Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

(Johannes Callsen)

Ich finde es auch ein Stück bedauerlich in dieser Gesamtdiskussion, dass die sogenannte Teilzeitausbildung eingestellt worden ist, weil sie doch auch für die Zukunft ein Potenzial erschlossen hätte, das unter den gegenwärtigen Bedingungen für eine Ausbildung in Vollzeit nicht zur Verfügung steht.

Meine Damen und Herren, es gibt noch viel zu tun. Wir warten auf die weiteren Ergebnisse und freuen uns auf die weiteren Berichte im Ausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Sehr geehrter Herr Präsident Schlie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von meiner Fraktion, Herr Minister, zunächst einen herzlichen Dank an Sie und an Ihr Team für Ihren Bericht.

Es gab keinen Empfang der schleswig-holsteinischen Wirtschaft und der IHK in den letzten Jahren, an dem ich teilgenommen habe, auf dem zahlreiche Redner nicht mit sorgenvoller Miene auf den demografischen Wandel und auf die drohende Fachkräftekrise hingewiesen haben. Ist das Glas in Schleswig-Holstein nun halb voll oder halb leer?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist klar: Fachkräftesicherung ist Standortsicherung. Die einzelnen Bundesländer in Deutschland stehen in einem harten Konkurrenzwettbewerb um die besten und klügsten Köpfe.

Was hat Schleswig-Holstein zu bieten? Ich finde, eine ganze Menge. Auf jeden Fall haben wir eine hohe Lebensqualität. Wir wissen seit vielen Jahren, dass wir in Schleswig-Holstein die glücklichsten Menschen im Vergleich aller Bundesländer haben. Wir haben gute Arbeitsbedingungen. Ich bin auch stolz darauf, dass wir einen Mindestlohn im Lande haben, der weit über dem liegt, was normalerweise in anderen Bundesländern bezahlt wird. Wir sind weltoffen, wir sind tolerant. Wir haben aber auch eine Regierung, die sehr viel Wert darauf legt, dass Gleichstellung von Frauen im Beruf in Schleswig-Holstein keine leere Formel ist.

Heute Morgen fand ich unter dem Motto Kindertagesbetreuung U 3 sehr beachtlich, was wir auf die

sem Gebiet machen. Ich hätte das heute Morgen eigentlich schon sagen wollen. Aber die Debatte war so toll, und meine Kollegin Erdmann hatte eine tolle Rede gehalten, weshalb ich mich nicht einmischen wollte. Aber eines ist doch klar: Eine gute Kinderbetreuung ist auch Wirtschaftspolitik. Eine gute Kinderbetreuung, eine gute Auslastung unserer Kindergärten ist Standortpolitik.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich lade herzlich dazu ein, dass Sie es auch in Ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsminister mit voranbringen, dass wir dieses KitaPortal nicht nur in den Sozialen- und Jugendhilfeorganisationen diskutieren, sondern dass wir das bei jedem schleswig-holsteinischen Unternehmer und bei jeder Unternehmerin, die sich bei uns ansiedeln wollen, zum Ausdruck bringen: „Wir haben ein solches Instrument; nutzen Sie das. Sie finden auch für Ihre Familien einen guten Kita-Platz zu gerechten Bedingungen hier bei uns in Schleswig-Holstein.“

Diese Landesregierung braucht sich nicht zu verstecken; der Minister hat das in seinem Bericht eindrücklich deutlich gemacht. Chapeau! Ihr Bericht war eindrücklich. Wir sind auf einem guten Weg.

Aber man kann natürlich immer noch mehr machen, und auf dieses „Mehr“ möchte ich nun gerne eingehen. Wir sind zu Recht stolz darauf, mit welchem Engagement wir bei der Integration von Flüchtlingen in Schleswig-Holstein voranschreiten. Das ist keineswegs selbstverständlich, sondern Ausdruck unserer Kultur. Es ist aber auch Ausdruck unserer Leistungsfähigkeit der Menschen in Schleswig-Holstein, vor allen Dingen aber auch unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen. Was die insoweit leisten, ist großartig. Die sind mittenmang dabei, Menschen zu integrieren; die stehen an unserer Seite, wenn es darum geht, die Flüchtlingskrise erfolgreich zu bewältigen.

(Beifall Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben ein hohes Potenzial. Dieses Potenzial ist eben nicht nur eine Herausforderung, sondern auch - das möchte ich ganz deutlich betonen - eine Chance, eine Chance für ein Bundesland, sich etwas small, beautiful, vielleicht auch an dem Mainstream vorbei, zu einem Land zu entwickeln, in dem wir vielleicht auch und gerade in der Balance zwischen Ökologie und Ökonomie ein positives Beispiel für eine moderne Gesellschaft der Zukunft des 21. Jahrhunderts sein können.

