Dass sich eine Bargeldobergrenze im Bedarfsfall auch nach oben verschieben kann, zeigt das Beispiel Belgien. Mit einem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf soll die Bargeldobergrenze von 3.000 € auf 7.500 € angehoben werden.

Natürlich ist eine Obergrenze bei Bargeldzahlungen grundsätzlich ein Eingriff in unsere Freiheit. Freiheiten haben aber immer auch Grenzen. Einem Sprichwort nach endet die eigene Freiheit dort, wo die Freiheit des Nachbarn beginnt.

(Lars Harms [SSW]: Rosa Luxemburg!)

Unser aller Freiheit endet dort, wo sie durch Terrorismus, Korruption und Geldwäsche bedroht und gefährdet wird.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Insofern scheinen die Einschränkungen der virtuellen Bargelder in anonymer Form nur konsequent. Hier darf es keinen Freifahrtschein für eine falsch verstandene Freiheit geben.

Meine Damen und Herren, wir sind gern bereit, im Ausschuss intensiv darüber zu diskutieren. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Beate Raudies das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur Bares ist Wahres, sagt der Volksmund. Mit dieser Volksweisheit begründen die PIRATEN vollmundig ihren Antrag gegen die Einführung einer Bargeldobergrenze.

Unser Verhältnis zum Bargeld ist aber durchaus ambivalent. Viele von uns haben sich schon längst daran gewöhnt, ihre Geldgeschäfte unbar zu erledigen. Bei Reisen im In- und Ausland zahlen wir mit der Kreditkarte. Auch die Zahlung bei Zalando, Amazon oder E-Bay - Entschuldigung, wenn ich jetzt Schleichwerbung mache - läuft bargeldlos über Bezahlsysteme wie PayPal oder die Klassiker Lastschrift und Überweisung.

Mal ehrlich: Wer ärgert sich nicht an der Supermarktkasse über den Kunden, der das Kleingeld aus seinem Portemonnaie abzählt, obwohl es doch mit der EC-Karte viel schneller ginge?

Trotzdem wird in Deutschland immer noch mehr als die Hälfte der Geschäfte im Einzelhandel bar abgewickelt. Andererseits verzeichnen Banken und Sparkassen rückläufige Kundenzahlen in ihren Filialen.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Menschen selbst entscheiden, wie sie zahlen. Das Bargeld muss und wird deshalb auch erhalten bleiben.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

(Hans Hinrich Neve)

Forderungen nach einer vollständigen Abschaffung des Bargelds erteilen wir eine klare Absage. Eine grundsätzliche Abschaffung von Bargeld geht an den Bedürfnissen vieler Menschen und ihren Zahlungsgewohnheiten vorbei.

(Volker Dornquast [CDU]: Will auch kei- ner!)

- Das will auch kein Mensch. Genau.

An dieser Stelle ließe sich dem Piratenantrag durchaus einiges Richtiges abgewinnen. Es lohnt sich aber, das Thema differenzierter zu betrachten; denn Bargeld hinterlässt nun einmal keine Spuren. In Deutschland werden jährlich rund 60 Milliarden € Schwarzgeld gewaschen. In diesen mafiösen Strukturen haben gerade die ganz großen Bargeldscheine ihre besondere Bedeutung. In vielen europäischen Ländern gibt es deswegen bereits Obergrenzen für das Bezahlen mit Bargeld. In Frankreich ist bei 1.000 € Schluss, in Spanien bei 2.500 €. Hiermit können nicht nur Schwarzgeldgeschäfte und Steuerhinterziehung besser unterbunden werden. Auch Geldwäsche wird erheblich erschwert, weil hohe Summen nur noch über nachvollziehbare Konto- und Bankverbindungen getätigt werden können.

Zu einem Gesamtkonzept im Kampf gegen Geldwäsche, Kriminalität und Terrorismus gehören deshalb auch Überlegungen zur Kontrolle des Bargeldverkehrs. Aus der grundgesetzlich geschützten Vertragsfreiheit und der Eigentumsgarantie ergeben sich schließlich keine Grundrechte auf das Benutzen von 500-€-Scheinen und auf Bargeldzahlungen über eine Obergrenze hinaus.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, gar nicht zustimmen können wir den PIRATEN allerdings hinsichtlich des zweiten Punktes ihres Antrags. Unter dem Oberbegriff „Einschränkung verhindern“ thematisieren die PIRATEN auch das virtuelle Bargeld, was eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Kryptowährungen, also virtuelle Währungen, erlauben es nun einmal in der Tat, Geldflüsse zu verbergen. Für die einen ist der anonymisierte Geldfluss das perfekte Mittel, um unerkannt einzukaufen. Für andere ist dies das Einfallstor für kriminelle Handlungen.

Erpressungsversuche durch sogenannte Ransomware wie zum Beispiel den Virus Locky, sind ja nur möglich, weil sie über anonyme Krypto-Zahlungswege abgewickelt werden und die Erpresser so anonym bleiben können.

Das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität hat im Herbst 2014 einen Bericht dazu veröffentlicht. Der Abschluss jeder Cyberkriminalität sei es, so der Bericht, das erbeutete Geld erfolgreich in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen, es also, kurz gesagt, zu waschen. Bargeld zu schmuggeln sei trotz aller Widrigkeiten weiterhin eine beliebte Methode, natürlich vor allen Dingen in großen Scheinen, weil es dann die geringste Menge ist. Virtuelle Währungen, die ein ähnliches Maß an Anonymität böten wie Bargeld, hätten sich aber, so der Bericht, zu einem Hilfsmittel für finanzielle Cyberkriminalität entwickelt und böten das Potenzial, ein perfektes Mittel zur Geldwäsche zu werden.

Es handelt sich also um eine Bedrohung, die zwar derzeit noch überschaubar ist, aber künftig von enormer Bedeutung sein kann. Wer also staatlich nicht kontrollierte Finanzströme will, die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ermöglichen, der sollte dem Piratenantrag folgen. Das wollen wir aber nicht.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Ich beantrage Überweisung in den Finanzausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Kollege Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Bundesfinanzminister Schäuble Mitte Februar 2016 die Einführung einer Obergrenze für Bargeldzahlungen ins Spiel gebracht hat, sind die Gemüter erhitzt. Anders als bei der Debatte um das Schweinefleisch haben wir Grüne dafür durchaus Verständnis.

(Beifall Uli König [PIRATEN])