Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gewiss, was wir teilweise in der Vergangenheit auf den Schlachthöfen erlebt haben und wovor auch Sie in Ihrem Antrag warnen - da gibt es in der Tat Nega
tivbeispiele -, konnte die Politik in keiner Weise zufriedenstellen. Aber das fußte zum großen Teil eben nicht darauf, dass es mangelnde Gesetze, sondern schlicht und einfach Verstöße gegen bestehende Gesetze gab. Herr Kollege Voß, Sie beklagen die aktuelle Rechtslage. Das ist übrigens genau die Rechtslage, die Rot-Grün 2002 selbst geschaffen hat.
Dass nun - wenn ich Ihren Antrag richtig lese - Betriebsräte Kontrollpflichten und -aufgaben des Staates übernehmen sollen, halte ich schon für ein starkes Stück. Wenn ein Betriebsrat Missbrauch und Fehler entdeckt, soll er das den zuständigen Behörden melden, denn genau diese Behörden sind dazu da, um die Verstöße festzustellen, nämlich erstens, wenn es Missbrauch von Werkverträgen gibt, zweitens, wenn die Abgrenzungskriterien zur Zeitarbeit nicht eingehalten werden, drittens, wenn Lohndumping betrieben wird, und viertens, wenn es um Scheinselbständigkeit geht.
Richtig ist, wir brauchen gemeinsame Anstrengungen aller gesellschaftlichen Gruppen, und wir brauchen strikte Kontrollen, um den Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern. Aber wir brauchen keine Betriebsräte als Hobbypolizisten.
Meine Damen und Herren, Verfehlungen einzelner oder auch von Branchen in der Vergangenheit dürfen nicht dazu führen - meine Sorge ist, dass das die tatsächliche Absicht ist, die hinter diesem Antrag steckt -, dass wichtige Arbeitsmarktinstrumente per se infrage gestellt werden. Die Zeitarbeit ist eben ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument. Sie bietet Unternehmen Flexibilität für Auftragsspitzen, sie bietet arbeitslosen Menschen die Chance, wieder in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Wer Zeitarbeit überreguliert, sorgt für mehr Arbeitslosigkeit und weniger Berufschancen für Geringqualifizierte. Das lehnen wir ab.
Für uns gilt aber auch - das sage ich sehr deutlich -: Zeitarbeit darf nicht zu Lohndumping führen. Die CDU steht ebenfalls zum Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Auch die Werkverträge gehören als wesentlicher Bestandteil zu unserer arbeitsteiligen Gesellschaft. Die Vergabe von Aufgaben an Dritte auf der Basis von Werkverträgen gehört zum Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Werkverträge spielen im Übrigen nicht nur in den genannten Beispielen auf den Schlachthöfen eine Rolle, sondern auch im Handwerk und der Industrie gleichermaßen. Sie sind dort unverzichtbar. Im Übrigen ist es auch die Landesregierung - das haben wir gestern in der Debatte über den Nachtragshaushalt gehört -, die 10 Millionen € für Werkverträge ausgibt. Tun wir also bitte nicht so, als seien Werkverträge per se etwas Schlechtes.
Ich sage noch einmal: Für uns gilt der Grundsatz: Wo Werkvertrag draufsteht, muss allerdings auch Werkvertrag drin sein. Das gilt für Schlachthöfe, das gilt mit Blick auf die heutigen Zeitungsschlagzeilen auch im Pflegebereich - ganz klar!
Deswegen muss konsequent kontrolliert werden. Deswegen müssen Verstöße sanktioniert werden. Deswegen ist es richtig, dass die Große Koalition und die CDU-geführte Bundesregierung in Berlin entsprechende Vereinbarungen getroffen haben. Die werden umgesetzt. Da brauchen wir im Moment keinen Antrag des Landtages und keine Mitwirkung von Herrn Albig. Es wird eine Lösung in der Großen Koalition geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU hält es nicht für angebracht, einzelne Branchen an den Pranger zu stellen und damit Werkverträge generell infrage zu stellen. Die Tatsache, dass sich die Fleischindustrie eine Selbstverpflichtung auferlegt hat - Kollege Voß hat es erwähnt -, sollten wir zunächst einmal anerkennen. Wir sollten nicht gleich, wie Sie es schon vorauseilend tun, mit dem großen Misstrauen kommen und sagen: Das klappt sowieso nicht, da müssen wir als Staat schon einmal reinregulieren. Nein, hier hat die Fleischindustrie freiwillig eine Verantwortung übernommen. Darauf werden wir sie auch festnageln.
Wirtschaftsausschuss, mitberatend Agrar- und Umweltausschuss sowie Sozialausschuss, über die Einzelheiten dazu reden. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen nicht über ein Thema der Vergangenheit. Wir sprechen nicht über Bedingungen, die überwunden sind, sondern wir sprechen über Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Werkverträgen und in Leiharbeit und deren teilweise schockierende Arbeitsbedingungen in unseren Schlachthöfen - jetzt, nicht in der Vergangenheit, das ist jetzt die Situation.