(Johannes Callsen)

Die Integration von Flüchtlingen hatte ich bereits angesprochen, aber noch nicht das Thema Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und Fachkräftesicherung. Da müssen wir noch besser werden. Ich habe mich immer hier hingestellt und auch mit den Handwerksverbänden über Meisterbriefe und dergleichen gesprochen. Herr Breyer war nicht immer nur begeistert. Aber wenn wir jetzt tatsächlich die große Chance haben, Flüchtlinge zu integrieren, dann müssen wir mehr tun, und wir müssen das Ständedenken überwinden. Vielleicht müssen wir auch an der einen oder anderen Stelle unsere Handwerksordnung noch einmal anschauen, damit wir junge Flüchtlinge, die zu uns kommen, schneller in Beruf und Arbeit bringen.

Ich möchte auch noch etwas erwähnen, was Sie in Ihrem Bericht nicht gesagt haben, was ich aber meiner Kollegin Ines Strehlau, die heute nicht hier ist, sehr hoch anrechne. Ich rechne dies aber nicht nur meiner Kollegin Ines Strehlau an, sondern auch der Kollegin Jette Waldinger-Thiering und allen, die daran mitgearbeitet haben. Das sind unsere Jugendberufsagenturen. Ich finde, es ist ein gutes Beispiel, dass wir diese Jugendberufsagenturen auf den Weg geschickt haben. Ich meine auch, dass dies zu Recht in einen solchen Bericht hineingehört, Herr Minister. Integration von jungen Menschen, Übergang von Schule in Ausbildung und Arbeit, all das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren. Insoweit sind wir zwar schon richtig gut; aber da könnten wir noch ein bisschen mehr Gas geben. Ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt.

Ich darf auch sagen: Wer Fachkräftesicherung erfolgreich macht, wer hier politisch erfolgreich Hebel ansetzt, der trägt zukünftig zur erheblichen Wertschöpfung bei.

Herr Minister, ich bin ein Fan der Tour de France. Ihr Bericht zeigt: Wir sind auf einem guten Weg. Die Bergetappen liegen vielleicht noch vor uns. Aber ich verleihe Ihnen heute das Gelbe Trikot. Sie haben es verdient. Glück auf!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge des Kollegen Dr. Tietze machen mich immer

wieder fassungslos. Wie man am heutigen Tage beim Thema Sport in Frankreich über die Tour de France reden kann, ist mir schleierhaft.

(Beifall und Heiterkeit FDP und vereinzelt SPD - Zurufe)

- Jetzt ist schon eine halbe Minute weg. Ich hole die Zeit wieder durch schnelleres Sprechen auf. Zurück zum Thema: Demografischer Wandel und Strukturwandel stellen unseren Wirtschaftsstandort in der Tat vor erhebliche Herausforderungen. In vielen Branchen ist der Fachkräftemangel bereits heute deutlich spürbar, so vor allem im Pflege- und Sozialwesen, im Tourismus, im verarbeitenden Gewerbe und in der Logistikbranche. Herr Minister, eine Fachkräfteinitiative kann grundsätzlich ein nützliches Instrument sein, um bestimmte Engpässe auf dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein zu evaluieren. Die Politik muss dann aber auch die richtigen Schlüsse aus einem solch aufwendigen MonitoringProzess ziehen, den es übrigens nicht erst seit 2012 gibt, sondern den es bereits zu Zeiten der schwarzgelben Regierung unter Arbeitsminister Dr. Heiner Garg gab. Das hieß dann nur Fachkräftebündnis statt Fachkräfteinitiative. Dies wurde umbenannt, der Inhalt ist im Wesentlichen der Gleiche geblieben.

Herr Minister, Sie haben mehrere Maßnahmen genannt. Sie haben aber auch über die strategischen Aufgaben gesprochen, die notwendig sind, um dem Fachkräftemangel tatsächlich wirksam begegnen zu können. Die Digitalisierung birgt, anders als manchmal in den Medien suggeriert, nicht nur Risiken für unseren Arbeitsmarkt, sondern vielmehr sehr vielseitige Chancen sowohl für die universitäre als auch die außeruniversitäre Bildung, und sie ermöglicht viele neue Geschäftszweige und damit auch Arbeitsplätze, wenn man denn offensiv mit ihr umgeht. Ich glaube, die Digitalisierung ist gerade für ein Land wie Schleswig-Holstein eine Riesenchance.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Minister, ich finde es sehr bedauerlich, dass uns der Chef der Staatskanzlei neulich auf Nachfrage hin mitgeteilt hat, dass die Digitale Agenda erst im November 2016 überhaupt ins Kabinett gehen soll, also kurz vor einer Landtagswahl. Ich finde das ausgesprochen schade. Es ist eine verpasste Chance, dass man erst Ende 2016 den Entwurf für eine Digitale Agenda haben wird.

