Frau Bohn, die Behauptung, die Rechtsprechung könne nicht die psychische Zwangslage einer Frau berücksichtigen, ist schlicht und ergreifend juristischer Unsinn. Denn spätestens seit 2005 - das ist in § 177 Absatz 1 Nummer 3 geregelt - ist es strafbar, wenn eine schutzlose Lage ausgenutzt wird und sich das Tatopfer deshalb in einer Zwangslage befindet und sich nicht wehrt und auch nichts erklärt. Allein die objektive Feststellung einer schutzlosen Lage reicht aus, um zu einer Verurteilung zu führen. Das ist das, was ich sage:
Mein letzter Satz, Herr Präsident. - Wir werden erleben, dass die Kölner Vorgänge genau unter § 177 Absatz 1 Nummer 3 StGB subsummiert werden können. Das sagen Ihnen übrigens auch alle Strafrechtler. Frau Frommel hat das erklärt, meine Frau sieht da ein bisschen Probleme, Herr Fischer hat das erklärt.
- Ja, auch in einer Ehe kann man unterschiedlicher Auffassungen sein. Sie hat zwar nicht Nein gesagt, aber die Argumente hat sie etwas anders als ich gewichtet. - Gleichwohl, warten wir mal auf die Rechtsprechung der Justiz. Sie werden erleben, mit solchen Vorfällen kann die Justiz im bestehenden Strafrahmen fertig werden. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil Herr Dr. Stegner meinte, noch einmal auf das Protokoll hinzuweisen und dass dort das Richtige stehen müsse: Sehr geehrte Frau Bohn, ich hatte wirklich gedacht, wir könnten uns das ersparen und das Sachthema weiter besprechen. Ich hoffe auch nicht, dass dieser Beitrag dazu beiträgt, dass das Gewicht, von dem was ich gesagt habe, geschmälert wird. Es ist aber Tat und Wahrheit, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits im Juli 2014 ein Positionspapier ausgearbeitet hat und in einem Schreiben an den Bundesjustizminister Maas
angemahnt hat, unter Zugrundelegung unserer formulierten Eckpunkte den Reformbedarf des § 177 StGB erneut zu prüfen.
Die Bundestags-CDU hat dies getan, und es ist erst im Oktober 2015 zu einer Änderung des Gesetzentwurfs von Herrn Maas gekommen. In den Bundestagsdebatten aus dem Oktober 2015 kann man auch noch einmal nachlesen, wie die Position der CDU/ CSU-Fraktion zu diesem Thema war. Das noch einmal zur Wahrheit des Protokolls. Dass das im Kabinett hängt - da haben Sie völlig recht -, gehört aber dazu. Ansonsten habe ich alles gesagt, was ich dazu sagen möchte.
Ich habe große Hoffnung, erwarte das auch und mache es hier noch einmal ganz deutlich: Das große Problem ist, dass wir die Unschuldsvermutung in der Verfassung stehen haben. Wir sind uns alle völlig einig, dass es zu gar keiner Beweislastumkehr kommen darf und dass wir bei den klassischen Vier-Augen-Delikten immer das Problem haben werden - Problem aus Sicht der Opfer -, dass dieses bewiesen werden muss. Da hat der Gesetzgeber auf Bundesebene jetzt eine sehr, sehr große Aufgabe, weil wir uns auf diesem Gebiet überhaupt keine Fehler leisten können und dürfen, die jetzt durch eine neue Reform vielleicht entstehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in meinem wirklichen Leben als Rechtsanwalt sehr häufig vor den Strafgerichten sowohl als Strafverteidiger als auch als Nebenklagevertreter unterwegs. Deswegen bin ich unverdächtig, hier einen besonderen Pathos in die Diskussion hineinzubringen.
Ich stehe in diesen Rollen ständig vor dem Problem, dass der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs unter der Überschrift steht: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Wenn man sich jetzt aber mal die Vorschriften und insbesondere den § 177 StGB anschaut, stellt man fest, dass dort Elemente der „Selbstbestimmung“ überhaupt nicht vorkommen. Das Wort hat zum Inhalt, dass dort natürlich eine ganz starke subjektive Komponente eine Rolle spielt. Das tut es aber beim § 177 StGB
gerade nicht. Es werden ganz klar objektiv materiell feststellbare Tatsachen gefordert: Gewalt, Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer schutzlos ausgeliefert ist. Das ist grundsätzlich erst einmal richtig. Das Ganze wird aber dann, wenn es sich um Vergewaltigung handelt, an eine Strafdrohung geknüpft, die zwei Jahre bedeutet. Das heißt, dass das praktisch nicht mehr bewährungsfähig ist.
