Protokoll der Sitzung vom 29.04.2016

und muslimischen Religionsgemeinschaften und bei all ihren Mitstreitern für den Einsatz bedanken.

Ich will mich vor allem für die vielen Gespräche, die wir geführt haben, und auch für ihre Beweglichkeit bedanken. Sie vertreten ein berechtigtes Anliegen derer, die ihre Unterschrift geleistet haben. Denen gegenüber müssen Sie sich für ihre Kompromissbereitschaft, was die Formulierung angeht, auch rechtfertigen.

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Petenten sich darauf einlassen, dass wir bestimmte Fristen nicht einhalten. Sie und uns eint, dass wir möglichst zu einer Formulierung kommen wollen, die hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag eine Zweidrittelmehrheit bekommt. Deswegen bedanke ich mich bei Ihnen ausdrücklich für diese Gespräche und die tolle Arbeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bedanke mich aber auch ausdrücklich bei allen Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag für die Gespräche, die wir hier miteinander geführt haben. Dies ist ein Thema, bei dem alle Fraktionen gesagt haben: Hier gibt es keinen Fraktionszwang, sondern jeder Abgeordnete ist in dieser Frage nur seinem Gewissen unterworfen.

Daher waren in den letzten Wochen viele Einzelgespräche notwendig. Insbesondere bei denjenigen, die sich in der letzten Debatte bei den Formulierungen, die wir gefunden haben, noch zurückhaltend gezeigt haben, möchte ich mich ausdrücklich für viele Formulierungsvorschläge bedanken, für die wirklich ehrliche Bereitschaft, miteinander einen Kompromiss zu finden. Dieser herzliche Dank für diese tolle Gesprächskultur geht in alle Richtungen!

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich will aber bewusst nicht nur denjenigen danken, die beim letzten Mal kritisch eingestellt waren, sondern ich danke auch ausdrücklich denen, denen vielleicht die Formulierung ein Stück von dem abweicht, was sie beim letzten Mal aus voller Überzeugung unterstützt haben.

Ich sage das auch durchaus in Bezug auf meine eigene Fraktion, bei der ich mich bedanken kann auch wir haben bei diesem Punkt keinen Fraktionszwang -: Es gibt viele, die die kurze und prägnante Formulierung „In Verantwortung vor Gott und den Menschen“ oder die neue Formulierung der Initiative „In Achtung der Verantwortung vor Gott und

vor anderen Quellen gemeinsamer Werte“ deutlich bevorzugt hätten.

Die Formulierung, über die wir jetzt beraten, ist in ihrer etwas verklausulierten Form etwas, das den einen oder anderen beschwert, der sagt: „Ich mag das lieber klar und griffig, sodass man das verstehen kann.“

Auch wenn sich das nicht ganz ernst gemeint anhört, glaube ich: Es kann schon ein Argument sein, dass eine kurze und prägnante Formulierung in der jetzigen Form der Präambel fast wie ein Fremdkörper wirken würde. Die Präambel ist so formuliert, dass man anerkennen muss: Bei der einen oder anderen Formulierung hätte man sich ähnlich viel Zeit nehmen sollen, um sie insgesamt prägnanter zu formulieren.

(Zuruf Peter Eichstädt [SPD])

Von daher appelliere ich an all diejenigen, die deswegen jetzt ins Zweifeln gekommen sind - auch in meiner Fraktion -: Geben Sie sich vielleicht doch noch einmal einen Ruck! Sagen Sie: Mensch, man hat doch der Ursprungsformulierung der Präambel mit all ihren Verklausulierungen zugestimmt. Vielleicht kann man dann in der aktuellen Diskussion noch einmal über den eigenen Schatten springen.

Ich glaube nämlich, dass wir nicht weit davon entfernt sind, eine breit getragene Formulierung zu finden, die auch von der Initiative unterstützt wird. Es ist eine Formulierung, die die Kritik derjenigen, die beim letzten Mal nicht zustimmen konnten, breit aufgenommen hat. Wir sind jetzt wirklich schon einen weiten Weg in diese Richtung gegangen.

Heute haben wir die erste Lesung, im Juli haben wir die zweite Lesung. Ich biete, nicht nur im Rahmen der Anhörung, die jetzt ohnehin durchgeführt wird, sondern auch bilateral zwischen den Fraktionen weitere Gespräche an, damit wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Ich finde, diese Initiative hätte es verdient. Die vielen Menschen, die unterschrieben haben, hätten es verdient. Es wäre für Schleswig-Holstein ein sehr gutes Zeichen, wenn wir dieser Formulierung am Ende unsere Zustimmung geben könnten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Martin Habersaat von der SPD-Fraktion.

(Daniel Günther)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haben die eigentlich nichts Besseres zu tun? - Das fragte sich mancher, der beobachtete, wie viel Zeit und Energie der Landtag, seine Fraktionen und viele Menschen im Land auf die Frage verwendeten, ob es nun einen Gottesbezug in der Landesverfassung geben soll.