(Beifall FDP und CDU)

(Dr. Andreas Tietze)

Eine Berufsausbildung und ein Hochschulstudium sollte man nicht mehr als krassen Gegensatz oder irgendwie hierarchisch betrachten. Ein Meister ist nicht schlechter als ein Master, und nicht selten verdient er sogar besser. Manchmal wird aus einem Meister auch ein Master. Das ist heute keine Seltenheit mehr, und das ist gut so. Immer häufiger wird auch beides miteinander kombiniert. Duale Studiengänge boomen. Ich kann diese aus persönlicher Erfahrung heraus nur jedem empfehlen.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

- Ich glaube, als ehemaliger Arbeitsminister solltest du das lebenslange Lernen einmal ausprobieren.

(Beifall Serpil Midyatli [SPD] und Uli König [PIRATEN])

Das sollte jetzt kein Wegloben sein. - Herr Dr. Tietze, ich möchte einen Punkt ansprechen, der ein großes Problem ist. Hier ist Schleswig-Holstein leider Schlusslicht. Wir sollten uns in dieser Debatte auch damit befassen. Ich meine Schulabgänger ohne Schulabschluss.

(Beifall FDP)

Wir haben in Schleswig-Holstein immer noch eine erschreckend hohe Anzahl pro Jahrgang. Schleswig-Holstein ist hier Schlusslicht. Herr Dr. Tietze, das wird leider auch nicht besser, sondern schlechter, wie wir aus Studien wissen. Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die die Landesregierung besonders ins Auge fassen sollte.

Das duale Ausbildungssystem wurde mehrfach genannt. Ich möchte nur darauf hinweisen: Es gab Anträge beispielsweise aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg, aus Mölln, dass das Land hier massiv bezuschusst. Ich muss sagen, ich bin sehr enttäuscht, dass das Land sich im Bereich der dualen Ausbildung nur sehr zurückhaltend eingebracht hat, anders als beispielsweise die schwarz-gelbe Landesregierung bei Bürgermeister Albig damals in Kiel. Hier hat das Land damals massiv die Modernisierung der beruflichen Schulen unterstützt.

(Beifall FDP)

Ich glaube, gestern oder vorgestern wurde über das Thema Informatik an den Schulen gesprochen. Ich wollte mich nicht in die Debatte einmischen. Ich wollte die Debatte nicht verlängern. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Programmiersprachen in Zukunft im Zweifel sogar wichtiger werden als Fremdsprachen. Herr Minister, die Digitale Agenda lässt auch hier leider auf sich warten. Auf diesen Punkt möchte ich hinweisen.

(Beifall FDP und Uli König [PIRATEN])

Es wurde mehrfach über das Potenzial von Flüchtlingen gesprochen. Ich kann nur dazu aufrufen, dies realistisch zu betrachten, aber hier gibt es natürlich ein gewisses Potenzial, das man mit Qualifizierungsmaßnahmen heben sollte. Das ist nicht nur im Interesse der zu uns geflüchteten Menschen, sondern auch im Interesse unseres Landes.

Abschließend möchte ich noch zu unseren Freunden in der Union kommen. Ich verstehe nicht, dass es bis heute kein modernes Einwanderungs- und Zuwanderungsgesetz für Deutschland gibt, durch das man qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland steuert.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich verstehe wirklich nicht, dass die Union das nicht mitmacht. An die Landesregierung: Wir haben das FDP-Konzept zur Zuwanderung und zur Flüchtlingspolitik hier im Landtag mit Mehrheit beschlossen, Herr Dr. Stegner. Es wäre doch schön, wenn die Landesregierung dies im Bundesrat vorantreiben würde. Vielleicht könnten wir der Union auf Bundesebene so ein Stück weit auf die Sprünge helfen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Uli König das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es droht kein Fachkräftemangel, wir sind mittendrin. Wir spüren diesen Fachkräftemangel hautnah, wenn es zum Beispiel zu einem Aufnahmestopp in Pflegeheimen kommt, weil immer mehr Einrichtungen kein Personal finden. Der Fachkräftemangel in vielen Pflegeheimen spitzt sich dramatisch zu. Im Kreis Nordfriesland ist die Situation besonders prekär. Nur knapp die Hälfte der Einrichtungen hält die gesetzlich vorgeschriebene Fachkräftequote von 50 % ein.