Das Ausmaß der Verschachtelung hat der Kollege Bernd Voß beschrieben. Dabei machen die Stammbelegschaften in einigen Fällen nicht einmal mehr 20 % der Beschäftigten aus. Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer arbeiten häufig zu gesetzwidrig langen Arbeitszeiten, bekommen keinen zusammenhängenden Urlaub, oft werden ihnen sozialversicherungsrechtliche Selbstverständlichkeiten wie eine ordentliche Krankenversorgung vorenthalten. Sie wohnen zum Teil unter unwürdigen Bedingungen. Ohne Sprachkenntnisse und ohne finanzielle Reserven sind die Arbeitsmigranten erpressbar und gezwungen, die unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.
Es gilt der Mindestlohn von 8,60 € im Schlachtgewerbe. Diesen Mindestlohn müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch erhalten. Wenn davon für Unterkunft, Verpflegung oder Krankenversorgung etwas abgezogen wird, ist das unzulässig und öffnet den betrügerischen Entsendungsfirmen Tür und Tor.
Als im vergangenen Jahr die Übernahme des Schlachtbetriebs Thomsen durch Tönnies vollzogen wurde, habe ich die Sorge geäußert, dass
Schleswig-Holstein immer tiefer in den Konzentrationsprozess der fleischverarbeitenden Industrie zu geraten droht. Von vielen war zu hören: Diese Entscheidung ist ohne Alternative. - Ein Unternehmensmodell, das auf unwürdige Arbeitsbedingungen mit Ausbeutung durch Leiharbeit und Werkverträge setzt, das hohen Druck auf amtliche Tierärzte und Lebensmittelhygieniker ausübt
und die Landwirtschaft in einen ruinösen Preiskampf treibt, kann nicht alternativlos sein. Dieses Modell ist ungerecht, das dürfen wir nicht hinnehmen.
Auch der Fleischereiverband Schleswig-Holstein formuliert diese Sorgen. Ganz eindeutig: Das Fleischerhandwerk leidet seit Jahren unter den Werkverträgen, denn es geht nicht nur um die Arbeitsbedingungen auf den Schlachthöfen, es geht auch um die Verarbeitung. In fast allen Fleisch- und Wurstfabriken haben mittlerweile die Konzerne das Sagen, und damit herrschen auch hier die unhaltbaren Zustände.
Das Handwerk bietet faire Arbeitsbedingungen, es bildet aus. Es ist in der Region eingebunden. Das sind die regionalen Strukturen, die wir brauchen und fördern wollen.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Hans-Jörn Arp [CDU]: Wie wol- len Sie die denn fördern?)
Gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit müssen wir gesetzlich vorgehen. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Der gilt. Die Entwürfe liegen auf dem Tisch, und die müssen jetzt zügig beschlossen werden. Wir brauchen klare Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Einsatz von Werkverträgen und Leiharbeit. Wir brauchen Rechtssicherheit, wir dürfen keine Grauzonen und schwarze Arbeitsmärkte dulden. Und wir brauchen eine Stärkung der Betriebsräte, denn sie sind vor Ort bei den Kolleginnen und Kollegen.
Ja, es gilt die Selbstverpflichtungserklärung der Branche vom September 2015, aber es ist zu befürchten, dass diese Selbstverpflichtungserklärung dasselbe Schicksal erleidet wie die Erklärung aus
dem Jahre 2014. Da gab es so etwas nämlich in Ansätzen schon einmal, und es hat nicht gefruchtet. Es ist die Sorge, dass auch das wieder eine bloße Sprechblase wird. Die Einhaltung der Selbstverpflichtung muss kontrolliert werden, und sie muss protokolliert werden. Dabei sind die Sozialpartner, die Kirchen und die Kontrollbehörden zu beteiligen. Wenn sich herausstellt, dass sich die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht verbessert, dann muss Schluss sein. Dann brauchen wir gesetzliche Regelungen und schärfere Sanktionen.
Den 1. Mai 2016 hat der DGB überschrieben mit: „Mehr Zeit für Solidarität“. - Ja, es ist höchste Zeit, mit dem Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit Schluss zu machen. Genau hinsehen, handeln - das ist die Herausforderung.
Wir beantragen zu unserem Antrag die Abstimmung in der Sache, und natürlich bitten wir um Zustimmung. Den Antrag der CDU lehnen wir ab. Eine weitere Behandlung in den Ausschüssen wird dann auch noch möglich sein. - Ich danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einmal direkt auf den vorliegenden Antrag eingehen, weil ich da wirklich einige Punkte sehr bemerkenswert finde. Sie schreiben hier im ersten Satz, dass der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen unterbunden werden müsse. Das ist natürlich richtig. Natürlich muss Missbrauch unterbunden werden, gar keine Frage.