Einerseits haben wir tatsächlich Besseres zu tun. Politik soll den Alltag der Menschen verbessern. Die Präambel der Verfassung hat auf den Alltag der Menschen bestenfalls mittelbaren Einfluss. Andererseits ist die Verfassung nicht weniger als die Grundordnung unseres politischen Gemeinwesens, und in der Präambel dieser Grundordnung geht es um die uns leitenden Werte. Sicherlich schadet es nicht, sich dieser Werte immer wieder zu vergewissern.

Im Oktober 2014 haben wir eine Verfassung beschlossen, in der es in der Präambel heißt:

„… in Vertretung der schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit, und dem Willen, Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität auf Dauer zu sichern und weiter zu stärken …“.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

Das ist ein solider Kanon an Tugenden und Werten, auf denen eine Gesellschaft durchaus zu gründen ist.

42.021 Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner haben allerdings im Rahmen einer Volksinitiative dafür unterschrieben, dass wir uns mit der Frage des Gottesbezuges noch einmal befassen sollen. Das Ziel der Initiative, wie ich es verstanden habe, war primär eine gesellschaftliche Debatte, und dieses Ziel wurde erreicht. Erinnert wurde auf vielen Veranstaltungen auch an das Grundgesetz, das sich das deutsche Volk durch seine verfassungsgebende Gewalt schließlich „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gegeben hat.

Im Oktober 2014 habe ich bei der zweiten Lesung zur Landesverfassung gesagt, der Privatmann Habersaat könnte so einem Gesetzesbezug in der Landesverfassung zustimmen, der Abgeordnete Habersaat könnte das nicht. Meines Erachtens muss in einer Zeit, in der Staat und Kirche getrennt sind,

in einer Präambelformulierung einer Landesverfassung gewissermaßen auch die Nichtexistenz Gottes theoretisch möglich sein.

Nach der erfolgreichen Volksinitiative wurden Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen eingeladen, um zunächst einmal alle denkbaren Formulierungen für die Präambel zusammenzutragen. Diese Sammlung wurde allen Fraktionen zur Verfügung gestellt. Auch ich bedanke mich für das offene und konstruktive Verfahren.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Es folgten Gespräche in den Fraktionen und wiederum eines der Volksinitiative mit Abgeordneten, in denen es darum ging, eine möglicherweise mehrheitsfähige Formulierung zu finden. Die Mehrheit, die wir letztlich brauchen, wird eine Zweidrittelmehrheit sein. Für die SPD war immer klar: In so einer Frage kann es keinen Fraktionswillen geben, hier gilt allein die Entscheidung jedes und jeder einzelnen Abgeordneten.

Die vorgeschlagene Formulierung lautet nun: „In Achtung der Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt …“ Aus meiner Sicht hat diese Formulierung zwei Vorzüge: Erstens bezieht sie sich nicht direkt auf Gott, sondern auf den Glauben an Gott. Der Glaube an Gott ist auf Erden deutlich leichter feststellbar als die Existenz Gottes - leider in der Weltgeschichte einmal mit positiven und einmal mit negativen Folgen.

Der Vorschlag unterstreicht allerdings die Bedeutung des Glaubens und der Religionsgemeinschaften für die Gesellschaft, in der wir leben. Diese Bedeutung ist auch im Jahr 2016 zweifelsohne vorhanden, genauso wie die Bedeutung des Glaubens für viele Einzelne hier im Saal oder im Land ganz persönlich.

Zweitens bietet die jetzt vorliegende Formulierung durch das „oder“ auch all denen Raum, die ihren Antrieb, ihre Werte und die Welt, in der sie leben, auch ohne „Gott“ definieren oder denen es wichtig ist, dass eine Gesellschaft 2016 auch ohne Gott definiert werden kann.

Was ich als Vorzüge verstehe, sehen andere als Schwäche dieser Formel. Mancher mag sie ablehnen, eben weil sie sich nicht auf Gott bezieht und in dieser Beziehung hinter dem Grundgesetz zurückbleibt. Andere lehnen sie vielleicht ab, weil sie aus ihrer Perspektive hinter der heutigen Präambel zu

rückbleibt, die es ja schaffte, einen soliden Wertekanon ohne Gott zu definieren.

Jede und jeder darf zu dieser Frage seine eigene Meinung haben. Alle Debatten der vergangenen Monate haben eines gezeigt: Die Menschen in Schleswig-Holstein können stolz auf ein solides Fundament gemeinsamer Werte sein, ob mit Gottesbezug in der Landesverfassung oder ohne. Das, meine Damen und Herren, ist eine gute Nachricht. Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Eka von Kalben von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Debatte um den Gottesbezug in der Verfassung ist für mich weder eine Gretchenfrage: „Wie hältst Du es mit Gott?“, noch eine Frage über die Verknüpfung von Kirche und Staat, sondern es geht meines Erachtens darum, ob wir in die Präambel ein Bekenntnis zur Vielfalt setzen, ein Bekenntnis dazu, dass in unserer Gesellschaft Menschen mit religiösen Bezügen und Menschen ohne solche einen Platz haben und haben dürfen.