In der Praxis der Gerichte führt dies dazu, dass diese Merkmale in einer unerträglichen Weise ausgeweitet werden, was denn die Annahme dieser Merkmale bedeutet. Das führt dazu, dass Opfer in der Regel damit konfrontiert werden: Ihr habt euch nicht genug gewehrt, die Lage war wirklich objektiv nicht schutzlos. Irgendein Nachbar in der Wohnung nebenan hätte es hören müssen oder können. Das führt dann zu ganz unerträglichen Ergebnissen in der Rechtsprechung. Wenn ich als Nebenklagevertreter dann meiner Mandantin erklären muss: Ja, du hättest dich mehr wehren müssen, du hättest mehr schreien oder sonst etwas tun müssen und daran dann die Verurteilung scheitert, ist das für mich als Anwalt schwer erträglich. Ich kann das den Frauen nicht erklären.
Dieses Dilemma muss durch eine vernünftige Regelung jetzt endlich umgedreht werden, nicht im Sinne einer Beweislastumkehr. Das geht unter gar keinen Umständen. Da bin ich völlig mit Ihnen überein.
Aber das subjektive Element des erklärten Nein muss in Zukunft in viel stärkerem Maße in diese Auseinandersetzung einfließen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil vorhin gesagt wurde, es würde hier zu einer Strafverschärfung kommen. Genau das ist
nicht der Fall, weil das Strafmaß für solche Vergehen weiter bestehen bleibt und sich nicht ändert. Es geht politisch um eine genauere Definition des Straftatbestands. Der Kollege Burkhard Peters hat gerade plastisch dargestellt, warum wir da immer noch Probleme haben. Deswegen ist das - glaube ich - vernünftig.
Es kann sich eben nicht nur an sogenannten objektiven Kriterien ausrichten, dass man in irgendeiner Art und Weise sachlich, körperlich nachweisen kann, dass irgendjemandem etwas Schlimmes passiert ist, sondern es geht auch darum, die subjektive Komponente - so will ich sie einmal bezeichnen - nicht auszublenden, sodass auch das Verhalten einer Person gedeutet werden kann, aber auch klare Aussagen einer Person - das berühmte „Nein heißt Nein“ - mitberücksichtigt werden können.
Das gibt § 177 StGB derzeit leider nicht her. Wir können uns gern darüber unterhalten, wie er formuliert sein sollte. Die Bundesratsinitiative ist ein erster Aufschlag, dieses Thema zu beraten. Wir wissen alle, dass bestimmte Gesetzesvorschläge aus dem Parlament nicht so herauskommen, wie sie eingebracht worden sind. Es ist einfach wichtig, dass es jetzt erst einmal losgeht.
Bei einer Anpassung des Straftatbestands wird natürlich auch in Zukunft immer eine Beweispflicht stehen. Das ist völlig klar, das ist immer so, das ist im gesamten Rechtssystem so. Auch die Unschuldsvermutung wird nicht angetastet und soll nicht angetastet werden.
Es geht darum, dass wir eine genauere Definition des Straftatbestands hinbekommen, damit das Element der Selbstbestimmung tatsächlich eine Rolle spielt. Selbstbestimmung ist schwer zu definieren das weiß ich -, weil jeder irgendwie anders tickt. Aber jeder Mensch hat das Recht, selbstbestimmt Nein sagen zu können. Das muss auch im Recht zum Ausdruck gebracht werden.
Natürlich ist „Nein heißt Nein“ ein großes Schlagwort. „Nein heißt Nein“ hat dazu geführt, dass wir das erste Mal wirklich ehrlich darüber diskutieren, das Strafrecht anzupassen. Ich glaube, es ist der richtige Weg, das Strafrecht in diesem Fall anzupassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, Sie haben sich vielleicht gerade ein bisschen über das Pathos hier gewundert. „Nein heißt Nein“ - das ist eine Selbstverständlichkeit. Das Pathos ist hier bei vielen Leuten da. Ich merke selber, dass ich gar nicht mit kühlem Kopf zuhören kann, weil der Satz „Nein heißt Nein“ in der Realität eben keine Selbstverständlichkeit ist.
Wie oft - das kann ich wahrscheinlich nicht nur für mich sagen - muss man sich den Satz anhören: „Ja heißt Ja, und Nein heißt auch Ja“?
Deswegen ist es mir so wichtig, dass wir die Debatte heute in Ruhe führen, mit vielen juristischen Beiträgen. Aber auch das ist einer der Gründe, dass bei einigen die Emotionen hochkochen. Sie sagen, das sei kein Kavaliersdelikt. In vielen Köpfen ist aber noch: „Ja heißt Ja“, und „Nein heißt auch Ja“. Darum sind viele Leute mit viel Emotion in der Debatte dabei.
Klar braucht man dafür einen kühlen Kopf; Frau Ostmeier hat das deutlich gemacht. Deswegen ist es so wichtig, dass dem auch im Recht Wirkung verschafft wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 18/3935 mit der Berichterstattung der Ministerin seine Erledigung gefunden hat.
Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/3938 (neu), abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der SPD-Fraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des SSW, der Fraktion der PIRATEN und der CDU-Fraktion.