Religion ist Privatsache, ja - aber Religionsfreiheit, Religionstoleranz sind hochpolitische Themen. Deshalb finde ich es auch wichtig, dass wir hier darüber diskutieren.

Ich bedanke mich bei der Bürgerinitiative, die den Anstoß für die heutige Debatte gegeben hat, und bei den vielen Bürgerinnen und Bürger, die diese Initiative unterstützt haben. Auch wenn insbesondere diejenigen, die einen sogenannten Gottesbezug und die Debatte darüber für überflüssig halten und als überflüssig einstufen mögen - ich halte diese und auch die in den vergangenen Wochen stattgefundenen Gespräche für wertvoll, unabhängig vom Ausgang des Verfassungsantrags.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Bereits die breite Diskussion hatte einen Wert an sich. Einmal mehr haben wir uns wieder substantiell auch mit Perspektiven und Grenzen von Politik auseinandergesetzt und versucht, das Verhältnis zwischen Staat und Religion auszuloten.

Wie auch schon bei der letzten Befassung mit dem Gottesbezug in der Landesverfassung gibt es auch heute keine einheitliche Meinung in der GrünenFraktion. Bei uns sind alle Positionen dieser Debatte, auch in der Fraktion, vertreten. Einige befürworten einen eindeutigen Gottesbezug wie im Grundgesetz und sind nicht so glücklich über die gefundene Kompromisslösung, andere lehnen eine religiöse Bezugnahme in der Verfassung grundsätzlich ab, völlig unabhängig davon, wie sie formuliert ist. Diese Position vertreten bei uns übrigens nicht nur Atheistinnen und Atheisten, sondern auch sehr gläubige Abgeordnete, auch Mitglieder der Kirche. Wieder andere von uns unterstützen den heute zur Diskussion stehenden Kompromiss. Ich hoffe, dass einige auch noch unentschieden sind.

Wir sehen, die Entscheidung über Gottesbezug und Demutsformel ist eine sehr vielschichtige. Auch ich hatte starke Zweifel. In der vergangenen Abstimmung habe ich gegen einen Gottesbezug in der Verfassung gestimmt. Ich muss sagen, dass mir die vielen Gespräche an den vielen Stellen, die wir darüber hatten, insbesondere mit jüdischen und muslimischen Vertreterinnen und Vertretern gezeigt haben, wie vielfältig der Wunsch nach dem Gottesbezug ist. Es geht eben nicht darum, eine Glaubensrichtung vorzuschreiben oder eine dominante Weltanschauung noch stärker zu machen, sondern es geht meines Erachtens darum, in unserer Gemeinschaft klarzumachen, dass alle Menschen das Recht haben, zu glauben oder auch nicht zu glauben und den Glauben auszuüben, den sie ausüben wollen. Das ist für mich ein Grund gewesen, mich in die Debatte und positiv in die Kompromissfindung einzubringen.

Das, was wir in unserer Gesellschaft erleben - gerade von rechts außen - ist etwas, was ausgesprochen gefährlich ist, weil es eben nicht mehr jeder und jedem das Recht zuspricht, ihre oder seine Religion auszuüben. Deshalb finde ich, ist dieser Kompromiss, den wir hier gefunden haben, ein deutliches Zeichen auch für Toleranz in unserer Gesellschaft gegenüber Menschen, die nicht dem christlichen Glauben, sondern einem anderen folgen.

Der Gottesbezug ist auch ein Zeichen dafür, dass Religion in unserer Gesellschaft einen Platz hat. Bei aller Trennung von Staat und Religion, die auch ich wünsche, und an Kritik, die man an Kirche haben kann und haben muss, lässt sich doch zeigen, dass es wichtig ist, dass die Religionen und die Glaubensgemeinschaften, die Kirche, bei uns eine positive Bindungskraft an die Gesellschaft haben. Als Beispiel sehen wir uns immer den säkularen

(Martin Habersaat)

Staat Frankreich an. Dort können wir sehen, dass die Bindungskräfte zum Teil nicht gut wirken. Deshalb halte ich es für sinnvoll und richtig, dass mit diesen Gesprächen, die wir jetzt führen, Glaubensgemeinschaften und Religion in unserer Gesellschaft gestärkt werden.

Für mich ist der heute vorliegende Antrag ein Kompromiss, der vielen gerecht werden soll. Dadurch hat er sprachliche Tücken. Auch inhaltlich kann man das eine so oder so sehen. Aber so ist das bei Kompromissen. Ich hätte mir auch eher eine Demutsformel gewünscht, die zum Beispiel das Wort „Gott“ nicht explizit nennt, weil ich immer noch denke, dass die Mehrheit der Gesellschaft mit „Gott“ nur den christlichen - entschuldigen Sie, wenn ich „nur“ sage - Gott versteht. Das ist nicht das, was zumindest ich damit ausdrücken will und was - so zumindest habe ich es verstanden - auch die Volksinitiative ausdrücken will.